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Wiener Konfektionshäuser, in Prag, [* 2] Proßnitz etc. von großen, fabrikmäßig eingerichteten Unternehmungen betrieben wird; die Hutindustrie, welche in Wien, [* 3] Prag und Neutitschein konzentriert ist und gleichfalls ansehnliche Mengen exportiert.
In Verbindung mit dem Ackerbau als der Haupterwerbsart der Bevölkerung [* 4] von Österreich, [* 5] steht eine sehr entwickelte Industrie in Nahrungs- und Genußmitteln. Für die Erzeugung von Mahlprodukten gibt es in Österreich, über 31,500 Mühlen, [* 6] von welchen ca. 350 mit Dampfkraft betrieben werden. Einen bedeutenden Aufschwung hat die Rübenzuckererzeugung genommen. Es bestanden 1885 in Österreich, 214 Rübenzuckerfabriken, davon in Böhmen [* 7] 150, in Mähren 51, in Schlesien [* 8] 9, in Niederösterreich 3 und in Galizien eine.
Dieselben verarbeiteten zusammen 41 Mill. metr. Ztr. Rüben und decken mit ihrer Produktion nicht nur den gesamten einheimischen Bedarf, sondern liefern auch ein bedeutendes Quantum für den Export in das Ausland. Die Erzeugung von Zichorie, Feigenkaffee und andern Kaffeesurrogaten beschäftigt in Österreich, 90 Unternehmungen, darunter 35 Fabriken; für die Erzeugung von Schokolade und Konditorwaren sind Wien und Nordböhmen die Hauptplätze. Die Bierproduktion hat in der Monarchie eine sehr hohe Stufe erlangt und liefert ein auch im Ausland sehr beliebtes Getränk.
Die Zahl der Brauereien hat zwar von Jahr zu Jahr eine Verminderung erfahren; doch fällt diese Reduktion auf die kleinen ländlichen Unternehmungen, welche gegenüber der Konkurrenz der Fabriketablissements einen immer schwieriger Stand haben. 1885 gab es in Österreich, 1902 Bierbrauereien, von welchen auf Böhmen 797, auf Oberösterreich 239, auf Galizien 174, auf Mähren 172, auf Tirol [* 9] 149, auf Kärnten 95, auf Niederösterreich 81 entfallen. Die Gesamtproduktion belief sich 1885 auf 12,5 Mill. hl. Die Branntweinbrennerei wird in Österreich, sehr umfangreich, zum größten Teil aber als landwirtschaftliche Nebenbeschäftigung betrieben.
Die Zahl der Unternehmungen betrug 1885: 37,586. Größere Brennereien haben hauptsächlich in Galizien und der Bukowina, Böhmen, Mähren und Schlesien ihren Standort, während die kleinen Brennereien sich meistens in den Alpenländern befinden. Rosoglio und Liköre werden in größern Mengen in Galizien, Mähren, Schlesien, Böhmen, Niederösterreich und Dalmatien (Maraskino), moussierende Weine von fabrikmäßigen Unternehmungen in Niederösterreich und Steiermark [* 10] erzeugt. Die Produktion von Met ist nur in Galizien von einigem Belang; jene von Essig wird in allen Ländern, zumeist durch Kleingewerbe, betrieben. Die Fabrikation von Tabak [* 11] ist, wie der Anbau desselben, Gegenstand eines Staatsmonopols. Es bestehen 28 Ärarialfabriken für Tabak und Zigarren, meistens großartige Etablissements, welche zusammen über 25,000 Personen beschäftigen u. jährlich ca. 320,000 metr. Ztr. Tabaksfabrikate erzeugen.
Handel und Verkehr.
