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Johann (1483-1512), unter dem die Norweger sich von neuem empörten, aber bei Opslo 1502 besiegt und unterworfen wurden. Als Christian II. (1513-23), aus Dänemark [* 2] 1523 vertrieben, 1531 in Norwegen [* 3] bei der katholischen Geistlichkeit Aufnahme und Beistand gefunden hatte, ward Norwegen nach seiner Besiegung und Gefangennahme (1532) von den Dänen als erobertes Land betrachtet, auf dem Reichstag zu Kopenhagen [* 4] (1536) in eine Provinz verwandelt, der norwegische Reichsrat beseitigt und die Reformation 1537 mit Gewalt eingeführt.
Alle Beamten waren Dänen; Soldaten und Matrosen wurden für die dänische Armee und Flotte ausgehoben, der dänische oberste Gerichtshof war auch für Norwegen die höchste Instanz, und alle Steuern, Zölle und Einkünfte der Bergwerke flossen nach Dänemark. Norwegen ward auch in alle Kriege Dänemarks verwickelt, wurde wiederholt von Einfällen der Schweden heimgesucht und verlor an diese die Provinzen Jemtland, Herjeådalen und Bohuslän (1645 u. 1658). Der Unabhängigkeitssinn schien in Norwegen völlig erloschen, und dänische Sprache und Kultur gelangten zur fast ausschließlichen Herrschaft.
Erst in der Zeit der Revolutionskriege erwachte der nationale Geist wieder in Norwegen, welches in den verhängnisvollen Krieg Dänemarks mit England hineingerissen wurde; der norwegische Handel und die Schiffahrt wurden von den englischen Kreuzern fast vernichtet, zugleich aber die Verbindung mit Dänemark unterbrochen und eine Losreißung damals nur durch den trefflichen Statthalter Christian August von Holstein-Augustenburg verhindert. Doch bildete sich die Gesellschaft für Norwegens Wohl, welche 1811 die Errichtung einer norwegischen Universität in Christiania [* 5] durchsetzte.
Der unglückliche Ausgang des Kriegs von 1813 für Frankreich, dem sich Dänemark wiederum angeschlossen hatte, nötigte es im Kieler Frieden Norwegen an Schweden abzutreten. Die Kunde hiervon rief in Norwegen allgemeine Entrüstung und Erbitterung hervor und den Entschluß, diesmal die nationale Selbständigkeit zu erringen. Der dänische Statthalter Prinz Christian, Vetter und mutmaßlicher Nachfolger des Königs Friedrich VI., stellte sich an die Spitze der Bewegung, berief 15. Febr. eine Nationalversammlung nach Eidsvold, welche 17. Mai eine freisinnige Verfassung beschloß, beschwor diese Konstitution von Eidsvold 19. Mai, indem er den Titel eines Königs von Norwegen annahm, und hielt 22. Mai unter dem Jubel des Volkes seinen Einzug in Christiania.
Aber die Mächte erklärten sich gegen Norwegens Wünsche, auch England, und als Christian sich weigerte, abzudanken, rückte der schwedische Kronprinz Bernadotte mit Truppen in Norwegen ein, erklärte aber gleichzeitig, die Verfassung von Eidsvold anerkennen zu wollen. Da bei dem gänzlichen Mangel an Streitkräften ein Widerstand gegen die schwedische Übermacht aussichtslos war, schloß Prinz Christian 14. Aug. zu Moß mit den Schweden einen Waffenstillstand, legte in einer Proklamation vom 16. Aug. die Gründe seines Handelns dar und übertrug 19. Aug. die ausübende Gewalt dem Staatsrat; man pflegt ihn daher den Dreimonatskönig zu nennen.
Nachdem Karl XIII. von Schweden 30. Aug. zu Uddevalla die Versicherung, daß Norwegen zwar mit Schweden vereinigt, aber keineswegs als erobertes Land angesehen werde, vielmehr seine Konstitution mit einigen notwendigen Modifikationen behalten solle, erneuert und Christian 10. Okt. auf den norwegischen Thron [* 6] verzichtet hatte, wählte das außerordentliche Storthing 4. Nov. einstimmig Karl XIII. von Schweden zum konstitutionellen König von Norwegen Bernadotte hielt 9. Nov. seinen feierlichen Einzug in Christiania, beschwor 10. Nov. im Storthing die Verfassung und empfing dafür den Huldigungseid der Versammlung, der Beamtenkollegien und des Militärs.
[Norwegen in Personalunion mit Schweden.]
