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Groningen, Drenthe, Utrecht und Holland. Die höchsten Hügel und Dünen sind folgende: in Limburg der Krikelenberg oder Ubachsberg (240 m), der Vaalser Berg bei Vaals (198 m);
in Gelderland das Imbosch (110 m), der Philippsberg (107 m);
in der Veluwe der Hettenheuvel bei Zevenaar (105 m), der Hoenderberg (Hühnerberg) bei Nimwegen (100 m);
in Overyssel der Lemeler Berg bei Ommen (81 m), der Tankenberg bei Oldenzaal (80 m);
in Utrecht die Austerlitzer Pyramide bei Zeist (65 m), der Soester Berg bei Soest (64 m);
in Nordholland der Blinkert, eine Düne bei Haarlem (60 m).
Die mittlere Höhe des Bodens beträgt 23 m. Große Strecken liegen aber mitunter bedeutend niedriger als der Meeresspiegel (z. B. der Zuidplas-Polder bei Gouda, der Nieuwkooper und der Haarlemermeer-Polder, die 4-5,61 m unter dem Meer liegen) und werden nur mittels der Dünen und durch Dämme gegen Überschwemmung durch das Meer geschützt. Die Steinkohlenformation in Limburg gehört zu dem Teil des großen Belgisch-Aachener Beckens, welchen man nach dem Flüßchen Worm Wormmulde genannt hat. Man hat Steinkohlenminen bei Kerkrade und Bocholtz in Limburg entdeckt. Sie bilden die sogen. dominale mynen, welche in einer Tiefe von 38-40 m in Flözen von 1,2-1,5 m liegen (Produktion 400,000 Gulden). Neuerdings hat man durch Bohrungen auch bei Heerlen Kohlenlager entdeckt, welche sowenig wie die Braunkohlenlager im O. von Gelderland und Overyssel ausgebeutet werden können.
Die beiden Hauptflüsse der Niederlande sind der Rhein und die Maas, während von der Schelde nur die Mündungen den Niederlanden angehören. Der Rhein tritt unterhalb Emmerich bei Lobith auf niederländisches Gebiet, verliert bei Pannerden, wo das Rheindelta anfängt, ⅔ von seinem Wasser an die breite Waal und teilt sich oberhalb Arnheim bei Westervoort, wo er wieder ⅓ seines Wassers abgibt, nochmals in zwei Arme, wovon der rechte den Namen Yssel oder Geldersche Yssel führt, bei Doesburg die Alte Yssel, bei Zütphen die Berkel, bei Deventer die Schipbeek (den Schiffbach), bei Hattem die Grift aufnimmt, bei Kampen sich in zwei Arme teilt, ein Delta (Kamper Insel) bildet und in den Zuidersee mündet.
Der linke Arm behält den alten Namen Rhein und fließt an Arnheim, Wageningen und Rhenen vorbei nach Wijk bei Duurstede, wo er sich scheinbar zum drittenmal in zwei Arme teilt. Der linke Arm fließt unter dem Namen Lek an Culemborg, Vianen, Schoonhoven und Nieuport vorbei und vereinigt sich unterhalb Krimpen a. d. Lek mit dem Noord zur Nieuwe Maas (Neue Maas), Scheur und Nieuwe Waterweg. Der nördliche Zweig, früher der Hauptfluß, trägt den Namen Kromme Ryn. Jetzt ist derselbe nicht mehr als ein Arm zu betrachten. Er ist bloß für sehr kleine Schiffe fahrbar, hat keine Verbindung mit dem Hauptfluß und dient nur zur Entwässerung und Berieselung der tiefer gelegenen Äcker der Provinz Utrecht.
Bei Utrecht kann also auch von keiner vierten Teilung des Rheins die Rede sein. Der Utrechter Vecht und der Oude Ryn sind jetzt vielmehr abgeschlossene Kanäle. Der erste fließt in nordwestlicher Richtung an Weesp und Muiden vorbei nach dem Zuidersee; der Oude Ryn (Alte Rhein) ist jetzt ein schmales Flüßchen geworden, fließt bei Woerden und Leiden vorbei, verlor sich früher in den Dünen bei Katwijk, ist aber seit 1805 durch einen Kanal mit der Nordsee verbunden. Die Waal fließt in westlicher Richtung, bei Nimwegen, Tiel und Bommel vorbei, zwischen der Betuwe am rechten, dem Land von Maas und Waal (dem Masewaalschen) und dem Bommeler Waard am linken Ufer, nimmt an der westlichen Spitze des letztern, unterhalb des Forts Loevestein die Maas auf und strömt dann unter dem Namen Merwede weiter.
Die Maas tritt oberhalb Maastricht in die Niederlande ein, bildet bis Steevenswert die Grenze gegen Belgien, fließt dann durch Niederländisch-Limburg und bildet weiter die Grenze zwischen dieser Provinz und Nordbrabant gegen Gelderland bis Loevestein. Die aus ihrer Vereinigung mit der Waal entstandene Merwede fließt bis Dordrecht, sendet aber unweit Werkendam einen kanalisierten Arm südwestlich, zwischen dem Biesbosch (jetzt eine Gruppe Inseln) und der Insel von Dordrecht, unter dem Namen Neue Merwede; dieses Wasser nimmt nach seiner Vereinigung mit der Amer bei Moerdyk den Namen Hollandsch-Diep an, welchen es bis Willemstadt behält, wo es sich wieder verzweigt.
Der nördliche Arm, Haringvliet genannt, fließt zwischen den Inseln Beierland, Voorne und Putten am rechten und Overflakkee am linken Ufer der Nordsee zu, während der südwestliche Arm zwischen der Insel Overflakkee und Nordbrabrant Volkerak, zwischen der nämlichen Insel und Tholen Krammer genannt wird und gleichfalls in die Nordsee mündet. Bei Dordrecht verzweigt sich die Merwede zum zweitenmal; der nördliche Arm, zwischen der Insel Ysselmonde und dem Alblasser Waard, vereinigt sich bei Krimpen mit der Lek (s. oben), und der aus dieser Vereinigung entstandene Strom fließt unter dem Namen Nieuwe Maas (Neue Maas) an Rotterdam, Delfshaven, Schiedam und Vlaardingen vorüber.
Der südliche Arm der Merwede fließt von Dordrecht, zwischen den Inseln von Dordrecht und Beierland am linken Ufer und Ysselmonde am rechten Ufer, unter dem Namen Oude Maas (Alte Maas) bis an die westliche Spitze der letztgenannten Insel, wo er sich mit der Neuen Maas vereinigt und dann bei Brielle vorbei unter dem alten Namen Maas der Nordsee zufließt. Bei Maassluis beginnt: der 6-7½ m tiefe Kanal, welcher neuerdings gegraben ist und durch die »Ecke von Holland« (Hoek van Holland) unter dem Namen Neuer Wasserweg Rotterdam zu einer Seestadt macht, indem große Segel- und Dampfschiffe von dieser Handelsstadt nach der Nordsee und umgekehrt hierher fahren können.
Die Maas und ihre Arme nehmen in den Niederlanden außer einigen Bächen die Jekker oder Jaar, Geul, Roer, Niers (in Limburg), Dieze (Zusammenfluß der Dommel und Aa bei Herzogenbusch in Nordbrabrant), Linge, Holländische Yssel, Rotte und Schie (in Südholland) auf. Das Dordter Hochwasser (Kil) vereinigt die Merwede mit dem Holländischen Diep, das Spui die Alte Maas und der Kanal von Voorne die Maas mit dem Haringvliet. Die Schelde tritt unterhalb des belgischen Forts Lillo in die Niederlande, wo sie sich früher in zwei Arme teilte, von denen jedoch der nördliche jetzt durch einen Damm versperrt ist.
Der südliche Arm fließt unter dem Namen Westerschelde zwischen dem zeeländischen Flandern links und den Inseln Südbeveland und Walcheren rechts der Nordsee zu und erhält an seiner Mündung, wo er durch Sandbänke geteilt wird, die Namen Wielingen, Spleet und Deurlo. Der jetzt abgedämmte Arm hat den alten Namen Osterschelde behalten, ist durch den Südbevelandkanal mit der Westerschelde verbunden und fließt zwischen den Inseln Südbeveland, Nordbeveland und Walcheren links, Tholen, Duiveland und Schouwen rechts unter dem Namen Roompot (Romanorum Portus?) der Nordsee zu. Durch das Mastgat und die Zype zwischen
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Duiveland, Tholen und Philipsland steht die Osterschelde in Verbindung mit dem Krammer und deshalb auch mit der Maas. Die Niederlande sind überdies sehr reich an kleinern Flüssen, welche darum von Bedeutung sind, weil sie oft fruchtbares Marschland in der Mitte des dürren Landes ins Leben riefen, den Bau von Kanälen erleichterten und die Verstärkung der Festungen durch Inundation ermöglichten. Außer der Ems, deren Mündung in den Dollart die Grenze gegen Preußen (Hannover) bildet, sind zu nennen: die Westerwolder Aa, in den Dollart mündend, die Hunse in Drenthe und Groningen, das Schwarze Wasser in Overyssel, die Eem in Utrecht, die Amstel in Nordholland, die Holländische Yssel in Südholland etc.
In den nördlichen Provinzen finden sich trotz der Trockenlegungen noch bedeutende Seen (Süßwasserseen), so in Friesland: der Sloter, Sneeker, Tjeuke-, Bergumer, Heeger und Fluessensee;
in Groningen: der Südlaarder und Schildsee;
in Overyssel: der Giethoornsche See, das Belter, das Beulakker Wyde;
in Nordholland: der Naarder und der Alkmarer oder Lange See.
Auch findet man eine Menge seeartiger Torfpfuhle (veenplassen). Kein Land besitzt so zahlreiche Kanäle zur Beförderung der Schiffahrt und der Abfuhr zu Wasser wie die Niederlande. Die bedeutendsten sind: der große Nordholländische Kanal (s. d.);
der neue (1876 eingeweihte) Nordseekanal, zur kürzern Verbindung Amsterdams mit der Nordsee;
der Kanal, welcher Amsterdam mit der Utrechter Vecht verbindet, die durch den Vreeswijker Kanal, Rheinische Fahrt genannt, wieder mit der Lek verbunden ist;
der Zederikkanal (s. d.);
der Kanal von Voorne in Südholland (1827-29 angelegt), der bei Helvoetsluys in die Nordsee mündet, genügte nicht für die Schiffahrt von Rotterdam, weshalb man den Kanal durch die »Ecke von Holland« gegraben hat;
die Süd-Wilhelmsfahrt (s. d.);
die Wilhelmsfahrt in Overyssel, nur ca. 3 km lang, zur Verbindung des Schwarzen Wassers bei Zwolle mit der Yssel;
die Dedemsfahrt (s. d.);
das Damster Diep (s. d.) und der Emskanal von Groningen nach Delfzyl;
das Winschoter Diep von Groningen nach Winschoten, zum Teil das Schuitendiep genannt;
der Stadtkanal, der Kommunikationsweg für die Torfkolonien in der Provinz Groningen;
das Hoendiep von Groningen nach den friesischen Grenzen und dessen Fortsetzung in Friesland;
das Kolonels- oder Kaspar Robles-Diep, die Verbindung der friesischen Seen mit dem Zuidersee;
der Nord-Wilhelmskanal (s. d.) und dessen Fortsetzung, die Drenther Haupt- oder Smildefahrt, von Assen nach Meppel mit ihren Zweigen, dem Oranjekanal und der Hoogeveenschen Fahrt;
der Kanal von Terneuzen (in Zeeland), welcher letzteres mit der belgischen Stadt Gent verbindet;
der Kanal durch die Insel Walcheren von Vlissingen über Middelburg nach Veere;
der Südbevelandkanal (s. oben) etc. Zu den niederländischen Inseln gehören die in dem Scheldedelta: Walcheren, Nordbeveland, Südbeveland, Schouwen und Duiveland, St. Philipsland und Tholen;
die in dem Maasdelta: Ysselmonde, Voorne und Putten, Rosenburg, Beierland, Goeree und Overflakkee, die Insel von Dordrecht, Tien-Gemeten und einige kleinere, durch Trockenlegung gewonnene;
die vor dem Eingang des Zuidersees und nördlich von Friesland und Groningen liegenden: Texel, Vlieland, Terschelling, Ameland (jetzt durch einen Damm mit dem Festland verbunden), Schiermonnikoog und Rottum oder Rottumer Oog;
die im Zuidersee: Wieringen, Marken und Urk und die Overysseler Insel Schokland (seit 1859 verlassen);
ferner das Ysseldelta in Overyssel: Kamper Insel, Mandjes- und Katjeswaard und die durch Rhein und Waal gebildete Betuwe;
endlich die Inseln des Biesbosch.
