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Wilhelm von Oranien, begab sich nach Deutschland, [* 2] zwei andre, Egmond und Hoorne, wurden 5. Sept. verhaftet. Nachdem Margarete im Dezember ihre Würde niedergelegt hatte, ward die gesamte öffentliche Gewalt in den Niederlanden Alba [* 3] übertragen, der nun zur Ausführung der von Madrid [* 4] befohlenen Schreckensregierung schritt. Er setzte einen »Rat der Unruhen« ein, den das Volk den »Blutrat« nannte, und der ohne Rücksicht auf Gesetz und Recht Tausende dem Schafott überlieferte; Egmond und Hoorne wurden in Brüssel [* 5] hingerichtet.
Ein Versuch Wilhelms von Oranien und seines Bruders Ludwig von Nassau, durch Einfälle in Brabant und Friesland einen Aufstand in den Niederlanden hervorzurufen, scheiterte an der Überlegenheit der spanischen Truppen. Zahlreiche Einwohner flüchteten ins Ausland. Alba schlug dem Handel und Gewerbfleiß weitere Wunden, indem er eine drückende Steuer von 1 Proz. am Vermögen, 5 Proz. von erkauftem Grundeigentum und 10 Proz. von jedem Warenumsatz einführte. Endlich glückte es den Meergeusen, kühnen Freibeutern, sich der Stadt Brielle an der Mündung der Maas zu bemächtigen, welchem kühnen Handstreich der Abfall der festen Stadt Vlissingen und des größten Teils von Zeeland sowie kurze Zeit darauf der meisten Städte Hollands folgte.
Am traten die Abgeordneten von 12 Städten und mehrere vom Adel in Dordrecht [* 6] zusammen, erkannten Wilhelm von Oranien als Statthalter von Holland, Zeeland und Utrecht [* 7] an und schlossen einen Bund zu gemeinsamer Verteidigung ihrer Freiheit unter seiner Führung. Die Spanier rächten sich durch blutige Züchtigung der Städte Zütphen, Naarden und Haarlem, [* 8] wogegen die spanische Flotte auf dem Zuidersee von der niederländischen vernichtet wurde.
Alba wurde zwar 1573 abberufen, der neue Statthalter, Requesens, setzte indes nach einigen vergeblichen Versöhnungsversuchen die gewaltsame Unterwerfung der Aufständischen energisch fort. In der unglücklichen Schlacht auf der Mooker Heide fielen Oraniens Brüder Philipp und Heinrich von Nassau. Dagegen wurden die Spanier durch die Eroberung von Middelburg (21. Febr.) aus Zeeland und durch den Entsatz von Leiden [* 9] (3. Okt.) aus Holland vertrieben. Die zügellosen Ausschreitungen der spanischen Truppen nach Requesens' Tod bewogen auch die südlichen Provinzen, sich gegen Spanien [* 10] zu erklären und sich auf Andringen Oraniens mit Holland und Zeeland durch die Pazifikation von Gent [* 11] (November 1576) zur Vertreibung der Spanier und Aufrechterhaltung ihrer Freiheiten und Privilegien zu verbinden. Der neue Statthalter, Don Juan d'Austria, mußte die Genter Pazifikation durch das ewige Edikt (Febr. 1577) bestätigen und die spanischen Truppen entlassen, ehe er 1. Mai Brüssel einziehen durfte.
Doch erlangte er weder die Zustimmung des Königs zu seiner versöhnlichen Politik, noch gewann er das Vertrauen des Volkes, das Oranien als seinen Retter und Herrn begrüßte und ihn zum Ruwart von Brabant ernannte. Nur war ein Teil des brabantischen Adels auf ihn eifersüchtig und rief den Erzherzog Matthias von Österreich, [* 12] Kaiser Rudolfs II. Bruder, zum Statthalter aus, während es in Hennegau, Artois und Südflandern zum heftigen Zwist zwischen den Calvinisten und den Katholiken (Malkontenten) kam, welch letztere im August 1578 den franz. Prinzen Franz von Anjou ins Land riefen.
