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Handelskammerbezirk in Böhmen. [* 2] Die Erzeugung von Perlen, Knöpfen und andern Glaskurzwaren nahm in der Gablonzer Gegend, getragen von der Moderichtung, einen außerordentlichen Aufschwung und steht mit der dortigen Gürtlerei in inniger Verbindung; sie arbeitet großenteils für den Export. Von den Industrien in Steinen haben sich insbesondere jene stark entwickelt, deren Fabrikate das Baugewerbe konsumiert, so das Steinmetzhandwerk, die Fabrikation gewöhnlichen Mauerkalks (in großen Etablissements vor allem in Wien [* 3] und Prag [* 4] konzentriert), hydraulischer Kalke und Zemente, welche gegenwärtig in vorzüglicher Qualität erzeugt werden, vor allem in den Alpenländern Niederösterreich, Steiermark, [* 5] Salzburg [* 6] und Tirol, [* 7] außerdem in Böhmen und im Küstenland.
Juwelierarbeiten werden in Wien, Granatschmucksachen in Prag in höchst geschmackvoller Weise verfertigt. Wien erzeugt auch Imitationen von Edelsteinen in ausgezeichneter Qualität. Die Bearbeitung des Marmors zu Kugeln, Galanteriewaren etc. kommt in größerer Ausdehnung [* 8] in Salzburg und Wien vor. Die chemische Industrie Österreichs steht jener andrer Staaten, insbesondere Deutschlands, [* 9] nach; doch müssen die Fortschritte, die sie in den letzten Dezennien machte, mit Rücksicht auf die zu bekämpfenden Schwierigkeiten als bedeutende anerkannt werden.
Chemikalien im engern Sinn werden fabrikmäßig hauptsächlich in Böhmen, ferner in Niederösterreich und Schlesien [* 10] in solchen Mengen erzeugt, daß nicht nur der inländische Bedarf gedeckt, sondern davon auch, insbesondere was Schwefel-, Salpeter- und Salzsäure betrifft, ausgeführt wird. Pottasche und Weinstein liefern Untersteiermark und das Küstenland. Von Farbewaren werden in vorzüglicher Qualität Ultramarin und Chromgrün in Niederösterreich und Böhmen, Bleiweiß [* 11] in Kärnten, Zinkweiß in Galizien und Schlesien, Zinnober [* 12] in Idria (Krain), [* 13] Alizarin in Königsberg [* 14] (Böhmen) etc. produziert. Im allgemeinen hat jedoch die Anilinindustrie bisher in Österreich, [* 15] nicht festen Fuß gefaßt.
Kerzen und Seife werden in Wien und vielen andern Orten fabrikmäßig und vom Kleingewerbe auch für den Export erzeugt. Die Raffinierung von Petroleum und Erdwachs bildet in Galizien, Wien, Triest [* 16] etc. eine aufblühende Industrie. Ein sehr umfangreicher und wichtiger Industriezweig ist für Österreich, die Zündhölzchenfabrikation; sie arbeitet für den Export und hat den höchsten Standpunkt in Böhmen, Mähren, Steiermark und Niederösterreich erlangt. Für pharmazeutische Präparate und Parfümeriewaren bildet Wien den Mittelpunkt des fabrikmäßigen Betriebs.
Die Stärkegewinnung wird vorzugsweise in Böhmen von einer großen Anzahl von Fabriken betrieben. Spodium und Superphosphate werden, unterstützt durch den großen Bedarf der Zuckerfabrikation und der Landwirtschaft, namentlich in Böhmen und Niederösterreich dargestellt. Wichtigere chemische Produkte sind noch Öl (insbesondere Rapsöl), ätherische und Schmieröle, Wagenfett, Albumin, Firnisse und Lacke, ferner Schießpulver, [* 17] Sprengmittel und Leuchtgas. [* 18]
Die Industrie in Holzwaren ist bei dem großen Holzreichtum des Staatsgebiets sehr belangvoll und liefert Exportartikel. Tischler- und Drechslerwaren werden in den Hauptstädten, in besonderer Vollendung aber in Wien verfertigt; die dortigen Erzeugnisse, besonders Möbel, [* 19] Holzgalanteriewaren, Meerschaum-, Bernstein-, Horn- und Perlmutterwaren, sind im In- und Ausland sehr geschätzt. Ein wichtiger Exportartikel sind die Möbel aus gebogenem Holz. [* 20] Die Verfertigung von Schnitzwaren aus Holz, Horn, Bein (Spielwaren u. a.) ist gleichfalls in Wien von Bedeutung und gehört im böhmischen Erzgebirge, im Bezirk Grulich, im Salzkammergut [* 21] und im Grödner Thal in Tirol einer emsigen Hausindustrie an. Stroh-, Bast-, Rohr- und Korbflechtwaren werden in größern Quantitäten in Wien und andern größern Städten, im nördlichen Böhmen und in Tirol erzeugt.
