und die letztern machten die Aufhebung der Schulgesetze zur
Bedingung der Verfassungsrevision; als die
Regierung hierauf nicht
einging, vereitelten sie jeden Beschluß der
Kammer. Dieselbe wurde daher zum zweitenmal 1886 aufgelöst, und diesmal erlangten
die
Liberalen eine Mehrheit von acht
Stimmen. Die öffentlichen Zustände, namentlich das Anwachsen der
Sozialdemokratie in
den
Niederlanden, welche im
Sommer 1886 in
Amsterdam
[* 2] und an andern
Orten erhebliche
Unruhen erregten, die nur mit blutiger
Gewalt
unterdrückt werden konnten, mahnten endlich die Antiliberalen, Orthodoxe und Ultramontane, dem parlamentarischen Stillstand
ein Ende zu machen. 1887 ward daher die Verfassungsrevision nach sechsjährigen
Verhandlungen von den
Generalstaaten endgültig
angenommen und 30. Nov. die neue
Verfassung verkündet, welche die Zahl der
Wähler um 200,000 vermehrt. Bei
der
Wahl der
Kammern nach dem neuen
Gesetz im März 1888 erlangten die
Liberalen bloß in der Ersten
Kammer die Mehrheit, in der
Zweiten nur 45 gegen 55 antirevolutionär-klerikale
Stimmen.
Heemskerk nahm daher seine Entlassung, und
BaronMackay bildete daher im April ein antirevolutionär-ultramontanes
Ministerium.
Vgl.
Wagenaar,
De vaderlandsche historie vervattende de geschiedenissen der vereenigde Nederlanden (Amsterd.
1749-60, 21 Bde.;
Supplement bis 1790, das. 1789-90, 3 Bde.;
Fortsetzung von 1776 bis 1802, das. 1788-1810, 48 Bde.);
[* 7]Litteratur. Die schöne oder
Nationallitteratur der Niederländer hat eine nur wenig über die
Grenzen
[* 11] des
Landes hinausgehende allgemeinere Bedeutung; sie zeichnet sich im ganzen, dem
Charakter des
Volkes entsprechend, weniger
durch dichterischen
Gehalt und kühnen Schwung der
Phantasie als durch eine gewisse behagliche Hausbackenheit
und Beförderung lauterer Religionsmeinungen und rechtlichen Bürgersinns aus. Die ältesten
Denkmäler derselben sind eine
Anzahl höfischer
Epopöen aus dem 13. Jahrh., welche meist
Stoffe aus dem karolingischen und britischen
Sagenkreis behandeln,
aber mit wenigen Ausnahmen Übersetzungen französischer
Originale sind und insofern nur geringe Bedeutung haben.
Wir nennen davon: »Carel ende Elegast« (hrsg.
von
Jonckbloet, Amsterd. 1859);
»Partenopeus« (hrsg. von
Maßmann, Berl. 1847) und »Ferguut« (hrsg.
von Verwijs u.
Verdam,
Groning. 1881).
Weit über diesen
Epopöen steht der »Reinaert« (hrsg.
von
Jonckbloet,
Groning. 1856), das einzige bekannte
Produkt niederländischer Volksdichtung aus jener Zeit
(s.
Reineke Fuchs). Jene
Epopöen wurden infolge des Aufschwunges des Bürgertums und des
Verfalls des Rittertums von einer
andern Dichtungsart verdrängt, welche meist aus lateinischen
Quellen schöpfte und vorwiegend didaktische
Zwecke verfolgte.
Hauptrepräsentant derselben ist
Jakob van
Maerlant (13. Jahrh.), der in seinen Werken alle
Fragen der Zeit,
wie die
Leibeigenschaft, die
Pflichten des
Regenten, und im
»Spiegel
[* 13] historiael« den Inbegriff der allgemeinen Geschichte behandelt.
An ihn schließt sich unmittelbar der bedeutendste Dichter des 14. Jahrh. an, Jan Boendale,
genannt
Jan deClerc,
Schreiber der
Schöffen zu
Antwerpen
[* 14] (gest. 1351),
Verfasser zweier
Reimchroniken, der »Brabantsche yeesten«
(hrsg. von
Willems 1839-43, 2 Bde.) und
»Van den derden Edewaerd«, sowie mehrerer
Lehrgedichte, von denen
die bedeutendsten »Der leken spiegel« (1325-30; hrsg.
von de
Vries,
Leid. 1844-48, 3 Bde.) und
»Jans Teesteye« (1331; hrsg. von
Snellaert, 1867). Auch das
»Dietsche doctrinal« von 1345 (hrsg.
