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seit 10 Jahren im Reich ansässig gewesen sind; stimmberechtigt aber ist jeder Unbescholtene, der 25 Jahre alt ist, sich 5 Jahre im Reich aufgehalten hat und entweder Beamter ist oder gewesen ist, oder auf dem Land immatrikuliertes Land besitzt oder auf längere Zeit als 5 Jahre gepachtet hat, oder Kaufstadtbürger ist oder in einer Kaufstadt oder Ladestelle Hof [* 2] und Grund zu einem Wert von wenigstens 600 Kronen [* 3] besitzt, oder im letztverflossenen Jahr nach einem Einkommen von mindestens 500 Kr. auf dem Land und mindestens 800 Kr. in der Stadt Steuern gezahlt hat und seit einem Jahr im Wahlbezirk wohnhaft ist.
Sobald das Storthing eröffnet ist, wählt es aus seiner Mitte ¼ der Anzahl seiner Mitglieder. Diese bilden das Lagthing, die übrigen aber das Odelsthing. Gewisse Gegenstände werden in dem gesamten Storthing verhandelt, dessen wichtigste Gerechtsame sind: Abgaben und Zölle zu bestimmen, die jedoch nicht länger gelten als bis zum 1. Juli des Jahrs, in welchem das nächste Storthing gehalten wird;
die zu den Staatsausgaben erforderlichen Geldmittel zu bewilligen;
Anleihen auf den Kredit des Reichs zu eröffnen;
das ganze Finanzwesen des Staats zu beaufsichtigen und darin die erforderlichen Abänderungen zu treffen sowie die Regierungsprotokolle (mit Ausnahme der Kommandosachen) und die abgeschlossenen Traktate und Bündnisse zu revidieren.
Jeder Gesetzvorschlag muß zuerst dem Odelsthing vorgelegt werden und zwar entweder von einem seiner Mitglieder oder von der Regierung. Ein von dem Odelsthing angenommener Vorschlag wird dem Lagthing zugeschickt; wird er von diesem ebenfalls genehmigt, so kann ihn der König in vorgeschriebener Form durch seine Unterschrift sanktionieren, wodurch er zum Gesetz wird. Stimmt aber das Lagthing dem Vorschlag nicht bei, so wird er dem Odelsthing zu einer neuen Behandlung zugeschickt, versehen mit den beigefügten Anmerkungen des Lagthings.
Diese werden nun von dem Odelsthing in Erwägung gezogen, und entweder fällt der Vorschlag, oder er wird mit oder ohne Veränderungen dem Lagthing noch einmal zugeschickt. Wenn dieses denselben auch bei der zweiten Behandlung nicht annimmt, so tritt das ganze Storthing zur Abstimmung zusammen; zur Annahme des Vorschlags sind aber dann ⅔ der Stimmen erforderlich; erhält er diese nicht, so darf er bei dem versammelten Storthing nicht wieder vorgenommen werden. Der König hat das Recht, einem von dem Storthing gefaßten Beschluß seine Sanktion zu verweigern; haben aber drei nacheinander folgende, neuerwählte Storthings einen gleichen Beschluß gefaßt, so wird derselbe Gesetz auch ohne die Sanktion des Königs.
Die Verhandlungen beider Abteilungen des Storthings finden bei offenen Thüren statt und werden durch den Druck veröffentlicht, außer in Fällen, wo das Gegenteil durch Stimmenmehrheit beschlossen wird. Die Mitglieder des Staatsrats können nicht an den Verhandlungen des Storthings teilnehmen. Zu Staatsämtern können nur norwegische Bürger gelangen. Die Presse [* 4] ist frei. Niemand dürfen Privilegien, Monopole und erbliche Rechte erteilt werden. Auch aller erbliche Adel in Norwegen [* 5] ist durch dreimaligen Storthingsbeschluß 1821 abgeschafft worden.
Verwaltung, Rechtspflege, Finanzen.
Was die Staatsverwaltung betrifft, so werden die innern Angelegenheiten des Reichs von der Regierung in Christiania [* 6] besorgt, und die Arbeiten sind unter sieben Departements: für Kirchen- und Schulwesen, für Justiz- und Polizeiwesen, für das Innere (wohin auch das Medizinalwesen gehört), für die Finanzen und Zölle, für die Armee, für die Marine und Post (Telegraphen) [* 7] und für das Revisionswesen, verteilt. Jedem Departement steht als Leiter ein Staatsrat vor.
