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Umgekehrt fuhr Prontschitschew 1735 von Jakutsk an die Lenamündung und von dort über das Kap Thaddäus (77° nördl. Br.) hinaus. Noch weiter, bis zum Taimyrkap kam 1739 Chariton Laptew; sein Steuermann Tscheljuskin umwanderte 1742-43 die nach ihm benannte nördlichste Spitze des asiatischen Festlandes. Nowaja Semlja wurde 1760-61 von Loschkin umschifft und seine Zweiteilung durch den Matotschkin Schar 1768 durch Rosmuislow nachgewiesen. Von Svätoi Nos mit Schlitten ausgehend, entdeckte der Kaufmann Liakow 1770 die nach ihm benannte Inselgruppe und erblickte drei Jahre nachher die erst später besuchte Kesselinsel (Kotelnoi).
Dann entdeckte Sannikow 1805 Fadejewskoi, und 1806 fand Sirowatskoj die Neusibirischen Inseln, deren Lage und Größe 1823 von Anjou genauer bestimmt wurden, während Wrangell 1820-23 von verschiedenen Küstenpunkten aus Schlittenexpeditionen über das gefrorne Meer nach Norden [* 2] machte und unter 166° westl. L. bis 72° 2' nördl. Br. vordrang. Diesen Reisen verdanken wir die wichtige Entdeckung, daß sogar im Winter eine sogen. Polynja, ein offener Wasserstreifen, selbst nördlich von den Neusibirischen Inseln gegen Ostsüdost nach der Beringsstraße sich erstreckt und einen Zusammenhang mit dem Atlantischen Ozean besitzen muß.
Schon 1778 war Cook durch die Beringsstraße gesegelt, hatte seine höchste Breite, [* 3] 70° 44', unter 161° 36' westl. L. v. Gr. erreicht und dann die asiatische Küste am Kap Nord (69° nördl. Br.) berührt. Der ihm im Kommando folgende Clerke vermochte 1779 nur bis 70° 30' nördl. Br. vorzudringen. Kotzebue, begleitet von Chamisso, erreichte 1816-17 nicht einmal die Breiten seiner Vorgänger; dagegen vermochte Beechey, welcher 1825 dem von O. her vordringenden Franklin entgegengesandt wurde, bis zur Barrowspitze (154° westl. L. v. Gr.) zu segeln. - Inzwischen hatte Gieseke 1806 geologisch die Westküste Grönlands und einen Teil der Ostküste untersucht, welche Scoresby 1822 von 75° bis 69° nördl. Br. aufnahm, nachdem er bei Spitzbergen 81° 30' erreicht hatte. An derselben Küste unter 74° 30' nördl. Br. führte Sabine mit Clavering 1823 seine berühmten Pendelversuche aus und kam dabei noch über Scoresbys nördlichsten Punkt hinaus. Auch der Däne Graah untersucht 1828-30 die Ostküste, indem er in Booten von den dänischen Kolonien in Westgrönland um Kap Farewell herumfuhr. Parry erreichte 1827 in Booten und Schlitten 82° 40' nördl. Br., wurde aber von dem treibenden Eise schneller nach S. getragen, als er nach Norden vordringen konnte.
Die nordwestliche Durchfahrt wurde von neuem in den Vordergrund des Interesses durch Barrow gerückt und die thätige Teilnahme der englischen Regierung gewonnen, nachdem Scoresby 1816-17 zwischen 74 und 80° nördl. Br. die Grönlandsee völlig eisfrei gefunden hatte. John Roß und Parry segelten 1818 nach der Baffinsbai, drangen im Lancastersund aber nur bis 80° 37' westl. L. vor, da Roß Befehl zur Umkehr gab. Im nächsten Jahr wurde Parry mit zwei Schiffen, Hecla und Griper, ausgesandt; das letztere Schiff [* 4] führte Liddon. Er durchsegelte den Lancastersund, bis das Eis [* 5] ihm den Weg versperrte, wandte sich zum Prince Regent's Inlet, wurde auch hier zurückgetrieben und fand endlich eine freie Durchfahrt, die ihn am Wellingtonkanal und der Byam Martin-Insel vorbei zur Melvilleinsel führte, an deren Südküste überwintert wurde.