Das Klima der Niederlande ist im allgemeinen milder als das von Norddeutschland. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt 9,89° C. und stimmt somit überein mit der von Koblenz, Teplitz, Krakau, Odessa und dem südlichen England. Im W. des Landes ist die Luft wegen der Nähe des Meers feuchter und wärmer als im östlichen Teil. An vier verschiedenen Punkten des Landes beträgt die mittlere Wärme:
Winter | Sommer | Jahresdurchschnitt | |
---|---|---|---|
Groningen | 2.2° C. | 17.2° C. | 9.5° C. |
Amsterdam | 3.1° C. | 16.7° C. | 9.7° C. |
Utrecht | 2.4° C. | 17.7° C. | 9.89° C. |
Maastricht | 3.4° C. | 19.7° C. | 11.2° C. |
Die jährliche Regenmenge betrug von 1848 bis 1886 zu Utrecht im Durchschnitt 705,6 mm, und zwar war der Regenfall im Juli, August und September resp. 75,5, 82,8, 67,5, im Februar, März, April resp. 45,7, 43,7 und 38,6 mm. Im Winter fällt eine erhebliche Menge Schnee, und die zahlreichen Flüsse, Kanäle, Seen, sogar bisweilen der Zuidersee, gefrieren. In heißen, trocknen Sommern sind die Ausdünstungen der Kanäle und stehenden Gewässer der Gesundheit sehr nachteilig; aus diesem Grund gelten einige sumpfige Strecken von Zeeland, Nordholland, Südholland und Friesland für ungesund. Ein besseres Klima haben die innern Provinzen. Die vorherrschenden Winde sind der Nord- und der Südwestwind; Stürme aus dem Westen sind bei hohem Wasserstand gefährlich, weil sie oft Deichbrüche und Überschwemmungen herbeiführen.
Areal und Bevölkerung.
Die Niederlande hatten nach der Volkszählung vom 4,012,693 Einw. und zerfallen in elf Provinzen (s. Karte »Niederlande«),
deren Größe (nach dem Kataster von 1877) und Einwohnerzahl folgende sind:
Provinz | QKilometer | QMeilen | Einw. 1879 | Einw. 1887 |
---|---|---|---|---|
Drenthe | 2662.50 | 48.4 | 118845 | 127309 |
Friedland | 3320.34 | 60.3 | 329877 | 335597 |
Gelderland | 5088.96 | 92.4 | 466805 | 502049 |
Groningen | 2297.70 | 41.7 | 253246 | 270608 |
Limburg | 2204.30 | 40.0 | 239453 | 254846 |
Nordbrabant | 5127.73 | 93.1 | 466497 | 500315 |
Nordholland | 2739.56 | 49.8 | 679990 | 786116 |
Overyssel | 3344.95 | 60.7 | 274136 | 291462 |
Südholland | 3022.86 | 54.9 | 803530 | 911534 |
Utrecht | 1384.11 | 25.1 | 191679 | 212454 |
Zeeland | 1778.60 | 32.3 | 188635 | 198567 |
Summa: | 32971.61 | 598.8 | 4012693 | 4390857 |
Die Bevölkerung, welche 1829 erst 2,613,491 Seelen betrug, hat sich in 50 Jahren um 1,399,206 Einw. vermehrt und wurde (Januar 1887) auf 4,390,857 Seelen berechnet. Die Zahl der Auswanderer, die sich meist nach Nordamerika wandten, ist 1882-86 von 34,321 auf 11,924 Personen gesunken, doch waren davon nur 7304, resp. 2024 Niederländer. Am dichtesten sind die Provinzen Nord- und Südholland bevölkert, indem hier die städtische Bevölkerung die ländliche überwiegt. Sie beträgt im ganzen Reich 121 (neuerdings 133) Seelen auf das QKilometer. Nach dem Geschlecht unterschied man 1879: 49,5 Proz. Männer und 50,5 Proz. Frauen. Auf 100 Personen entfielen unter den
Männern | Frauen | |
---|---|---|
Ledige | 62.4 | 59.4 |
Verheiratete | 33.9 | 33.1 |
Verwitwete | 3.7 | 7.4 |
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Im J. 1886 fanden 30,298 Eheschließungen statt; die Zahl der Gebornen belief sich auf 158,658 (darunter 7807 Totgeborne), der Gestorbenen auf 95,239, was einen Überschuß der Lebendgebornen von 55,612 (12,7 pro Mille) ergibt. Die Wohnungsverhältnisse sind sehr günstig, da 1879 auf 100 Familien 90 bewohnte Häuser und Schiffe kamen. Die Verfassung erkennt keinen Unterschied zwischen Städten und Dörfern an; man spricht deshalb auch nur von Gemeinden, deren Anzahl 1879: 1127 betrug.
Die ursprünglichen Bewohner waren Germanen, im südlichen und westlichen Teil des Landes haben sich verschiedene Volksstämme miteinander vermischt; die religiöse und politische Freiheit, der große Handelsverkehr und der Reichtum der Bevölkerung haben dazu beigetragen, daß französische Hugenotten, Deutsche, Belgier, Juden (auch aus Spanien und Portugal) sich in den Niederlanden angesiedelt haben. Am reinsten von fremder Beimischung haben sich die Friesen erhalten.
In konfessioneller Beziehung teilte sich die Bevölkerung nach der Volkszählung von 1879 in 2,469,814 Protestanten, 1,439,137 Römisch-Katholische, 6251 Altkatholiken, 37 Griechisch-Katholische, 81,693 Israeliten u. 15,761 Personen unbekannter Konfession. Die reformierte Kirche steht unter einer allgemeinen Synode, welche aus einem Präsidenten, Vizepräsidenten, Sekretär, Quästor und 19 Mitgliedern besteht und jährlich am dritten Mittwoch des Juli im Haag zusammentritt.
Sie zählte Ende 1885: 1349 anerkannte kirchliche Gemeinden. Die evangelisch-lutherische Kirche, deren Synode am Mittwoch nach Pfingsten zu Amsterdam abgehalten wird, zählte 58 anerkannte Gemeinden; die hergestellte evangelisch-lutherische Kirche (Altlutheraner) steht unter einer allgemeinen kirchlichen Kommission und zählt 8 anerkannte Gemeinden. Die Mennoniten haben keine Zentralverwaltung und bilden 128 anerkannte Gemeinden. Die Brüderschaft der Remonstranten, an deren Spitze eine Kommission steht, zählt 23 anerkannte Gemeinden.
Die Herrnhuter haben 2 Gemeinden (Haarlem und Zeist). Die Deutsch-Evangelischen der evangelischen Kirche in Preußen bilden 2 Gemeinden (im Haag und zu Rotterdam). Die christlichen Separatisten, welche sich von der reformierten Kirche getrennt haben, zählen 340 anerkannte Gemeinden. Die römisch-katholische Kirche, welche in den Niederlanden seit 1853 organisiert ist, besteht aus 5 Diözesen: dem Erzbistum Utrecht und den Bistümern Haarlem, Herzogenbusch, Breda und Roermonde, welche in 1008 Gemeinden zerfallen.
Der katholische Klerus bestand 1885 aus ca. 2000 Mitgliedern. Die Zahl der Klöster hat seit 1853 sehr zugenommen, besonders in Nordbrabant und Limburg, hauptsächlich durch Einwanderung der aus Deutschland vertriebenen Mönche und Nonnen. Die Güter im Besitz der Toten Hand repräsentieren einen Wert von etwa 125 Mill. Gulden. Die altbischöfliche Kirche hat 3 Diözesen: das Erzbistum Utrecht und die Bistümer Haarlem und Deventer, und zählt 25 anerkannte Gemeinden. Die niederländischen Israeliten stehen unter einer Zentralkommission und besitzen 178 Gemeinden und 6 Hauptrabbinate. Die portugiesischen Israeliten stehen ebenfalls unter einer Hauptkommission und besitzen nur 2 Gemeinden: in Amsterdam und Haag.
Bildung und Unterricht.
Was die geistige Kultur betrifft, so ist der Volks- unterricht in den Niederlanden allgemein verbreitet. Öffentliche, von den Gemeinden unterhaltene (neutrale, d. h. konfessionslose) Elementarschulen zählte man 1885: 2923 mit 462,312 Schülern und 12,574 Lehrern, Privatschulen, d. h. meistens konfessionelle Schulen: 1174 mit 161,344 Schülern und 4640 Lehrern. Kinderbewahranstalten gab es 1885: 1017 (124 öffentliche, 893 private) mit resp. 21,581 und 85,982 Kindern. In diesen Angaben sind nicht begriffen die 136 Bewahrschulen in Amsterdam.
Bildungsanstalten für Lehrer bestehen zu Herzogenbusch, Groningen, Haarlem, Middelburg und Deventer, vom Staat unterhalten; außerdem besitzen verschiedene Gemeinden solche Anstalten, welche sie selbst in Verbindung mit öffentlichen Elementarschulen unterhalten. Die Oberaufsicht über das Schulwesen führen drei Inspektoren, unter diesen zahlreiche Distrikts- und Arrondissementsschulaufseher; in den Gemeinden örtliche Schulkomitees (plaatselyke schoolcommissies).
Für den mittlern Unterricht waren Anfang 1885 in Wirksamkeit: 1 Bürgertagschule, 38 Bürgerabendschulen, 61 höhere Bürgerschulen und 13 höhere Bürgerschulen für Mädchen. Das Polytechnikum in Delft ist eine Anstalt zur Bildung von Ingenieuren, Technikern und Architekten. In Leiden und Delft sind Anstalten zur Ausbildung von Beamten für die ostindischen Kolonien. Die Armee hat eine Bildungsanstalt zu Breda, die Marine zu Willemsoord am Helder. Gewerbeschulen sind die Schule für Handel zu Amsterdam und verschiedene Handwerkerschulen.
Für die Ausbildung von Künstlern bestehen Akademien der schönen Künste zu Amsterdam, Rotterdam und Groningen, Musikschulen im Haag: zu Amsterdam, Rotterdam, Leiden und Maastricht. Außerdem bestehen verschiedene Bau-, Zeichen- und Industrieschulen, eine landwirtschaftliche Schule zu Wageningen, Navigationsschulen zu Amsterdam, Rotterdam, Leiden, Helder, Harlingen, Groningen, Delfzyl, Veendam etc., eine Landesveterinärschule zu Utrecht. Für den höhern Unterricht (neugeregelt durch Gesetz von 1876) bestehen Gymnasien und Lateinschulen (1885/86: 30 mit 393 Lehrern und 2295 Schülern) und die drei Staatsuniversitäten zu Leiden, Utrecht und Groningen (1884 mit 116 Professoren); außerdem die Gemeindeuniversität zu Amsterdam, welche 1877 aus dem frühern Athenäum entstanden ist, ebenso wie die drei Staatsuniversitäten das Recht hat, wissenschaftliche Grade zu verleihen, und 45 Professoren zählt.
Die Oberaufsicht über die Gymnasien führt ein Inspektor. Die Prediger der reformierten Kirche erhalten ihre Ausbildung auf den Universitäten und einer freien (konfessionellen) Universität zu Amsterdam, die der übrigen Konfessionen auf besondern Seminaren. Die Römisch-Katholischen haben 9 Seminare (zu Driebergen, Warmond, St. Michielsgestel, Culemburg, Haaren, Hoeven, Roermonde, Ginneken, Kerkrade). Die Militär- und Marineärzte empfingen früher ihre Ausbildung auf der Universität zu Amsterdam, jetzt auf allen Universitäten. Als Bildungsanstalten sind noch zu erwähnen: 3 Taubstummenanstalten zu Groningen, St. Michielsgestel in Nordbrabant und Rotterdam, 2 Blindeninstitute zu Amsterdam und Grave, eine Idiotenschule im Haag und eine Ackerbaukolonie für verwahrloste Knaben, Mettray genannt, zu Rysselt bei Zütphen. Reich sind die Niederlande an Gesellschaften für Wissenschaft und Kunst, hinsichtlich deren wir auf den Artikel »Akademie« (S. 249) verweisen. Die vornehmsten Reichsmuseen und Sammlungen sind: Het Rijksmuseum van Schilderijen (Gemälde) zu Amsterdam;
Het Prentenkabinet, ebendaselbst;
De Rijksverzameling van moderne Kunst zu Haarlem;
Het Rijksmuseum van Oudheden und Het Rijks Ethnographisch
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Museum, beide zu Leiden, etc. Im Buchhandel haben die Niederlande in den ersten Jahrhunderten nach Erfindung der Buchdruckerkunst eine bedeutende Rolle gespielt. Die Preßfreiheit hat von jeher daselbst bestanden; die Tagespresse hat seit der Abschaffung der Zeitungsstempelsteuer (1869) qualitativ und quantitativ eine höhere Stufe erreicht. Man zählt wenigstens 400 Buchdruckereien und 800 Buchhandlungen, wovon ein Drittel Verlagsgeschäfte sind. Hauptsitz des Buchhandels ist Amsterdam.
Der Wert der zum Verbrauch eingeführten Bücher betrug 1882: 1,698,027 Gulden (1866: 838,537), der aus dem freien Verkehr ausgeführten: 642,747 (1866: 537,386 Guld.). Die Medizinalpolizei wird geübt von 13 Medizinalkommissionen, je 2 in den Provinzen Süd- und Nordholland und einer in jeder der übrigen 9 Provinzen. Von Wohlthätigkeitsanstalten unterscheidet man vier Arten: Staats-, Provinzial- und Gemeindeanstalten;
Anstalten der kirchlichen Vereine;
Anstalten von Privatpersonen und besonderer nicht kirchlicher Vereine;
Anstalten gemischten Charakters.