Hinsichtlich der Verwaltung ist Norwegen in 20 Ämter (s. oben) und 56 Vogteien geteilt. Jedem Amt steht ein Amtmann vor. Sechs dieser Amtleute (in Christiania, Hamar, Christianssand, Bergen, [* 8] Drontheim und Tromsö) sind Stiftsamtleute, welche nebst dem Bischof des Stifts die Stiftsdirektionen bilden (s. oben), die bei allen zivilgeistlichen Angelegenheiten die oberste Aufsicht führen. Jeder Vogtei ist ein Vogt (Foged) vorgesetzt, dem Untervögte (Lensmänd) zur Seite stehen. Die Kaufstädte haben ihre eigne Obrigkeit.
Was die Gerichtsverfassung anbelangt, so bildet in jeder Stadt der Stadtvogt oder Byfoged (in Christiania das kollegiale Stadtgericht), auf dem Land aber in jeder Sorenskriveri der Sorenskriver (»geschworner Schreiber«),
welcher in seinem Sprengel umherreist und des Jahrs drei-, in entlegenen Gegenden zweimal Sitzung hält, auch außerdem die Aufsicht über Separations-, Obervormunds- und Auktionswesen führt, die unterste Behörde. Von ihm kann man an die Mittelbehörde, die Stiftsobergerichte, deren es vier gibt (in Christiania, Christianssand, Bergen und Drontheim), appellieren und von diesen in Sachen über 400 Kronen und in Kriminalsachen an das oberste Reichsgericht in Christiania.
Militär- und geistliche Sachen werden von besondern Gerichten in unterer Instanz entschieden, von denen an das höchste Gericht appelliert werden kann. Ärzte, Apotheker und Hebammen sind sowohl in den Kaufstädten als auch auf dem Land vom Staat oder den Gemeinden angestellt, und Hospitäler und Krankenhäuser, unter denen das Reichshospital in Christiania das wichtigste ist und die Hospitäler für die Aussätzigen (deren es über 2000 in Norwegen, besonders im mittlern Teil, gibt) in Bergen, Molde und Drontheim eine besondere Erwähnung verdienen, werden teils vom Staate, teils von den Gemeinden unterhalten. Zu Gaustad bei Christiania, zu Rotvold bei Drontheim und in andern Städten sind auch große Asyle für Gemütskranke.
Die innern Angelegenheiten jeder Gemeinde werden von Vorständen (Formandskaber) besorgt, die in jeder Stadt und in jedem Pastorat auf dem Land von den Stimmberechtigten gewählt werden. Die Finanzen Norwegens sind in sehr befriedigendem Zustand. 1885-86 betrugen die Einnahmen des Staats 43,540,800 Kronen, die Ausgaben 42,500,300 Kr., wovon die stärksten Posten auf die Armee, die Verzinsung der Staatsschuld und auf die Unterrichtsverwaltung entfallen. Direkte Abgaben und Steuern gibt es nicht; sogar die Grundsteuer ist 1836 von dem Storthing aufgehoben und das ganze Staatseinkommen auf die Zölle (20 Mill. Kr.), Branntwein- und Malzsteuer, Zinsen der Aktiva, das Silberbergwerk Kongsberg etc. begründet. In der Eisenbahnverwaltung betrugen die Mehreinnahmen nur 325,900 Kr., bei der Post die Mehrausgaben 18,600 Kr. und bei den Telegraphen sogar 207,100 Kr. Die Zivilliste und die Apanagen belaufen sich auf 486,100 Kr. Die Staatsschuld betrug 1886: 105⅓ Mill. Kr., die meist für Eisenbahnbauten verwandt sind;
sie wird durch die Staatsaktiva (140 Mill. Kr.) mehr als gedeckt.
Heer und Flotte, Wappen etc.