Der österreichische Handel ist verhältnismäßig ansehnlich und zwar sowohl der Verkehr zwischen den einzelnen Ländern und Handelsplätzen als der mit dem Ausland. In Bezug auf den letztern bildet Österreich, mit Ungarn [* 12] ein einheitliches Handels- und Zollgebiet (s. Österreich.-Ungar. Monarchie). Noch weit mehr als der Außenhandel ist der Binnenhandel Landhandel u. wird durch das ziemlich reich entwickelte Eisenbahnnetz und durch die schiffbaren Flüsse [* 13] vermittelt; zum geringern Teil ist er auch Seehandel zwischen den an der adriatischen Küste gelegenen Provinzen. In sämtlichen 109 österreichischen Seehäfen liefen 1886: 40,166 beladene Schiffe [* 14] mit 5,233,218 Ton. ein. Hiervon kommen auf Triest, [* 15] den Haupthafen Österreichs, der zugleich die Rolle eines internationalen Stapelplatzes hat, 5381 Schiffe mit 994,087 T., darunter 2228 Dampfer mit 858,372 T.; die Gesamtmenge der in Triest zur See eingeführten Waren betrug 1886: 5,3, jene der Ausfuhr zur See 6,8 Mill. metr. Ztr. Andre wichtige Häfen mit Angabe der 1886 beladen eingelaufenen Schiffe und ihres Tonnengehalts sind:
Schiffe | Tonnen | |
---|---|---|
Spalato | 1814 | 286366 |
Pola | 1790 | 265156 |
Zara | 1087 | 254057 |
Rovigno | 2163 | 225405 |
Sebenico | 1123 | 198755 |
Der Stand der Handelsflotte, welche in Österreich, und Ungarn eine und dieselbe Flagge führt und nach gleichen gesetzlichen Normen behandelt wird, betrug Anfang 1887 in Österreich,: 9252 Fahrzeuge mit 240,810 T. und 27,586 Mann Equipage, darunter 128 Dampfer mit 85,685 T. und 23,598 Pferdekräften. Die Einwohner des Küstenlandes und Dalmatiens liefern die besten Seeleute, und die Verläßlichkeit und Ehrlichkeit der österreichischen Kapitäne hat ihnen im Ausland hohes Vertrauen gewonnen.
Die wichtigste Seeschiffahrtsunternehmung ist die Dampfschif
fahrtsgesellschaft des
Österreichisch-Ungarischen
Lloyd; dieselbe
verfügt über 85
Schiffe mit 116,461 T., die jährlich auf 1600
Fahrten über 300,000 Reisende und 5½
Mill. metr. Ztr.
Güter befördern. Die
Dampfer des Österreichischen
Lloyd verkehren auf ihren regelmäßigen
Fahrten an den
adriatischen
Küsten, in der
Levante, im
Schwarzen
Meer und auf der untern
Donau, im
Griechischen Archipel, im
Roten
Meer und nach
Indien. Die österreichische
Flagge weht auch in den Häfen
Süd- und
Nordamerikas,
Chinas und
Japans.
Was die Verkehrsmittel und zwar zunächst die Straßen betrifft, so werden die wichtigsten Linien vom Staat unterhalten und heißen Reichs- oder Ärarialstraßen; andre bauen und unterhalten die einzelnen Kronländer, Bezirke oder Gemeinden (Landes-, Bezirks-, Gemeindestraßen). Die Gesamtlänge aller (gebauten) Straßen beträgt 96,040 km, wovon 15,336 km auf Ärarialstraßen kommen. Die Wasserstraßen haben eine Ausdehnung [* 16] von 3900 km, wovon 1311 mit Dampfschiffen befahren werden.
Die
Donau-Dampfschiffahrtsgesellschaft verfügt über 189
Dampfboote (17,144
Pferdekräfte) und 741 Schleppschiffe, die jährlich
1,8 Mill. Reisende und über 15 Mill. metr. Ztr.
Waren befördern. Dampfschif
fahrtslinien bestehen außerdem auf der
Elbe von der Vereinigung mit der
Moldau
bis zur sächsischen
Grenze und teilweise auch auf diesem Nebenfluß, dann auf dem
Boden- und
Gardasee, dem
Hallstätter, Atter-,
Traun-, St.
Wolfgang-,
Mond- und
Wörther See in den
Alpen.
[* 17] Wichtige Wasserstraßen sind ferner die
Etsch, der
Dnjestr und die
Weichsel.
