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Duiveland, Tholen und Philipsland steht die Osterschelde in Verbindung mit dem Krammer und deshalb auch mit der Maas. Die Niederlande [* 2] sind überdies sehr reich an kleinern Flüssen, welche darum von Bedeutung sind, weil sie oft fruchtbares Marschland in der Mitte des dürren Landes ins Leben riefen, den Bau von Kanälen erleichterten und die Verstärkung [* 3] der Festungen durch Inundation ermöglichten. Außer der Ems, [* 4] deren Mündung in den Dollart die Grenze gegen Preußen [* 5] (Hannover) [* 6] bildet, sind zu nennen: die Westerwolder Aa, in den Dollart mündend, die Hunse in Drenthe und Groningen, das Schwarze Wasser in Overyssel, die Eem in Utrecht, [* 7] die Amstel in Nordholland, die Holländische [* 8] Yssel in Südholland etc.
In den nördlichen Provinzen finden sich trotz der Trockenlegungen noch bedeutende Seen (Süßwasserseen), so in Friesland: der Sloter, Sneeker, Tjeuke-, Bergumer, Heeger und Fluessensee;
in Groningen: der Südlaarder und Schildsee;
in Overyssel: der Giethoornsche See, das Belter, das Beulakker Wyde;
in Nordholland: der Naarder und der Alkmarer oder Lange See.
Auch findet man eine Menge seeartiger Torfpfuhle (veenplassen). Kein Land besitzt so zahlreiche Kanäle zur Beförderung der Schiffahrt und der Abfuhr zu Wasser wie die Niederlande. Die bedeutendsten sind: der große Nordholländische Kanal [* 9] (s. d.);
der neue (1876 eingeweihte) Nordseekanal, zur kürzern Verbindung Amsterdams mit der Nordsee;
der Kanal, welcher Amsterdam [* 10] mit der Utrechter Vecht verbindet, die durch den Vreeswijker Kanal, Rheinische Fahrt genannt, wieder mit der Lek verbunden ist;
der Zederikkanal (s. d.);
der Kanal von Voorne in Südholland (1827-29 angelegt), der bei Helvoetsluys in die Nordsee mündet, genügte nicht für die Schiffahrt von Rotterdam, [* 11] weshalb man den Kanal durch die »Ecke von Holland« gegraben hat;
die Süd-Wilhelmsfahrt (s. d.);
die Wilhelmsfahrt in Overyssel, nur ca. 3 km lang, zur Verbindung des Schwarzen Wassers bei Zwolle mit der Yssel;
die Dedemsfahrt (s. d.);
das Damster Diep (s. d.) und der Emskanal von Groningen nach Delfzyl;
das Winschoter Diep von Groningen nach Winschoten, zum Teil das Schuitendiep genannt;
der Stadtkanal, der Kommunikationsweg für die Torfkolonien in der Provinz Groningen;
das Hoendiep von Groningen nach den friesischen Grenzen [* 12] und dessen Fortsetzung in Friesland;
das Kolonels- oder Kaspar Robles-Diep, die Verbindung der friesischen Seen mit dem Zuidersee;
der Nord-Wilhelmskanal (s. d.) und dessen Fortsetzung, die Drenther Haupt- oder Smildefahrt, von Assen nach Meppel mit ihren Zweigen, dem Oranjekanal und der Hoogeveenschen Fahrt;
der Kanal von Terneuzen (in Zeeland), welcher letzteres mit der belgischen Stadt Gent [* 13] verbindet;
der Kanal durch die Insel Walcheren von Vlissingen über Middelburg nach Veere;
der Südbevelandkanal (s. oben) etc. Zu den niederländischen Inseln gehören die in dem Scheldedelta: Walcheren, Nordbeveland, Südbeveland, Schouwen und Duiveland, St. Philipsland und Tholen;
die in dem Maasdelta: Ysselmonde, Voorne und Putten, Rosenburg, Beierland, Goeree und Overflakkee, die Insel von Dordrecht, [* 14] Tien-Gemeten und einige kleinere, durch Trockenlegung gewonnene;
die vor dem Eingang des Zuidersees und nördlich von Friesland und Groningen liegenden: Texel, Vlieland, Terschelling, Ameland (jetzt durch einen Damm mit dem Festland verbunden), Schiermonnikoog und Rottum oder Rottumer Oog;
die im Zuidersee: Wieringen, Marken und Urk und die Overysseler Insel Schokland (seit 1859 verlassen);
ferner das Ysseldelta in Overyssel: Kamper Insel, Mandjes- und Katjeswaard und die durch Rhein und Waal gebildete Betuwe;
endlich die Inseln des Biesbosch.
