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höchstens 5 Proz., einige Artikel, welche höher verzollt werden, ausgenommen; zugleich wurden alle Ausgangszölle abgeschafft, mit Ausnahme derjenigen auf Lumpen. Der Gesamtwert des auswärtigen Handels betrug 1886: 2052,2 Mill. Guld. (gegen 1179,7 Mill. in 1874), wovon auf die Einfuhr zum Verbrauch 1102,7 Mill. Guld. (1874: 671,5 Mill.), auf die Ausfuhr aus dem freien Verkehr 949,5 Mill. (1874:508,2 Mill.) entfielen. Die wichtigsten Verkehrsländer sind das Deutsche Reich, [* 2] welches 1886 bei der Einfuhr mit 315,5 Mill., bei der Ausfuhr mit 414,3 Mill. Guld. beteiligt war, Großbritannien [* 3] und Belgien. [* 4]
Der Wert der allgemeinen Ein-, Aus- und Durchfuhr wird seit 1872 nicht mehr veröffentlicht; seitdem gibt man die Quantitäten zum Teil nur in Bruttogewicht an. Aus seinen Kolonien bezieht das Land hauptsächlich Kaffee, Zucker, [* 5] Reis, Spezereien, Tabak, [* 6] Indigo [* 7] und Zimt. Außerdem beziehen die Niederlande [* 8] Manufakturwaren und Steinkohlen hauptsächlich aus England, Preußen [* 9] und Belgien, Getreide [* 10] aus den Ostseeländern, Archangel und den Häfen am Schwarzen Meer, Erbsen und Linsen aus Preußen, Bauholz aus Norwegen [* 11] und den Rheinländern, Garn aus England, Wein aus Frankreich, Hopfen [* 12] aus Bayern [* 13] und Elsaß, während sie selbst mit Produkten des Landbaues, besonders mit Gemüse, Vieh, Butter, zum Teil den Londoner Markt versehen, Fische [* 14] meist nach Belgien und Deutschland [* 15] und Käse nach England, Frankreich, Belgien und Hamburg [* 16] verschicken.
Der Handel mit dem Ausland geschieht ungefähr zu 46 Proz. zur See, zu 21 Proz. an den Küsten und zu 14 Proz. auf dem Landweg. Beladen und leer wurden 1886 einklariert 2227 Segel- und 5468 Dampfschiffe mit einem Gehalt von 1,789,000 und 9,839,000 cbm, ausklariert 2191 Segel- und 5484 Dampfschiffe. Auf den Flüssen und Kanälen liefen 1886 ein: 25,738 beladene Schiffe [* 17] von 4,225,000 cbm, aus: 16,927 beladene Schiffe von 3,368,000 cbm. Der Bestand der niederländischen Handelsflotte betrug Anfang 1886: 692 Schiffe mit 811,000 Ton. Gehalt, davon 106 Dampfer mit 308,000 T. Daß der Unternehmungsgeist trotz der stetigen Abnahme der Handelsflotte wieder im Wachsen ist, beweisen die in den letzten Jahren ins Leben gerufenen direkten Dampferverbindungen zwischen Holland und Ost- und Westindien, [* 18] Rotterdam-New York u. Amsterdam-New York.
Der Verkehr zu Land wird durch gut unterhaltene Landstraßen und Eisenbahnlinien vermittelt, wovon die vornehmsten sind: die Holländische [* 19] von Amsterdam [* 20] nach Rotterdam [* 21] mit Seitenlinie nach Helder, die Ostbahn von Amsterdam nach Utrecht [* 22] und über Hilversum und Apeldoorn nach Zütphen, von Zütphen nach Winterswijk, die Zentralbahn von Utrecht über Amersfoort nach Zwolle und Kampen, die von Moerdijk über Rosendaal nach Antwerpen, [* 23] die Rheinische von Amsterdam nach Utrecht und von da nach Emmerich, [* 24] Rotterdam und Haag, [* 25] die Staatseisenbahnen von Arnheim nach Leeuwarden und Groningen mit einer Seitenlinie von Zütphen nach Enschede und Bentheim, die von Utrecht nach Herzogenbusch und Boxtel, die von Rotterdam nach Breda und Boxtel und von hier über Eindhoven nach Venloo und Kaldenkirchen oder nach Maastricht [* 26] mit einer Seitenlinie von Eindhoven nach dem belgischen Hasselt, die von Breda über Rosendaal nach Middelburg u. Vlissingen, die von Harlingen über Leeuwarden und Groningen nach Neuschanz und über die deutsche Grenze nach Hannover, [* 27] die von Terneuzen nach Gent, [* 28] die von Arnheim und die von Nimwegen [* 29] nach Kleve etc. Diese Bahnen bringen die Niederlande in Verbindung mit dem Ausland, mit Norddeutschland (über Salzbergen), mit Köln [* 30] etc. (über Emmerich und Venloo), mit Brüssel [* 31] und Paris [* 32] (über Breda-Rosendaal), mit Lüttich [* 33] und Aachen [* 34] (über Eindhoven-Hasselt), mit London [* 35] (über Breda-Vlissingen).
