Nordischer Krieg - Nordische Sprache und Litteratur
mehr
Meerbusen gelegenen schwedischen Lande in seine Gewalt zu bringen. Die Verbündeten begannen den Krieg, indem 1700 August mit
einem sächsischen Heer in Livland, die Russen in Ingermanland, die Dänen in Schleswig einfielen. Karl XII., gedeckt durch ein
Bündnis mit England und den Niederlanden, warf sich aber ganz unerwartet auf Dänemark, landete auf Seeland
und zwang Friedrich durch die Bedrohung Kopenhagens dazu, unter Vermittelung der Seemächte 18. Aug. 1700 den Travendaler Frieden
zu schließen und sich von seinen Verbündeten loszusagen.
Darauf landete Karl mit 18,000 Mann im Oktober bei Pernau in Livland, rückte mit 8000 Mann den Russen entgegen und schlug
den sechsmal stärkern Gegner bei Narwa (30. Nov.). Statt aber Peter zu verfolgen und zur Unterwerfung zu zwingen, wandte er sich 1701 gegen
die Sachsen, schlug sie im Juli bei Riga und fiel in Polen ein, obgleich dieses neutral bleiben wollte. Durch die Siege bei Kliszow
(19. Juli 1702) und Pultusk (1. Mai 1703) vertrieb er die Sachsen aus Polen, zwang 1704 den Reichstag, August abzusetzen
und seinen Schützling Stanislaus Leszczynski zum König zu wählen, und fiel dann in Sachsen ein, wo er August im Frieden zu
Altranstädt (24. Sept. 1706) zwang, der polnischen Krone zu entsagen.
Jetzt erst wandte er sich wieder gegen Peter, der inzwischen die Ostseeprovinzen größtenteils erobert, 1703 Petersburg
gegründet und Litauen besetzt hatte. Karl vertrieb ihn hieraus, drang selbst in Rußland bis Smolensk ein und unternahm dann
auf Mazeppas Rat den abenteuerlichen Zug
nach der Ukraine, der mit dem Untergang seines Heers vor Poltawa (8. Juli 1709)
und der Vernichtung aller bisher errungenen Erfolge endete. Während Karl XII. nach der Türkei floh und dort in verblendeter
Hartnäckigkeit den Sultan immer wieder zum Kriege gegen Rußland zu bewegen suchte, nahm August den polnischen Thron wieder
ein, eroberte Dänemark Schleswig, Bremen und Verden, Peter die baltischen Provinzen und Finnland.
Die Truppen der drei Mächte fielen nun auch in Deutschland ein, um Pommern zu erobern, dessen Besetzung durch Preußen der schwedische
Reichsrat, um es dadurch vielleicht zu retten, zuließ. Nur Stralsund blieb von allen auswärtigen Besitzungen in Schwedens
Gewalt. Da, im November 1714, kehrte Karl aus der Türkei nach Stralsund zurück und forderte durch seine
schroffe Haltung auch noch England, Hannover und Preußen zum Krieg heraus. Letzteres vertrieben 1715 aus Stralsund und Rügen, und
Karl, nach Schweden zurückgekehrt, suchte Rußland zum Frieden zu bewegen und durch Eroberung Norwegens sich für seine Verluste
zu entschädigen.
Beim zweiten Einfall in Norwegen wurde er 11. Dez. 1718 im Laufgraben vor Frederikshald erschossen. Doch erreichte
der Krieg mit Karls XII. Tod nicht sogleich sein Ende, denn die zur Königin von Schweden erhobene Schwester Karls, Ulrike Eleonore,
ganz unter der Leitung der Adelspartei stehend, brach die mit Rußland angeknüpften Unterhandlungen wieder ab, erneuerte
den Krieg gegen diese Macht und schloß dagegen der Reihe nach mit Hannover, Polen, Preußen und Dänemark Frieden. Hannover erhielt
im Frieden zu Stockholm (20. Nov. 1719) Bremen und Verden gegen Zahlung von einer Million Thaler; mit Polen wurde 7. Nov. 1719 der Friede
von Oliva erneuert und August II. als König anerkannt. Preußen behielt im Vertrag von Stockholm (1. Febr. 1720)
Vorpommern bis an die Peene und zahlte an Schweden 2 Mill. Thlr. Dänemark erhielt im Frieden von Frederiksborg (14. Juli 1720) 600,000
Thlr. und den holstein-gottorpschen
Anteil an Schleswig. Inzwischen hatte der Krieg zwischen Schweden und Rußland fortgedauert.