Das Klima [* 15] der Niederlande ist im allgemeinen milder als das von Norddeutschland. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt 9,89° C. und stimmt somit überein mit der von Koblenz, [* 16] Teplitz, Krakau, [* 17] Odessa [* 18] und dem südlichen England. Im W. des Landes ist die Luft wegen der Nähe des Meers feuchter und wärmer als im östlichen Teil. An vier verschiedenen Punkten des Landes beträgt die mittlere Wärme: [* 19]
Winter | Sommer | Jahresdurchschnitt | |
---|---|---|---|
Groningen | 2.2° C. | 17.2° C. | 9.5° C. |
Amsterdam | 3.1° C. | 16.7° C. | 9.7° C. |
Utrecht | 2.4° C. | 17.7° C. | 9.89° C. |
Maastricht | 3.4° C. | 19.7° C. | 11.2° C. |
Die jährliche Regenmenge betrug von 1848 bis 1886 zu Utrecht im Durchschnitt 705,6 mm, und zwar war der Regenfall im Juli, August und September resp. 75,5, 82,8, 67,5, im Februar, März, April resp. 45,7, 43,7 und 38,6 mm. Im Winter fällt eine erhebliche Menge Schnee, [* 20] und die zahlreichen Flüsse, [* 21] Kanäle, Seen, sogar bisweilen der Zuidersee, gefrieren. In heißen, trocknen Sommern sind die Ausdünstungen der Kanäle und stehenden Gewässer der Gesundheit sehr nachteilig; aus diesem Grund gelten einige sumpfige Strecken von Zeeland, Nordholland, Südholland und Friesland für ungesund. Ein besseres Klima haben die innern Provinzen. Die vorherrschenden Winde [* 22] sind der Nord- und der Südwestwind; Stürme aus dem Westen sind bei hohem Wasserstand gefährlich, weil sie oft Deichbrüche und Überschwemmungen herbeiführen.
Areal und Bevölkerung.
Die Niederlande hatten nach der Volkszählung vom 4,012,693 Einw. und zerfallen in elf Provinzen (s. Karte »Niederlande«),
deren Größe (nach dem Kataster von 1877) und Einwohnerzahl folgende sind:
Provinz | QKilometer | QMeilen | Einw. 1879 | Einw. 1887 |
---|---|---|---|---|
Drenthe | 2662.50 | 48.4 | 118845 | 127309 |
Friedland | 3320.34 | 60.3 | 329877 | 335597 |
Gelderland | 5088.96 | 92.4 | 466805 | 502049 |
Groningen | 2297.70 | 41.7 | 253246 | 270608 |
Limburg | 2204.30 | 40.0 | 239453 | 254846 |
Nordbrabant | 5127.73 | 93.1 | 466497 | 500315 |
Nordholland | 2739.56 | 49.8 | 679990 | 786116 |
Overyssel | 3344.95 | 60.7 | 274136 | 291462 |
Südholland | 3022.86 | 54.9 | 803530 | 911534 |
Utrecht | 1384.11 | 25.1 | 191679 | 212454 |
Zeeland | 1778.60 | 32.3 | 188635 | 198567 |
Summa: | 32971.61 | 598.8 | 4012693 | 4390857 |
Die Bevölkerung, [* 23] welche 1829 erst 2,613,491 Seelen betrug, hat sich in 50 Jahren um 1,399,206 Einw. vermehrt und wurde (Januar 1887) auf 4,390,857 Seelen berechnet. Die Zahl der Auswanderer, die sich meist nach Nordamerika [* 24] wandten, ist 1882-86 von 34,321 auf 11,924 Personen gesunken, doch waren davon nur 7304, resp. 2024 Niederländer. Am dichtesten sind die Provinzen Nord- und Südholland bevölkert, indem hier die städtische Bevölkerung die ländliche überwiegt. Sie beträgt im ganzen Reich 121 (neuerdings 133) Seelen auf das QKilometer. Nach dem Geschlecht unterschied man 1879: 49,5 Proz. Männer und 50,5 Proz. Frauen. Auf 100 Personen entfielen unter den
Männern | Frauen | |
---|---|---|
Ledige | 62.4 | 59.4 |
Verheiratete | 33.9 | 33.1 |
Verwitwete | 3.7 | 7.4 |
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Im J. 1886 fanden 30,298 Eheschließungen statt; die Zahl der Gebornen belief sich auf 158,658 (darunter 7807 Totgeborne), der Gestorbenen auf 95,239, was einen Überschuß der Lebendgebornen von 55,612 (12,7 pro Mille) ergibt. Die Wohnungsverhältnisse sind sehr günstig, da 1879 auf 100 Familien 90 bewohnte Häuser und Schiffe [* 26] kamen. Die Verfassung erkennt keinen Unterschied zwischen Städten und Dörfern an; man spricht deshalb auch nur von Gemeinden, deren Anzahl 1879: 1127 betrug.
