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Heemskerk (»Batavische Arcadia«),
W. Swinnas, sind öfters zu breit oder zu gekünstelt.
Einen nachteiligen Einfluß auf die [* 2] niederländische Litteratur übte Ende des 17. Jahrh. die Einwanderung der durch den Widerruf des Edikts von Nantes [* 3] (1685) aus ihrem Vaterland vertriebenen französischen Protestanten, welche den Geschmack für ihre großen Dichter, aber auch die Verachtung der eignen Poesie herbeiführten. Dazu kam, daß durch den langen Frieden von 1713 bis 1780 die Thatkraft der Nation erlahmte; übermäßiger Reichtum erzeugte Üppigkeit und wiegte das so energische Volk in einen lethargischen Schlummer.
Die Poesie ward Zeitvertreib müßiger Dilettanten, welche gewöhnliche Alltagsprosa mühsam zu glatten Reimen drechselten. Jeder eigne und nationale Ton verstummte allmählich vor der Nachäffung der französischen Klassizität, welche jetzt Mode wurde. Fortwährendes Unglück seit 1780 infolge von Krieg und Wassersnot schadete dem Wohlstand der Nation; fremde Heere tummelten sich in dem durch Parteiungen zerrissenen Land und schienen den Mut der Bevölkerung [* 4] völlig erdrücken zu wollen.
Doch unter dem stets härter werdenden Druck regte sich die Vaterlandsliebe von neuem. Die Erinnerung an die großen Zeiten der Väter feuerte die Dichter an, den Nationalgeist zu wecken. Die Wirkungen dieses Bestrebens zeigten sich erst recht deutlich nach dem Frieden von 1814, und Künste und Wissenschaften sind seitdem in erfreulichem Fortschreiten begriffen. Wir haben also im ganzen 18. Jahrh. nur wenige ausgezeichnete Namen zu nennen. Eigentlich noch ins 17. durch seine erotischen Gedichte gehören der treffliche Kupferstecher Jan Luyken (gest. 1712), welcher später als religiöser Dichter sehr beliebt ward, und der Lyriker Jan van Broekhuizen (gest. 1707). Auch der Landmann Hubert Corneliszoon Poot (gest. 1733) erinnert, besonders in seinen erotischen und ländlichen Gedichten, durch treffliche Diktion und poetischen Schwung noch an Vondel und Hooft.
Die besten Vertreter des Lustspiels waren Pieter Bernagie (gest. 1696), Abraham Alewijn und Pieter Langendijk (gest. 1756), deren Leistungen sich durch Laune und lebendige Charakterzeichnung, aber nicht durch Feinheit empfehlen. An Tragödien und an epischen Gedichten ist während dieser Periode kein Mangel, doch ward in beiden Gattungen nichts Ursprüngliches geleistet. Nur die Brüder Willem und Onno Zwier van Haren, friesische Edelleute, machen eine günstige Ausnahme, besonders der zweite (gest. 1779), dessen episch-lyrisches Gedicht »De Geuzen« wohlverdienten Ruhm erwarb, während die gerühmten Epopöen Arnold Hoogvliets (gest. 1763; »Abraham de aartsvader«) und Lucretia Wilhelminas van Merken (gest. 1798) heute der wohlverdienten Vergessenheit verfallen sind. Den holländischen Roman haben am Ende des Jahrhunderts die zwei Frauen Elisabeth Wolff, geb. Bekker (gest. 1804), und Agatha Deken (gest. 1804) geschaffen, deren »Sara Burgerhart« und »Willem Leevend«, voll Geist und Menschenkenntnis, die lebendigste Schilderung des Bürgerlebens ihrer Zeit enthalten.
Einen neuen Aufschwung erhielt die Poesie am Ende des 18. Jahrh. mit Rhijnvis Feith (gest. 1824) und Willem Bilderdijk (gest. 1831). Der erste, Schüler Klopstocks, machte sich besonders als religiöser Dichter bekannt; der zweite hat in vielen Genres Treffliches geleistet, besonders in dem epischen Gedicht »De ondergang der eerste wereld«. Als patriotischer Dichter ward am Anfang des 19. Jahrh. Jan Frederik Helmers (gest. 1813) populär durch seine beschreibende Dichtung »De hollandsche natie« und etwas später H. Tollens (gest. 1856),
auch besonders durch seine häuslichen Gedichte. Sein bestes größeres Gedicht ist unstreitig: »De overwintering der Hollanders op Nova Zembla«. Ein echter Naturdichter und einer der wenigen humoristischen Dichter, welche die niederländische Litteratur aufzuweisen hat, ist A. C. W. Staring, (gest. 1840). Als Lyriker dieser Periode sind ferner Corn. Loots (gest. 1834) u. Jan Kinker hervorzuheben, welch letzterer in seinem Lehrgedicht »Das Allleben« naturphilosophische Gedanken an die Stelle der hergebrachten Moral zu setzen suchte.