Ein schwedisches Geschwader wurde 7. Aug. 1720 geschlagen und die schwedische Küste von den Russen verheert. So sah sich die Königin
zum Abschluß des Friedens von Nystad (10. Sept. 1721) genötigt, in welchem sie Livland, Esthland, Ingermanland, die Bezirke von Kexholm
und Wiborg abtrat und nur das übrige Finnland nebst 2 Mill. Thlr. zurückerhielt. So verlor Schweden die
von Gustav Adolf erworbene Macht und sank zu einem Staat untergeordneten Ranges herab. An seine Stelle trat Rußland.
Vgl. v.
Noorden, Geschichte Europas im 18. Jahrhundert, Bd. 2 (Düsseld.
1873).
Sprache und Litteratur. Die nordische Sprache ist ein Zweig der germanischen Sprachfamilie
und steht innerhalb derselben dem Gotischen am nächsten. Gotisch und Nordisch werden als ostgermanische Sprachen den andern,
westgermanischen, gegenübergestellt. Die älteste nordische Sprache, Urnordisch oder Gemeinnordisch, ist nur in einer spärlichen
Anzahl von Runeninschriften erhalten, die nur eben zahlreich genug sind, um diese Sprache als eine der gotischen gegenüber
zum Teil noch altertümlichere erscheinen zu lassen, aber durchaus nicht hinreichen, um eine urnordische Formenlehre aufzustellen.
Die ältesten und wichtigsten dieser Denkmäler finden sich auf dem »goldenen Horn«, den Steinen von Tune und Istaby u. a. (s.
Runen). In diese Periode gehören auch zum Teil die germanischen Lehnwörter des Finnischen und Lappischen
(vgl. Thomsen, Über den Einfluß der germanischen Sprachen auf die finnisch-lappischen, deutsch von Sievers, Halle 1870). Die
Hauptmerkmale des Nordischen sind: Erhaltung eines ursprünglich auslautenden Flexions-s als r;
Brechung eines stammhaften e
zu ea, später ja, vorzugsweise vor r und l;
Ausbildung eines u-Umlauts (in weitester Ausdehnung erst im
Westnordischen und besonders regelmäßig auf Island);
Abfall des j im Anlaut und später auch des v vor u, o, y;
Bildung eines
Mediopassivs durch Anhängung von sk (ursprünglich sik = sich);
Entwickelung eines angehängten Artikels.
Diese Gesamtsprache
der Nordländer begann (etwa seit dem 9. Jahrh.) sich in zwei Sprachzweige zu
spalten, das Norwegische oder Westnordische und das Schwedisch-Dänische oder Ostnordische (vgl. Ad. Noreen, De nordiska språken,
Ups. 1887, und die Art. Schwedische Sprache und Dänische Sprache). Das Westnordische herrschte, nachdem seit 874 von Norwegen
aus Island besiedelt worden war, auch auf dieser Insel, wo sich nun eine eigne Sprache entwickelte. Zwischen
dieser Sprache der Kolonie Island und den Dialekten des norwegischen Mutterlandes bildeten sich nämlich allmählich Unterschiede
heraus, die zwar im ganzen gering, aber doch recht beachtenswert sind.
Meist ist hier das Altnorwegische altertümlicher. Unter der Fremdherrschaft verkümmerte in Norwegen die einheimische Sprache
und wich vor der dänischen, die nunmehr (mit einigen Norwegismen) Schriftsprache und Sprache der Gebildeten
ist, in die abgelegenen Gebirgsthäler zurück, wo sie noch heute lebt und Gegenstand sorgfältiger Studien geworden ist,
besonders von I. ^[Ivar] Aasen (»Norsk Grammatik«, Christ. 1864; »Norsk Ordbog«, 2. Aufl.,
das. 1873). Auf dem entlegenen Island erhielt sich die Sprache in besonderer Altertümlichkeit bis auf
den heutigen Tag. Die Laute sind zum Teil andre geworden, die Formen aber im wesentlichen geblieben. Ein interessanter Dialekt
ist die Volksmundart der Färöer (vgl.
mehr
Hammershaimb, Färöisk Sprogläre, in »Annaler« 1854), während auf den
andern nordischen Inselgruppen die nordische Sprache seit Jahrhunderte erloschen ist. Das Westnordische nun, und besonders
das Isländische, pflegt man speziell als Nordisch oder Altnordisch zu bezeichnen, indem die reiche altnordische Litteratur
zum weitaus größten Teil in altisländischen Handschriften erhalten ist. Die besten Grammatiken sind
die ältere von Rask (»Vejledning til det islandske eller gamle nordiske Sprog«, Kopenh.