Hervorstechende Züge des niederländischen Volkscharakters sind: Liebe zur Freiheit, Beharrlichkeit, Gastfreundschaft, Mildthätigkeit, Ehrlichkeit, Treue und Ordnungsliebe in Geschäften, welch letztern Tugenden die Nation ihren guten Ruf in der Handelswelt verdankt;
ferner Arbeitsamkeit, Sparsamkeit, Reinlichkeit und Einfachheit.
Das holländische Phlegma besteht eigentlich mehr in der Langsamkeit, womit der Niederländer einen Entschluß faßt und sich an eine Unternehmung wagt. Es wird in den Niederlanden nur eine Sprache gesprochen, die niederländische, ein Zweig der altgermanischen, in den einzelnen Provinzen jedoch in verschiedenen Dialekten; nur die Bauern in Friesland sprechen noch einen Dialekt des Altfriesischen, der zwischen dem Angelsächsischen und Niederländischen die Mitte hält. Wenige Nationen lernen so schnell fremde Sprachen wie die Niederländer; fast alle Gebildeten sprechen französisch, deutsch und englisch.
Ackerbau und Viehzucht.
Wiewohl in den Niederlanden die Landwirtschaft mit Fleiß und Sorgfalt betrieben wird, so reicht die Bodenproduktion doch nicht zur Ernährung der Bevölkerung hin, was seinen Grund besonders darin hat, daß (1885) 34,6 Proz. der Gesamtfläche zur Viehzucht verwendet werden, auch ein beträchtlicher Teil derselben mit Flachs, Hanf, Tabak, Blumen etc. bebaut wird. Das Ackerland beträgt nur 26,1 Proz., die Obst- und Gemüsegärten 0,8 Proz., die Waldungen 6,9 Proz. des Areals.
Die fruchtbarsten Gegenden sind die mit alluvialem Boden. Weizen wird am meisten in Zeeland, Südholland, Limburg und im südlichen Teil des Gelderlands, Roggen in Groningen, Drenthe, Nordbrabant, Gelderland, Overyssel und Limburg, Buchweizen in Drenthe, Gelderland, Utrecht und Nordbrabant gebaut. Die besten Kartoffeln liefern die zeeländischen und südholländischen Inseln, die Betuwe, die Veluwe und der Bommeler Waard in Gelderland, Friesland und sehr schmackhafte, aber sehr wenige und kleine der Dünenboden. 1885 waren mit Feldfrüchten und Handelsgewächsen 860,137 Hektar bebaut.
Die Ernte lieferte 1885: 2,233,000 hl Weizen, 4,079,000 hl Roggen, 1,829,000 hl Gerste, 4,595,000 hl Hafer, 464,000 hl Buchweizen, 733,000 hl Bohnen, 415,000 hl Erbsen, ca. 24 Mill. hl Kartoffeln. Während die Hauptgattungen von Cerealien und Hülsenfrüchten in allen Provinzen gebaut werden, beschränkt sich der Anbau von Krapp (1885: 1,210,000 kg), der jährlich stark abnimmt, auf Nordbrabant, Nord- u. Südholland und Zeeland, der Zichorie (28½ Mill. kg) auf Friesland, Groningen, Limburg und Nordbrabant, des Hanfs auf Nordbrabant, Südholland, Utrecht und Limburg, des Hopfens (183,000 kg) auf einige Gegenden in Gelderland und Nordbrabant, des Tabaks (2,7 Mill. kg) auf Gelderland und Utrecht (Valburg, Wageningen, Amersfoort und Rhenen), des Spelzes auf Nordbrabant, Südholland und Limburg, des Flachses hauptsächlich auf Nordbrabant, Süd- und Nordholland, Zeeland und Friesland, der Ölsamenpflanzen auf Groningen, Friesland, Nord- und Südholland, Nordbrabant und die Betuwe.
Unter den Spezereisamen werden Feldkümmel, Koriander und Anis in Nordholland und Friesland, Kanariensame in Nordbrabant und Friesland am meisten gebaut. Bohnen werden besonders in Groningen, Friesland, Südholland und Zeeland gezogen. Die Wiesen und Heuländereien nehmen (1885) 1,137,749 Hektar ein (am bedeutendsten sind sie in Friesland, Nord- und Südholland und Gelderland). Unter den Futterkräutern sind, außer Gras und Heu, hervorzuheben roter und weißer Klee und Rüben, die auch zur Zuckerfabrikation benutzt werden.
Der Ackerspargel wird gewöhnlich als zweite Frucht nach dem Roggen gesäet. Im allgemeinen hat die Landwirtschaft in den Niederlanden in neuerer Zeit einen bedeutenden Aufschwung genommen, besonders infolge des vortrefflichen Kanal- und Trockenlegungssystems. Ein bisheriges Haupthindernis für den noch raschern Aufschwung der Landwirtschaft, der Zehnte, ist zufolge des Gesetzes von 1872 beinahe verschwunden; 1883 wurden für 52,857 Gulden, 1884 für 72,881 und 1885 für 52,634 Guld. abgelöst.
Der Gartenbau blüht besonders in Süd- und Nordholland, Utrecht und einem Teil von Gelderland, neuerdings auch in Friesland und Nordbrabant. Obst, namentlich Kirschen, Äpfel und Birnen, gedeihen am besten in Gelderland, Utrecht, Südholland und Limburg, Erdbeeren in dem Westland und der Gegend von Boskoop (Südholland), bei Aalsmeer (Nordholland) und bei Breda (Nordbrabant). Die Blumenzucht in Nord- und Südholland, namentlich in der Gegend von Haarlem und Noordwijk, ist seit Jahrhunderten berühmt; neuerlich legt man sich mit gutem Erfolg auch in der Gegend von Utrecht, Arnheim und Breda auf dieselbe.
Eine der wichtigsten Quellen des Naturreichtums bildet die Viehzucht. Ende 1885 zählte man 269,100 Pferde, 1,510,100 Stück Rindvieh, 774,100 Schafe, 158,900 Ziegen, 442,000 Schweine. Von den Pferden stehen die gekreuzten Butjadinger und Gelderner Rassen am höchsten im Preis. Auch in Südholland und Overyssel hat die Pferdezucht in den letzten Jahren sehr zugenommen. Gute und starke Zugpferde liefert Friesland, gute Ackerpferde Zeeland. Die Rindviehzucht hat in den letzten Jahren infolge der Ausfuhr nach England, Deutschland und Frankreich sehr zugenommen, sowohl an Zahl als, durch Rassenkreuzung, an Wert.
Das Rindvieh wird viel mit englischen Rassen gekreuzt, in den übrigen Provinzen mit den Rassen Nord- und Südhollands, wo das fetteste und schwerste Vieh gezogen wird. Die Schafzucht wird am meisten betrieben auf der Insel Texel und auf dem Heideboden von Friesland, Drenthe und der Veluwe (Gelderland). Ziegen werden am meisten in den Provinzen Nordbrabant, Limburg und Gelderland gehalten; die Zahl derselben war 1853-85 von 99,500 auf 158,900 Stück gestiegen. Die Schweinezucht ist in Gelderland, Nordbrabant und Limburg am bedeutendsten. Hühner- und Taubenzucht ist
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allgemein verbreitet. Bienenzucht, auf dem Buchweizen- und Heideboden betrieben, bildet zwar nirgends einen Haupterwerbszweig, doch schätzt man den Wert der gesamten Bienenstöcke auf 1,541,257 Gulden.
Fischerei und Forstwirtschaft.
Die Fischerei beschäftigte und ernährte früher ca. 100,000 Menschen. Wiewohl jetzt andre Nationen, namentlich die Schotten und Norweger, bedeutende Konkurrenz machen, so behauptet doch der holländische Hering noch seinen alten Ruhm. Die große oder Salzheringsfischerei wurde 1886 mit 190 Schiffen und 272 Booten betrieben, von denen die größere Hälfte von Vlaardingen aus bemannt wurde, und lieferte einen Ertrag von 374,000 Ton. Salzheringen und 74 Mill. geräucherten Heringen.
Sie beginnt Ende Juni und endigt im November oder Dezember. Die kleine oder frische Heringsfischerei wird an der Küste der Nordsee von Scheveningen, Katwijk, Noordwijk und Egmond am See aus von August bis November oder Dezember betrieben. Der Wert der in der Nordsee gefangenen Heringe belief sich 1886 auf 4 Mill. Guld. Die Fischerei mit Schleppnetzen, die besonders auf Schollen, Thunfische und Steinbutten gerichtet ist, brachte 1886: 321,104 Guld. ein. Die Fischerei mit Kabeljaunetzen und Angelschnuren auf Kabeljaus, Schell-, Kohl-, Kehl- und Lappfische etc. gab 1882 einen Ertrag von 30,011 Ton. im Wert von 30,124 Guld. Die Zuiderseefischerei bringt vornehmlich Bratheringe (1885: 13 Mill. Stück), Anchovis (85,000 Anker), Butten (2 Mill.), Aale und Garneelen ein.
Die Muschelfischerei wird vornehmlich auf Texel und zu Egmond am See, der Austernfang (1886: 28 Mill. Stück, wovon die Hälfte nach England ausgeführt wurde) auf Texel und in Zeeland getrieben. Die binnenländische Süßwasserfischerei hat in den letzten drei Jahrzehnten infolge der vielen Austrocknungen zwar an Bedeutung verloren, liefert jedoch noch viele Lachse, Aale, Hechte, Barsche, Plötzen etc. Die Ausfuhr von Fischen nach Deutschland und Belgien hat infolge des Eisenbahnverkehrs bedeutend zugenommen.
Was die Forstwirtschaft betrifft, so ist Gelderland diejenige Provinz, welche am meisten Bau- und Brennholz liefert, und wo sich auch einige Waldungen finden. Das meiste Schiffbauholz kommt teils von den Ostseeländern, teils auf großen Flößen den Rhein herab. 1884 betrug die Einfuhr an Schiffbau- und Zimmerholz 707,925 Ton., die Ausfuhr 198,054 T. Der Holzbestand nimmt in denjenigen Provinzen, wo, wie in Nord- und Südholland, infolge des steigenden Wertes der Produkte des Landbaues und der Viehzucht der Wald mehr und mehr in Ackerland und Wiesen verwandelt wird, mit jedem Jahr ab, während in andern Provinzen, wo, wie in Nordbrabant, Gelderland, Drenthe und Limburg, viel Heideboden kultiviert wird, die Holzanpflanzungen zunehmen. Die Jagd ist wegen den geringen Waldungen unbedeutend und beschränkt sich auf Hasen, Kaninchen, Rebhühner, Schnepfen, Haselhühner, Enten, Gänse etc. Rehe und Hirsche finden sich noch in Gelderland und Overyssel, Fasanen ebendaselbst und in der Provinz Utrecht, Kaninchen hauptsächlich in den Dünen.
Bergbau und Industrie.
Wegen des Mangels an Holz sind die Niederlande vornehmlich auf Steinkohlen und Torf als Brennmaterial angewiesen. Eigne Steinkohlen verbraucht nur Limburg, doch reicht die Produktion (in Kerkrade) für den Bedarf dieser Provinz bis jetzt bei weitem nicht aus. Die übrigen Provinzen beziehen ihren Bedarf an Steinkohlen meistens aus England (Newcastle), Preußen (von der Ruhr) und Belgien. Deshalb steht einer Einfuhr 1884 von 4¾ Mill. Ton. eine Ausfuhr von 863,211 T. gegenüber.
Der Torfboden wird in regelmäßigen und unregelmäßigen eingeteilt, welch letzterer den Torf in geringerer Qualität und in kleinern Partien liefert. Es gehören hierzu die Torfmoore in Nordbrabant, Gelderland, Zeeland, in der Gegend von Amersfoort in der Provinz Utrecht, in einem Teil von Overyssel, in den Bezirken Alkmar und Hoorn in Nordholland und in einigen Teilen von Südholland. Der gesamte Torfboden lieferte 1864: 42 Mill. Ton. Seit dieser Zeit fehlen statistische Angaben, weil bald darauf die Steuer auf den Torf abgeschafft wurde.
Die Produktion hat sich indessen stark vermehrt; ⅚ der ganzen Torfproduktion kommen auf die vier nördlichen Provinzen des Landes, wo sich der hohe Torfboden befindet. An Metallen sind die Niederlande sehr arm; es gibt nur vier Schmelzöfen, zu Ulft, Kappel, Wisch (Terborg) in Gelderland und zu Deventer in Overyssel, die aus der Nachbarschaft bezogenes Eisenerz verarbeiten und jährlich ungefähr 3 Mill. kg Eisen zu einem Wert von 200,000 Guld. produzieren. Das aus der Nachbarschaft von Hellendoorn (Overyssel) bezogene Eisenerz wird nach den Öfen in Westfalen versandt.
Hinsichtlich der industriellen Thätigkeit sind die statistischen Angaben unvollständig. Daß die Industrie im Steigen begriffen ist, beweist die zunehmende Anwendung von Dampfmaschinen. Man zählte Ende 1853: 507 Dampfkessel, Ende 1886 aber 4126, wobei die Lokomotiven nicht mitgerechnet sind. Die »Niederländische Gesellschaft zur Beförderung der Industrie« macht sich durch Ausstellungen, Versendung von Proben, Prämienverleihungen etc. sehr verdient. Es besteht volle Gewerbefreiheit.
