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gerettet. Eine dritte englische und am besten ausgerüstete Expedition segelte 1875 in den Dampfern Alert und Discovery unter Nares und Stephenson durch den Smithsund und Kennedykanal; Discovery überwinterte an der Westküste, am Eingang des Robesonkanals, unter 81° 45', Alert jenseit derselben unter 82° 27' nördl. Br. Auf Schlittenreisen wurde der nördlichste Punkt unter 83° 20' erreicht, ein Teil der Westküste Grönlands aufgenommen, im NO. Kap Britannia gesichtet und Grantland nach W. hin untersucht; sein nördlichste Punkt, Kap Columbia, [* 2] zu 83° 7' nördl. Br. und 70° 30' westl. L. bestimmt.
Die Untersuchung des Innern von Grönland, in welchem man hinter der vergletscherten Küstenregion grasreiche Thäler zu finden hoffte, wurde in den letzten 20 Jahren von mehreren Reisenden unternommen, führte aber schließlich doch zu einem negativen Resultat. Den ersten Versuch machte Whymper 1867, der 1872 Grönland abermals besuchte, und Nordenskjöld 1870. Jensen, Kornerup und Groth drangen 1878 zehn geogr. Meilen ins Innere vor, und 1883 suchte Nordenskjöld das von ihm im Innern vermutete eisfreie Land zu erreichen, fand seine Theorie aber widerlegt.
Die Westküste mit ihren Fjorden und Inseln wurde seit 1870 von einer Reihe dänischer Offiziere und Naturforscher (Steenstrup, Helland, Jensen, Kornerup, Hammer, [* 3] Holm, Groth) untersucht, die Ostküste durch die zweite deutsche Nordpolexpedition 1869-70 (s. unten) sowie durch die schon genannten Hammer, Jensen und Holm (vgl. Grönland). Die durch die Franklinsucher entdeckten zahlreichen Sunde in dem Archipel zwischen Nordamerika [* 4] und Grönland wurden in ihrem östlichen Teil 1881 von Adams besucht, der durch den Wellingtonkanal und Peelsund zur Bellotstraße, zum Prince Regent's Inlet und zur Fury- u. Heklastraße vordrang.
Eine wissenschaftliche Erforschung in gründlicher Weise war durch solche auf geographische Entdeckungen berechnete und daher möglichst schnell vorwärts dringende Expeditionen nicht möglich. Daher regte der amerikanische Kapitän Howgate die Gründung einer Polarkolonie an der Küste der Lady Franklin-Bai unter 81° 40' nördl. Br. an. Seitens der Vereinigten Staaten [* 5] wurden daraufhin mehrere Expeditionen ausgesandt. Die erste unter Tyson 1877 ging gleichsam zur Probe aus, eine zweite unter Chester mit den Naturforscher Pavy und Clay kam 1880 nur bis Grönland, eine dritte, auf Kosten der Regierung trefflich ausgerüstet, ging 1881 unter Leutnant Greely im Proteus nach der Lady Franklin-Bai, wo eine der wissenschaftlichen zirkumpolaren Stationen errichtet wurde, welche die dritte internationale Polarkonferenz in Petersburg [* 6] beschlossen hatte.
Leider war der Ausgang derselben der allertraurigste: von 25 Männern, welche 1881 auszogen, sahen nur sieben, darunter Greely selber, die Heimat wieder. Es waren drei Sommer vorübergegangen, ohne daß die beiden nacheinander ausgesandten Ersatzexpeditionen den Discoveryhafen der Lady Franklin-Bai erreicht hatten, so brach man denn im August 1883 nach S. auf, zuerst in Booten, dann auf einer Eisscholle treibend, bis Kap Sabine, wo innerhalb neun Monaten der Tod furchtbar unter der Mannschaft aufräumte.
Als nördlichsten Punkt hatte man die Lockwoodinsel unter 83° 24' erreicht, offenes Wasser verhinderte weiteres Vorgehen, wodurch Nares' Ansicht von dem paläokrystischen Eis [* 7] widerlegt wurde. Im Innern von Grinnell-Land entdeckte Greely den großen See Hazen. Andre Polarstationen wurden im amerikanischen Polargebiet errichtet seitens der Union 1881 an der Barrowstraße unter Rae, 1882 von Deutschland [* 8] am Cumberlandsund, von England bei Fort Rae am Sklavensee, von Dänemark [* 9] bei Godthaab in Westgrönland.