Gründung der Republik der Vereinigten Niederlande.
Während dieses Wirrwarrs starb Juan d'Austria Sein Nachfolger Alexander Farnese von Parma, [* 13] ein ebenso ausgezeichneter Feldherr wie kluger Politiker, benutzte geschickt die Zwistigkeiten unter den Niederländern und die Eifersucht der Befehlshaber gegeneinander, sprengte die Genter Pazifikation und machte die Vereinigung sämtlicher Provinzen zu Einem Bundesstaat mit nationaler und religiöser Freiheit unmöglich. Dem katholischen Bunde der wallonischen Provinzen gegenüber verbanden sich die sieben nördlichen Provinzen: Holland, Zeeland, Utrecht, Gelderland, Groningen, Overyssel und Friesland, zu der Union von Utrecht und sagten nach der Ächtung Oraniens im Haager Manifest vom dem König von Spanien den Gehorsam auf.
Die mittlern Provinzen schwankten, schlossen sich eine Zeitlang teilweise der Utrechter Union an und wählten endlich den Herzog von Anjou zum Oberhaupt, der sich aber durch seine Herrschsucht so verhaßt machte, daß er im Juni 1583 zum zweitenmal die Niederlande [* 14] verlassen mußte. Wilhelm von Oranien wurde in Delft ermordet, noch ehe die neue Verfassung der Niederlande vom welche dem Oranier als erblichen Grafen die freilich beschränkten landesherrlichen Rechte übertrug, beschworen worden war.
Parma unterwarf sich jetzt Flandern und Brabant und eroberte Antwerpen, [* 15] so daß die Union sich um Schutz an Elisabeth von England wandte, die den Grafen von Leicester [* 16] als Oberstatthalter mit 6000 Mann Hilfstruppen sandte. Dieser verfolgte aber nur selbstsüchtige Herrschaftspläne und führte den Krieg mit Spanien so lau und unglücklich, daß die Spanier Herren des ganzen Laufs der Maas bis zur holländischen Grenze wurden. Endlich wich er dem allgemeinen Unwillen und verließ im Dezember 1587 die Niederlande. Der Ratspensionär von Holland, Johan van Oldenbarneveldt, bewirkte nun, daß Wilhelms ältester Sohn, der junge Prinz Moritz von Oranien, zum Statthalter von Holland und Zeeland ernannt und mit der Führung des Kriegs beauftragt ward.
Derselbe nahm infolge des Feldherrntalents des jungen Prinzen eine immer günstigere Wendung, zumal sich Philipp gleichzeitig in einen Krieg mit England und Frankreich einließ. Moritz errang bei Nieuwpoort einen glänzenden Sieg und eroberte eine Stadt nach der andern. Gleichzeitig schlugen die niederländischen Flotten die Spanier auf den Meeren und eroberten die portugiesischen Kolonien in Ostindien. [* 17] Unter diesen Umständen schloß Erzherzog Albrecht, dem Philipp II. 1598 die Niederlande überlassen hatte, mit den Niederlanden einen zwölfjährigen Waffenstillstand ab.
Die Verfassung der Republik der Vereinigten [* 18] Niederlande ging aus der Utrechter Union, einem Kriegsbündnis, hervor und litt daher an mancherlei Mängeln. Träger [* 19] der Souveränität waren die Provinzen, deren Staaten aus dem nur in den östlichen Provinzen zahlreichen Adel und den Vertretern des städtischen Patriziats, einer Oligarchie von 2000 Souveränen, gebildet waren, und denen ein Syndikus (Raadpensionaris, d. h. besoldeter Rat) zur Seite stand. Die Deputierten der Provinzialstaaten, die hochmögenden Herren Regenten, bildeten die Generalität oder die Generalstaaten, welche seit 1593 sich im Haag [* 20] versammelte und die vollziehende Gewalt innehatten, die unter ihrer Autorität von den Statthaltern ausgeübt ward. Ein ebenfalls aus ¶
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provinzialständischen Abgeordneten zusammengesetzter Staatsrat leitete die finanziellen Angelegenheiten, während die Admiralitäten von Holland und Zeeland dem Marinewesen vorstanden. Wie in den Provinzial-, war auch in den Generalstaaten Einstimmigkeit bei wichtigen Beschlüssen erforderlich, und die Regenten waren an die Lastbriefe (Instruktionen) ihrer Auftraggeber gebunden. Vermöge ihres Reichtums und ihrer großen Bevölkerung [* 22] (2 Mill.) übte die Provinz Holland und in dieser wieder Amsterdam [* 23] ein natürliches Übergewicht aus.