Sie alle wurden aber überragt durch Isaak da Costa (gest. 1860),
dessen sogen. »Politieke poëzy« und dessen »Slag bij Nieuwpoort« zu den besten niederländischen Gedichten gehören. Um 1830-40 übte die neuere Romantik (Byron, Scott, Hugo) einen großen Einfluß. Namentlich war es Jakob van Lennep [* 5] (1802-68), welcher den romantischen Anschauungen in Holland Bahn brach und dem falschen französischen Klassizismus durch seine nationalen Dichtungen erfolgreich entgegentrat. Neben ihm traten als erzählende Dichter und Lyriker auf: Nikolaas Beets (»Don José«, »Guy de Vlaming«),
A. Bogaers (»De togt van Heemskerk naar Gibraltar«, [* 6] 1837; »Balladen en romancen«),
E. J. ^[Everhardus Johannes] Potgieter, J. A. ^[Josephus Albertus] Alberdingk Thijm, J. J. L. ^[Johan Jakob Lodewijk] ten Kate, B. ter Haar [* 7] (»De St.-Paulus rots«, 1843) u. a. Von den jüngern sind besonders H. J. ^[Hendrik Jan] Schimmel [* 8] und P. A. de Génestet, der Liebling der heutigen Generation, sowie der Kinderliederdichter Heije zu nennen. - Im Drama haben sich in unserm Jahrhundert, außer Bilderdijk, Feith Wiselius und in neuerer Zeit H. van den Bergh, Schimmel, Hofdijk, J. ^[Jacob] van Lennep, D. Dekker, van Heyst u. a. versucht.
Die Prosa sank nach Brandt sehr herab und ward im 18. Jahrh. nur von wenigen, wie Justus van Essen [* 9] (»De hollandsche spectator«, 1731) oder O. Z. van Haren und dem Geschichtschreiber Jan Wagenaar, mit Erfolg gepflegt. Seit den Schriftstellerinnen Wolff und Deken (s. oben) ward sie ungezwungener, aber nur bei einzelnen, wie z. B. bei Arend Fokke Simons (gest. 1812), der in seinen satirischen Schriften (»Modern Helikon«, »Boertige reis door Europa« [* 10] etc.) viel Witz und Gewandtheit entwickelte. Eine völlige Änderung trat erst um 1840 ein. Vorläufer dieser Bewegung waren Jakob Geel (»Onderzoek en phantasie«) und Petrus van Limburg-Brouwer, der neben Romanen aus dem altgriechischen Leben (»Charicles en Euphorion« etc.) das satirisch-humoristische Werk »Het leesgezelschap te Diepenbeek« schrieb; dann folgten Beets mit seiner witzigen »Camera obscura«, [* 11] van Lennep mit seinen Romanen, Oltmans (van den Hage, gest. 1854) mit den Erzählungen: »Het slot Loevenstein« und »De schaapherder«, Kneppelhout mit seinen »Studententypen«, Potgieter mit seinen Erzählungen, ter Haar, J. ^[Johannes] Bosscha u. a. Von den Zeitgenossen sind am meisten hervorragend: Frau Bosboom-Toussaint (gest. 1886) durch ihre trefflichen historischen und Familienromane, J. J. ^[Jacobus Jan] Cremer durch seine Dorfgeschichten, E. Douwes Dekker (Multatuli) durch seine glühende Schilderung sozialer Mißbräuche, namentlich auf Java (»Max Havelaar«),
M. P. Lindo (der »alte Herr Smits«) durch seine humoristischen Skizzen, Jan ten Brink, als Novellist und Litterarhistoriker, C. W. Opzoomer, 1806-80. C. Busken Huet durch seine kritisch-litterarischen Schriften, ein Feld, auf dem sich auch Beets und Alberdingk Thijm ausgezeichnet haben, u. a. ¶
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Wissenschaftliche Litteratur.
