mehr
der leidenschaftlichere und oft maßlose Alexandros Sutsos (gest. 1863),
in Form und Inhalt stark von Béranger beeinflußt, in dem Gedicht »Der Umherirrende« (»Περιπλανώμενος«),
dem Roman »Der Verbannte von 1831«, dem Drama »Πρωθυποῦργος«, in Satiren und vermischten Gedichten. Der universalste, geistreichste und feinst gebildete unter den griechischen Schriftstellern, als Gelehrter nicht minder bedeutend wie als Dichter, ist Alexandras Rhisos Rangawis (Rangabé), Verfasser dramatischer, epischer und lyrischer Dichtungen (»Διάφορα ποιήματα«, Athen 1837-40, 2 Bde.; die aristophanische Komödie »Hochzeit des Kutrulis«; die Tragödie »Phrosyne«; die Novellen: »Der Notar« und »Der Fürst von Morea«; das Epos »Der Volksverführer«). Aus der neuesten Zeit sind daneben zu nennen die Novellendichter: Rhoidis (»Die Päpstin Johanna«, 4. Aufl., Athen 1882) und Dimitrios Bikelas (»Lukis Laras«, 2. Aufl., das. 1881; »Διηγήματα«, das. 1887),
auch als Übersetzer Shakespeares bedeutend;
ferner Georgios Drosinis als Lyriker (»Σταλακτῖται«, das. 1881; »Εἰδύλλια«, das. 1884) und als Novellist (»Διηγήματα καὶ ἀναμνήσεις«, das. 1886).
Proben und Sammlungen der griechischen Kunstpoesie finden sich besonders in Tepharikis' »Παρνασσός« (Athen 1868, Bd. 1 u. 2),
in
Kinds »Neugriechi
schen
Poesien im Urtext« (Leipz. 1833) und »Neugriechi
scher
Anthologie« (das. 1844) sowie in
Vlachos' »Neugriechi
scher
Chrestomathie« (2. Aufl., das. 1883) und Manarakis »Neugriechi
schem
Parnaß« (mit deutschen Übersetzungen,
Athen 1877 bis 1881, 2 Bde.). Die vornehmste
Sammelstätte poetischer feuilletonistischer Thätigkeit ist zur Zeit die in
Athen erscheinende Wochenschrift »Ἑστία«.
Neben dieser reich und mannigfach entwickelten Kunstpoesie lebt im neugriechi
schen
Volk heute wie vorzeiten die originellste
und liebenswürdigste Volkspoesie, reichhaltig in Form und
Inhalt, allerorten in
Griechenland
[* 3] verbreitet, auf bestimmte Verfasser
fast nie zurückführbar, in mannigfachen
Versionen desselben
Themas sich immer wieder erneuernd und bei den verschiedenartigsten
Gelegenheiten, häufig unter Tanzbegleitung, gesungen. Zahlreiche Sammlungen, leider den dialektischen Eigentümlichkeiten
der verschiedenen
Landschaften noch immer nicht die gebührende Rücksicht tragend, lassen schon jetzt den ungeheuern
Umfang
dieser
Poesie erkennen. Sie zerfallen in historische und nichthistorische
Lieder. Unter den historischen
sind ohne
Zweifel manche, die in sehr alte Zeit zurückreichen, wie für einzelne die interessanten Untersuchungen von M.
Büdinger über die Andronikossage (»Mittelgriechisches Volksepos«,
Leipz. 1866) und von
Legrand in der
Einleitung zu seiner
Ausgabe der
Epopöe vom Digenis Akritas (Par. 1875) nachweisen.
Andre knüpfen an den Fall Konstantinopels an; in das 18. Jahrh. geht ein großer Teil der Klephthenlieder zurück. Die letztern, die »τραγούδια κλεφτικά«, hervorgegangen aus den die Erhebung der Griechen einleitenden und fortwährend begleitenden Kämpfen der Klephthen oder Palikaren (Freischärler) gegen die Türken, meist in Epirus entstanden, bilden den Hauptstock der historischen Lieder und sind durch energische Auffassung, gemütvolle Tiefe und feine Charakteristik ausgezeichnet und vom Schimmer edler Romantik verklärt.