Doch wahrten die Provinzen eifersüchtig ihre Souveränitätsrechte, beanspruchten das Recht diplomatischer Vertretung im Ausland und verhinderten die Stärkung der Zentralgewalt. Auf jede Erweiterung der Union verzichtete man; ja, die später den Spaniern entrissenen Teile Gelderlands, Brabants und Flanderns sowie Drenthe wurden nicht in sie aufgenommen, sondern als unterthänige Lande vom Staatsrat im Namen der Generalität (daher Generalitätslande) regiert.
Trotzdem errang dies unfertige Staatswesen große Erfolge durch die Weisheit und Vaterlandsliebe seiner Staatsmänner und durch die kriegerische Tüchtigkeit sowie die uneigennützige Hingebung der Oranier, welchen zwar die erbliche Grafenwürde nicht wieder übertragen wurde, die aber als Statthalter der meisten Provinzen und als Oberbefehlshaber der Armee einen großen moralischen Einfluß im Sinn einheitlicher Politik ausübten. Dies war um so notwendiger, als es an Parteistreitigkeiten nicht fehlte.
Die Partei der Patrioten, geleitet von Oldenbarneveldt und aus der städtischen Aristokratie namentlich Hollands bestehend, erstrebte einen lockern Bund ohne monarchische Spitze und Aufrechterhaltung der Partikularrechte der Provinzen, um Hollands Übergewicht zu behaupten; die statthalterliche Partei, zu welcher das von den politischen Rechten ausgeschlossene niedere Volk, der Adel und das Heer gehörten, wollte dem Haus Oranien eine erbliche monarchische Gewalt übertragen.
Da es dem Prinzen Moritz an politischem Ehrgeiz fehlte und er sich mit seiner bescheidenen Stellung begnügte, so wäre es nicht so bald zu einem Konflikt gekommen, wenn sich nicht die holländischen Patrioten in dem kirchlichen Streit zwischen den freisinnigen Arminianern und den orthodoxen Gomaristen (s. d.) für die erstern erklärt, der Dordrechter Synode ihre Anerkennung versagt und zur Verteidigung ihres schroff partikularistischen Standpunktes Truppen aufgeboten hätten. Um das eifrig calvinistische Volk, das im Arminianismus Kryptokatholizismus witterte, zu beruhigen, schritt Moritz ein und ließ die Häupter der holländischen Aristokratie, Oldenbarneveldt, Hugo Grotius und Hoogerbeets, verhaften; ersterer wurde wegen Hochverrats hingerichtet, letztere zu ewigem Gefängnis verurteilt.
Nicht lange nach dem Wiederausbruch des Kriegs mit Spanien (1621) starb Moritz von Oranien Ihm folgte als Erbstatthalter der fünf Provinzen Holland, Zeeland, Utrecht, Gelderland und Overyssel sein Bruder Friedrich Heinrich, während die Provinzen Friesland und Groningen schon früher den Grafen Ernst Kasimir von Nassau zum Statthalter gewählt hatten. Prinz Friedrich Heinrich stellte den innern Frieden her, indem er den Religionsverfolgungen Einhalt that, die Verbannten zurückrief und die Eingekerkerten in Freiheit setzte.