So waren denn die beiden skandinavischen Reiche, wenn auch durch ein lockeres Band, [* 7] vereinigt. Während man in Schweden von der Zeit eine innigere Verschmelzung erhoffte, waren die norwegischen Patrioten von Anfang an bestrebt, dem vorzubeugen. Hierzu bot die Verschiedenheit der Verfassungen beider Reiche eine Handhabe. Die schwedische Verfassung hatte ein aristokratisch-ständisches, die norwegische ein entschieden demokratische Gepräge, und um dieses zu verstärken, beschloß das Storthing schon 1815 die Abschaffung des Adels.
Zweimal legte Karl XIII. das suspensive Veto dagegen ein; aber das Storthing faßte 1818 zum drittenmal denselben Beschluß, und damit war der Adel abgeschafft. König Karl XIV. Johann (1818-44) versuchte vergeblich, den Beschluß rückgängig zu machen und das absolute Veto zu erlangen. Ja, seit der Belebung der politischen Bewegung durch die Julirevolution (1830) machte sich im Storthing ein noch entschiedeneres Streben nach nationaler Unabhängigkeit bemerkbar.
Wegen der Schließung des Storthings von 1836 wurde Staatsminister Lövenskjold vor dem Reichsgericht verklagt und zu 1000 Thlr. Geldbuße verurteilt. 1838 wurde den Handelsschiffen die Führung der norwegischen Nationalflagge gestattet und die Landgemeinden von der Vormundschaft der Altmänner befreit. Trotzdem wurden 1839 die Anträge der Regierung auf Einführung des absoluten Veto und Zulassung der norwegischen Minister zu Sitz und Stimme im Storthing verworfen.
Unter Oskar I. (1844-59) genoß Norwegen eine ruhige, segensreiche Zeit. Dennoch lehnte das Storthing 1857 alle Vorschläge des Königs zu einer engern Verbindung mit Schweden ab, und das erste Storthing unter Karl XV. (1859-72) hob gegen zwei Stimmen das Recht des Königs, zur Statthalterwürde in Norwegen auch einen Schweden zu ernennen, auf, welchem Beschluß der König die Sanktion verweigerte. Der demokratische Charakter des Storthings wurde dadurch schärfer ausgeprägt, daß beschlossen wurde, daß die Städte 37, das Land 74 Vertreter wählen solle.
Nur 1864, als Dänemark von den beiden deutschen Großmächten bekriegt wurde, bewirkte das Gefühl der Zusammengehörigkeit Skandinaviens, daß der Regierung 500,000 Thlr. zur Landesverteidigung bewilligt und die norwegische Kriegsmacht zur Verfügung gestellt sowie das 50jährige Jubiläum der Union mit einer gewissen Herzlichkeit gefeiert wurde. Auch wurden 1866 Gewerbefreiheit u. Freizügigkeit zwischen beiden Ländern eingeführt, die von der Regierung vorgelegte neue Unionsakte aber nicht angenommen. Dem König Oskar II., der nach Karls XV. Tod den Thron bestieg, zeigte sich das Storthing anfangs entgegenkommend und bewilligte die Kosten für die Krönung in Drontheim wogegen der König der Abschaffung des Statthalterpostens zustimmte. Die skandinavische Münzkonvention, welche 1873 vom Storthing verworfen worden, wurde 1875 ebenso wie eine neue Zollkonvention mit Schweden (1874) und ein skandinavisches Wechselgesetz (1880) angenommen. Dagegen spitzte sich 1880 ein schon seit 1872 schwebender Streit zwischen dem Storthing und dem Ministerium Stang zu einem scharfen Konflikt zu. Während früher das Storthing den Ministern das Recht, jederzeit den Sitzungen desselben ¶
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beizuwohnen, nicht hatte zugestehen wollen, forderte die demokratische Mehrheit seit 1872 vielmehr, daß die Minister auf Verlangen jederzeit den Sitzungen des Storthings beiwohnen müßten. Die Weigerung der Regierung hatte nur zur Folge, daß bei allen Neuwahlen die demokratische Partei, welche sich auf den Bauernstand stützte, während die städtische Bevölkerung [* 9] konservativ und regierungsfreundlich war, sich verstärkte und in eine immer radikalere, unionsfeindliche Richtung geriet.