Die ursprünglichen Bewohner waren Germanen, im südlichen und westlichen Teil des Landes haben sich verschiedene Volksstämme miteinander vermischt; die religiöse und politische Freiheit, der große Handelsverkehr und der Reichtum der Bevölkerung haben dazu beigetragen, daß französische Hugenotten, Deutsche, [* 27] Belgier, Juden (auch aus Spanien [* 28] und Portugal) sich in den Niederlanden angesiedelt haben. Am reinsten von fremder Beimischung haben sich die Friesen erhalten.
In konfessioneller Beziehung teilte sich die Bevölkerung nach der Volkszählung von 1879 in 2,469,814 Protestanten, 1,439,137 Römisch-Katholische, 6251 Altkatholiken, 37 Griechisch-Katholische, 81,693 Israeliten u. 15,761 Personen unbekannter Konfession. Die reformierte Kirche steht unter einer allgemeinen Synode, welche aus einem Präsidenten, Vizepräsidenten, Sekretär, [* 29] Quästor und 19 Mitgliedern besteht und jährlich am dritten Mittwoch des Juli im Haag [* 30] zusammentritt.
Sie zählte Ende 1885: 1349 anerkannte kirchliche Gemeinden. Die evangelisch-lutherische Kirche, deren Synode am Mittwoch nach Pfingsten zu Amsterdam abgehalten wird, zählte 58 anerkannte Gemeinden; die hergestellte evangelisch-lutherische Kirche (Altlutheraner) steht unter einer allgemeinen kirchlichen Kommission und zählt 8 anerkannte Gemeinden. Die Mennoniten haben keine Zentralverwaltung und bilden 128 anerkannte Gemeinden. Die Brüderschaft der Remonstranten, an deren Spitze eine Kommission steht, zählt 23 anerkannte Gemeinden.
Die Herrnhuter haben 2 Gemeinden (Haarlem [* 31] und Zeist). Die Deutsch-Evangelischen der evangelischen Kirche in Preußen bilden 2 Gemeinden (im Haag und zu Rotterdam). Die christlichen Separatisten, welche sich von der reformierten Kirche getrennt haben, zählen 340 anerkannte Gemeinden. Die römisch-katholische Kirche, welche in den Niederlanden seit 1853 organisiert ist, besteht aus 5 Diözesen: dem Erzbistum Utrecht und den Bistümern Haarlem, Herzogenbusch, Breda und Roermonde, welche in 1008 Gemeinden zerfallen.
Der katholische Klerus bestand 1885 aus ca. 2000 Mitgliedern. Die Zahl der Klöster hat seit 1853 sehr zugenommen, besonders in Nordbrabant und Limburg, [* 32] hauptsächlich durch Einwanderung der aus Deutschland [* 33] vertriebenen Mönche und Nonnen. Die Güter im Besitz der Toten Hand repräsentieren einen Wert von etwa 125 Mill. Gulden. Die altbischöfliche Kirche hat 3 Diözesen: das Erzbistum Utrecht und die Bistümer Haarlem und Deventer, und zählt 25 anerkannte Gemeinden. Die niederländischen Israeliten stehen unter einer Zentralkommission und besitzen 178 Gemeinden und 6 Hauptrabbinate. Die portugiesischen Israeliten stehen ebenfalls unter einer Hauptkommission und besitzen nur 2 Gemeinden: in Amsterdam und Haag.
Bildung und Unterricht.