Hauptfabrikorte sind: Amsterdam, Haarlem, Rotterdam, Schiedam, Leiden, Dordrecht, Haag, die Zaandörfer (Zaandam, Zaandijk, Wormerveer etc.), Hilversum im Gooiland (Nordholland), Utrecht, Amersfoort, die Städte und Dörfer in Twenthe (östlicher Teil von Overyssel), Tilburg, Herzogenbusch, Eindhoven und die Dörfer in der Langstraat (Nordbrabant), Maastricht, Roermonde. Von 600-700 Schiffswerften beschäftigen sich ungefähr 150 mit dem Bau von Seeschiffen; die vorzüglichsten findet man in Feyenoord (Rotterdam), am Kinderdijk (Alblasserdam), Amsterdam, Helder, Vlissingen, Harlingen, Veendam.
Die große Zunahme der Anwendung von Dampfmaschinen in Fabriken und auf Schiffen hatte die Errichtung von Eisengießereien und Maschinenfabriken zur Folge, wovon die größten die in Amsterdam, Haag, Leiden, Delfshaven und die der Niederländischen Dampfschiffahrtsgesellschaft sind. Auch die Ziegelbrennerei, Papier- und Ölfabrikation, Reisschälerei, Zigarren-, Tabaks- und Krappfabrikation, Branntweinbrennerei (1885: 440 Brennereien, meist in Südholland), Likörfabrikation, Bierbrauerei (530 Etablissements, meist in Nordbrabant), Zuckerraffinerie (12) und Rübenzuckerfabrikation (27, meist in Nordbrabant), Produktion von Salz, Seife, Essig, ferner Lein- u. Baumwollweberei, Tapeten- u. Kutschenfabrikation, Gerberei u. Schuhfabrikation, Seidenmanufaktur, Gold- und Silberwarenfabrikation sind von großer Bedeutung. Besondern Ruf genießen die Niederländer auch als Mühlenbauer und Stellmacher, ja ihre hydraulischen Werkzeuge und Bauten sind die vollendetsten der Welt.
Handel und Schiffahrt.
In betreff des Handels wurde seit 1850 eine liberale Politik befolgt. Nach dem am in Kraft getretenen Gesetz betrugen die Eingangszölle
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höchstens 5 Proz., einige Artikel, welche höher verzollt werden, ausgenommen; zugleich wurden alle Ausgangszölle abgeschafft, mit Ausnahme derjenigen auf Lumpen. Der Gesamtwert des auswärtigen Handels betrug 1886: 2052,2 Mill. Guld. (gegen 1179,7 Mill. in 1874), wovon auf die Einfuhr zum Verbrauch 1102,7 Mill. Guld. (1874: 671,5 Mill.), auf die Ausfuhr aus dem freien Verkehr 949,5 Mill. (1874:508,2 Mill.) entfielen. Die wichtigsten Verkehrsländer sind das Deutsche Reich, welches 1886 bei der Einfuhr mit 315,5 Mill., bei der Ausfuhr mit 414,3 Mill. Guld. beteiligt war, Großbritannien und Belgien.
Der Wert der allgemeinen Ein-, Aus- und Durchfuhr wird seit 1872 nicht mehr veröffentlicht; seitdem gibt man die Quantitäten zum Teil nur in Bruttogewicht an. Aus seinen Kolonien bezieht das Land hauptsächlich Kaffee, Zucker, Reis, Spezereien, Tabak, Indigo und Zimt. Außerdem beziehen die Niederlande Manufakturwaren und Steinkohlen hauptsächlich aus England, Preußen und Belgien, Getreide aus den Ostseeländern, Archangel und den Häfen am Schwarzen Meer, Erbsen und Linsen aus Preußen, Bauholz aus Norwegen und den Rheinländern, Garn aus England, Wein aus Frankreich, Hopfen aus Bayern und Elsaß, während sie selbst mit Produkten des Landbaues, besonders mit Gemüse, Vieh, Butter, zum Teil den Londoner Markt versehen, Fische meist nach Belgien und Deutschland und Käse nach England, Frankreich, Belgien und Hamburg verschicken.
Der Handel mit dem Ausland geschieht ungefähr zu 46 Proz. zur See, zu 21 Proz. an den Küsten und zu 14 Proz. auf dem Landweg. Beladen und leer wurden 1886 einklariert 2227 Segel- und 5468 Dampfschiffe mit einem Gehalt von 1,789,000 und 9,839,000 cbm, ausklariert 2191 Segel- und 5484 Dampfschiffe. Auf den Flüssen und Kanälen liefen 1886 ein: 25,738 beladene Schiffe von 4,225,000 cbm, aus: 16,927 beladene Schiffe von 3,368,000 cbm. Der Bestand der niederländischen Handelsflotte betrug Anfang 1886: 692 Schiffe mit 811,000 Ton. Gehalt, davon 106 Dampfer mit 308,000 T. Daß der Unternehmungsgeist trotz der stetigen Abnahme der Handelsflotte wieder im Wachsen ist, beweisen die in den letzten Jahren ins Leben gerufenen direkten Dampferverbindungen zwischen Holland und Ost- und Westindien, Rotterdam-New York u. Amsterdam-New York.
Der Verkehr zu Land wird durch gut unterhaltene Landstraßen und Eisenbahnlinien vermittelt, wovon die vornehmsten sind: die Holländische von Amsterdam nach Rotterdam mit Seitenlinie nach Helder, die Ostbahn von Amsterdam nach Utrecht und über Hilversum und Apeldoorn nach Zütphen, von Zütphen nach Winterswijk, die Zentralbahn von Utrecht über Amersfoort nach Zwolle und Kampen, die von Moerdijk über Rosendaal nach Antwerpen, die Rheinische von Amsterdam nach Utrecht und von da nach Emmerich, Rotterdam und Haag, die Staatseisenbahnen von Arnheim nach Leeuwarden und Groningen mit einer Seitenlinie von Zütphen nach Enschede und Bentheim, die von Utrecht nach Herzogenbusch und Boxtel, die von Rotterdam nach Breda und Boxtel und von hier über Eindhoven nach Venloo und Kaldenkirchen oder nach Maastricht mit einer Seitenlinie von Eindhoven nach dem belgischen Hasselt, die von Breda über Rosendaal nach Middelburg u. Vlissingen, die von Harlingen über Leeuwarden und Groningen nach Neuschanz und über die deutsche Grenze nach Hannover, die von Terneuzen nach Gent, die von Arnheim und die von Nimwegen nach Kleve etc. Diese Bahnen bringen die Niederlande in Verbindung mit dem Ausland, mit Norddeutschland (über Salzbergen), mit Köln etc. (über Emmerich und Venloo), mit Brüssel und Paris (über Breda-Rosendaal), mit Lüttich und Aachen (über Eindhoven-Hasselt), mit London (über Breda-Vlissingen).
Die Gesamtlänge der Eisenbahnen betrug Ende 1886: 2550 km. Hierzu kommt ein sehr ausgebildetes Telegraphennetz (Länge der Staatslinien in 1887: 4770 km, der Drähte 17,019 km). Unter den Kreditanstalten nimmt die Niederländische Bank zu Amsterdam gegründet) den ersten Platz ein (s. Banken, S. 337). Handels- und Industriekammern finden sich in großer Menge. Hauptgeldmarkt ist Amsterdam. Börsen befinden sich in verschiedenen Städten, die bekanntesten sind die von Amsterdam und Rotterdam.
Man zählte 1885: 276 Sparkassen mit 13,9 Mill. Guld. Einlagen;
außerdem waren in der Reichspostsparkasse 4,9 Mill. Guld. niedergelegt.
Münzeinheit ist der Gulden, der bei einem Gewicht von 10 g: 9,45 g feines Silber enthält und in 100 Cents eingeteilt ist. Andre Silbermünzen sind: der Reichsthaler = 2½ Guld., der halbe Gulden, der Viertelgulden (Kwartje) etc. Goldmünze ist das Zehnguldenstück. Durch das Münzgesetz von 1876 ist auch in den Niederlanden die reine Goldwährung eingeführt. Maß- und Gewichtssystem ist das metrische, wobei das Meter und das Kilogramm als Einheiten gelten. Flächenmaße sind das Quadratmeter oder Centiar, der Ar oder das Quadratdekameter, der Hektar. Für Brennholz ist die Einheit das Kubikmeter (Wisse), für Flüssigkeiten (und trockne Waren) das Liter oder Kubikdezimeter. Die Gewichtseinheit ist das Kilogramm mit seinen Unterteilen.
Staatsverfassung und Verwaltung.
Die Staatsverfassung ist konstitutionell-monarchisch. Die sehr freisinnige Verfassung datiert vom ihre Revision vom (s. unten: S. 154 f.). Die gesetzgebende Gewalt ist zwischen dem König und den Repräsentanten der Nation, den Generalstaaten (Staten Generaal), geteilt; die vollziehende Gewalt steht allein dem König zu. Die Generalstaaten zerfallen in eine Erste und Zweite Kammer. Die Mitglieder der Ersten Kammer, 50 an der Zahl, werden durch die Provinzialräte (Provinciale Staten) gewählt und zwar aus den in Bezug auf die direkten Steuern Höchstbesteuerten, von denen in jeder Provinz nur 1 auf 1500 Einw. kommen darf, oder aus denjenigen, welche ein oder mehrere hohe und wichtige Ämter bekleiden oder bekleidet haben.
Die Mitglieder der Zweiten Kammer, 100 an der Zahl, werden durch die eingesessenen Niederländer gewählt, welche das 23. Jahr zurückgelegt haben, im vollen Genuß ihrer bürgerlichen und politischen Rechte stehen und hinsichtlich ihrer Befähigung und sozialen Stellung den Bedingungen entsprechen, welche das noch zu erlassende Wahlgesetz festsetzt. Die Dauer einer Legislaturperiode ist für die Mitglieder der Zweiten Kammer vier Jahre. Die Mitglieder der Ersten Kammer erhalten ihr Mandat auf neun Jahre, und es scheidet alle drei Jahre ein Drittel aus; doch können die Abtretenden wieder gewählt werden.
Grundzüge der Verfassung sind ferner: Unverletzlichkeit und Unverantwortlichkeit des Königs, Verantwortlichkeit der Minister, jährliche Feststellung des Budgets, Rechtfertigung der Einnahmen u. Ausgaben nach jeder Budgetperiode vor der gesetzgebenden Gewalt, Garantie der persönlichen Freiheit, Freiheit des religiösen Kultus, gleicher Schutz u. gleiche Rechte für alle Konfessionen. Die Regierung geht auf den ältesten Sohn des Königs oder dessen männliche Nachkommen, in Ermangelung der letztern auf die Brüder
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des Königs und deren Deszendenten nach dem Rechte der Erstgeburt und in Ermangelung dieser auf die Tochter des letzten Königs nach dem Rechte der Erstgeburt über. Zur Thronfolge berechtigt ist gegenwärtig zunächst die Prinzessin Wilhelmine (geb. sodann die Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar, Schwester des Königs, resp. deren Dependenz. Das Einkommen des Königs fließt teils aus Domanialgütern, teils besteht es aus einer festen, jedesmal bei der Thronbesteigung fixierten Zivilliste; außerdem werden jährlich 50,000 Guld. für Unterhaltung der königlichen Schlösser bewilligt.
Der König hat die Oberleitung der auswärtigen Angelegenheiten, das Recht der Kriegserklärung, schließt und bestätigt Verträge mit andern Mächten. Er hat den Oberbefehl über die Land- und Seemacht, die oberste Verwaltung der Kolonien und der Finanzen, verleiht Adelstitel, übt das Recht der Begnadigung, legt den Kammern Gesetzentwürfe vor, sanktioniert oder verwirft die Anträge der Kammern, hat den Vorsitz im Staatsrat, dessen Mitglieder er ernennt und wählt, und entläßt seine Minister nach Belieben.
Alle königlichen Beschlüsse und Bescheide müssen aber durch einen Minister kontrasigniert sein. Gegenwärtiger König ist Wilhelm III. (seit Sein Titel ist: »König der Niederlande, Prinz von Oranien-Nassau, Großherzog von Luxemburg«. Der Kronprinz (gegenwärtig nicht vorhanden) führt den Titel: »Prinz von Oranien«. Königliche Residenz ist Haag. Im Monat April pflegt der Hof eine Woche lang in Amsterdam auf Kosten dieser Stadt zu residieren.
In administrativer Beziehung besteht das europäische Gebiet des Königreichs aus den oben aufgeführten 11 Provinzen. An der Spitze der Staatsverwaltung steht ein Ministerrat, der aus den Chefs der 8 Ministerien: des Auswärtigen, der Justiz, des Innern, der Marine, der Finanzen, des Kriegs, der Kolonien, endlich des Handels und der Industrie (Departement van Waterstaat) besteht. Das Präsidium wechselt unter den Ministern nach der Reihenfolge ihrer Ernennung alle drei Monate.