1811; deutsch von A. Wienbarg, Hamb. 1839) und die neuern von Wimmer (»Oldnordisk Formläre«, 2. Aufl.,
Kopenh. 1876; deutsch von Sievers, Halle 1871; schwed., Lund 1874) und Noreen (Halle 1884). Außerdem sind zu nennen:
Gislason, Oldnordisk Formläre (unvoll., Kopenh. 1858),
und J. ^[Jonathan] Aars, Oldnorsk Formläre (Christ. 1862);
ferner die entsprechenden Abschnitte in Grimms »Deutscher Grammatik«
und Holtzmanns »Altdeutscher Grammatik«.
Wörterbücher lieferten Cleasby und Vigfusson (»Icelandic-English dictionary«, Oxford
1874),
Sveinbjörn Egilsson (»Lexicon poeticum etc.«, Kopenh.
1860, für Poesie),
J. ^[Johan] Fritzner (Christ. 1867; 2. Aufl., das. 1883) und Möbius (»Altnordisches Glossar
etc.«, Leipz. 1866, für ausgewählte Prosatexte).
Vgl. Möbius, Über die altnordische Sprache (Halle 1872).
Nordische Litteratur.
Die abgeschiedene Lage gewährte Island, während im eigentlichen Skandinavien fortwährende Kämpfe tobten, im allgemeinen eine
friedliche Entwickelung und veranlaßte so die reiche Entfaltung der altnordischen Litteratur gerade auf
Island. Auch besaß Island einen einheimischen Priesterstand, der die alten Überlieferungen seines Volkes nicht etwa auszurotten
bemüht war, sondern dieselben nach Kräften pflegte und so der Begründer einer eigentlichen Litteratur ward.
Diese begann, nachdem an Stelle der für längere Aufzeichnungen ungeeigneten Runenschrift (s. Runen) die lateinische eingeführt
war (um 1150 wurde das lateinische Alphabet noch durch einige neue Zeichen vermehrt), im Anfang des 12. Jahrh.;
jedenfalls ist aber vieles in gebundener und ungebundener Rede schon lange vorher in mündlicher Überlieferung fortgepflanzt
worden. Die altnordische Litteratur zerfällt natürlich in Dichtung und Prosa, nur spielt letztere hier eine weit bedeutendere
Rolle als bei den andern germanischen Völkern.
Die Dichtung teilt sich wieder in Volksdichtung und Kunstdichtung. Die wertvollsten Erzeugnisse der erstern sind die allitterierenden
Lieder, die man unter dem Gesamtnamen Edda zusammenzufassen pflegt, obwohl der Name eigentlich nur der jüngern oder prosaischen
Edda zukommt (s. Edda); zu der letztern gehören die Dichtungen der Skalden, die sich den alten einfachen
Eddaliedern gegenüber durch künstliche Versmaße und Anwendung des Reims sowie durch den übermäßigen Gebrauch von Umschreibungen
(kenningar) auszeichnen.
Die Eddalieder zerfallen in Götterlieder (z. B. »Völu-spá«, »Thrymskvidha«, auch didaktischen Inhalts, wie »Hávamál«)
und Heldenlieder (hauptsächlich die Helgesage und die ursprünglich deutsche Siegfrieds- und Nibelungensage
behandelnd). Außerdem gehören hierher alte Volkslieder mythischen oder heroischen Inhalts, wie sie in der Hervararsaga und
Hálfssaga (Walkürenlied in der Njálssaga) enthalten sind. Eine Art Übergang zur Skaldendichtung bilden: Eiríksmál,
Bjarkamál, Krákumál oder Lodhbrókarkvidha (am besten hrsg. von Th. Wisén in seinen »Carmina norroena«, Lund 1826). Zweifellos
sind die Eddalieder im allgemeinen älter als
die Skaldenlieder, über eine positive Altersbestimmung
sind indessen die Ansichten geteilt.