Schweden [* 10] errichtete eine Station auf Spitzbergen, Rußland eine solche an der Lenamündung. Zugleich forschten 1881-82 die Gebrüder Krause an den Küsten des Beringsmeers, Boas ging 1883 zum Cumberlandsund, nahm den südlichen Teil des Baffinslandes auf und studierte die Sitten und Gebräuche der dortigen Eskimo. Die kanadische Regierung entsandte 1885 den Dampfer Alert unter Gordon zur Hudsonstraße und Hudsonbai, wo man sechs Stationen zur Untersuchung der meteorologischen u. hydrographischen Verhältnisse errichtete, die Ende 1886 aufgelöst wurden.
In dem Eismeer zwischen der Ostküste Grönlands und Nowaja Semlja verfolgte eine ganze Reihe von Fachgelehrten verschiedener Nationen seit Jahrzehnten ihre Forschungen. Erwähnt seien aus früherer Zeit die Expeditionen Keilhaus 1827 nach der Bäreninsel, Pachtusows und Ziwolkas 1832-34 nach Nowaja Semlja, Swen Lowens 1837 nach Spitzbergen, v. Baers 1837 nach Nowaja Semlja, Ziwolkas und Moisejews 1838-39 ebendahin und die Fahrten der französischen Korvette La Recherche 1838-40 nach Spitzbergen und dann der Reine Hortense 1856 nach Island. [* 11]
Namentlich aber sandte Schweden mehrere wissenschaftliche Expeditionen aus und zwar hauptsächlich nach Spitzbergen. So unter Torell 1857 und 1861-62, unter Nordenskjöld 1864, 1868 und 1872-73. Von den zahlreichen sonstigen Fahrten im europäischen Eismeer, welche teils im Interesse der Wissenschaft, teils zu Handelszwecken oder auch zum Vergnügen unternommen wurden, nennen wir Lord Dufferins 1856, Lamonts 1858, 1859, 1869 und 1871, Bernas 1861, Carlsens Fahrt um ganz Spitzbergen 1863 und durch das Karische Meer zur Obmündung 1869, Rönnbäcks 1867, Bessels 1869, Dorsts 1869, Leigh Smiths 1871. Der rastlosen Thätigkeit Petermanns gelang es, erfolgreich auch in Deutschland zu Polarforschungen anzuregen.
Die erste deutsche Expedition unter Werner (1865) erlitt bereits beim Aussegeln Havarie. Die zweite unter Koldewey kam 1868 im kleinen Segelschiff Grönland westlich von Spitzbergen bis 80° 30; konnte aber die grönländische Ostküste nicht erreichen. Die dritte deutsche Expedition ging 1869 ab unter Koldewey und Hegemann im Dampfer Germania [* 12] und Segelschiff Hansa. Vor der Ostküste Grönlands wurden die Fahrzeuge im Eis getrennt; die Hansa wurde zerdrückt, ihre Mannschaft driftete den ganzen Winter auf einer Scholle von 71° bis 61° nördl. Br. und rettete sich endlich in Booten nach den grönländischen Kolonien.
Die Germania fuhr an der Küste bis zu 75° 31' nördl. Br. und überwinterte an der Sabineinsel. Auf Schlitten wurde die Küste bis 77° 1' nördl. Br. untersucht, der Franz Joseph-Fjord und alpengleiche Gebirge entdeckt und außerordentlich wertvolles Material für die Wissenschaft gesammelt. Die Expedition kehrte 1870 glücklich zurück. Auf Spitzbergen forschten 1870 v. Heuglin und Graf Waldburg-Zeil und erblickten von da das König Karls-Land, welches 1872 von Altmann und von Nils Johnsen wirklich erreicht und von letzterm auch näher untersucht wurde. 1871 war an der Küste von Nowaja Semlja v. Heuglin thätig, und Payer und Weyprecht fuhren nach Spitzbergen und zwischen diesem und Nowaja Semlja bis 78° nördl. Br. Unter diesen beiden letztgenannten segelte 1872 die österreichisch-ungarische Expedition im Dampfer ¶
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Tegetthoff nach Nowaja Semlja, trieb von dort mit dem Eis nach Norden [* 14] und entdeckte und erkannte Kaiser Franz Joseph-Land als einen ausgedehnten Länderkomplex. Das Schiff [* 15] 1874 verlassend, wurden die Seefahrer von russischen Fangschiffern gerettet. Die mit bewundernswerter Ausdauer durchgeführten Beobachtungen haben die Wissenschaft im höchsten Maß bereichert. Kaiser Franz Joseph-Land wurde in der Folge noch mehrmals besucht, 1879 von einer holländischen Expedition unter Bruyne, 1881 von Leigh Smith, der dort auch überwintert u. sich mit seiner Mannschaft nach Verlust seines Schiffs nach Nowaja Semlja rettete.