An der Spitze der Verwaltung einer jeden Provinz steht ein königlicher Kommissar (früher Gouverneur genannt). Jede Provinz wird durch Provinzialstände vertreten, deren Mitglieder auf sechs Jahre gewählt werden. Die Obrigkeit jeder Gemeinde besteht aus einem Rat von 7-39 Mitgliedern, einem Bürgermeister und Schöffen (Wethouders). Der Bürgermeister wird vom König auf sechs Jahre ernannt, die Schöffen werden vom Rat aus seiner Mitte auf dieselbe Zeit gewählt.
Die Wahl der Ratsherren geschieht durch die Bürgerschaft. Eine eigentümliche Behörde sind die Waterschappen, welche die Aufsicht über Dämme, Teiche, Polder, Flüsse etc. führen. Die Niederlande sind in zwei Inspektionen (zusammen elf Wasserdistrikte) eingeteilt, mit je einem Inspektor an der Spitze. Der oberste Gerichtshof ist der Hohe Rat (Hooge Raad) im Haag, zugleich allgemeiner Kassationshof. Unter ihm stehen die fünf Provinzialgerichte; von diesen ressortieren die Bezirksgerichtshöfe (Arrondissementsregtbanken), 23 an der Zahl, von diesen endlich die 106 Einzelrichter (Kantonregters). Es besteht Mündlichkeit und Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens, eine Staatsanwaltschaft, Beweistheorie, aber ohne Schwurgerichte.
Die »allgemeine Rechenkammer« im Haag kontrolliert die Ausgaben und Einnahmen des Staats und ist als selbständige Behörde keinem Ministerium untergeordnet. Das Budget für 1887 beläuft sich in den Einnahmen auf 115,973,075 Guld., in den Ausgaben auf 132,257,559 Guld. Unter den Einnahmen waren die Hauptposten: direkte Steuern (Grund-, Personal- und Patentsteuer) 26,623,000, Accise 42,340,000 und Stempel, Enregistrement und Erbsteuer 22,003,500 Guld.;
unter den Ausgaben figurierten das königliche Haus mit 650,000, die Verzinsung der Staatsschuld mit 33,871,314, das Kriegsministerium mit 20,386,939, das Marineministerium mit 12,336,556, Handelsministerium mit 23,666,896, Finanzministerium mit 23,323,245, Ministerium des Innern mit 10,195,018 Guld. Die Verwaltung der Provinzen kostete 1886: 6,692,000 Guld., wozu die Provinzen selbst 6 Mill. Guld. beisteuerten.
Die Einnahmen der Gemeinden beliefen sich 1886 auf 75 Mill., die Ausgaben auf 68½ Mill. Guld. Die Staatsschuld hat eine eigentümliche Entwickelung gehabt. Bei der Invasion der Franzosen 1795 betrug die Schuld der Republik 787 Mill. Guld. und stieg bis Ende 1803 infolge von Erpressungen und Zwangsanleihen bis auf 1126 Mill. Bei der Einverleibung der Niederlande in das französische Kaiserreich wurde diese noch um 90 Mill. vermehrte Schuld von Napoleon auf ein Drittel reduziert und belief sich infolgedessen beim Abzug der Franzosen 1814 auf 575 Mill. Guld. Unter Wilhelm I. wurden zwar die gewaltsam beseitigen zwei Drittel wieder anerkannt, jedoch bis zur Abtragung des ersten Drittels und der neuen Schuld als unverzinslich erklärt. 1836 sah man sich genötigt, die Kolonien als Hypothek für die Staatsschuld zu erklären. Endlich erlangte Holland eine wesentliche Erleichterung, indem Belgien zufolge des Vertrags vom eine jährliche Rente von 5 Mill. Guld. übernehmen mußte, und 1850 begann eine energische Schuldentilgung. Anfang 1846 betrug das Schuldkapital 1231,12 Mill., 1864: 1015,29 Mill., 1876: 924,3 Mill., 1887 dagegen wieder 1059 Mill. Guld., wozu noch 15 Mill. Guld. Papiergeld kommen.
Heer und Flotte.
Die Kriegsmacht der Niederlande besteht aus dem europäischen und dem indischen Heer und der Marine. Das erstere und die Marine ergänzen sich durch Aushebung (mit fünfjähriger Dienstpflicht vom 20. Jahr an) und Losung mit gestatteter Stellvertretung und vielen Befreiungen oder durch freiwilligen Eintritt, das indische Heer durch Werbung. Die Landmacht zerfällt in stehendes Heer, Schutterij und Landsturm. Die Bürgerwehr (Schutterij) ist zur Verteidigung des Landes im Krieg und zur Erhaltung der innern Ruhe bestimmt; in ihr muß jeder Staatsangehörige vom Beginn des 25. Lebensjahrs 10 Jahre lang dienen, darunter 5 Jahre in den Gemeinden mit mehr als 2500 Einwohnern aktiv.
Der Landsturm umfaßt alle Waffenfähigen von 19-50 Jahren. Die Formation der Armee (ohne die Kolonialtruppen) war Ende 1886: 1) Infanterie, 1 Regiment Grenadiere und Jäger zu 4 Bataillonen (à 5 Kompanien und 2 Depotkompanien), 8 Linienregimenter à 5 Bataillone (jedes zu 4 Kompanien) und 1 Depot (5 Kompanien), 1 Lehrbataillon;
2) Kavallerie, 3 Husarenregimenter (à 5 Eskadrons, 1 Reserveeskadron und 1 Depot);
3) Artillerie, 3 Regimenter Feldartillerie (à 6 oder 8 Batterien, 1 Depot-, 1 oder 2 Trainkompanien), 1 Regiment reitende Artillerie (4 Batterien und 1 Depot), 4 Regimenter Festungsartillerie (mit 42 Kompanien), 1 Pontonierkorps (2 Kompanien);
4) Geniewaffe, 1 Bataillon Sappeure und Mineure (5 Kompanien);
5) Marechausseekorps (Sicherheitstruppe) etc. Die Schutterij begreift 132 Bataillone, 53 selbständige Infanterie- und 26 Artilleriekompanien. Stärke des Landheers: Armee:
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Infanterie 43,896, Kavallerie 4030, Artillerie 14,332, Genie und Pontoniere 1527, sonstige Branchen 1018, zusammen 64,803 Mann; Schutterij: aktive 38,188, nicht aktive 77,103 Mann. Die ostindische Armee zählte 1886: 1371 Offiziere und 29,049 Soldaten. Die Landesverteidigung stützt sich nach Gesetz vom auf folgende 9 zusammenhängende Befestigungslinien: die neue holländische Wasserlinie;
die Stellung im Gelderland und in der Nieder-Betuwe;
die Stellung des Hollandsch-Diep und Volkerak;
die Stellung an den Mündungen der Maas und des Haringvliet;
die am Helder;
die Werke zur Deckung der Übergänge über Yssel, Waal und Maas;
die Stellung von Amsterdam;
die Wasserlinie von der Maas oberhalb St. Andries bis zum Amer unterhalb Geertruidenberg;
die Werke an der Schelde.
Die Flotte zählte im Juli 1887: 144 Schiffe (darunter 24 Panzerfahrzeuge, 30 Kanonen- und 27 Torpedoboote) mit 7204 Mann;
außerdem 2287 Milizsoldaten und 876 Eingeborne in Ostindien.
Kolonien, Wappen und Orden.
Die niederländischen Kolonien teilen sich in die ostindischen und westindischen (mit Surinam). Die ostindischen Kolonien: die Großen Sundainseln (Java und Madura, Sumatra, Borneo und Celebes), die Kleinen Sundainseln (Bali, Lombok, Sumbawa, Flores, Timor, Sumba oder Sandelhout) und die Molukken, umfassen mit den dazu gehörigen kleinern Inseln 1,856,616 qkm (33,718 QM.) mit einer Bevölkerung von ca. (1886) 29,000,000 Einw. (Genaueres s. Niederländisch-Indien); die westindischen: Curassao, Aruba, St. Martin, Bonaire, St. Eustach und Saba, 1130 qkm (20,46 QM.) mit 44,734 Einw.;
Surinam (Niederländisch-Guayana) 119,321 qkm (2167 QM.) mit 74,132 Einw. Die ostindischen Besitzungen ergaben nach dem Budget von 1887 eine Einnahme von 133½ Mill. Guld. gegenüber einer Ausgabe von 136,9 Mill. Guld. Von den westindischen war die Einnahme für Surinam in 1887 geschätzt auf 1,307,143 Guld., die Ausgabe auf 1,614,232 Guld.;
für die Inseln die Einnahme und Ausgabe auf 635,051 Guld. Mithin erforderten die Kolonien vom Mutterland einen Zuschuß von 3⅔ Mill. Guld. S. Karte »Kolonien«. [* ]
Das königliche Wappen ist der goldene schreitende Löwe des Hauses Nassau mit ausgestreckter Zunge, auf azurblauem Feld, mit einem goldenen Block und dem Wahlspruch: »Je maintiendrai« (s. Tafel »Wappen«). Die Staatsflagge besteht aus drei horizontal laufenden Streifen: rot, weiß, blau (s. Tafel »Flaggen«). Die Nationalfarbe und das Feldzeichen sind Orange. Ritterorden sind der militärische Wilhelmsorden gegründet) mit vier Klassen und der Orden des niederländischen Löwen gegründet, s. Tafel »Orden«, Fig. 15) mit drei Klassen. Außerdem werden verschiedene Kreuze und Medaillen an Militär- und Zivilpersonen verliehen. Die 1811 aufgehobene Deutschordensballei wurde durch Dekret vom wiederhergestellt.
Vgl. van Heusden, Handboek de aardrijkskunde, staatsinrigting etc. van het koningrijk der Nederlanden (Haarl. 1866);
Staring, De bodem van Nederland (das. 1856-60, 2 Bde.);
Derselbe, Voormaals en thans (hrsg. von van Pesch, Zwolle 1878);
Witkamp, Aardrijkskundig Woordenboek van Nederland (1871 ff.);
Beekman, Nederland als polderland (Zütphen 1884; neue Ausg.: »De strijd om het bestaan«, das. 1887);
Bädeker, Reisehandbuch für Belgien und Holland (17. Aufl., Leipz. 1885);
de Hartog, Staatsrecht des Königreichs der Niederlande (Freiburg 1886);
Bürger, Les musées de la Hollande (Par. 1858-60, 2 Bde.);
Steyn-Parvé, Organisation de l'instruction dans le royaume des Pays-Bas (Leiden 1878);
Lauer, Entwickelung des niederland.
Volksschulwesens (Berl. 1885);
»Statistische jaarboeken voor het koninkrijk der Nederlanden« (Gravenh. 1851 ff.);
»Algemeene statistiek van Nederland« (Leid. 1870-73, 2 Bde.);
»Jaarcijfers, uitgegeven door het Statistisch Instituut der Vereeniging voor de Statistiek in Nederland« (39. Jahrgang 1886).
Kartenwerke: Topographische en militaire kaart (1:50,000, 62 Blatt, 2. Aufl. 1871 ff.);
Waterstaatskaart van Nederland (1:50,000, seit 1865);
Topographischer Atlas der Niederlande (1:200,000, 1868-71);
Staring, Geologischer Atlas (1:200,000, 24 Bl., 1859-69);
Kuyper, Atlas van de Nederlanden en de overzee'sche besittingen (Leeuw. 1865-68).
Geschichte.
Das Gebiet der Niederungen zwischen den weitverzweigten Mündungen des Rheins, der Maas und Schelde, dessen Küste damals noch nicht so zerrissen war wie jetzt, wurde in ältester Zeit von den Belgen (südlich vom Rhein), den Batavern und Friesen (nördlich vom Rhein) bewohnt. Die Römer unterwarfen die Niederlande bis zum Rhein und behaupteten sich trotz des Aufstandes der Bataver unter Claudius Civilis (70 n. Chr.) bis um 400, wo die Franken den Rhein überschritten und der südlichen Niederlande sich bemächtigten, während die Friesen, welche um den Zuidersee, damals noch ein Binnensee, bis zur Ems wohnten, ihre Unabhängigkeit bewahrten.
Nachdem auch sie von Karl Martell, Pippin und Karl d. Gr. im 8. Jahrh. zum Christentum bekehrt und zur Anerkennung der fränkischen Oberhoheit gezwungen worden, gehörten die ganzen Niederlande zum fränkischen Reich, wurden im Vertrag von Verdun 843 dem mittlern Reich Lothars I. zugeteilt und bildeten nach dessen Tod (855) den Hauptteil des Reichs seines Sohns Lothar II., Lotharingiens. Doch wurde dieses nach Lothars II. Tod schon 870 zwischen Ost- und Westfranken so geteilt, daß jenes den größten, deutsch redenden Teil, dieses bloß das Gebiet links der Schelde, Artois und Flandern, empfing. Die Niederlande gehörten seitdem als ein Teil des Herzogtums Lothringen zum Deutschen Reich.
Als die Herzogsgewalt im 11. Jahrh. oft ihre Inhaber wechselte und ihre Macht verlor, entstanden auch in den Niederlanden wie im übrigen Deutschland zahlreiche kleinere Gemeinwesen, freie Bauernschaften, Bistümer und Abteien, Grafschaften und Herzogtümer, vor allem mächtige Städte, welche, durch Industrie und Handel blühend, sich von den Grafen und Herzögen Freibriefe und Privilegien ertrotzten, sich von aus den angesehensten Bürgern (vroedschappen) gewählten Schulzen (schout) und Schöffen regieren ließen und das vlämische Quartier der Hansa bildeten.