Die Schiffe [* 6] hatten den 110.° westl. L. gekreuzt und damit die vom Parlament ausgesetzte Belohnung von 5000 Pfd. Sterl. erworben. Im nächsten Jahr wurde 113° 46' westl. L. erreicht. Nach seiner Rückkehr erhielt Parry die Führung der Schiffe Fury und Hecla; mit ihm ging Lyon. [* 7] Er sollte von der Hudsonbai aus längs dem Nordufer des Festlandes eine Durchfahrt in die Südsee aufsuchen, segelte aber, als er den Foxkanal offen fand, zur Frozenstraße und überwinterte, nachdem er vergeblich eine Durchfahrt gesucht hatte, im Lyon Inlet der Melvillehalbinsel.
Einer dort von einer Eskimofrau gezeichneten Karte folgend, gelangte Parry zur engen, nach seinen Schiffen benannten Fury- und Heklastraße, wo er überwinterte. Da die Eisverhältnisse im nächsten Jahr kein Vordringen gestatteten, kehrte Parry nach England zurück. Nun blieb noch die Hoffnung, daß Prince Regent's Inlet sich weiter nach S. oder SW. öffnen möchte. Parry segelte 1824 mit Hoppner abermals in den Schiffen Fury und Hecla ab, ging durch den Lancastersund nach Prince Regent's Inlet, überwinterte im Port Bowen (73° 11' nördl. Br. und 89° 1' westl. L. v. Gr.), verlor die Fury durch das Eis und kehrte mit der Mannschaft beider Schiffe in der Hecla zurück. Zwei Jahre darauf zog die englische Regierung den für die Entdeckung der Nordwestpassage ausgesetzten Preis zurück.
Nun trat aber John Roß wieder als arktischer Forscher auf. Mit dem Raddampfer Victory, dessen Maschine [* 8] jedoch so gut wie untauglich befunden wurde, befuhr er 1829 den Lancastersund und Prince Regent's Inlet und wurde dort an der Küste von Boothia Felix unter 69° 59' nördl. Br. und 92° westl. L. v. Gr. zwei Winter festgehalten. Nachdem er 1832 sein Schiff verloren, zimmerte er sich aus den Trümmern der Fury, bei welcher Parry auch einen Vorrat von Lebensmittel zurückgelassen hatte, zwei Boote, mit denen er in den Lancastersund gelangte, wo ein Walfischfahrer 1833 die Mannschaft aufnahm, nachdem dieselbe vier Polarwinter durchgemacht hatte. Während dieser Zeit erforschte James Clarke Roß, der Neffe des Führers der Expedition, auf mehreren Schlittenreisen König Wilhelm-Land und entdeckte 1831 den damaligen magnetischen Pol unter 70° 5' nördl. Br. und 96° 46' westl. L. v. Gr.
Inzwischen hatten die Beamten der im Norden Amerikas stationierten Pelzhandelsgesellschaften viel zur Kenntnis der dortigen Gegenden beigetragen, und es war von England der Versuch gemacht worden, die Frage der nordwestlichen Durchfahrt auf dem Landweg zu lösen. John Franklin begab sich mit Richardson, Back und Hood 1820 zum Kupferminenfluß mit dem Auftrag, die Küste von dort aus gegen O. zu untersuchen. Den Fluß hinabfahrend, entdeckte er die Coronationbucht und Bathurst Inlet und drang bis Kap Turnagain (109° 25' östl. L.) vor, von wo er mit Verlust der Hälfte seiner Leute zum Kupferminenfluß und von da nach England zurückkehrte.
Von Richardson und Back begleitet, brach Franklin 1825 abermals auf, erreichte den Ausfluß [* 9] des Bärensees in den Mackenzie, fuhr zum Delta [* 10] des letztern und ging mit Back bis zum Return Riff (148° 52' westl. L.), während Richardson die unbekannte Küste zwischen dem Mackenzie und Kupferminenfluß befuhr. Beechey war Franklin von der Beringsstraße bis zur Barrowspitze vergeblich entgegengefahren; die Strecke zwischen diesem Vorgebirge und dem Return Riff wurde 1837 von Dease und Simpson aufgenommen. Back, der auszog, um über das Schicksal von Roß Aufklärung zu verschaffen, gelangte 1833 bis 1834 bis zur Oglespitze, und die zwischen diesem Punkt und Kap Turnagain gelegene Strecke ¶
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erforschten 1838-39 Dease und Simpson. Damit konnte es schon als erwiesen gelten, daß es eine nordwestliche Durchfahrt gebe; aber der Eifer für die Auffindung einer solchen begann zu erkalten. Erst die erfolgreiche Reise von Sir James Clarke Roß nach dem Antarktischen Meer belebte denselben von neuem.