Was die geistige Kultur betrifft, so ist der Volks- unterricht in den Niederlanden allgemein verbreitet. Öffentliche, von den Gemeinden unterhaltene (neutrale, d. h. konfessionslose) Elementarschulen zählte man 1885: 2923 mit 462,312 Schülern und 12,574 Lehrern, Privatschulen, d. h. meistens konfessionelle Schulen: 1174 mit 161,344 Schülern und 4640 Lehrern. Kinderbewahranstalten gab es 1885: 1017 (124 öffentliche, 893 private) mit resp. 21,581 und 85,982 Kindern. In diesen Angaben sind nicht begriffen die 136 Bewahrschulen in Amsterdam.
Bildungsanstalten für Lehrer bestehen zu Herzogenbusch, Groningen, Haarlem, Middelburg und Deventer, vom Staat unterhalten; außerdem besitzen verschiedene Gemeinden solche Anstalten, welche sie selbst in Verbindung mit öffentlichen Elementarschulen unterhalten. Die Oberaufsicht über das Schulwesen führen drei Inspektoren, unter diesen zahlreiche Distrikts- und Arrondissementsschulaufseher; in den Gemeinden örtliche Schulkomitees (plaatselyke schoolcommissies).
Für den mittlern Unterricht waren Anfang 1885 in Wirksamkeit: 1 Bürgertagschule, 38 Bürgerabendschulen, 61 höhere Bürgerschulen und 13 höhere Bürgerschulen für Mädchen. Das Polytechnikum in Delft ist eine Anstalt zur Bildung von Ingenieuren, Technikern und Architekten. In Leiden [* 34] und Delft sind Anstalten zur Ausbildung von Beamten für die ostindischen Kolonien. Die Armee hat eine Bildungsanstalt zu Breda, die Marine zu Willemsoord am Helder. Gewerbeschulen sind die Schule für Handel zu Amsterdam und verschiedene Handwerkerschulen.
Für die Ausbildung von Künstlern bestehen Akademien der schönen Künste zu Amsterdam, Rotterdam und Groningen, Musikschulen im Haag: zu Amsterdam, Rotterdam, Leiden und Maastricht. [* 35] Außerdem bestehen verschiedene Bau-, Zeichen- und Industrieschulen, eine landwirtschaftliche Schule zu Wageningen, Navigationsschulen zu Amsterdam, Rotterdam, Leiden, Helder, Harlingen, Groningen, Delfzyl, Veendam etc., eine Landesveterinärschule zu Utrecht. Für den höhern Unterricht (neugeregelt durch Gesetz von 1876) bestehen Gymnasien und Lateinschulen (1885/86: 30 mit 393 Lehrern und 2295 Schülern) und die drei Staatsuniversitäten zu Leiden, Utrecht und Groningen (1884 mit 116 Professoren); außerdem die Gemeindeuniversität zu Amsterdam, welche 1877 aus dem frühern Athenäum entstanden ist, ebenso wie die drei Staatsuniversitäten das Recht hat, wissenschaftliche Grade zu verleihen, und 45 Professoren zählt.
Die Oberaufsicht über die Gymnasien führt ein Inspektor. Die Prediger der reformierten Kirche erhalten ihre Ausbildung auf den Universitäten und einer freien (konfessionellen) Universität zu Amsterdam, die der übrigen Konfessionen [* 36] auf besondern Seminaren. Die Römisch-Katholischen haben 9 Seminare (zu Driebergen, Warmond, St. Michielsgestel, Culemburg, Haaren, Hoeven, Roermonde, Ginneken, Kerkrade). Die Militär- und Marineärzte empfingen früher ihre Ausbildung auf der Universität zu Amsterdam, jetzt auf allen Universitäten. Als Bildungsanstalten sind noch zu erwähnen: 3 Taubstummenanstalten zu Groningen, St. Michielsgestel in Nordbrabant und Rotterdam, 2 Blindeninstitute zu Amsterdam und Grave, eine Idiotenschule im Haag und eine Ackerbaukolonie für verwahrloste Knaben, Mettray genannt, zu Rysselt bei Zütphen. Reich sind die Niederlande an Gesellschaften für Wissenschaft und Kunst, hinsichtlich deren wir auf den Artikel »Akademie« (S. 249) verweisen. Die vornehmsten Reichsmuseen und Sammlungen sind: Het Rijksmuseum van Schilderijen (Gemälde) zu Amsterdam;
Het Prentenkabinet, ebendaselbst;
De Rijksverzameling van moderne Kunst zu Haarlem;
Het Rijksmuseum van Oudheden und Het Rijks Ethnographisch ¶