mehr
veröffentlicht zu haben.
Noch in der Gegenwart sind die
Missionäre, besonders die englischen, an der
Entwickelung der oriental
ische Philologie
in hervorragender
Weise beteiligt. Weitere
Forderung brachten ihr der rasch zunehmende Handelsverkehr mit dem
Orient, die
Eroberung
Ostindiens durch die
Engländer, welche gegen Ende des 18. Jahrh. die reiche alte
Sprache
[* 2] und Litteratur
Indiens der europäischen
Wissenschaft erschloß,
Napoleons I.
Feldzug nach
Ägypten
[* 3] und wissenschaftliche
Reisen, besonders in der
neuesten Zeit die verschiedenen gelehrten Expeditionen nach
Assyrien (s.
Keilschrift).
Das
Studium des
Sanskrits und die
Entdeckung seiner
Verwandtschaft mit den Kultursprachen
Europas sowie mit dem
Persischen und
Zend führte im Anfang des 19. Jahrh. in
Deutschland
[* 4] zur Begründung der vergleichenden Sprachwissenschaft
(s. d.), welche dann ihrerseits auf alle oriental
ischen
Studien erweiternd und vertiefend zurückwirkte. Bis in den Anfang
des 19. Jahrh. noch ein bloßes Anhängsel der
Theologie, sind dieselben jetzt an allen
Universitäten, wenigstens in
Deutschland,
durch besondere Lehrstühle in den philosophischen
Fakultäten vertreten; meistens tritt dabei noch eine
weitere
Teilung der
Fächer
[* 5] ein, in je eine Professur für
Sanskrit und vergleichende Sprachwissenschaft und für die semitischen
Sprachen, wozu manchmal noch Lehrstühle für Ägyptologie und Sinologie kommen, während mehrfach (in
Berlin,
[* 6]
Leipzig,
[* 7]
Straßburg,
[* 8] Göttingen
[* 9] etc.) auch für
Sanskrit und vergleichende Sprachwissenschaft zwei getrennte Professuren bestehen.
Außerdem lehrt ein Mitglied der theologischen Fakultät Hebräisch und Exegese des Alten Testaments. Mit dem Studium der semitischen Sprachen: Hebräisch, Syrisch, Arabisch, Äthiopisch, Chaldäisch, Assyrisch wird gewöhnlich das des Neupersischen sowie des Türkischen verbunden wegen der vielfachen Beziehungen dieser beiden Sprachen zu der arabischen;
die Sanskritisten und Sprachvergleicher verbinden aus ähnlichen Gründen meistens mit ihrem eignen Studium das der ältern iranischen Sprachen, namentlich des Zend und Altpersischen.
Mit den Forschungen über das alte
Ägyptische geht das
Studium des
Koptischen und andrer neuern
Sprachen
Afrikas
Hand
[* 10] in
Hand. Ein viertes
Zentrum bildet die Sinologie, die gegenwärtig besonders in
Frankreich
und
England blüht; erst in neuester Zeit ist man im Anschluß daran auch der von
China
[* 11] aus stark beeinflußten
Sprache und
Litteratur
Japans näher getreten. Die finnisch-tatarischen, die malaiisch-polynesischen, die drawidischen
Sprachen (im
Dekhan),
das
Siamesische und Birmanische, das
Tibetische und andre
asiatische Sprachen ohne hervorragende Litteratur und
Kultur
sind noch am wenigsten untersucht. Am meisten und in der systematischten
Weise werden seit Beginn des 19. Jahrh. die oriental
ischen
Studien von deutschen
Gelehrten getrieben; außerdem sind in der neuesten Zeit glänzend vertreten:
Italien
[* 12] durch
Amari,
Ascoli,
Gorresio u. a.,
Frankreich und
England durch
Lenormant,
Ménant,
Garcin de Tassy,
Saint-Martin,
Regnier,
Maspero,
Stanislas
Julien,
Palmer,
Childers,
R. P.
Smith,
Rawlinson, G.
Smith,
Sayce,
Legge u. a.,
Holland durch
Kern und de Goeje,
Belgien
[* 13] durch
de Harlez,
Dänemark
[* 14] durch
Westergaard,
Ungarn
[* 15] durch
Vambéry,
Nordamerika
[* 16] durch
Whitney etc. An der Erforschung des indischen
Altertums nehmen jetzt auch geborne
Hindu, wie Rajendralal
Mitra,
[* 17] Bhandarkar,
Swamy u. a., lebhaften
Anteil.