Die Eisenbahnen hatten in Österreich, Ende 1886 eine Länge von 13,656 km. Hiervon sind 5058 km im Staatsbetrieb, die übrigen im Privatbetrieb (5 gemeinsame, 42 österreichische Eisenbahngesellschaften). Die erste Lokomotivbahn wurde in Österreich, 1837 eröffnet (die Pferdeeisenbahn Linz-Budweis wurde schon 1828 dem Betrieb übergeben und war die erste Eisenbahn auf dem europäischen Kontinent); seitdem fiel die regste Eisenbahnthätigkeit in die Jahre 1867-74, während von da an die private Bauthätigkeit beinahe gänzlich ins Stocken geraten ist. Auf den sämtlichen Bahnen Österreichs werden jährlich ca. 50 Mill. Passagiere und über 500 Mill. metr. Ztr. Güter befördert. ¶
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Wien und Prag sind die Zentralpunkte des österreichischen Eisenbahnnetzes. Außerdem bilden hervorragende Eisenbahnknotenpunkte die in dem nordwest-böhmischen Kohlenbecken, welches sich durch das verzweigteste Bahnnetz auszeichnet, gelegenen Städte Aussig, Teplitz, Brüx und Komotau, ferner Pilsen, [* 19] Eger, [* 20] Budweis, Kolin [* 21] in Böhmen, Brünn [* 22] und Olmütz [* 23] in Mähren, Jägerndorf und Oderberg in Schlesien, Wiener-Neustadt in Niederösterreich, Graz in [* 24] Steiermark, Villach in Kärnten, Krakau [* 25] und Lemberg [* 26] in Galizien.
Die Telegraphie hat sich seit ihrer Einführung in Österreich, (1848) zu einem wichtigen Verkehrsmittel entwickelt; sie verfügte 1886 über 39,108 km Telegraphenlinien mit 102,481 km Drähten, 3192 Stationen und 4655 Apparaten. Außer dem Staatstelegraphen ist hierunter auch der Telegraph [* 27] der Eisenbahnverwaltungen und der Privattelegraph (namentlich der Wiener Lokaltelegraph) inbegriffen. Der Korrespondenzverkehr umfaßt 6,3 Mill. gebührenpflichtige Depeschen.
Das Postwesen zeigt namentlich auf dem Gebiet des Briefpostverkehrs eine außerordentliche Steigerung, wogegen der Frachtverkehr durch die Entwickelung des Eisenbahnwesens in engere Grenzen [* 28] eingeschränkt wurde. Es bestehen gegenwärtig 4347 Postanstalten, welche einen Briefpostverkehr von 408 Mill. Briefen und Korrespondenzkarten, über 56 Mill. Stück Warenproben und Drucksachen und 90 Mill. Zeitungsexemplare vermitteln. Zu den Förderungsmitteln des Handels und Verkehrs gehören außerdem die Märkte, welche aber seit der raschen Zunahme der Eisenbahnlinien ihre einstige Bedeutung eingebüßt haben, die Handels- und Gewerbekammern (29), die Börsen, die Banken und Kreditinstitute u. a. Österreich, besitzt im ganzen 53 Banken und Anstalten für den hypothekarischen, Geschäfts- und industriellen Kredit, von welchen eine einzige mit dem Rechte der Notenausgabe versehen ist, nämlich die 1816 gegründete k. k. privilegierte Österreichische Nationalbank, seit 1878 Österreichisch-ungarische Bank, in Wien mit einem Aktienkapital von 90 Mill. und einem Banknotenumlauf von 375 Mill. Gulden, deren Wirksamkeit sich auf den ganzen Umfang des Reichs erstreckt.
Die hervorragendsten sonstigen Bankinstitute sind: die Österreichische Kreditanstalt für Handel und Gewerbe (Aktienkapital 40 Mill. Guld.), die Länderbank (46,8 Mill. Guld.), der Wiener Bankverein (25 Mill. Guld.), die Anglo-österreichische Bank (18 Mill. Guld.), die Unionbank (12 Mill. Guld.) und die Allgemeine österreichische Bodenkreditanstalt (12 Mill. Guld.), sämtlich in Wien. Sparkassen zählt Österreich, 380 mit Einlagen im Betrag von 1054 Mill. Guld. Hierzu kommt noch das Postsparkassenamt mit über 4000 Sammelstellen und 40,5 Mill. Guld. Einlagen. Der Münzfuß ist seit dem zwischen Österreich, und den Staaten des Deutschen Zollvereins unterm abgeschlossenen Münzvertrag der 45-Guldenfuß oder die österreichische Währung. Der Gulden wird in 100 Kreuzer eingeteilt und ist = 2 Mark. Das metrische Maßsystem ist seit gesetzlich eingeführt.
Staatsverfassung und -Verwaltung.