von
Jonckbloet,
Haag 1842) und der
»Cato« (hrsg. von
Jonckbloet,
Leid. 1846) sind anzuführen. Erwähnung
verdienen außerdem Jan van Heelus
Beschreibung der
Schlacht von Woeringen (hrsg. von
Willems 1836),
der »Brandaen« (hrsg. von
Blommaert, das. 1838-41) und die »Beatrijs«
(hrsg. von
Jonckbloet, Amsterd. 1859),
die schönste
Blüte
[* 16] mittelniederländischer
Poesie. Auch
¶
mehr
»Van den levene ons heren« (hrsg. von Vermeulen, Utr.
1843) gehört hierher. Während von den lyrischen Produkten dieser Zeit nur wenig erhalten ist, zeichnen sich die dramatischen,
obgleich noch Erstlingsversuche, bereits durch eine gewisse Unabhängigkeit vom kirchlichen Dogma und keckes Eingreifen in
das wirkliche Leben aus. Eine »Altniederländische Schaubühne« gab
Hoffmann von Fallersleben in den »Horae belgicae« (Bd. 6) und später Moltzer (1870) heraus.
Um die Mitte des 14. Jahrh. wurden, während die Prosa sich zu bilden anfing (Bibelübersetzungca. 1300, Jan van Ruysbroekca.
1350), statt der Reimchroniken, Sittenspiegel etc. kürzere Gedichte, öfters Improvisationen, worin Erzählung und Sittenlehre
vereinigt waren, vorherrschend, und zwar wurde diese Poesie von Dichtern gepflegt, welche oft ein Wanderleben
führten und Sprekers hießen. Die berühmtesten unter ihnen sind Willem van Hildegaersberch (um 1350-1400), dessen PoesienBisschop und Verwijs (Haag 1870) veröffentlichten, und Boudewijn van der Loren, dessen Dichtungen zum Teil von Blommaert (»Oude
vlämische gedichten«, Gent 1838 ff.) herausgegeben wurden.
Der bedeutendste Dichter des 15. Jahrh., DirkPotter (gest. 1428),
verfaßte »Der minnen loep« (hrsg. von
Leendertz, Leid. 1845-47, 2 Bde.), ein auf der bürgerlichen Basis der Spruchdichtung beruhendes Werk, worin eine Reihe von
Liebesgeschichten abwechselnd mit moralisierenden Vorträgen zu einem anziehenden Ganzen verwoben sind.
Daß die Kluft zwischen den adligen und bürgerlichen Kreisen sich mehr und mehr auszugleichen begann, beweisen vornehmlich
die zu Anfang des 15. Jahrh. entstandenen Kammern der Rederijker (s. d.), in denen sich beide Stände zu gemeinsamer Verfolgung
litterarischer Zwecke die Hand
[* 18] reichten. Es waren dies poetische Vereine mit zünftiger Verfassung, deren
Mitglieder sich zu bestimmten Zeiten zu poetischen Übungen und Vorträgen, namentlich auch zur Aufführung von Schauspielen,
vereinigten.
Wenn auch die hier erzielten Produkte von sehr geringem poetischen Wert sind, so sind jene Vereine doch insofern von Wichtigkeit,
als sie sich mit Eifer an den damaligen politischen Händeln beteiligten und durch ihre dramatischen Arbeiten
unmittelbar auf das Volk zu wirken suchten. Ihre patriotischen und liberalen Bestrebungen zur Zeit der reformatorischen Bewegungen
führten in den südlichen Provinzen ihre Unterdrückung durch die spanische Regierung herbei, während sie in den nördlichen
noch bis ins 18. Jahrh., wiewohl zuletzt hinter der Zeit zurückbleibend, fortbestanden.
welche den gegen Ende des 16. Jahrh. von Antwerpen hierher übersiedelten Kaufleuten und sonstigen Notabilitäten
einen Vereinigungspunkt zu geselligen und litterarischen Unterhaltungen darbot und zum Ausgangspunkt patriotischer Bestrebungen
für die Pflege der Muttersprache und für Schöpfung einer Kunstpoesie wurde, deren Charakter keineswegs
unvolkstümlich war. Unter denen, welche sich durch Läuterung der unter der burgundischen Herrschaft durch welsche Elemente
sehr verunreinigten Sprache,
[* 19] durch grammatische Regelung derselben und den Versuch, poetische und prosaische Mustererzeugnisse
aufzustellen, hohes Verdienst um dieniederländische Litteratur erwarben, stehen Filips van Marnix (gest. 1598), DirkCoornhert
(gest. 1590) und die Kaufleute Roemer Visscher (gest. 1620) und Hendrik Laurenszoon Spiegel (gest. 1612) obenan.