Ungleich erfolgreicher als auf dem Felde der poetischen Litteratur erscheint die Thätigkeit der Niederländer auf wissenschaftlichem Gebiet: hier sind ihre Leistungen in verschiedenen Fächern groß und umfassend und haben einen bedeutenden Einfluß auf die allgemeine litterarische Kultur ausgeübt. Schon im frühen Mittelalter war das Land durch seine vorzüglichen Schulen ein berühmter Sitz wissenschaftlicher Studien und die Bildungsstätte, aus welcher zahlreiche ausgezeichnete Gelehrte und Staatsmänner Deutschlands [* 13] wie Frankreichs hervorgingen.
Obenan standen unter denselben die Klosterschulen zu Utrecht [* 14] und zu St.-Amand in Flandern, wo Hucbald (s. d.) lehrte, die Schulen zu Lüttich, [* 15] zu Lobbes in der Diözese Cambrai, zu Stablo unfern Lüttich, zu Gemblours in Brabant u. a., die bis ins 12. Jahrh. blühten. Als die meist dem Benediktinerorden zugehörigen Klosterschulen mit diesem selbst allmählich in Verfall gerieten, traten die Domschulen an ihre Stelle, die auch den Laien zugänglich waren und namentlich zur Ausbildung des jungen Adels dienten (am berühmtesten die zu Mecheln [* 16] und zu Doornik) sowie später (seit dem 14. Jahrh.), die aus bürgerlichen Kreisen hervorgegangen Korporation der »Brüder des gemeinsamen Lebens« (s. d.), die neben der Erweckung echt christlicher Gesinnung sich besonders die Erziehung und Bildung der Jugend zur Aufgabe stellte, und aus deren bald über das ganze Land verbreiteten Schulen eine große Anzahl der hervorragendsten Gelehrten (darunter z. B. Rudolf Agricola und Erasmus von Rotterdam) [* 17] hervorgingen.
Durch diese Gelehrten, die meist ihre Bildung in Italien [* 18] vollendeten, wurde das eben neuerwachte Studium der klassischen Litteratur nach dem Norden [* 19] verpflanzt und dadurch vorzugsweise der Reformation der Weg gebahnt, durch deren Einführung in den Niederlanden das wissenschaftliche Leben daselbst einen neuen Impuls erhielt, wie sie anderseits zum Befreiungskampf gegen die spanische Gewaltherrschaft und schließlich zur nationalen Selbständigkeit des Landes führte.
Von jetzt an knüpft sich die Weiterentwickelung der Wissenschaften in den Niederlanden an die Universitäten, deren im 16. und 17. Jahrh. in den nördlichen Provinzen (Holland) fünf neue (die erste zu Leiden [* 20] 1875, dann zu Franeker, Utrecht, Groningen und Harderwijk) gegründet wurden, die nicht nur als Hauptsitze der Gelehrsamkeit, sondern auch als Vertreter des protestantischen Geistes und als Hochburgen der Denk- und Gewissensfreiheit, im Gegensatz zu den ältern, an den Satzungen der katholischen Kirche streng festhaltenden Hochschulen (namentlich der zu Löwen), [* 21] bald zu großem Ansehen gelangten und von wißbegierigen Jünglingen aus ganz Europa besucht wurden.
Unter den einzelnen Disziplinen, welche daselbst mit besonderm Fleiß und Erfolg kultiviert wurden, nimmt die Philologie die erste und breiteste Stelle ein. Während das Studium des klassischen Altertums mit dem Anfang des 17. Jahrh. in Italien zu sinken begann, fand es gerade auf den holländischen Universitäten die sorgsamste Pflege und hat sich dieser Teilnahme bis in die Neuzeit fast ununterbrochen zu erfreuen gehabt. Noch im 16. Jahrh. zeichneten sich durch philologische Gelehrsamkeit besonders die Professoren zu Löwen, Peter Nannius (gest. 1557) und W. Canter (gest. 1573), aus; als scharfsinnige Kritiker sind Lucas Fruytier (Fruterius) in Brüssel [* 22] und Justus Lipsius (gest. 1606) zu nennen.