Mit Franklins verhängnisvoller Fahrt beginnt ein neuer Abschnitt in der Geschichte der Polarforschung. Es gelang dem Sekretär [* 12] der Admiralität, Sir John Barrow, die englische Regierung zur Wiederaufnahme der arktischen Fahrten zu gewinnen. Die bewährten Schiffe Erebus und Terror wurden in Dienst gestellt, mit Dampfmaschinen [* 13] und aushebbaren Propellern sowie mit Proviant für drei Jahre versehen, der leider später sich zum Teil als unbrauchbar herausstellte.
Das Kommando übernahm der bereits 60jährige Sir John Franklin im Erebus, den Terror führte Crozier. Am segelte die Expedition, 138 Köpfe stark, von London [* 14] ab, 26. Juli wurde sie westlich von der Melvillebai in 74° 48' nördl. Br. und 66° 13' westl. L. von einem Walfischfänger zum letztenmal gesehen. Ihr Schicksal wurde erst 1859 vollständig aufgehellt. Franklin überwinterte 1845-46 im NW. des Lancastersundes auf der kleinen Beecheyinsel. Nach einer Umfahrung der Cornwallisinsel segelte er südwärts, wahrscheinlich durch den Peelsund und die Franklinstraße, und sah seine Schiffe unfern der Nordwestküste vom König Wilhelm-Land im September 1846 vom Eis besetzt.
Dort starb Franklin (s. Franklin 2). Als man bis Ende dieses Jahrs keine Kunde von ihm erhielt, setzte die englische Regierung eine Belohnung von 20,000 Pfd. Sterl. derjenigen Expedition aus, welche Franklin und seinen Leuten sichere Hilfe, und die Hälfte dieser Summe derjenigen, welche sichere Kunde über ihr Schicksal bringen würde. Dieser Summe fügte Lady Franklin noch 2000 Pfd. Sterl. hinzu. England sandte 1848 drei Expeditionen aus: Moore und Kellett gingen nach der Berings-, Roß und Bird nach der Barrowstraße, Richardson und Bennett gingen über Land und befuhren mit Booten die Küsten des Eismeers;
aber keine der Expeditionen fand eine Spur von Franklin.
Nun wurden großartige Anstrengungen gemacht, nicht weniger als 14 Fahrzeuge zogen 1850 aus. Collinson und Mac Clure segelten nach der Beringsstraße, Penny und Stewart nach dem Wellingtonkanal, Austin, Ommaney, Osborn und Cator sowie auch de Haven und Griffin (amerikanische Grinnell-Expedition), ferner John Roß und Phillips nach der Barrowstraße, Forsyth nach Prince Regent's Inlet, Puller ging über Land. Umfassende Vorkehrungen waren getroffen, um den Verschollenen Kunde zu geben.
Kupfercylinder und Flaschen mit Depeschen wurden ausgeworfen, letztere auch in metallenen Halsbändern gefangenen Füchsen umgehängt und diese dann freigelassen, Felswände wurden beschrieben, Signalstangen aufgerichtet, kleine Luftballons zum Verbreiten von Benachrichtigungen verwandt: alles vergeblich. Einige Schiffe kehrten 1851 nach der Heimat zurück, während Rae über Land und Kennedy zu Schiff nach Prince Regent's Inlet ausgesandt wurden. Im folgenden Jahr segelten von England Belcher und Osborn nach dem Wellingtonkanal, Pullen zur Beecheyinsel, Inglefield nach Smith- und Jonessund, Kellett und Mac Clintock zur Melvilleinsel, wo sie ein Dokument Mac Clures fanden, welches die endliche Entdeckung der nordwestlichen Durchfahrt konstatierte.