Die Gesamtlänge der Eisenbahnen betrug Ende 1886: 2550 km. Hierzu kommt ein sehr ausgebildetes Telegraphennetz (Länge der Staatslinien in 1887: 4770 km, der Drähte 17,019 km). Unter den Kreditanstalten nimmt die Niederländische [* 36] Bank zu Amsterdam gegründet) den ersten Platz ein (s. Banken, S. 337). Handels- und Industriekammern finden sich in großer Menge. Hauptgeldmarkt ist Amsterdam. Börsen befinden sich in verschiedenen Städten, die bekanntesten sind die von Amsterdam und Rotterdam.
Man zählte 1885: 276 Sparkassen mit 13,9 Mill. Guld. Einlagen;
außerdem waren in der Reichspostsparkasse 4,9 Mill. Guld. niedergelegt.
Münzeinheit ist der Gulden, der bei einem Gewicht von 10 g: 9,45 g feines Silber enthält und in 100 Cents eingeteilt ist. Andre Silbermünzen sind: der Reichsthaler = 2½ Guld., der halbe Gulden, der Viertelgulden (Kwartje) etc. Goldmünze ist das Zehnguldenstück. Durch das Münzgesetz von 1876 ist auch in den Niederlanden die reine Goldwährung eingeführt. Maß- und Gewichtssystem ist das metrische, wobei das Meter und das Kilogramm als Einheiten gelten. Flächenmaße sind das Quadratmeter oder Centiar, der Ar oder das Quadratdekameter, der Hektar. Für Brennholz ist die Einheit das Kubikmeter (Wisse), für Flüssigkeiten (und trockne Waren) das Liter oder Kubikdezimeter. Die Gewichtseinheit ist das Kilogramm mit seinen Unterteilen.
Staatsverfassung und Verwaltung.
Die Staatsverfassung ist konstitutionell-monarchisch. Die sehr freisinnige Verfassung datiert vom ihre Revision vom (s. unten: S. 154 f.). Die gesetzgebende Gewalt ist zwischen dem König und den Repräsentanten der Nation, den Generalstaaten (Staten Generaal), geteilt; die vollziehende Gewalt steht allein dem König zu. Die Generalstaaten zerfallen in eine Erste und Zweite Kammer. Die Mitglieder der Ersten Kammer, 50 an der Zahl, werden durch die Provinzialräte (Provinciale Staten) gewählt und zwar aus den in Bezug auf die direkten Steuern Höchstbesteuerten, von denen in jeder Provinz nur 1 auf 1500 Einw. kommen darf, oder aus denjenigen, welche ein oder mehrere hohe und wichtige Ämter bekleiden oder bekleidet haben.
Die Mitglieder der Zweiten Kammer, 100 an der Zahl, werden durch die eingesessenen Niederländer gewählt, welche das 23. Jahr zurückgelegt haben, im vollen Genuß ihrer bürgerlichen und politischen Rechte stehen und hinsichtlich ihrer Befähigung und sozialen Stellung den Bedingungen entsprechen, welche das noch zu erlassende Wahlgesetz festsetzt. Die Dauer einer Legislaturperiode ist für die Mitglieder der Zweiten Kammer vier Jahre. Die Mitglieder der Ersten Kammer erhalten ihr Mandat auf neun Jahre, und es scheidet alle drei Jahre ein Drittel aus; doch können die Abtretenden wieder gewählt werden.