Dreimal hintereinander faßte das Storthing den Beschluß, die Bestimmung, daß die Minister den Sitzungen des Storthings auf Verlangen jederzeit beiwohnen müßten, in den § 112 des Grundgesetzes aufzunehmen; dreimal legte der König sein Veto dagegen ein, das bei Veränderungen der Verfassung, wie dieser, nach der Ansicht der Regierung und der hervorragendsten Gelehrten kein bloß suspensives, sondern ein absolutes war. Die Mehrheit des Storthings behauptete dagegen, das Veto sei auch in diesem Fall nur suspensiv, und faßte den Beschluß, daß jener veränderte Verfassungsartikel auch ohne königliche Genehmigung Gesetz sei; Stang trat hierauf zurück und wurde durch Staatsminister Selmer ersetzt.
Einen andern Streitpunkt bildete die Heeresreorganisation. Nachdem 1876 die allgemeine Wehrpflicht eingeführt worden, legte die Regierung 1880 einen Plan über die Organisation des Heers und der Marine vor. Die Radikalen schlugen dagegen vor, aus Rücksicht auf die Kosten (das Budget wies allerdings infolge des Rückgangs der Zölle ein Defizit auf) das Schweizer Milizsystem anzunehmen und die Stärke [* 10] der Armee auch auf Kriegsfuß nicht höher als 18,000 Mann festzusetzen.
Diesen Entwurf nahm das Storthing im Mai 1881 an, während die Regierung ihn als unausführbar und schädlich verwarf. Die Spannung zwischen der auf 83 Mitglieder angewachsenen radikalen Mehrheit des Storthings und der Krone wurde immer schärfer, und 1883 schritten die Radikalen zur Anklage gegen den Minister und elf Mitglieder des Staatsrats wegen Nichtausführung des Beschlusses vom über die Verpflichtung der Minister, im Storthing zu erscheinen. Das Reichsgericht, das zum größern Teil aus Mitgliedern des Storthings selbst zusammengesetzt war, sollte demselben das Recht, das Grundgesetz einseitig zu ändern, ausdrücklich zusprechen und that es auch nach weitläufigen Verhandlungen, die vom August 1883 bis zum April 1884 dauerten, indem es den Staatsminister Selmer und die Staatsräte für schuldig erklärte, sie ihres Amtes entsetzte und in die hohen Prozeßkosten verurteilte.
Der König verwahrte sich zwar dagegen, daß durch das Urteil des Reichsgerichts die konstitutionelle Ordnung, wonach ohne seine Zustimmung das Grundgesetz nicht verändert werden könne, aufgehoben wäre, und versagte dem Urteil seine Genehmigung, erteilte aber dem Ministerium die nachgesuchte Entlassung und berief sogar an seine Stelle, nachdem das neue konservative Ministerium Schweigaard sich nicht hatte behaupten können, den bisherigen Führer der radikalen Storthingsmehrheit, Johann Sverdrup, da er einen friedlichen Ausgleich wünschte.
Die Krone erkannte die Verpflichtung der Minister, im Storthing zu erscheinen, Sverdrup und seine Anhänger aber das absolute Veto und das Recht der Krone an, das Storthing aufzulösen und den Ministern eine bestimmte Pension zu gewähren. Die Radikalen führten von ihren frühern Forderungen die Umgestaltung des Heerwesens, die Erweiterung des Wahlrechts und die Einführung von Geschwornengerichten durch; im übrigen aber begnügten sie sich mit dem Besitz der Herrschaft und der einflußreichen Ämter, so daß sich bald unter ihnen selbst eine unzufriedene extreme Fraktion unter Qvam bildete und das Storthing 1887 eine Kirchengemeindevorlage des Ministeriums ablehnte. Die Finanzen verschlechterten sich und machten neue Auflagen nötig. Seine frühere unionsfeindliche Politik gab das radikale Ministerium angesichts der Gefahren und Nachteile, die gerade Norwegen von einer Lockerung oder gar Auflösung der Union drohen, auf.
Litteratur. Die einzige einheimische Chronik, die »Historia de regibus vetustis norvagicis« des Mönchs Theoderich, wurde neuerlich herausgegeben von G. Storm (»Monumenta historica Norvegiae«, Christ. 1880);
eine wichtige Sammlung alter Königsgeschichten ist die »Heimskringla« des Snorri Sturluson (s. d.).
Vgl. Thormod Torfäus, Historia rerum norvegicarum (Kopenh. 1711);
Schöning, Norges Riges Historie (Sorö 1771, 4 Bde.);
Munch, Det norske Folks Historie (Christ. 1851-63, 8 Bde.; die 4 ersten Hauptabschnitte deutsch von Claussen, Lüb. 1853-54, 2 Bde.);
R. Keyser, Den norske Kirkes Historie under Katholicismen (Christ. 1856-58, 2 Bde.);
Bang, Udsigt over den norske Kirkes Historie under Katholicismen (das. 1887).