Nur mit Mühe behaupteten die Herzöge und Grafen dadurch eine gewisse Oberherrlichkeit, daß sie die Prälaten, den Adel und die Städte ihres Landes, die Stände oder Staaten, zu einem Landtag versammelten. Die Staaten bewilligten Geldbeihilfen (beden) und gaben ihren Rat in allen Landesnöten, vermehrten aber dafür bei der Blyde incomste (joyeuse entrée) jedes neuen Fürsten ihre Rechte und Privilegien und ergriffen oft selbst die Zügel der Regierung; dem Landesherrn blieben oft nur eine Oberaufsicht und das Recht der Heerführung sowie das, die Beamten aus den Listen der Vroedschappen zu wählen.
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Herrschaft der Häuser Burgund und Habsburg.
Im 14. Jahrh. begann das Haus der burgundischen Valois die niederländischen Provinzen durch Heirat und Verträge unter seinem Zepter zu vereinigen: zuerst 1384 durch die Heirat mit der Erbin des Grafen von Flandern diese große Grafschaft nebst Artois und Mecheln, 1427 Namur, 1428 Holland, Friesland, Zeeland und Hennegau, 1430 Brabant und Limburg, 1443 Luxemburg. Im Besitz dieser elf Provinzen suchte Philipp der Gute (1419-67) denselben eine einheitliche Verfassung zu geben. 1437 berief er die ersten Generalstaaten, eine Versammlung von Abgeordneten der Provinziallandtage (Staaten); dieselben, allmählich immer häufiger, zuletzt fast alljährlich berufen und meist in Brüssel oder Mecheln tagend, bewilligten die Beden für die gesamten Niederlande und verteilten den Betrag auf die einzelnen Provinzen.
Die Südprovinzen, vor allen Brabant, hatten das Übergewicht. In Brüssel hielten die Herzöge ihren glänzenden Hof; Brabant regierten sie selbst, die übrigen Provinzen Statthalter. Doch führten sie als Beherrscher der Niederlande noch keinen besondern Titel, und dieselben waren noch so wenig zu einem Einheitsstaat verschmolzen, daß jede Provinz die andre als Ausland betrachtet und keinen Beamten aus derselben duldete. Nach der stürmischen Regierung Karls des Kühnen (1467-77), der Gelderland und Zütphen erwarb, fielen die Niederlande durch die Vermählung seiner Erbin Maria mit Maximilian von Österreich an das Haus Habsburg.
Diesen Wechsel des Herrscherhauses benutzten die Provinzen zur Vermehrung ihrer Rechte. Maria mußte sich ihre Hilfe durch große Zugeständnisse erkaufen, z. B. durch das »große Privilegium« an die Staaten von Holland, und nach ihrem Tod (1482) brachen gegen die vormundschaftliche Regierung Maximilians für seinen Sohn Philipp den Schönen Unruhen aus: in Holland erhob sich die Partei der Hoeks wieder, die Bürger von Brügge nahmen 1488 Maximilian sogar gefangen und preßten ihm den Verzicht auf die Vormundschaft zu gunsten der Staaten von Flandern ab. Indes mit Hilfe des Herzogs Albrecht von Sachsen, der 1491 zum Erbstatthalter von Friesland ernannt wurde, gelang es Maximilian, der Empörungen Herr zu werden und auch Artois zu behaupten, das der französische König Ludwig XI. als erledigtes Lehen einzuziehen versucht hatte. 1493 übernahm Philipp selbst die Regierung der Niederlande; unter ihm riß sich Gelderland unter Herzog Karl wieder los (1499).
Nach Philipps frühem Tod (1506) führte seine Schwester Margarete die Regierung für den sechsjährigen Karl, den spätern Kaiser Karl V., und blieb auch, nachdem derselbe 1515 mündig und Herrscher geworden, Statthalterin in den Niederlanden bis zu ihrem Tod (1531), worauf Karls Schwester, die verwitwete Königin Maria von Ungarn, ihr in der Statthalterschaft folgte. Karls Herrschaft war die Blütezeit der Niederlande. Er erwarb Overyssel und die Utrechter Stiftslande (1517), kaufte Albrechts Sohn Georg von Sachsen seine Rechte auf Friesland ab und erlangte 1538 auch Groningen und Gelderland zurück, so daß er die 17 Provinzen: Brabant, Limburg, Luxemburg, Gelderland, Flandern, Artois, Hennegau, Holland, Zeeland, Namur, Zütphen, Ost- und Westfriesland, Mecheln, Utrecht, Overyssel und Groningen unter seinem Zepter vereinigte.
Karl, zu Gent geboren, galt den Niederländern als ihr Landsmann und ließ sich auch gern so nennen. In seinem Weltreich konnten die Niederländer ungehindert Handel treiben und rissen einen großen Teil des Weltverkehrs, als dessen Mittelpunkt Antwerpen gelten konnte, an sich. Neben Handel und Gewerbe blühten auch Ackerbau, Viehzucht und Fischerei, Künste und Wissenschaften. Auch die politische Verschmelzung machte Fortschritte: in Mecheln wurde ein oberstes Tribunal sowie eine Rechenkammer für die Niederlande errichtet;
nachdem Artois und Flandern von der französischen Oberlehnshoheit befreit und die nordöstlichen Provinzen vom westfälischen Kreis losgelöst worden, erhob Karl durch den Augsburger Vertrag (1548) die 17 Provinzen zu einer staatsrechtlichen Einheit, dem nur lose mit dem Deutschen Reich verbundenen burgundischen Kreis, der nach der Pragmatischen Sanktion von 1549 immer vereinigt und von Einem Fürsten beherrscht sein sollte.
Dabei wahrte Karl seine fürstlichen Rechte mit Entschiedenheit und schritt gegen trotzigen Widerstand mit Strenge ein; 1540 unterwarf er seine Geburtsstadt Gent mit blutiger Energie. Die kirchliche Reformbewegung suchte er durch grausame Verfolgung und Hinrichtung von Tausenden ihrer Anhänger von den Niederlanden abzuhalten. Ungeheure Summen (für einen Krieg 40 Mill. Dukaten) zog er aus den Bewilligungen der Generalstaaten.
Der Aufstand gegen Spanien.
Bei der Teilung des habsburgischen Weltreichs nach der Abdankung Karls V. fielen die Niederlande an Spanien. Der neue Herrscher, Philipp II., stieß durch seinen Hochmut, sein steifes Wesen die Niederländer von sich ab, behandelte die Generalstaaten in herrischer Weise, verletzte die Privilegien der einzelnen Provinzen und erbitterte das Volk durch die rücksichtslose Härte, mit der er die Ketzeredikte ausführen ließ. Als er 1559 sich nach Spanien begab, ernannte er seine Halbschwester Margarete von Parma zur Statthalterin und gab ihr einen Ausländer, den Kardinal Granvelle, als einflußreichsten Ratgeber bei.
Dadurch verletzte er den hohen Adel. Gegen Granvelle richtete sich daher die allgemeine Opposition, als die Verzögerung des Abmarsches der spanischen Truppen, die neue Einteilung der niederländischen Kirche in drei Erzbistümer und 14 Bistümer, die Einführung der Inquisition und die Verkündigung der Beschlüsse des Trienter Konzils als Staatsgesetze die Unzufriedenheit immer mehr steigerten. Durch das Eindringen des glaubenseifrigen streitbaren Calvinismus in den Niederlanden erhielt die religiöse Bewegung eine größere Kraft.
Granvelles Entlassung 1564 beschwichtigte die Gemüter nicht, und die schroffe Ablehnung jeder Milderung der religiösen Strafedikte durch Philipp hatte die Vereinigung zahlreicher Edelleute zum Kompromiß vom zur Folge, in welchem sie sich zur Treue gegen den König und zur Verteidigung der Rechte und Freiheiten der Niederlande verbanden; überreichten sie der Regentin eine Bittschrift, in der sie Milderung der Religionsedikte und Abschaffung der Inquisitionsgerichte verlangten. Margarete suchte durch Nachgiebigkeit und Mäßigung zu beschwichtigen, aber schon war es zu spät. Aus dem Kompromiß entstand der Geusenbund, der am 28. Juli unbedingte Religionsfreiheit forderte, und im August 1566 kam es im Bildersturm in Flandern zu einem gewaltsamen Ausbruch der lange gärenden Bewegung.
Hierauf sandte Philipp den Herzog von Alba mit 10,000 Soldaten nach den Niederlanden, der im August 1567 seinen Einzug in Brüssel hielt. Niemand wagte Widerstand; der Geusenbund löste sich auf, einer der Führer des hohen Adels,
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Wilhelm von Oranien, begab sich nach Deutschland, zwei andre, Egmond und Hoorne, wurden 5. Sept. verhaftet. Nachdem Margarete im Dezember ihre Würde niedergelegt hatte, ward die gesamte öffentliche Gewalt in den Niederlanden Alba übertragen, der nun zur Ausführung der von Madrid befohlenen Schreckensregierung schritt. Er setzte einen »Rat der Unruhen« ein, den das Volk den »Blutrat« nannte, und der ohne Rücksicht auf Gesetz und Recht Tausende dem Schafott überlieferte; Egmond und Hoorne wurden in Brüssel hingerichtet.
Ein Versuch Wilhelms von Oranien und seines Bruders Ludwig von Nassau, durch Einfälle in Brabant und Friesland einen Aufstand in den Niederlanden hervorzurufen, scheiterte an der Überlegenheit der spanischen Truppen. Zahlreiche Einwohner flüchteten ins Ausland. Alba schlug dem Handel und Gewerbfleiß weitere Wunden, indem er eine drückende Steuer von 1 Proz. am Vermögen, 5 Proz. von erkauftem Grundeigentum und 10 Proz. von jedem Warenumsatz einführte. Endlich glückte es den Meergeusen, kühnen Freibeutern, sich der Stadt Brielle an der Mündung der Maas zu bemächtigen, welchem kühnen Handstreich der Abfall der festen Stadt Vlissingen und des größten Teils von Zeeland sowie kurze Zeit darauf der meisten Städte Hollands folgte.
Am traten die Abgeordneten von 12 Städten und mehrere vom Adel in Dordrecht zusammen, erkannten Wilhelm von Oranien als Statthalter von Holland, Zeeland und Utrecht an und schlossen einen Bund zu gemeinsamer Verteidigung ihrer Freiheit unter seiner Führung. Die Spanier rächten sich durch blutige Züchtigung der Städte Zütphen, Naarden und Haarlem, wogegen die spanische Flotte auf dem Zuidersee von der niederländischen vernichtet wurde.
Alba wurde zwar 1573 abberufen, der neue Statthalter, Requesens, setzte indes nach einigen vergeblichen Versöhnungsversuchen die gewaltsame Unterwerfung der Aufständischen energisch fort. In der unglücklichen Schlacht auf der Mooker Heide fielen Oraniens Brüder Philipp und Heinrich von Nassau. Dagegen wurden die Spanier durch die Eroberung von Middelburg (21. Febr.) aus Zeeland und durch den Entsatz von Leiden (3. Okt.) aus Holland vertrieben. Die zügellosen Ausschreitungen der spanischen Truppen nach Requesens' Tod bewogen auch die südlichen Provinzen, sich gegen Spanien zu erklären und sich auf Andringen Oraniens mit Holland und Zeeland durch die Pazifikation von Gent (November 1576) zur Vertreibung der Spanier und Aufrechterhaltung ihrer Freiheiten und Privilegien zu verbinden. Der neue Statthalter, Don Juan d'Austria, mußte die Genter Pazifikation durch das ewige Edikt (Febr. 1577) bestätigen und die spanischen Truppen entlassen, ehe er 1. Mai Brüssel einziehen durfte.
Doch erlangte er weder die Zustimmung des Königs zu seiner versöhnlichen Politik, noch gewann er das Vertrauen des Volkes, das Oranien als seinen Retter und Herrn begrüßte und ihn zum Ruwart von Brabant ernannte. Nur war ein Teil des brabantischen Adels auf ihn eifersüchtig und rief den Erzherzog Matthias von Österreich, Kaiser Rudolfs II. Bruder, zum Statthalter aus, während es in Hennegau, Artois und Südflandern zum heftigen Zwist zwischen den Calvinisten und den Katholiken (Malkontenten) kam, welch letztere im August 1578 den franz. Prinzen Franz von Anjou ins Land riefen.
Gründung der Republik der Vereinigten Niederlande.
Während dieses Wirrwarrs starb Juan d'Austria Sein Nachfolger Alexander Farnese von Parma, ein ebenso ausgezeichneter Feldherr wie kluger Politiker, benutzte geschickt die Zwistigkeiten unter den Niederländern und die Eifersucht der Befehlshaber gegeneinander, sprengte die Genter Pazifikation und machte die Vereinigung sämtlicher Provinzen zu Einem Bundesstaat mit nationaler und religiöser Freiheit unmöglich. Dem katholischen Bunde der wallonischen Provinzen gegenüber verbanden sich die sieben nördlichen Provinzen: Holland, Zeeland, Utrecht, Gelderland, Groningen, Overyssel und Friesland, zu der Union von Utrecht und sagten nach der Ächtung Oraniens im Haager Manifest vom dem König von Spanien den Gehorsam auf.