Grundzüge der Verfassung sind ferner: Unverletzlichkeit und Unverantwortlichkeit des Königs, Verantwortlichkeit der Minister, jährliche Feststellung des Budgets, Rechtfertigung der Einnahmen u. Ausgaben nach jeder Budgetperiode vor der gesetzgebenden Gewalt, Garantie der persönlichen Freiheit, Freiheit des religiösen Kultus, gleicher Schutz u. gleiche Rechte für alle Konfessionen. [* 37] Die Regierung geht auf den ältesten Sohn des Königs oder dessen männliche Nachkommen, in Ermangelung der letztern auf die Brüder ¶
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des Königs und deren Deszendenten nach dem Rechte der Erstgeburt und in Ermangelung dieser auf die Tochter des letzten Königs nach dem Rechte der Erstgeburt über. Zur Thronfolge berechtigt ist gegenwärtig zunächst die Prinzessin Wilhelmine (geb. sodann die Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar, Schwester des Königs, resp. deren Dependenz. Das Einkommen des Königs fließt teils aus Domanialgütern, teils besteht es aus einer festen, jedesmal bei der Thronbesteigung fixierten Zivilliste; außerdem werden jährlich 50,000 Guld. für Unterhaltung der königlichen Schlösser bewilligt.
Der König hat die Oberleitung der auswärtigen Angelegenheiten, das Recht der Kriegserklärung, schließt und bestätigt Verträge mit andern Mächten. Er hat den Oberbefehl über die Land- und Seemacht, die oberste Verwaltung der Kolonien und der Finanzen, verleiht Adelstitel, übt das Recht der Begnadigung, legt den Kammern Gesetzentwürfe vor, sanktioniert oder verwirft die Anträge der Kammern, hat den Vorsitz im Staatsrat, dessen Mitglieder er ernennt und wählt, und entläßt seine Minister nach Belieben.
Alle königlichen Beschlüsse und Bescheide müssen aber durch einen Minister kontrasigniert sein. Gegenwärtiger König ist Wilhelm III. (seit Sein Titel ist: »König der Niederlande, Prinz von Oranien-Nassau, Großherzog von Luxemburg«. Der Kronprinz (gegenwärtig nicht vorhanden) führt den Titel: »Prinz von Oranien«. Königliche [* 39] Residenz ist Haag. Im Monat April pflegt der Hof [* 40] eine Woche lang in Amsterdam auf Kosten dieser Stadt zu residieren.
In administrativer Beziehung besteht das europäische Gebiet des Königreichs aus den oben aufgeführten 11 Provinzen. An der Spitze der Staatsverwaltung steht ein Ministerrat, der aus den Chefs der 8 Ministerien: des Auswärtigen, der Justiz, des Innern, der Marine, der Finanzen, des Kriegs, der Kolonien, endlich des Handels und der Industrie (Departement van Waterstaat) besteht. Das Präsidium wechselt unter den Ministern nach der Reihenfolge ihrer Ernennung alle drei Monate.
An der Spitze der Verwaltung einer jeden Provinz steht ein königlicher Kommissar (früher Gouverneur genannt). Jede Provinz wird durch Provinzialstände vertreten, deren Mitglieder auf sechs Jahre gewählt werden. Die Obrigkeit jeder Gemeinde besteht aus einem Rat von 7-39 Mitgliedern, einem Bürgermeister und Schöffen (Wethouders). Der Bürgermeister wird vom König auf sechs Jahre ernannt, die Schöffen werden vom Rat aus seiner Mitte auf dieselbe Zeit gewählt.
Die Wahl der Ratsherren geschieht durch die Bürgerschaft. Eine eigentümliche Behörde sind die Waterschappen, welche die Aufsicht über Dämme, Teiche, Polder, Flüsse [* 41] etc. führen. Die Niederlande sind in zwei Inspektionen (zusammen elf Wasserdistrikte) eingeteilt, mit je einem Inspektor an der Spitze. Der oberste Gerichtshof ist der Hohe Rat (Hooge Raad) im Haag, zugleich allgemeiner Kassationshof. Unter ihm stehen die fünf Provinzialgerichte; von diesen ressortieren die Bezirksgerichtshöfe (Arrondissementsregtbanken), 23 an der Zahl, von diesen endlich die 106 Einzelrichter (Kantonregters). Es besteht Mündlichkeit und Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens, eine Staatsanwaltschaft, Beweistheorie, aber ohne Schwurgerichte.