Eine aus der Zeit der Johanniterherrschaft auf Rhodos, wahrscheinlich aus dem Ende des 14. Jahrh., stammende Sammlung reizender, volkstümlicher Liebeslieder hat W. Wagner aus einer Londoner Handschrift veröffentlicht: »Das ABC der Liebe« (Leipz. 1879). Die nichthistorischen Volkslieder spiegeln das Leben der Neugriechen in allen seinen Äußerungen treu wider; Wiegenlieder (»νανναρίσματα«),
Schwalbenlieder (»χελιδονίσματα«),
Mailieder, erotische Lieder in buntem Überfluß, Ständchen, Hochzeitslieder, Schnitter- und Winzer-, Schiffer- und Hirtenlieder, endlich die ergreifenden Myrologien oder Totenklagen mit der düstern Gestalt des Charos sind die Hauptgattungen dieser Poesie. Besondere Erwähnung verdienen die in raschem Wechselgesang improvisierten, an feinen Gedanken und warmem Gefühl reichen erotischen Distichen, die uns aus verschiedenen Gegenden von Hellas bekannt geworden sind.
Aus der überreichen, wenn auch oft unkritischen Litteratur
über die
Volkslieder seien hervorgehoben: Fauriel,
Chants populaires
de la
Grèce moderne (Par. 1824-25, 2 Bde.;
Ausgabe mit deutscher Übersetzung von W.
Müller, Leipz. 1825);
Sanders, Neugriechische
Volks- und Freiheitslieder (das. 1840);
Passow, Popularia carmina Graeciae recentioris (das. 1860);
Chasiotis, »Συλλογὴ τῶν κατὰ τὴν Ἤπειρον δημωτικῶν ᾀσμάτων« (Athen 1866);
Tefarikis, »Διανοτραγοῦδα« (das. 1868),
die reichhaltigste Sammlung von Distichen;
Sakellarios, »Κυπριακά« (das. 1868, Bd. 3);
Legrand, Recueil de chansons populaires grecques (Par. 1874);
Jeannarakis, Kretische Volkslieder (mit Glossar, Leipz. 1876);
B. Schmidt, Griechische Märchen, Sagen u. Volkslieder (das. 1877);
Aravandinos, »Συλλογὴ δημοδῶν ᾀσμάτων τῆς Ἠπείρου« (Athen 1880);
v. Hahn, [* 4] Griechische und albanesische Märchen (Leipz. 1864);
Pio, Contes populaires grecs (Kopenh. 1879).
Die von italienischem Geist nicht unberührt gebliebene Volkspoesie der unteritalischen Griechen lernen wir kennen aus Comparetti, Saggi dei dialetti greci dell' Italia meridionale (Pisa [* 5] 1866); Morosi, Studj sui dialetti greci della terra d'Otranto (Lecce 1870); Pellegrini, Il dialetto greco-calabro di Bova, Bd. 1 (Tur. u. Rom [* 6] 1880).
Als Hilfsmittel zum
Studium der neugriechi
schen Litteratur
sind zu empfehlen: Zaviras, »Θέατρον
ἑλληνικὸν ἤτοι Νέα Ἑλλάς« (reichhaltige Sammlung von
Biographien, nach dem bereits 1804 erfolgten
Tode des Verfassers hrsg. von G. Kremos,
Athen 1872);
Vretos, »Νεοελληνικὴ φιλολογία« (das. 1854-57, 2 Bde.);
Sathas, »Νεοελληνικὴ φιλολογία« (das. 1868);
Paranikas, »Σχεδίασμα περὶ τῆς ἐν τῷ ἑλληνικῷ ἔθνει καταστάσεος τῶν γραμμάτων« (Konstantin. 1867);
Iken,
Leukothea,
Briefe
über Staatswesen, Litteratur
und
Dichtkunst des neuen
Griechenland (Leipz. 1825, 2 Bde.);
Nerulos,
Cours de la littérature
grecque moderne (2. Ausg., Genf
[* 7] 1828);
Kind, Beiträge zur bessern Kenntnis des neuen Griechenland (Neust. a. O. 1831);
Nicolai, Geschichte der neugriechi
schen Litteratur
(Leipz. 1876);
A. R. Rangabé,
Précis d'une histoire de la littérature
néohellénique (Berl. 1877, 2 Bde.);
Gidel, Études sur la littérature
grecque moderne (Par. 1866-78, 2 Bde.);
Rangabé und
Sanders, Geschichte der neugriechi
schen Litteratur
(Leipz. 1884).