Die Land- und Seemacht ist durch Beschluß des Storthings vom (mit Zusätzen von 1876 und 1885) geordnet worden. Die bewaffnete Macht zerfällt danach in: 1) Landbewaffnung, wozu Linientruppen, Landwehr und Landsturm gehören; ¶
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2) Seebewaffnung, wozu außer der festen Stärke [* 10] von Freiwilligen die zu jeder Zeit ausgehobenen Seefahrenden sowie die Distriktsseetruppen mit Reserve und Küstenwehr gehören. Die Linientruppen sollen im Frieden von allen Waffengattungen (Infanterie, Kavallerie, Artillerie und Ingenieurtruppen) im ganzen 750 Offiziere und 12,000 Mann Korporale und Gemeine stark sein, in Kriegszeiten auf über 18,000 Mann verstärkt werden können. Die Landwehr darf nur zur Verteidigung des Landes innerhalb der Grenzen [* 11] desselben zum Dienst berufen werden, und der Landsturm soll nur in Kriegszeiten zur Lokalverteidigung organisiert werden.
Die Distriktsseetruppen sollen im Frieden aus 2000 Mann bestehen, im Krieg aber auf 3500 Mann gebracht werden können. Die Küstenverteidigungsmannschaft wird, gleich der Landwehr, nur zur Verteidigung des eignen Landes aufgeboten. Jeder Eingeborne, auch jeder Ausländer, der im Land ansässig geworden, ist zur Wehr verpflichtet, sofern nicht die im Gesetz namhaft gemachten Ausnahmen stattfinden. Die Dienstzeit für Infanterie, Artillerie und Ingenieurtruppen nebst Reserve und Train, auch für die Distriktsseetruppen nebst ihrer Reserve, ist 10 Jahre, für die Kavallerie mit ihrer Reserve 7 Jahre; seefahrende Wehrpflichtige gehören vom 22. bis 35. Lebensjahr zur Seebewaffnung.
Die Mannschaften bleiben bei den Linientruppen 7 Jahre; davon bilden in Friedenszeiten die fünf ersten Jahrgänge die Linie, die folgenden zwei die Reserve, vom 8. bis 10. gehören sie zur Landwehr. Ebenso ist es mit den Distriktsseetruppen: 5 Jahre Friedensstärke, 2 Jahre Reserve, 3 Jahre Küstenverteidigung. Nach dieser Zeit bis zum 45. Lebensjahr tritt der Landsturm ein. Die Aushebung geschieht auf bestimmt vorgeschriebene Weise durch das Los nach zurückgelegtem 19. Lebensjahr.
Die ausgehobene Mannschaft muß eine Rekrutenschule von mindestens 50 Tagen bei der Infanterie und Fußartillerie, von 90 Tagen bei den andern Waffen [* 12] und eine jährliche Übung von 30 Tagen im Laufe von 3-5 Jahren durchmachen. Die Zusammensetzung der Linientruppen und Landwehr ist folgende:
1) Infanterie: 5 Brigaden von 4 Bataillonen zu 4 Kompanien (zu jeder Brigade gehört ein Depot von 2 Kompanien und 8 Kompanien der Landwehr, die jedoch nur im Fall eines Kriegs im Land in die Bataillone eingestellt werden und alsdann bei jedem derselben 2 neue Kompanien bilden) und 1 Jägerbataillon von 6 Kompanien.
2) Kavallerie: eine Brigade von 3 reitenden Jägerkorps zu 5, 4 und 2 Schwadronen.
3) Artillerie: 5 Bataillone, zusammen mit 11 Batterien zu 8 Geschützen und einer Abteilung Feuerwerker und Handwerker.
4) Genie: 20 Offiziere und 8 Untermilitärs.
Die Flotte, deren Hauptstation Horten ist, besteht (1887) aus 2 Fregatten (mit 78 Kanonen), 2 Korvetten (mit 28 Kanonen), 4 Monitoren (8 Kanonen), 29 Kanonenboote (35 Kanonen), 6 Torpedofahrzeugen und 1 Bugsierdampfer, im ganzen 44 Dampfern von zusammen 3370 Pferdekräften und mit 151 Kanonen. Außerdem zählt sie 6 Segelschiffe mit 12 Kanonen. Die Festungen Norwegens sind unbedeutend und verdienen außer Oskarsborg bei Christiania kaum der Erwähnung.
Das Wappen [* 13] Norwegens ist der gekrönte goldene Löwe auf rotem Feld mit der Streitaxt des heil. Olaf (s. Tafel »Wappen«). Die Flagge ist rot, durch ein dunkelblaues, mit weißen Kanten eingefaßtes Kreuz [* 14] der schwedischen entsprechend geteilt (s. Tafel »Flaggen [* 15] I«). [* 16] An Orden [* 17] bestehen: der Ritterorden des heil. Olaf, gestiftet 1847, und eine Medaille für bürgerliche Verdienste, gestiftet 1819, erweitert 1844. Hauptstadt und königliche Residenz ist Christiania, Krönungsstadt Drontheim.