Erwähnenswert sind ferner die wissenschaftliche Untersuchung der Insel Jan Mayen durch eine norwegische Expedition unter Mohn 1877, die Entdeckung der kleinen Insel Einsamkeit unter 77° nördl. Br. und 86° östl. L. v. Gr. durch Kapitän Johansen 1878 und die seit 1878 fast alljährlich erneuten, mit Tiefseemessungen verbundenen Fahrten des holländischen Schiffs Willem Barents. Auch im Karischen Meer, dem »Eiskeller [* 16] Europas«, hatte man seit 1869 mehrere Jahre hintereinander ungewöhnlich günstige Eisverhältnisse angetroffen, und eine Reihe von Walfischfängern und Handelsschiffen erreichte selbst die Mündungen von Ob und Jenissei, die des letztern zuerst Nordenskjöld 1875. Dieser entschloß sich dann auch, den seit Jahrhunderten nicht wieder erneuerten Versuch einer nordöstlichen Durchfahrt zu machen. Er verließ im Juli 1878 mit den Schiffen Vega (Kapitän Palander) und Lena (Kapitän Johansen) und einem ganzen wissenschaftlichen Stab [* 17] Europa, [* 18] durchschiffte das ganze sibirische Eismeer und erreichte, während die Lena den Lenastrom hinauffuhr, mit der Vega glücklich die Beringsstraße und den Großen Ozean. Indessen die daran geknüpften Hoffnungen für einen regelmäßigen Handelsverkehr mit Sibirien sind nicht erfüllt worden. Die Eisverhältnisse des Karischen Meers gestalteten sich wieder ungünstiger und nur sehr wenige Schiffe [* 19] konnten die westsibirischen Flüsse [* 20] erreichen.
Wie früher erwähnt, hatte Kellett 1849 die Heraldinsel entdeckt und weiter westlich eine andre Küste, von ihm Ploverland genannt, erblickt, welche 1855 von Rodgers vergebens gesucht, aber 1867 von Kapitän Long wirklich gefunden und Wrangell-Land getauft wurde, Die Bemühungen von Maidell 1868 und Onatzewitsch 1876, dieses neue Polarland zu erreichen und zu untersuchen, blieben erfolglos. Eine amerikanische Expedition verließ 1879 San Francisco auf der Jeannette unter Kapitän Delong, um durch die Beringsstraße nach Norden vorzudringen.
Die Jeannette segelte an der Heraldinsel vorbei, geriet in einen Treibeisgürtel, von dem sie hin- und hergetragen wurde, bis sie zwischen 77 und 78° nördl. Br. und 155° östl. L. versank. Die Mannschaft suchte sich auf drei Booten nach der sibirischen Küste zu retten, was aber nur zweien gelang, und auch von diesen fanden fast alle Insassen des einen, unter ihnen auch Delong, auf den Schnee- und Eisfeldern Sibiriens ihren Tod. Die Hauptresultate dieser Expedition sind die Entdeckung der kleinen Jeannetteinsel (76° 47' nördl. Br., 159° 20' östl. L.), der etwas größern Henrietteinsel (77° 8' nördl. Br., 157° 43' östl. L.) und der Bennettinsel (76° nördl. Br., 148° östl. L.).