Die »allgemeine Rechenkammer« im Haag kontrolliert die Ausgaben und Einnahmen des Staats und ist als selbständige Behörde keinem Ministerium untergeordnet. Das Budget für 1887 beläuft sich in den Einnahmen auf 115,973,075 Guld., in den Ausgaben auf 132,257,559 Guld. Unter den Einnahmen waren die Hauptposten: direkte Steuern (Grund-, Personal- und Patentsteuer) 26,623,000, Accise 42,340,000 und Stempel, Enregistrement und Erbsteuer 22,003,500 Guld.;
unter den Ausgaben figurierten das königliche Haus mit 650,000, die Verzinsung der Staatsschuld mit 33,871,314, das Kriegsministerium mit 20,386,939, das Marineministerium mit 12,336,556, Handelsministerium mit 23,666,896, Finanzministerium mit 23,323,245, Ministerium des Innern mit 10,195,018 Guld. Die Verwaltung der Provinzen kostete 1886: 6,692,000 Guld., wozu die Provinzen selbst 6 Mill. Guld. beisteuerten.
Die Einnahmen der Gemeinden beliefen sich 1886 auf 75 Mill., die Ausgaben auf 68½ Mill. Guld. Die Staatsschuld hat eine eigentümliche Entwickelung gehabt. Bei der Invasion der Franzosen 1795 betrug die Schuld der Republik 787 Mill. Guld. und stieg bis Ende 1803 infolge von Erpressungen und Zwangsanleihen bis auf 1126 Mill. Bei der Einverleibung der Niederlande in das französische Kaiserreich wurde diese noch um 90 Mill. vermehrte Schuld von Napoleon auf ein Drittel reduziert und belief sich infolgedessen beim Abzug der Franzosen 1814 auf 575 Mill. Guld. Unter Wilhelm I. wurden zwar die gewaltsam beseitigen zwei Drittel wieder anerkannt, jedoch bis zur Abtragung des ersten Drittels und der neuen Schuld als unverzinslich erklärt. 1836 sah man sich genötigt, die Kolonien als Hypothek für die Staatsschuld zu erklären. Endlich erlangte Holland eine wesentliche Erleichterung, indem Belgien zufolge des Vertrags vom eine jährliche Rente von 5 Mill. Guld. übernehmen mußte, und 1850 begann eine energische Schuldentilgung. Anfang 1846 betrug das Schuldkapital 1231,12 Mill., 1864: 1015,29 Mill., 1876: 924,3 Mill., 1887 dagegen wieder 1059 Mill. Guld., wozu noch 15 Mill. Guld. Papiergeld kommen.
Heer und Flotte.
Die Kriegsmacht der Niederlande besteht aus dem europäischen und dem indischen Heer und der Marine. Das erstere und die Marine ergänzen sich durch Aushebung (mit fünfjähriger Dienstpflicht vom 20. Jahr an) und Losung mit gestatteter Stellvertretung und vielen Befreiungen oder durch freiwilligen Eintritt, das indische Heer durch Werbung. Die Landmacht zerfällt in stehendes Heer, Schutterij und Landsturm. Die Bürgerwehr (Schutterij) ist zur Verteidigung des Landes im Krieg und zur Erhaltung der innern Ruhe bestimmt; in ihr muß jeder Staatsangehörige vom Beginn des 25. Lebensjahrs 10 Jahre lang dienen, darunter 5 Jahre in den Gemeinden mit mehr als 2500 Einwohnern aktiv.
Der Landsturm umfaßt alle Waffenfähigen von 19-50 Jahren. Die Formation der Armee (ohne die Kolonialtruppen) war Ende 1886: 1) Infanterie, 1 Regiment Grenadiere und Jäger zu 4 Bataillonen (à 5 Kompanien und 2 Depotkompanien), 8 Linienregimenter à 5 Bataillone (jedes zu 4 Kompanien) und 1 Depot (5 Kompanien), 1 Lehrbataillon;
2) Kavallerie, 3 Husarenregimenter (à 5 Eskadrons, 1 Reserveeskadron und 1 Depot);
3) Artillerie, 3 Regimenter Feldartillerie (à 6 oder 8 Batterien, 1 Depot-, 1 oder 2 Trainkompanien), 1 Regiment reitende Artillerie (4 Batterien und 1 Depot), 4 Regimenter Festungsartillerie (mit 42 Kompanien), 1 Pontonierkorps (2 Kompanien);
4) Geniewaffe, 1 Bataillon Sappeure und Mineure (5 Kompanien);
5) Marechausseekorps (Sicherheitstruppe) etc. Die Schutterij begreift 132 Bataillone, 53 selbständige Infanterie- und 26 Artilleriekompanien. Stärke [* 42] des Landheers: Armee: ¶