England besitzt die reichsten Sammlungen an
Handschriften des
Orients, namentlich diejenige des
India
Office in
London
[* 18] und der
Bodleiana in
Oxford;
[* 19] das
Britische Museum in
London, welches ebenfalls reich an indischen, persischen etc.
Handschriften ist,
besitzt zugleich die größte Sammlung assyrischer Kunstwerke, die meist mit
Keilschriften bedeckt sind.
Die
Pariser
Bibliothek ist besonders reich an chinesischen, die
Madrider des
Escorial an arabischen
Handschriften; in
Deutschland
sind die
Bibliotheken von
Berlin,
München,
[* 20]
Dresden,
[* 21] Gotha,
[* 22]
Leipzig,
Tübingen,
[* 23] in
Österreich
[* 24] ist
Wien
[* 25] reich an oriental
ischen
Manuskripten.
Höchst förderlich als Sammelpunkte dieser
Studien wirken seit lange ^[richtig: langem] die
Asiatischen Gesellschaften (s. d.),
namentlich die
Royal Asiatic Society in
London, die Asiatic Society of
Bengal in
Kalkutta
[* 26] und die
Deutsche Morgenländische Gesellschaft,
[* 27] deren höchst bedeutsame
»Zeitschrift« bereits bis zum 42.
Band
[* 28] vorgerückt ist. Nicht minder wichtig ist das
»Journal Asiatique«,
das in
Paris
[* 29] herauskommt, sowie die Veröffentlichungen der
Asiatischen Gesellschaften in
London,
Kalkutta
und
Bombay.
[* 30] Besondere Lehranstalten für oriental
ische
Sprachen gibt es in
Rom,
[* 31]
Paris,
Wien (oriental
ische
Akademie),
Petersburg
[* 32] und
Berlin (oriental
ische
Seminar, seit 1887).
Abgesehen von der Begründung der Sprachwissenschaft im Beginn des 19. Jahrh., ist das Aufblühen
der oriental
ischen
Studien von besonderer Bedeutung für die vergleichende
Religionswissenschaft geworden. Bei allen
Litteraturen des
Orients steht das religiöse
Interesse im
Vordergrund, und das
Studium der heiligen
Schriften des
Morgenlandes,
das von alters
her der
Schoß aller großen religiösen
Bewegungen gewesen ist, namentlich die erst neuerdings angebahnte Kenntnis
der
Wedas, des
Zendavesta, der buddhistischen und der chinesischen Religionsbücher, ermöglicht jetzt eine wahrhaft unbefangene,
universalhistorische Auffassung vom
Wesen der
Religion.
Auch für die Urgeschichte der Menschheit bildet die orientalische Litteratur die Hauptquelle, und die Leistungen der Völker des Ostens auf dem Gebiet der Philosophie, des Rechts, der Grammatik, der Dichtkunst sind nicht minder vom höchsten geschichtlichen Interesse. Die Methode, nach welcher das Studium der orientalischen Litteratur betrieben wird, ist die nämliche wie bei den ältern Zweigen der Philologie; namentlich wird die Aufgabe, kritisch sichere Texte der wichtigern Originalwerke herzustellen, mit derselben Genauigkeit gelöst wie bei den römischen und griechischen Autoren und durch Übersetzungen in europäische Sprachen (besonders ins Deutsche) ihr Verständnis den weitesten Kreisen erschlossen sowie durch gründliche grammatische und lexikalische Bearbeitung der Sprachen der Zugang zu den Quellen erleichtert.
Weniger entwickelt ist bis jetzt die orientalische Altertumskunde.
Vgl. Benfey, Geschichte der Sprachwissenschaft und orientalischen Philologie in Deutschland (Münch. 1869);
E. Kuhn und A. Socin, Wissenschaftlicher Jahresbericht über die morgenländischen Studien vom Oktober 1876 bis Dezember 1877 (Leipz. 1879).
Eine Sammlung von englischen Übersetzungen der wichtigsten Religionsbücher des Orients enthält das von Max Müller herausgegebene große Sammelwerk »Sacred books of the East« (Oxf. 1879 ff., 48 Bde.).