Lebendiger noch entwickelte sich der Eifer für die humanistischen Studien in dem freien Norden besonders an der Universität zu Leiden, deren erster Kurator, der Staatsmann Jan Douza (gest. 1606), zugleich zu den bedeutendsten Gelehrten jener Zeit gehörte. Es bildete sich daselbst eine neue Art von Wissen, die sogen. Polyhistorie, aus, die man als Nachfolgerin des italienischen Humanismus betrachten kann. Die Leidener [* 23] Gelehrten gingen nämlich bei ihren Bemühungen um die alten Schriftsteller wohl auch auf die Verbesserung der Texte und auf das Sprachliche aus; aber sie suchten insbesondere die Realien, die sogen. Altertümer, zu erklären und sammelten zu diesem Zweck eine Unmasse von Kenntnissen auf. Es wurde nicht nur das Staatswesen, die Chronologie, die Münzkunde behandelt, sondern auch die Trachten der Griechen und Römer, [* 24] ihr Gottesdienst, ihr Hauswesen, ihre Schiffahrt, ihre Kriegswaffen, ihre Belagerungskunst etc. in Betracht gezogen, um so das Altertum in seiner Totalität wiederzugewinnen. Als Begründer dieser Richtung galt Joseph Justus Scaliger, der seit 1592 in Leiden lehrte und 1609 daselbst starb. Unter den Nachfolgern auf der von ihm gebrochenen Bahn sind hervorzuheben: der vielseitige Gelehrte und Staatsmann Hugo Grotius (gest. 1645), die ausgezeichneten Gelehrten Gerhard Joh. Vossius (gest. 1649) und Daniel Heinsius (gest. 1655) und die aus Deutschland [* 25] eingewanderten Joh. Friedr. Gronovius (gest. 1671), der eigentliche Stifter der holländischen Latinistenschule, und der gleichberühmte, aber schon ziemlich oberflächliche Joh. G. Grävius (gest. 1703), mit dem der Verfall des philologischen Studiums beginnt, das dann in P. Burmann (gest. 1741) u. a. zur Kompilation herabsinkt. Um die historische Kenntnis des Altertums insbesondere machten sich Joh. Meursius (gest. 1639) und Claudius Salmasius (gest. 1653) verdient, letzterer ein Riese an Gelehrsamkeit, der aber sein ungeheures Material nicht geistig zu sichten und zu verknüpfen verstand. Eine zweite Glanzperiode der holländischen Philologie begann um die Mitte des 18. Jahrh., hervorgerufen durch den Leidener Professor Tiberius Hemsterhuis (gest. 1766), den Stifter der holländischen Hellenistenschule, zu welcher als Hauptvertreter derselben David Ruhnkenius, einer der größten Philologen des Jahrhunderts (gest. 1798), L. K. Valckenaer (gest. 1785) und Dan. Wyttenbach (gest. 1820) gehörten.
Von jüngern verdienen Hervorhebung: die Gräzisten van Heusde (gest. 1859), Cobet, van Herwerden etc.;
die Latinisten Hofman-Peerlkamp (gest. 1825), J. ^[Jan] Bake (gest. 1864), Naber u. a. Auch in der lateinischen Poesie haben sich von alters her die Niederländer zahlreich und mit Vorliebe versucht;
es werden weit über 300 Dichter dieser Art verzeichnet (vgl. Neulateinische Dichter).
Das Studium der orientalischen Sprachen wurde ebenfalls bereits im 17. Jahrh. gefördert und zwar vorzugsweise durch Th. Erpenius und J. ^[Jacobus] Golius, der ein arabisches und persisches Wörterbuch herausgab, im 18. Jahrh. durch Reland und namentlich Albr. Schultens (gest. 1750), der den Nachweis der Verwandtschaft der semitischen Sprachen führte u. darauf zuerst ein methodisches Studium derselben begründete. Aus seiner Schule gingen zahlreiche verdienstliche Orientalisten hervor, wie sein Sohn Joh. Jakob und sein Enkel Heinr. Albert Schultens, W. Schröder, E. Scheidius, Greeve und besonders Hamaker, denen sich später Roorda, Weyers, Juynboll, Uylenbroek und in jüngster Zeit Dozy, Land, de Goeje u. a. anreihten. Auch die Sprachen des Indischen Archipels fanden seit den ¶