Die mittlern Provinzen schwankten, schlossen sich eine Zeitlang teilweise der Utrechter Union an und wählten endlich den Herzog von Anjou zum Oberhaupt, der sich aber durch seine Herrschsucht so verhaßt machte, daß er im Juni 1583 zum zweitenmal die Niederlande verlassen mußte. Wilhelm von Oranien wurde in Delft ermordet, noch ehe die neue Verfassung der Niederlande vom welche dem Oranier als erblichen Grafen die freilich beschränkten landesherrlichen Rechte übertrug, beschworen worden war.
Parma unterwarf sich jetzt Flandern und Brabant und eroberte Antwerpen, so daß die Union sich um Schutz an Elisabeth von England wandte, die den Grafen von Leicester als Oberstatthalter mit 6000 Mann Hilfstruppen sandte. Dieser verfolgte aber nur selbstsüchtige Herrschaftspläne und führte den Krieg mit Spanien so lau und unglücklich, daß die Spanier Herren des ganzen Laufs der Maas bis zur holländischen Grenze wurden. Endlich wich er dem allgemeinen Unwillen und verließ im Dezember 1587 die Niederlande. Der Ratspensionär von Holland, Johan van Oldenbarneveldt, bewirkte nun, daß Wilhelms ältester Sohn, der junge Prinz Moritz von Oranien, zum Statthalter von Holland und Zeeland ernannt und mit der Führung des Kriegs beauftragt ward.
Derselbe nahm infolge des Feldherrntalents des jungen Prinzen eine immer günstigere Wendung, zumal sich Philipp gleichzeitig in einen Krieg mit England und Frankreich einließ. Moritz errang bei Nieuwpoort einen glänzenden Sieg und eroberte eine Stadt nach der andern. Gleichzeitig schlugen die niederländischen Flotten die Spanier auf den Meeren und eroberten die portugiesischen Kolonien in Ostindien. Unter diesen Umständen schloß Erzherzog Albrecht, dem Philipp II. 1598 die Niederlande überlassen hatte, mit den Niederlanden einen zwölfjährigen Waffenstillstand ab.
Die Verfassung der Republik der Vereinigten Niederlande ging aus der Utrechter Union, einem Kriegsbündnis, hervor und litt daher an mancherlei Mängeln. Träger der Souveränität waren die Provinzen, deren Staaten aus dem nur in den östlichen Provinzen zahlreichen Adel und den Vertretern des städtischen Patriziats, einer Oligarchie von 2000 Souveränen, gebildet waren, und denen ein Syndikus (Raadpensionaris, d. h. besoldeter Rat) zur Seite stand. Die Deputierten der Provinzialstaaten, die hochmögenden Herren Regenten, bildeten die Generalität oder die Generalstaaten, welche seit 1593 sich im Haag versammelte und die vollziehende Gewalt innehatten, die unter ihrer Autorität von den Statthaltern ausgeübt ward. Ein ebenfalls aus
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provinzialständischen Abgeordneten zusammengesetzter Staatsrat leitete die finanziellen Angelegenheiten, während die Admiralitäten von Holland und Zeeland dem Marinewesen vorstanden. Wie in den Provinzial-, war auch in den Generalstaaten Einstimmigkeit bei wichtigen Beschlüssen erforderlich, und die Regenten waren an die Lastbriefe (Instruktionen) ihrer Auftraggeber gebunden. Vermöge ihres Reichtums und ihrer großen Bevölkerung (2 Mill.) übte die Provinz Holland und in dieser wieder Amsterdam ein natürliches Übergewicht aus.
Doch wahrten die Provinzen eifersüchtig ihre Souveränitätsrechte, beanspruchten das Recht diplomatischer Vertretung im Ausland und verhinderten die Stärkung der Zentralgewalt. Auf jede Erweiterung der Union verzichtete man; ja, die später den Spaniern entrissenen Teile Gelderlands, Brabants und Flanderns sowie Drenthe wurden nicht in sie aufgenommen, sondern als unterthänige Lande vom Staatsrat im Namen der Generalität (daher Generalitätslande) regiert.
Trotzdem errang dies unfertige Staatswesen große Erfolge durch die Weisheit und Vaterlandsliebe seiner Staatsmänner und durch die kriegerische Tüchtigkeit sowie die uneigennützige Hingebung der Oranier, welchen zwar die erbliche Grafenwürde nicht wieder übertragen wurde, die aber als Statthalter der meisten Provinzen und als Oberbefehlshaber der Armee einen großen moralischen Einfluß im Sinn einheitlicher Politik ausübten. Dies war um so notwendiger, als es an Parteistreitigkeiten nicht fehlte.
Die Partei der Patrioten, geleitet von Oldenbarneveldt und aus der städtischen Aristokratie namentlich Hollands bestehend, erstrebte einen lockern Bund ohne monarchische Spitze und Aufrechterhaltung der Partikularrechte der Provinzen, um Hollands Übergewicht zu behaupten; die statthalterliche Partei, zu welcher das von den politischen Rechten ausgeschlossene niedere Volk, der Adel und das Heer gehörten, wollte dem Haus Oranien eine erbliche monarchische Gewalt übertragen.
Da es dem Prinzen Moritz an politischem Ehrgeiz fehlte und er sich mit seiner bescheidenen Stellung begnügte, so wäre es nicht so bald zu einem Konflikt gekommen, wenn sich nicht die holländischen Patrioten in dem kirchlichen Streit zwischen den freisinnigen Arminianern und den orthodoxen Gomaristen (s. d.) für die erstern erklärt, der Dordrechter Synode ihre Anerkennung versagt und zur Verteidigung ihres schroff partikularistischen Standpunktes Truppen aufgeboten hätten. Um das eifrig calvinistische Volk, das im Arminianismus Kryptokatholizismus witterte, zu beruhigen, schritt Moritz ein und ließ die Häupter der holländischen Aristokratie, Oldenbarneveldt, Hugo Grotius und Hoogerbeets, verhaften; ersterer wurde wegen Hochverrats hingerichtet, letztere zu ewigem Gefängnis verurteilt.
Nicht lange nach dem Wiederausbruch des Kriegs mit Spanien (1621) starb Moritz von Oranien Ihm folgte als Erbstatthalter der fünf Provinzen Holland, Zeeland, Utrecht, Gelderland und Overyssel sein Bruder Friedrich Heinrich, während die Provinzen Friesland und Groningen schon früher den Grafen Ernst Kasimir von Nassau zum Statthalter gewählt hatten. Prinz Friedrich Heinrich stellte den innern Frieden her, indem er den Religionsverfolgungen Einhalt that, die Verbannten zurückrief und die Eingekerkerten in Freiheit setzte.
Der Krieg gegen Spanien wurde mit Glück fortgeführt und durch den gleichzeitigen Kampf gegen das Haus Habsburg in Deutschland sowie durch ein Bündnis mit Frankreich (1635) erleichtert. Herzogenbusch, Wesel, Maastricht und Breda wurden erobert, der spanischen Flotte mehrere Niederlagen beigebracht und durch Wegnahme der Silberflotte (1628) ansehnliche Beute gemacht. Das erschöpfte Spanien zeigte sich endlich zum Frieden geneigt, der nach 80jährigem Krieg 1648 in Münster zu stande kam. Die Niederlande wurden als unabhängiger Staat anerkannt, behielten ihre Eroberungen in Belgien und den beiden Indien und erlangten vollkommene Handelsfreiheit in allen spanischen Häfen; auch die Verbindung mit dem Deutschen Reich wurde formell für immer gelöst.
Höchste Macht und Blüte der Niederlande.
Während ihres Freiheitskampfes waren die Niederlande das reichste Land Europas geworden, ihr Handel und ihre Industrie beherrschten die Welt; auch ihre bewaffnete Macht war eine bedeutende, und Künste und Wissenschaften standen in der höchsten Entwickelung. Der Kolonialbesitz der Handelskompanien hatte eine überraschende Ausdehnung gewonnen und wurde von den Niederländern mit rücksichtslosem Krämersinn ausgebeutet. Die Sundainseln, Ceylon, die Kapkolonie waren im Besitz der Ostindischen Kompanie; die Westindische eroberte sogar 1636 Brasilien, das sie indes nicht lange behauptete.
Die Handelsflotte der Niederlande zählte 1634: 35,000 Schiffe mit 2 Mill. Lasten. Hand in Hand mit dem Welthandel ging die Großindustrie, deren Fabrikate sich über die ganze Erde ausbreiteten. 300 Mill. Gulden in Metall lagen 1648 in den Kellern der Amsterdamer Girobank. Der Geldreichtum war so groß, daß der Zinsfuß auf 2-3 Proz. stand und selbst der berüchtigte Tulpenschwindel dem Nationalwohlstand nicht schadete. Die ungeheuern Kriegskosten wurden durch zahlreiche hohe Steuern (in Holland 25 Proz. von allen Geldrenten, 100 Proz. von Bier und Wein) leicht und ohne Beschwerde aufgebracht. Der unbedingten Freiheit des Handels und Verkehrs entsprach die Freiheit des Glaubens, der Wissenschaft und der Presse, welche die Niederlande zum Zufluchtsort aller Verfolgten und des anderswo unterdrückten freien Wortes machte.
Prinz Wilhelm II. von Oranien, der 1647 seinem Vater Friedrich Heinrich als Statthalter gefolgt war, verweigerte nach dem Westfälischen Frieden die von den Staaten von Holland geforderte Verminderung des stehenden Heers und der Abgaben und ließ sechs Mitglieder der aristokratischen Partei verhaften; seine Absicht war die Errichtung einer Alleinherrschaft. Als er aber 1650 ohne Erben starb (erst nach seinem Tod wurde ihm ein Sohn, Wilhelm III., geboren), nahm die aristokratische oder Loevesteinsche Partei (so genannt nach der Festung, wohin die Oranier ihre Gegner in Haft zu schicken pflegten) die Gelegenheit wahr, auf der Großen Versammlung (Groote Vergadering), einer außerordentlichen Zusammenkunft der Deputierten der sieben Provinzen, 1651 den Beschluß, die Statthalterwürde nicht wieder zu besetzen, zur Annahme zu bringen.
Ja, die aristokratische Partei, an deren Spitze seit 1653 der Ratspensionär von Holland, Johan de Witt, stand, ließ sich dazu herbei, den Frieden mit England, das 1652 einen Seekrieg gegen die Niederlande begonnen hatte, 1654 durch eine geheime Akte (acte van seclusie) zu erkaufen, welche das Haus Oranien von jedem Staatsamt ausschloß; das ewige Edikt (1667) der Staaten von Holland und die Harmonieakte der Generalstaaten (1670) trennten für immer die Statthalterwürde von dem Amte des Oberbefehlshaber und machten die erstere macht- und wertlos.
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Der erste Seekrieg mit England (1652-54) war durch die von Cromwell erlassene Navigationsakte (1651) herbeigeführt worden, welche der Schiffahrt der Niederlande nach England einen tödlichen Streich versetzte; er wurde mit größter Erbitterung geführt, fügte den Niederlanden ungeheuern Schaden zu (1600 Schiffe wurden von den Engländern gekapert) und endete nach mehreren Niederlagen der niederländischen Flotte mit der Anerkennung der Navigationsakte. De Witt richtete die Hauptkraft der Niederlande auf die Wahrung der Schiffahrts- und Handelsinteressen gegen die gefährliche Nebenbuhlerschaft Englands und begann 1664 zur Abwehr englischer Übergriffe einen zweiten Seekrieg, der, von beiden Seiten mit Aufbietung aller Kräfte und mit wechselndem Erfolg geführt, im Frieden von Breda ohne Entscheidung über die Seeherrschaft endete.
Die Landmacht vernachlässigt die republikanische Regierung im Vertrauen auf das französische Bündnis, sah sich aber doch genötigt, als Ludwig XIV. 1667 die spanischen Niederlande besetzte, mit England und Schweden im Januar 1668 die Tripelallianz zu schließen, welche Ludwig im Aachener Frieden zum Verzicht auf den größten Teil seiner Eroberungen zwang. Hierfür beschloß der französische König sich an den Niederlanden zu rächen, bewog in tiefstem Geheimnis England und Schweden zum Bündnis und überfiel im Frühjahr 1672 mit 100,000 Mann vom Niederrhein aus die wehrlose Republik, während Karl II. von England den Krieg zur See erklärte. In wenigen Wochen hatten die Franzosen vier Provinzen erobert; 83 feste Plätze öffneten ihre Thore.
Holland wurde noch im letzten Augenblick durch die Überschwemmung gerettet und der schimpfliche Friede, den die Patriotenpartei abschließen wollte, nur durch den Übermut Ludwigs XIV. vereitelt. Gegen die holländische Aristokratie richtete sich nun der ganze Haß des bestürzten und durch die Grausamkeit des Eroberers zur Verzweiflung getriebenen Volkes. Johan de Witt wurde nebst seinem Bruder Cornelius als Urheber des Unglücks auf gräßliche Weise ermordet, das ewige Edikt abgeschafft und der junge Prinz Wilhelm III. von Oranien zum Statthalter, 1674 auch zum Erbstatthalter erhoben.