Für die fabrikmäßige Verfertigung von Korbwaren ist Koritschan in Mähren, für die Verfertigung ordinärer Strohhüte der Ort Domzale in Krain der Hauptsitz. Ein eigentümlicher Erwerbszweig ist die Sparteriewarenerzeugung, welche im Schluckenauer und Rumburger Bezirk (Böhmen) über 2000 Menschen beschäftigt und ihre Produkte, als Tischdecken, Fenstervorleger, Mützen, Hüte etc., großenteils jenseit des Ozeans absetzt. Die Erzeugung von Papier ist in jüngster Zeit auf eine sehr hohe Stufe der Entwickelung gelangt und liefert gegenwärtig bedeutende Quantitäten für die wesentlich gesteigerte inländische Konsumtion sowie für den Export, namentlich nach dem Orient.
Bei dem fühlbaren Mangel an Hadern und der fortwährenden Verteurung dieses Artikels haben Surrogate, insbesondere Stroh- und Holzstoff [* 22] (Cellulose), vielfache Anwendung in der Papierfabrikation [* 23] gefunden. Es bestehen im ganzen 188 Maschinenpapierfabriken mit zusammen 232 Papiermaschinen, die meisten in Böhmen (60), Niederösterreich, Oberösterreich und Steiermark. Fabriken für Holzstoff, Strohstoff und Cellulose bestehen gegen 200. Buntpapiere aller Gattungen werden größtenteils zu Wien erzeugt.
Zigarrettenpapier und Papiertapeten liefert außer Wien die böhmische Fabrikation; nicht minder ist Wien ein Hauptsitz der Produktion von Spielkarten, Buchbinder-, Papp- und Kartonagearbeiten. Mit der Anfertigung von Papiermachéwaren sind viele Personen im Gablonzer und Teplitzer Bezirk Böhmens beschäftigt. Von den zur Lederindustrie gehörigen Gewerbszweigen ist die Gerberei eine der verbreiteten Industrien, welche jedoch in ihren Erzeugnissen noch nicht dem einheimischen Bedarf genügt, obschon verschiedene fabrikmäßig produzierte Waren in der Qualität nichts zu wünschen übriglassen.
Sie ist am bedeutendsten in Mähren, Niederösterreich, Böhmen und Görz. [* 24] Die Fabrikation von Schuhwaren exportiert namhafte Mengen nach dem Ausland und wird in Wien, dem Hauptausgangspunkt für den Export, Prag und an mehreren andern Orten in Böhmen, Mähren und Steiermark fabrikmäßig betrieben. Die österreichische Handschuhfabrikation hat, seitdem der Maschinenschnitt in den österreichischen Fabriken eingeführt wurde, einen großen Aufschwung genommen, so daß jetzt das bessere Wiener und Prager Fabrikat mustergültig für Lammlederhandschuhe ist. Nicht ganz gleichen Schritt hat mit dieser Entwickelung dagegen die österreichische Lederfärberei gehalten. In Sattler-, Riemer-, Täschner- und Ledergalanteriewaren hat Wien einen ehrenvollen Ruf auf dem Weltmarkt und günstige Exportbeziehungen errungen.