Österreich, bildet mit Ungarn eine Monarchie, welche dieselbe Dynastie und gewisse als gemeinsam erklärte Angelegenheiten besitzt (s. Österreichisch-Ungarische Monarchie). Im übrigen sind Österreich, und Ungarn besondere Staatsgebiete mit besonderer Verfassung, welche die eingeschränkt (repräsentativ-) monarchische ist. Staatsgrundgesetze sind für Österreich, außer den mit Ungarn gemeinsamen (s. Österreichisch-Ungarische Monarchie): das Diplom vom (Einführung der konstitutionellen Regierungsform);
die Staatsgrundgesetze vom (betreffend die Organisation der Reichsvertretung, die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, die Einsetzung eines Reichsgerichts, die richterliche Gewalt, die Regierungs- und Vollzugsgewalt);
die Landesordnungen und Landtagswahlordnungen für die einzelnen Länder vom (durch spätere Gesetze modifiziert).
Die österreichische Volksvertretung ist eine zweifache: eine Gesamtvertretung für alle Länder des österreichischen Staatsgebiets, der Reichsrat, dessen Wirkungskreis alle Gegenstände der Gesetzgebung umfaßt, welche Rechte, Pflichten und Interessen betreffen, die allen Ländern dieses Staatsgebiets gemeinschaftlich sind, und eine besondere Vertretung für jedes einzelne Land, die Landtage. Der Reichsrat besteht aus dem Herrenhaus und dem Abgeordnetenhaus.
Mitglieder des erstern sind durch Geburt die großjährigen Prinzen des kaiserlichen Hauses, mit erblicher Würde die großjährigen Häupter hervorragender Adelsgeschlechter, vermöge hoher Kirchenwürde die Erzbischöfe und Fürstbischöfe, dann auf Lebensdauer vom Kaiser berufene verdiente Männer, insgesamt gegenwärtig 190 Mitglieder. Das Haus der Abgeordneten ist aus 353 Mitgliedern zusammengesetzt, welche von den Wählerklassen des großen Grundbesitzes (in Tirol des adligen großen Grundbesitzer der Äbte und Pröpste, in Dalmatien der Höchstbesteuerten), der Städte, Märkte und Industrieorte, der Handels- und Gewerbekammern und der Landgemeinden auf die Dauer von sechs Jahren gewählt werden. In ähnlicher Weise wie das Abgeordnetenhaus des Reichsrats sind die Landtage zusammengesetzt, denen als verwaltendes und ausführendes Organ der gewählte Landesausschuß zur Seite steht.
Die Gemeindevertretung beruht in den im Reichsrat vertretenen Ländern auf dem Reichsgesetz vom und auf den Gemeindeordnungen der verschiedenen Länder, neben welchen noch die Landeshauptstädte und einige andre Städte besondere Gemeindestatuten besitzen. In jeder Gemeinde bestehen der Gemeindeausschuß und der Gemeindevorstand; der erstere, von den wahlberechtigten Gemeindemitgliedern auf drei Jahre gewählt, ist das beschließende und überwachende, der letztere, vom Gemeindeausschuß berufen und aus dem Gemeindevorsteher, dann mindestens zwei andern Mitgliedern gebildet, ist das verwaltende und vollziehende Organ. An Stelle des letztern tritt in den Städten eine Körperschaft (Magistrat, Bürgermeisteramt), welche entweder bloß aus Beamten oder teils aus diesen, teils aus Ausschußmitgliedern zusammengesetzt ist. Der Wirkungskreis der Gemeinde ist ein doppelter: der selbständige, der das eigentliche Gebiet der Gemeinde berührt, und der übertragene, welcher in der Mitwirkung zu Zwecken der Staatsverwaltung besteht. Gemeinden höherer Ordnung bilden die Bezirke, welche aber bisher nur in Steiermark, Tirol, Böhmen, Schlesien und Galizien eigne Bezirksvertretungen und Bezirksausschüsse für ihre gemeinsamen Interessen besitzen.
Die Staatsverwaltung geht in oberster Linie vom Kaiser aus und wird in dessen Namen von den Ministerien und den denselben untergeordneten Behörden ausgeübt. Zum unmittelbaren Dienste [* 29] des Landesfürsten ist die Kabinettskanzlei für die Zivil- und die Militärkanzlei für die Militärangelegenheiten bestimmt. Für das österreichische Staatsgebiet sind als oberste Zentralbehörden sieben k. k. Ministerien mit dem Sitz in Wien bestellt, nämlich: die ¶