Das Ausbleiben jeglicher Nachrichten von der Jeannette während zweier Jahre hatte die Absendung einiger andrer Schiffe nach dem sibirischen Eismeer zur Folge. Hooper landete 1881 sowohl auf der Heraldinsel als auf Wrangell-Land, fand aber ebensowenig eine Spur der Jeannette wie Berry, welcher Wrangell-Land aufnahm, aber sein Schiff durch eine Feuersbrunst einbüßte. Wadleigh, welcher das Meer zwischen Grönland und Spitzbergen nach der Jeannette absuchen sollte, fand westlich von letzterm die Eisverhältnisse so ungünstig, daß er unter 80° 10' nördl. Br. umkehrte.
Versuche, von W. her in das sibirische Eismeer zu dringen, verliefen ungünstig. Eine dänische Expedition unter Hoovgaard 1882 mit dem Dampfer Dymphna gelangte zwar durch die Karische Pforte in das Karische Meer, wurde hier aber vom Eis festgehalten und kehrte Ende des Jahrs nach Vardö zurück. Eine niederländische Expedition, welche den Dicksonshafen ^[richtig: Dicksonhafen] an der Jenisseimündung zum Ziel hatte, mußte dies Schicksal teilen. Der Willem Barents versuchte 1884 zum siebentenmal vergeblich, in das Karische Meer einzudringen; ein mitgebrachter Gedenkstein für Barents an dessen Winterhafen an der Nordostküste konnte nicht errichtet werden. Nach den Neusibirischen Inseln unternahmen 1886 Bunge und Toll eine Expedition von Kasatschin an der untern Lena.
Eine Prüfung des Verlaufs aller Nordpolexpeditionen läßt erkennen, daß die Erfolge besonders von Winden [* 21] und Strömungen abhängen, welche oft sehr rasche Veränderungen in der Lage der Eismassen bewirken, so daß ein Fahrzeug dort zurückweichen muß, wo ein andres wenige Tage später freies Fahrwasser findet. Durch fortgesetzte Unternehmungen wird endlich wohl der Pol erreicht werden, während Expeditionen, denen dieses nicht gelingt, doch immer das fördern, was mit Weyprecht die internationale Polarkonferenz in Petersburg im August 1881 für das Wichtigste erklärte: wissenschaftliche Erkenntnis. Um diese zu fördern, beschloß die Konferenz, es möchte mit Aufgabe der kostspieligen und wenig fruchtbaren Bestrebungen, den Pol zu erreichen, nach Weyprechts Plan eine Reihe zirkumpolarer wissenschaftlicher Beobachtungsstationen zugleich eingerichtet und besetzt werden, ein Vorschlag, der 1882 zur Ausführung kam, so daß wir aus diesen gleichzeitigen Beobachtungen zunächst für die verschiedensten Zweige der Naturwissenschaften, aber sicher auch für die Geographie bedeutende Resultate erwarten dürfen (vgl. Polarforschung).
Übrigens haben sich auf den deutschen Geographentagen einflußreiche Stimmen wiederholt für die Wiederaufnahme der Polarexpeditionen erklärt. Von neuern Plänen zur Erreichung des Nordpols seien erwähnt die von Greeley und Melville empfohlene Route über Franz Joseph-Land sowie die von Gilder und von Macarthur von der Hudsonbai aus.
Vgl. außer den speziellen Reisewerken: Barrow, Chronological history of voyages into the arctic regions (2. Aufl., Lond. 1846);
Richardson, Polar regions (das. 1861);
Shillinglaw, Narrative of arctic discovery (neue Ausg., das. 1851);
Peschel, Geschichte der Erdkunde [* 22] (2. Aufl., Münch. 1877);
Markham, The threshold of the unknown region (4. Aufl., Lond. 1876);
D. Murray Smith, Arctic expeditions from British and foreign shores (das. 1875-77, 3 Bde.);
Weyprecht, Die Nordpolexpeditionen der Zukunft (Wien [* 23] 1876);
Chavanne u. a., Die Litteratur über die Polarregionen der Erde (das. 1878);
Geschichte der Nordpolfahrten (Stuttg. 1880); R. Andree, Der Kampf um den Nordpol (4. Aufl., Leipz. 1883); Löwenberg, Die Entdeckungs- und Forschungsreisen in den beiden Polarzonen (das. 1886).