Daß oft verschiedene Schichten der Überlieferung nebeneinander in demselben Lied vorliegen, macht die Entscheidung so schwierig.
Doch sind die meisten Lieder in ihrer überlieferten Gestalt mit einiger Wahrscheinlich ins 10. Jahrh., einige
vielleicht ins 9. und 11. Jahrh. zu setzen. Der Kern der meisten Lieder ist aber gewiß älter (weiteres
s. Edda). Die Skaldendichtung beginnt schon im 9. Jahrh., doch fällt die Blütezeit derselben erst ins 10. Jahrh. und reicht
bis ans Ende des 13. Jahrh. (s. Skalden).
Die Lieder sind meist Loblieder auf Lebende oder Tote, besonders Fürsten; diese Lieder heißen Drâpa (s. d.)
oder Flokkr. Später folgte eine geistliche Dichtung in skaldischen Versmaßen, deren berühmtestes Erzeugnis Eysteins »Lilja«
(um 1350), ein Loblied auf Christus und Maria, ist. Außerdem gab es auf Island eine Art von Gelegenheitsdichtung, bestehend
in einzelnen Strophen (lausavísur genannt), in deren Improvisation viele Isländer eine große Fertigkeit
besessen haben müssen, und von denen die Sagas eine große Menge aufbewahrt haben. (Eine leider unkritische Gesamtausgabe
der altnordischen poetischen Denkmäler ist Gudbr. Vigfussons »Corpus poeticum boreale«, Oxford 1883, 2 Bde.) Nach dem Verfall
der skaldischen Dichtung erwuchs auf Island eine neue, die sogen. Rimurpoesie, seit Ende des 14. Jahrh.,
mit Endreimen, eine Dichtung, die mit den Kämpeviser in Zusammenhang steht und unter südgermanischen Einflüssen entstanden
ist. Inhaltlich sind diese Rímur teils selbständig, wie Skídharíma (Ende des 14. Jahrh.,
hrsg. von K. Maurer, Münch. 1869) und Olafsríma (vor 1395), teils haben sie den Inhalt romantischer Sagas
ziemlich getreu wiedergegeben, wobei oft eine verlorne ältere Handschrift benutzt ist (vgl. Kölbing, Beiträge zur vergleichenden
Geschichte der romantischen Poesie und Prosa des Mittelalters, Bresl. 1876; »Islenzk fornkvædhi«,
hrsg. von Grundtvig und Sigurdsson, Kopenhag. 1854 ff.). Hier ist auch der von Kölbing herausgegebene »Skaufhalabálkr« zu
nennen, ein stabreimendes Fuchslied, die älteste Bearbeitung der Fuchssage im Norden. Die letzte Fortsetzung
der ältern nordischen Dichtung sind die Volkslieder, von denen die norwegischen durch Landstad (»Norske Folkeviser«,
Christ. 1853),
die färöischen am besten von Hammershaimb (Kopenh. 1851-55) herausgegeben sind; ferner in
Prosa: »Isländische Volkssagen der Gegenwart« (hrsg. von Maurer, Leipz. 1860),
isländisch: »Islenzkar
thjódhsögur og äfintyri« (gesammelt von Arnason, das. 1862-64).
Die Prosa ist besonders vertreten durch die reiche Sagalitteratur (s. Saga). Während ein Teil derselben heroische Mythen behandelt
und zum Teil nachweislich auf alte Volkslieder zurückgeht, haben andre historische Ereignisse und Personen mit mythischen
verknüpft; noch andre, die zahlreichsten und wichtigsten, behandeln geschichtliche Ereignisse in den
Hauptzügen durchaus historisch. Die Entstehung der geschichtlichen Saga auf Island erklärt sich aus dem aristokratischen
Charakter der Bevölkerung: auf dem winterlich vereinsamten Hof suchten die vornehmen Isländer an langen Winterabenden Kurzweil
in der Erzählung der Thaten ihres Geschlechts oder einzelner hervorragender Ahnen. Die Geschlechtsregister
und die eingestreuten Verse wurden sozusagen das Knochengerüst der Saga, an welches sich ausschmückende Einzelzüge als Fleisch
und Blut ansetzten. Zuerst ist die älteste Geschichte Islands in