Der Krieg gegen Spanien wurde mit Glück fortgeführt und durch den gleichzeitigen Kampf gegen das Haus Habsburg in Deutschland sowie durch ein Bündnis mit Frankreich (1635) erleichtert. Herzogenbusch, Wesel, [* 24] Maastricht [* 25] und Breda wurden erobert, der spanischen Flotte mehrere Niederlagen beigebracht und durch Wegnahme der Silberflotte (1628) ansehnliche Beute gemacht. Das erschöpfte Spanien zeigte sich endlich zum Frieden geneigt, der nach 80jährigem Krieg 1648 in Münster [* 26] zu stande kam. Die Niederlande wurden als unabhängiger Staat anerkannt, behielten ihre Eroberungen in Belgien [* 27] und den beiden Indien und erlangten vollkommene Handelsfreiheit in allen spanischen Häfen; auch die Verbindung mit dem Deutschen Reich wurde formell für immer gelöst.
Höchste Macht und Blüte der Niederlande.
Während ihres Freiheitskampfes waren die Niederlande das reichste Land Europas geworden, ihr Handel und ihre Industrie beherrschten die Welt; auch ihre bewaffnete Macht war eine bedeutende, und Künste und Wissenschaften standen in der höchsten Entwickelung. Der Kolonialbesitz [* 28] der Handelskompanien hatte eine überraschende Ausdehnung [* 29] gewonnen und wurde von den Niederländern mit rücksichtslosem Krämersinn ausgebeutet. Die Sundainseln, Ceylon, [* 30] die Kapkolonie waren im Besitz der Ostindischen Kompanie; die Westindische eroberte sogar 1636 Brasilien, [* 31] das sie indes nicht lange behauptete.
Die Handelsflotte der Niederlande zählte 1634: 35,000 Schiffe [* 32] mit 2 Mill. Lasten. Hand [* 33] in Hand mit dem Welthandel ging die Großindustrie, deren Fabrikate sich über die ganze Erde ausbreiteten. 300 Mill. Gulden in Metall lagen 1648 in den Kellern der Amsterdamer Girobank. Der Geldreichtum war so groß, daß der Zinsfuß auf 2-3 Proz. stand und selbst der berüchtigte Tulpenschwindel dem Nationalwohlstand nicht schadete. Die ungeheuern Kriegskosten wurden durch zahlreiche hohe Steuern (in Holland 25 Proz. von allen Geldrenten, 100 Proz. von Bier und Wein) leicht und ohne Beschwerde aufgebracht. Der unbedingten Freiheit des Handels und Verkehrs entsprach die Freiheit des Glaubens, der Wissenschaft und der Presse, [* 34] welche die Niederlande zum Zufluchtsort aller Verfolgten und des anderswo unterdrückten freien Wortes machte.
Prinz Wilhelm II. von Oranien, der 1647 seinem Vater Friedrich Heinrich als Statthalter gefolgt war, verweigerte nach dem Westfälischen Frieden die von den Staaten von Holland geforderte Verminderung des stehenden Heers und der Abgaben und ließ sechs Mitglieder der aristokratischen Partei verhaften; seine Absicht war die Errichtung einer Alleinherrschaft. Als er aber 1650 ohne Erben starb (erst nach seinem Tod wurde ihm ein Sohn, Wilhelm III., geboren), nahm die aristokratische oder Loevesteinsche Partei (so genannt nach der Festung, [* 35] wohin die Oranier ihre Gegner in Haft zu schicken pflegten) die Gelegenheit wahr, auf der Großen Versammlung (Groote Vergadering), einer außerordentlichen Zusammenkunft der Deputierten der sieben Provinzen, 1651 den Beschluß, die Statthalterwürde nicht wieder zu besetzen, zur Annahme zu bringen.
Ja, die aristokratische Partei, an deren Spitze seit 1653 der Ratspensionär von Holland, Johan de Witt, stand, ließ sich dazu herbei, den Frieden mit England, das 1652 einen Seekrieg gegen die Niederlande begonnen hatte, 1654 durch eine geheime Akte (acte van seclusie) zu erkaufen, welche das Haus Oranien von jedem Staatsamt ausschloß; das ewige Edikt (1667) der Staaten von Holland und die Harmonieakte der Generalstaaten (1670) trennten für immer die Statthalterwürde von dem Amte des Oberbefehlshaber und machten die erstere macht- und wertlos. ¶