Mac Clure hatte 1850 durch die Beringsstraße Banksland erreicht, darauf in der Prinz Wales-Straße überwintert und war in die Banksstraße vorgedrungen, bis ihn das Eis zwang, in der Bai of Mercy (74° nördl. Br. und 118° westl. L. v. Gr.) zu überwintern. Hier mußte er sein Schiff zurücklassen, wanderte 1853 übers Eis nach der Melvilleinsel zu Kelletts Schiffen und vollendete so die Nordwestpassage. Auch Kelletts Schiffe mußten 1854 verlassen werden, und zur Beecheyinsel marschierend, vereinigten sich Mac Clure und Kellett mit Belcher und Osborn, die ihre Schiffe im Wellingtonkanal zurückgelassen hatten.
Sämtliche Mannschaften kehrten auf zwei von England eingetroffenen Schiffen in die Heimat zurück, die übrigen Expeditionen waren bereits dort angelangt. Alle Teile des Archipels waren erforscht bis auf die Nordwestküste von König Wilhelm-Land, Franklins Unglücksstätte. Man hatte nichts gefunden. So erklärte denn die Regierung Franklin und die Mitglieder seiner Expedition für tot, doch sandte Lady Franklin noch verschiedene Expeditionen aus.
Die Amerikaner Grinnell und Peabody hatten Kane schon 1853 nach dem Smithsund entsandt, an dessen Ostküste, in der Rensselaerbai (78° 37' nördl. Br.), er überwintern und sein Schiff 1855 im Eis zurücklassen mußte. Doch war durch Schlittenreisen das Kanebassin und nördlichere Gegenden bis 80° nördl. Br. erforscht und die Westküste sogar bis Mount Parry (82° 30' nördl. Br.) gesichtet worden. Als Rae, der im Dienste [* 15] der Hudsonbaikompanie Ländereien im S. des Boothiagolfs vermaß, durch Eskimo ihm gegebene Nachrichten über Franklin überbrachte, wurden Anderson und Stewart 1855 nach der Mündung des Großen Fisch-Flusses gesandt und fanden dort Beweise, daß ein Teil von Franklins Leuten daselbst dem Hunger und der Kälte erlegen war.
Nun rüsteten Lady Franklin und ihre Freunde den kleinen Dampfer Fox aus und übergaben Mac Clintock die Führung. Dieser segelte 1857 ab, wurde in der Baffinsbai vom Eis besetzt und trieb mit diesem umher, bis er 1858 frei wurde, ging dann durch den Lancastersund nach Prince Regent's Inlet und überwinterte in der Bellotstraße. Die im Frühjahr 1859 unternommenen Schlittenreisen führten Mac Clintock und Hobson nach König Wilhelm-Land und entschleierten endlich vollständig das Schicksal der Franklin-Expedition.
Durch die Franklinsucher war die nordöstliche Durchfahrt gefunden, aber als unbrauchbar erkannt worden. Die spätern Expeditionen erstrebten eine wissenschaftliche Erforschung der Polarregionen und als Endziel die Erreichung des Nordpols. Zu diesem Zwecke gingen drei Expeditionen aus. Eine amerikanische unter Hayes segelte 1860 zum Smithsund und überwinterte an der Ostseite desselben im Port Foulke (78° 17' nördl. Br.). Hayes drang 70 Seemeilen ins Innere von Grönland vor, kreuzte im nächsten Jahr den Smithsund mit Schlitten nach der Westküste von Ellesmereland, erreichte seine höchste Breite, Kap Lieber, unter 81° 35' und kehrte 1861 nach Boston [* 16] zurück.
Eine zweite amerikanische Expedition unter Hall, [* 17] der schon 1860-62 bei den Eskimo im Norden der Hudsonstraße gelebt und 1864-69 die Fury- und Heklastraße und König Wilhelm-Land erforscht hatte, ging 1871 in dem Dampfer Polaris nach dem Smithsund und durch den Robesonkanal bis 82° 16', wo Eismassen Halt geboten. Am starb Hall im Thank God-Harbour (81° 38' nördl. Br.). Auf dem Rückweg im nächsten Jahr wurde die Mannschaft unter 80° nördl. Br. vom Eis besetzt und umhergetrieben, schließlich aber doch ¶