[Litteratur.]
Vgl. Kraft, [* 18] Topographisk-statistisk Beskrivelse over Kongeriget Norge (2. Aufl., Christ. 1830-38, 6 Bde.);
Ders., Topographisk Haandbog over Kongeriget Norge (das. 1845-48);
Keilhau, Gaea Norvegica (deutsch, das. 1838-50, 3 Bde.);
Schübeler, Pflanzenwelt Norwegens (das. 1873-1875);
Ders., Viridarium norvegicum (das. 1885 f.);
Broch, Le [* 19] royaume de Norvège et le peuple norvégien (2. Aufl., das. 1878);
Kjerulf, Die Geologie [* 20] des südlichen und mittlern Norwegen (deutsch von Gurlt, Bonn [* 21] 1880);
Passarge, Sommerfahrten in Norwegen (2. Aufl., Leipz. 1884);
Aschehoug, Das Staatsrecht der vereinigten Königreiche Schweden und Norwegen (Freiburg [* 22] 1887);
Kiaer, Norges Land og Folk (Christ. 1886);
Paludan, Det høiere Skolewesen i Danmark, Norge og Sverig (Kopenh. 1885);
Nielsen, Reisehandbuch (5. Aufl., Leipz. 1887);
»Annuaire statistique de la Norvège« (offiziell, seit 1879);
»Norges officielle Statistik« (Quellenwerk).
Kartenwerke: Topographische Karte (1:100,000, auf 216 Blätter projektiert, unvollendet);
Generalkarte von Südnorwegen (1:400,000, unvollendet);
Karte der Ämter (seit 1826, in Südnorwegen 1:200,000, im äußersten Norden [* 23] 1:400,000); Munch, Karten des südlichen und nördlichen Norwegen (1:700,000, je 2 Blätter, Christ. 1845 u. 1852) und Übersichtskarte (1:1,400,000, das. 1855);
Rosen (3. Aufl., das. 1875, 2 Blätter);
Wergeland u. Waligorski (7. Aufl.);
Geologische Übersichtskarte (1:1,000,000, 1878).
Spezialkarten über die ganze Küste sind seit 1835 nach amtlichen Vermessungen ausgegeben worden.
Geschichte.
[Norwegen als selbständiges Königreich.]
Norwegen (Norveger oder Noregr, d. h. der Nordweg, der nördliche Strich, bei Plinius Nerigon) wurde in ältester Zeit von finnischen Lappen bewohnt, welche von den germanischen Einwanderern, den Nordmänd oder Norrönern, in das Innere und nach Norden zurückgedrängt wurden. Die Norweger standen, in viele Völkerschaften geteilt, unter erblichen Königen, die ihr Geschlecht von Odin herleiteten, und kriegerischen Edelleuten (Jarlen), über denen das »Thing«, die Versammlung aller freien Männer, als oberstes Gericht und Reichstag stand; Kriegsgefangene dienten als Sklaven. Da das Land seine Bewohner nicht ernähren konnte, drängten sich dieselben an den Meeresküsten zusammen, trieben Seeräuberei und suchten jahrhundertelang die europäischen Küstenländer mit ihren Plünderungszügen heim (vgl. Normannen); als sie in fremden Ländern Reiche gründeten, wurde Norwegen eine bedeutende Menschenmenge entzogen.
Ein Nachkomme des um 600 in Schweden gestürzten Königsgeschlechts der Ynglinger, Olaf Trätelgja, Sohn von Ingjald Ildrade, der nach Norwegen floh, gründete hier ein größeres Königreich mit dem Haupttempel und Königshof in Skiringsal und eroberte Jütland und Schleswig; [* 24] sein Sohn Halfdan Hvitbein (»Weißbein«, 640-700) und dessen Sohn Eystein Fretr (700-720) vergrößerte Norwegen ebenfalls durch Eroberung benachbarter Landstriche. Halfdan der Schwarze (841-863) und sein Sohn Harald Harfagar (»Schönhaar«, 863-930) machten sich die Unterkönige und Jarle der einzelnen Stämme gänzlich unterthan und führten das Lehnswesen ein, infolge dessen zahlreiche Normannen auswanderten und sich in Island, [* 25] auf den Orkneyinseln und in ¶