Doch waren sie nur die Vorläufer
der drei originellsten niederländischen Dichter, die in derselben Kammer verkehrten, Hoofts,
Vondels und Huygens', durch welche dieniederländische Litteratur rasch fast zu ihrer höchsten Blüte gelangte. Pieter Corneliszoon
Hooft (1581-1647) wußte italienische Form, Schönheit mit gedankenvollem Inhalt aufs glücklichste zu vereinigen und hob Poesie
und Prosa zu gleicher Vollendung, so daß er in der niederländischen Litteratur Epoche macht.
Joost van den Vondel (1587-1679), an poetischer Begabung Hooft noch übertreffend, leistete in der Lyrik und Satire
wie auch in den übrigen Gattungen, mit Ausnahme des Epos, Vorzügliches, wenn auch seine Schauspiele in dramatischer Hinsicht
mangelhaft sind. KonstantinHuygens (1596-1686), der Vater des berühmten Mathematikers, zeichnete sich durch die umfassenden
Sprach- und Litteraturkenntnisse aus, verfiel aber in seinen lyrischen, beschreibend-lehrhaften, satirischen Gedichten
und Epigrammen im Streben nach gehaltvoller Gedrungenheit nicht selten ins Gesuchte, Dunkle und Schwerfällige.
In Gegensatz zu diesen drei AmsterdamerGrößen trat JakobCats (1577-1660) zu Dordrecht,
[* 20] indem er nicht für ein auserlesenes,
sondern für das große Publikum schrieb und in Allegorie und heiterer Erzählung Treffliches leistete. Das Buch des »Vader Cats«
hat über ein Jahrhundert lang neben der Bibel
[* 21] als zweites Hausbuch gegolten. Außer diesen drei Hauptdichtern
verdienen besonders Erwähnung in der Lyrik und Elegie: DanielHeinsius, der bekannte Philolog (gest. 1655);
die Töchter des
oben genannten Roemer Visscher, Anna (gest. 1651) und Maria Tesselschade (gest. 1649), beide besonders in kleinern Poesien ausgezeichnet;
G. A. Bredero (gest. 1618);
D. R. Camphuisen (gest. 1626), dessen geistliche Lieder lange populär geblieben
sind;
Jeremias deDecker (gest. 1655),
bekannt durch gefühlvolle kleine Gedichte;
Jakob Westerbaen (gest. 1670) und Joachim Oudaen (gest. 1692), deren
politische Gedichte viel gelesen wurden;
endlich der beste LehrlingVondels, Joannes Antonides van der Goes (gest. 1684), dessen
Gedicht »De Istroom« ^[eigentlich: »De Ystroom«], eine Verherrlichung Amsterdams, sowie seine kleinern Poesien viele Schönheiten
enthalten, aber nicht selten an Überschwenglichkeit leiden.
Als Epigrammatiker verdient neben Huygens besonders G.Brandt (gest.
1685), der Historiker, genannt zu werden. Beachtenswerte Fortschritte machte in dieser Periode das Drama.
Eine wirklich klassische Tragödie hat aber dieniederländische Litteratur nicht aufzuweisen, obwohl Hooft (»Geraert van Velsen«, »Bato«) und Vondel
(»Lucifer«, »Adam in ballingschap« etc.) Vorzügliches geleistet. Vondels »Gijsbrecht van Amstel« wird noch immer am Neujahrstag
aufgeführt, aber das Stück hat nur seinen lyrischen und beschreibenden Episoden seinen Ruhm zu verdanken.
Die übrigen Tragödiendichter folgten fremden Mustern. Originell dagegen ist das holländische Lustspiel, und selbst, wo das
Motiv aus der Fremde entlehnt ist, sind die Zustände ganz auf holländischen Boden verpflanzt. Als Hauptdichter gilt hier unbestritten
G. A. Bredero (gest. 1618), dessen »Spaansche
Brabander«, »Moortje« u. a. wirklich
dramatisches Talent verraten. Auch Hooft (»Warenar«) und Huygens (»Trijntje Cornelis«) haben in diesem GenreGutes geleistet.
- Die holländische Prosa ward besonders durch Dirk V. Coornhert (s. oben) ausgebildet. Hooft schrieb einen kernhaften Stil, ahmte
aber zu einseitig Tacitus nach. Die bessern von den übrigen, wie G.Brandt, J. ^[Johan] van
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