Die Seidenindustrie umfaßt die Produktion von Rohseide, ca. 100,000 kg, welches Quantum zum größern Teil in Südtirol gewonnen und auch dort versponnen wird. Für die Erzeugung von Chappe bestehen zwei größere Etablissements in der Grafschaft Görz. Einen hervorragenden Rang nimmt Österreich, in der Erzeugung von Seidenwaren, hauptsächlich von glatten Seidenstoffen und Seidenbändern, ein; im Dienste [* 25] dieser Industrie sind 5600 Handwebstühle und 1100 mechanische Webstühle [* 26] thätig. Dieselben sind größtenteils in den Händen von Wiener Firmen, welche jedoch den Erzeugungsort (wegen der hohen ¶
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Arbeitslöhne in Wien) vielfach auf das flache Land von Niederösterreich sowie nach Mähren und Böhmen verlegt haben. Außerdem bestehen Seidenwebereien in Tirol. Einer der ältesten und hervorragendsten Zweige der gewerblichen Thätigkeit Österreichs ist die Schafwollindustrie. Die mechanische Spinnerei wird für Streichgarn vorzugsweise in Mähren (hauptsächlich in Brünn [* 28] mit Umgebung) und Böhmen (vorwiegend im Reichenberger Handelskammerbezirk), ferner in Schlesien (Bielitz und Jägerndorf) und dem angrenzenden Teil von Galizien (Biala), für Kammgarn in Niederösterreich (Vöslau und Möllersdorf), Böhmen (6 Etablissements), Mähren (Brünn) und Schlesien (Bielitz) betrieben.
Die Gesamtzahl der Feinspindeln beläuft sich auf 635,685, wovon 459,685 auf Streichgarn (200,100 in Mähren) und 176,000 auf Kammgarn entfallen. Die Erzeugung von Streichgarngeweben (Tuch, Modestoffe etc.), mit 3620 mechanischen und 17,361 Handwebstühlen, hat ihre Hauptsitze in Brünn, Iglau [* 29] und Neutitschein in Mähren, Reichenberg [* 30] und Umgebung in Böhmen, Bielitz und Jägerndorf in Schlesien und Biala in Galizien. Die Fabrikation von Geweben aus Kammgarn (Merinos, Tibets, Kasimirs, Orléans [* 31] etc.) hat ihren Hauptsitz in Nordböhmen, wo mehrere großartig betriebene Etablissements bestehen.
Die Erzeugung von gemischten Geweben ist im Ascher Bezirk, in Aussig und Warnsdorf in Böhmen, außerdem in Niederösterreich und Schlesien vertreten. Die Shawlserzeugung ist eine Spezialität der Wiener Industrie. Teppiche werden in Wien, dann in Oberösterreich (Kleinmünchen) und in Böhmen (Maffersdorf) erzeugt. Die Gesamtzahl der für Kammgarn- und gemischte Webwaren thätigen Stühle beträgt 21,366 (davon 7913 mechanische). Eine große Entwickelung hat in Österreich, die Baumwollindustrie genommen.
Die Hauptsitze der Baumwollspinnerei, welche Ende 1884: 2,062,000 Feinspindeln beschäftigte, sind: Böhmen (insbesondere der nördliche und nordöstliche Teil) mit 1,079,100, Niederösterreich mit 404,200, Vorarlberg mit 211,100, Oberösterreich mit 121,400 und Tirol mit 84,500 Spindeln;
außerdem befinden sich vereinzelte Spinnereien in Steiermark, Görz, Krain, Mähren und Schlesien.
Die Baumwollzwirnerei wird als selbständiger Industriezweig in Haratitz und Kamnitz in Böhmen, außerdem als Nebenbeschäftigung der Spinnerei betrieben. Die Zahl der in Betrieb stehenden Kraftstühle beträgt etwa 40,000, welche sich in erster Reihe auf Böhmen, dann auf Vorarlberg, Niederösterreich, Tirol, Mähren und Schlesien, endlich vereinzelt auf die übrigen Länder verteilen. Die Handweberei tritt in Österreich, zum größten Teil als Lohnweberei auf und beschäftigt 61,500 Webstühle.
Ihre Hauptsitze sind: Böhmen (44,800 Stühle, insbesondere in den nördlichen Landstrichen), Mähren, Schlesien, Österreich unter der Enns. Die Flachsspinnerei beschäftigte 1880: 326,854 Spindeln und wird am stärksten in Böhmen, wo insbesondere die Stadt Trautenau ein Zentrum der Flachsspinnerei bildet, sodann in Schlesien und im nördlichen Mähren betrieben. Die Leinweberei wird noch immer zumeist als Handweberei und zwar als landwirtschaftliche Nebenbeschäftigung in Böhmen, Mähren und Schlesien, besonders in den Thälern des Riesengebirges und der Sudeten, dann als Hausweberei in den Karpathen Galiziens und der Bukowina betrieben.