Durch die Anspannung aller Kräfte unter der sichern, mutigen Leitung des jungen Prinzen und durch fremde Hilfe, erst des Kurfürsten von Brandenburg, dann des Kaisers und Spaniens, gelang es, die Franzosen aus den Niederlanden wieder zu vertreiben (1674). Wenn die Verbündeten auch im fernern Verlauf des Landkriegs von Mißgeschick verfolgt wurden und sich in der Hoffnung, Frankreichs Macht brechen zu können, täuschten, so wußten die Niederlande doch durch kluge Benutzung der Umstände im Frieden zu Nimwegen (1678), den sie einseitig abschlossen, nicht bloß ihr Gebiet zu behaupten, sondern auch Maastricht zu erwerben und von Frankreich einen günstigen Handelsvertrag zu erlangen.
Die aristokratische Partei, welche diesen Frieden gegen den Willen des Statthalters durchgesetzt hatte, wünschte wegen der ungeheuern Kriegskosten, die eine drückende Steuerlast nötig machten, Frieden und Bündnis mit Frankreich. Aber Ludwigs XIV. unersättliche Eroberungssucht und seine Unduldsamkeit gegen die Protestanten verhalfen der Politik des Oraniers zum Sieg. Die Niederlande unterstützten die Unternehmung des Prinzen gegen England 1688, welche den Sturz der Stuarts und Wilhelms III. Thronbesteigung in England zur Folge hatte, schlossen sich 1689 der neuen Koalition gegen Frankreich an und nahmen mit Aufbietung aller Kräfte am Kampf teil.
Die Niederlande blieben dem von Wilhelm III. gestifteten Bunde der Seemächte auch nach dessen Tod (1702) getreu und halfen unter der Leitung des Ratspensionärs Heinsius im spanischen Erbfolgekrieg Frankreichs Übermacht brechen. Aber sie opferten hierbei ihre Sonderinteressen denen Europas auf. Sie erschöpften ihre Kräfte in den kostspieligen Kriegen, ohne für sich selbst einen andern Gewinn zu erzielen als den Barrieretraktat von 1713, welcher ihnen das Recht einräumte, die belgischen Festungen an der französischen Grenze zu besetzen. Den Hauptvorteil trug England davon, das, größer und von der Natur mehr begünstigt, seinen Handel und seine Schiffahrt auf Kosten der niederländischen entwickelte und den Bundesgenossen bald überflügelte.
Der Verfall der Republik.
Nach dem Erlöschen der ältern oranischen Linie mit Wilhelms III. Tod (1702) war die Statthalterwürde zum zweitenmal abgeschafft worden und die Leitung der Republik wieder in die Hände der aristokratischen Partei übergegangen, welche nach dem Utrechter Frieden (1713) eine unbedingte Friedenspolitik befolgte, um die Staatsfinanzen zu bessern und Handel und Industrie von neuem zu beleben. Die Land- und Seemacht wurde aufs äußerste beschränkt, was ihren völligen Verfall zur Folge hatte; der kriegerische Geist, damit aber auch Energie und Thätigkeitstrieb erloschen im Volk, und dies wirkte auch auf die gewerblichen Verhältnisse lähmend ein.
Das niedere Volk darbte infolge des Verfalls der Industrie und des Sinkens der Löhne, die Regenten erstickten in Reichtum und Wohlleben und behielten alle öffentlichen Ämter sich und ihren Verwandten vor. Der österreichische Erbfolgekrieg (1741-48) rüttelte die Niederlande aus ihrer trägen Ruhe auf. Sie mußten die belgische Barriere gegen Frankreich schützen; der Krieg wurde jedoch schlaff und ungeschickt betrieben, sämtliche Festungen gingen verloren, und 1747 fielen die Franzosen in Holländisch-Flandern ein, dessen feste Plätze sie eroberten. Da empörte sich das Volk in Holland und Zeeland, vertrieb die aristokratischen Magistrate und rief den Prinzen Wilhelm von Oranien aus der Linie Nassau-Dietz, der bisher Erbstatthalter von Friesland, seit 1718 auch von Groningen und seit 1722 von Gelderland gewesen war, zum Statthalter aus. Diesem Beispiel folgten die übrigen Provinzen, so daß Wilhelm IV. erster erblicher Generalstatthalter der sämtlichen sieben Provinzen wurde; auch erhielt er die Verwaltung der Generalitätslande und das Generalgouvernement von Indien.
Wilhelm IV. starb bereits und hinterließ einen erst dreijährigen Sohn, Wilhelm V., für den seine Mutter, die englische Prinzessin Anna, die Vormundschaft führte, während ihr Verwandter, der Herzog Ludwig von Braunschweig, den Oberbefehl über die Armee erhielt. Nach Annas Tod (1759) nahmen die Staaten der Provinzen die Rechte der Statthalterschaft wahr und befolgten wieder das System unbedingter Neutralität, als der Siebenjährige Krieg ausbrach; nur in Ostindien wurde die Eroberung Ceylons vollendet. 1766 übernahm Wilhelm V. selbst die Regierung, stand aber unter der Leitung des Herzogs Ludwig. Als 1776 die Engländer die abgefallenen amerikanischen Kolonien bekriegten, verlangten sie auf Grund alter Verträge von den Niederlanden Hilfstruppen gegen die Rebellen und erklärten, als die Niederlande dies ablehnten und über ihren Anschluß an die von Rußland errichtete Neutralität
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verhandelten, 1780 den Krieg. Obwohl die Niederlande gänzlich ungerüstet waren, so war wegen des seit langem angesammelten Hasses gegen den eigennützigen, anmaßenden englischen Verbündeten der Krieg sehr populär, und trotz der großen Verluste für Handel und Schifffahrt wurde er mit Entschlossenheit geführt. Wiewohl die Schlacht an der Doggersbank unentschieden blieb, wurden die Friedensanträge Englands abgelehnt und mit den amerikanischen Freistaaten ein Allianz- und Handelsvertrag abgeschlossen.
Aber schließlich ließ Frankreich die Niederlande im Stiche, und diese mußten im Frieden vom England ihr Gebiet auf dem Festland von Vorderindien abtreten, demselben freie Schiffahrt in Ostindien zugestehen und den Grundsatz des Utrechter Friedens: »die Flagge deckt die Ladung«, preisgeben. Die Bedrängnis der Niederlande benutzend, hob Kaiser Joseph II. 1784 den Barrieretraktat auf, ließ die Grenzfestungen schleifen und verlangte die Freigebung der Schelde und die Abtretung von Maastricht. Die Landmacht der Niederlande war in einem solchen Zustand, daß sie einen Krieg gegen Österreich nicht wagen konnten, und sie mußten sich im Vertrag von Paris zur Abtretung von Lillo und Liefkenshoek und zu einer Zahlung von 10 Mill. Gulden verstehen, wogegen sie das Recht behielten, die Schelde zu schließen.
Die Entrüstung über diese Verluste wurde von der aristokratischen oder Patriotenpartei sehr geschickt gegen den Erbstatthalter gelenkt, welchem die Staaten von Holland mehrere Rechte, 1786 sogar die Würde des Generalkapitäns und Admirals, entzogen. Wilhelm V. verließ den Haag, und seine Anhänger verteidigten seine Rechte sogar mit Waffengewalt, indem sie die ihm feindlich gesinnten geldrischen Städte Hattem und Elburg beschossen und besetzten. Als die Erbstatthalterin, die Prinzessin Wilhelmine von Preußen, nach dem Haag reisen wollte, wurde sie von den Patrioten angehalten und zur Rückkehr gezwungen.
Dafür verlangte ihr Bruder, der König Friedrich Wilhelm II. von Preußen, Genugthuung, und als dieselbe im Vertrauen auf die nachher ausbleibende französische Hilfe von Holland in stolzem Ton verweigert wurde, rückten im September 1787: 25,000 Preußen in die Niederlande ein, eroberten in kurzer Zeit Holland und setzten unter dem Jubel des Volkes den Erbstatthalter wieder ein. Die Rechte des Hauses Oranien wurden darauf beträchtlich erweitert und zu einem Grundgesetz der Republik erklärt, auch schloß Wilhelm V. im April 1788 eine ewige Allianz mit England und Preußen.
Die Niederlande während der Revolutionszeit.
Der Ausbruch der französischen Revolution verlieh der niedergeworfenen Patriotenpartei neue Kraft. Zwar nahm Wilhelm V. 1793 eine englische Armee in sein Land auf und schloß sich der Koalition gegen Frankreich an; aber durch die Niederlagen bei Hondschoote (7. und und bei Fleurus den Frost des Winters 1794-95, welcher die Wasserverteidigung unmöglich machte, und durch eine allgemeine Erhebung der Patrioten ward Pichegru die Eroberung der Niederlande erleichtert, und diese erklärten nun die Erbstatthalterwürde für abgeschafft und konstituierten sich als Batavische Republik, einen Einheitsstaat mit einer Gesetzgebenden Versammlung und einem Direktorium.
Mit Frankreich, dessen revolutionäre Institutionen bis ins kleinste nachgeahmt wurden, schloß die Republik ein beständiges Bündnis ab, welches ihr aber große Opfer auferlegte: Maastricht, Venloo, Staats-Limburg, Staats-Flandern mußten abgetreten, 100 Mill. Gulden bezahlt und 30,000 Mann französischer Truppen unterhalten werden;
das nun feindliche England lähmte den niederländischen Handel und bemächtigte sich der Kolonien, von denen Ceylon 1802 förmlich abgetreten wurde. 1805 wurde eine Verfassungsänderung vorgenommen und ein Ratspensionär, Schimmelpenninck, an die Spitze des Staats gestellt.
Jedoch schon wurden die Niederlande auf Napoleons I. Befehl in ein Königreich Holland verwandelt, dessen Krone Ludwig Napoleon erhielt. Die französischen Gesetze wurden eingeführt, und die holländischen Truppen mußten an allen Kriegen Frankreichs teilnehmen. Durch die Kontinentalsperre wurde der Handel auf den Schmuggel mit England beschränkt, und als der König Ludwig 1810 abdankte, weil er sein Königreich nicht den französischen Interessen preisgeben wollte, erklärte ein kaiserliches Dekret vom die Vereinigung Hollands als »einer Anschwemmung französischer Flüsse« mit Frankreich und Amsterdam zur dritten Stadt des Kaiserreichs; die Zinsen der Staatsschuld wurden auf ein Drittel verringert.
Wenn die französische Herrschaft auch manche Mißbräuche mit scharfem Besen wegfegte und durch die Rechtsgleichheit der Landesteile und die Beseitigung der Standesunterschiede die nationale Verschmelzung beförderte, so empfand man in den Niederlanden, besonders in Holland, den Verlust politischer, geistiger und kommerzieller Freiheit, namentlich die Unterdrückung der Muttersprache, bitter genug. Daher ward 1813 die Nachricht von dem Sieg der Verbündeten bei Leipzig freudig begrüßt und der Aufforderung des preußischen Heerführers Bülow, der in die Niederlande einrückte, sich den Verbündeten gegen Frankreich anschließen, bereitwillig entsprochen.
Ein Anhänger der altoranischen Partei, Hogendorp, bildete mit seinen Freunden van der Duyn und van Maasdam eine provisorische Regierung, und ward zu Amsterdam die Freiheit der Niederlande und der Sohn des 1795 vertriebenen Erbstatthalters Wilhelm V., Wilhelm I., der 30. Nov. in Scheveningen gelandet war, als deren souveräner Fürst proklamiert. Eine Kommission von 14 Mitgliedern arbeitete eine Verfassung aus, welche von einer Notabelnversammlung genehmigt wurde und 30. März in Kraft trat; die Macht des Fürsten wurde durch eine von den Provinzialstaaten gewählte Versammlung, die »Generalstaaten«, beschränkt.
Die Niederlande mit Belgien vereinigt.
Auf Englands Betreiben, das auf dem Festland einen Preußen ebenbürtigen protestantischen Staat wünschte, wurde durch die Londoner Artikel vom bestimmt, daß Belgien und Holland unter dem Namen Königreich der Niederlande zu einem Ganzen vereinigt werden sollten; die Grenzen desselben wurden durch die Wiener Schlußakte vom festgesetzt und Wilhelm I. als König der Niederlande von allen Mächten anerkannt. Außer Luxemburg, das der König als Ersatz für seine deutschen Besitzungen als Großherzogtum erhielt, das aber zum Deutschen Bund gehören sollte, umfaßte das neue Königreich 17 Provinzen (Nord- und Südbrabant, Limburg, Gelderland, Lüttich, Ost- und Westflandern, Hennegau, Holland, Zeeland, Namur, Antwerpen, Utrecht, Friesland, Overyssel, Groningen und Drenthe) mit zusammen 60,000 qkm und 5,5 Mill. Einw.; dazu kam im zweiten Pariser Frieden 1815, nachdem die Truppen des jungen Königreichs unter dem Prinzen von Oranien an den Kämpfen von Quatrebras und