Eigentliche Leinwandfabriken, mit 1000 Kraftstühlen, bestehen hauptsächlich nur in Mähren und Schlesien. Von den ungefähr 40,000 gewerbsmäßig gehenden Handwebstühlen kommen 22,000 auf den Reichenberger Handelskammerbezirk in Böhmen. In feinen Geweben steht die Leinweberei im nördlichen Böhmen (Rumburg, Georgswalde) und Mähren (Schönberg) auf sehr hoher Stufe. Segeltuch wird am meisten in Mähren (Brünn und Sternberg), Seile und Tauwerk werden besonders in Triest und Fiume, [* 32] Zwirne vorwiegend in Böhmen (Bezirk Rumburg) und Schlesien (Bezirk Freudenthal) verfertigt.
Die Hanfspinnerei ist in Österreich, nicht von großer Bedeutung; für die Erzeugung von Jutegarn und Jutegeweben (19,000 Spindeln, 1200 mechanische Webstühle) bestehen zwei größere Fabriken bei Wien und mehrere Unternehmungen in Böhmen, Mähren und Schlesien. Von Wichtigkeit ist für alle erwähnten Zweige der Textilindustrie die Appreturthätigkeit. Von den hierher gehörigen Erwerbsarten ist eine der bedeutendsten die Baumwolldruckerei, welche in wenigen, aber umfangreichen Etablissements (in Böhmen, Niederösterreich und Vorarlberg) konzentriert ist.
Die Baumwollfärberei, die Bleicherei und Appretur haben in Niederösterreich, Vorarlberg, Böhmen und Mähren ihren Hauptsitz; für die Garnfärberei, insbesondere in Türkischrot, bestehen einige Fabriken in Vorarlberg, Böhmen, Mähren, Schlesien, Kärnten und im Küstenland. Der Schafwolldruck ist, abgesehen von mehreren Etablissements in Niederösterreich, im nördlichen Böhmen mit der dortigen Stoffweberei vereinigt. Die Leinenbleicherei ist in den Gegenden des Riesengebirges und der Sudeten, die Appretur (Färberei und Druckerei) von Seidenwaren fast ausschließlich in Wien und Umgebung vereinigt.
Andre Zweige der Textilindustrie und der Bekleidungs- und Putzindustrie sind: die Wirkwarenerzeugung, welche im nördlichen Böhmen und im Ascher Gebiet eine große Bedeutung erlangt hat und dort sowohl vom Kleingewerbe als auch fabrikmäßig, großenteils auf Rundstühlen, außerdem in Niederösterreich, in Mähren und Schlesien vielfach noch auf den alten Wirkstühlen und vom Kleingewerbe für den Lokalbedarf betrieben wird;
die Fabrikation von orientalischen Kappen (Fes), welche hauptsächlich in Böhmen (Strakonitz), aber auch in Niederösterreich, Mähren und Schlesien vertreten ist und auf dem levantischen Markt dominiert (jährlich 6-8 Mill. Stück);
die Spitzenklöppelei, welche seit drei Jahrhunderten im böhmischen Erzgebirge heimisch ist und dort ungefähr 15,000 Personen beschäftigt, daneben auch in geringerm Maß in Krain (Idria) und Tirol betrieben wird;
die Maschinenspitzenerzeugung in Wien und Lettowitz (Mähren);
die Weißstickerei, welche den hervorragendsten Zweig der Hausindustrie in Vorarlberg bildet und dort durch Vermittler für Schweizer Unternehmer thätig ist, außerdem auch im böhmischen Erzgebirge Eingang gefunden hat;
die Maschinenstickerei in Graslitz, Bärringen u. a. O. des böhmischen Erzgebirges;
die Kunststickerei, Fabrikation von Posamentierwaren, Weiß-, Bett- und Wäschwaren, Korvetten, Krawatten, Sonnen- und Regenschirmen, künstlichen Blumen und Schmuckfedern, Wachstuch, Gummiwebwaren, sämtlich mit dem Hauptsitz Wien, teilweise auch in Prag u. a. O., so im Bezirk Rumburg in Böhmen die Erzeugung von Knopf- und Posamentierwaren, in Klattau die Fabrikation von Wäsche;
die Kleiderfabrikation, welche namentlich in Männerkleidern große Ausdehnung und auch in Bezug auf Geschmack und Billigkeit der Fabrikate einen befriedigende Stand erlangt hat, jährlich große Quantitäten exportiert und namentlich in Wien, dann auch, jedoch meist im Dienste der ¶