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Nervengifte, wirken in sehr geringen Dosen lähmend und tötend auf die Nerven, [* 2] ohne andre Organe zu beeinträchtigen.
Nervengifte, wirken in sehr geringen Dosen lähmend und tötend auf die Nerven, [* 2] ohne andre Organe zu beeinträchtigen.
s. Naht. ^[= # (Sutura), in der Anatomie, s. Knochennaht. - In der Chirurgie ist die N. ein schon im Mittelalter ...]
(Neuralgie) im Gegensatz zu Schmerzen überhaupt, die ja alle durch Nerven vermittelt werden, eine solche Schmerzhaftigkeit, bei welcher anatomische Veränderungen oder nachweisbare Erkrankungen am Nerv nicht vorhanden sind. Am häufigsten werden vom Nervenschmerz die Empfindungsnerven des Gesichts (s. Migräne), der Augenbrauen- und Stirn- oder Schläfengegend befallen (s. Gesichtsschmerz), nächstdem die Beinnerven (s. Hüftweh), aber auch an allen übrigen Empfindungsnerven wird zuweilen Nervenschmerz beobachtet.
Unter den Ursachen der eigentlichen Neuralgie ist Überanstrengung und Erkältung am häufigsten, seltener entsteht Nervenschmerz infolge von Vergiftungen durch Quecksilber, Blei, [* 3] Kupfer, [* 4] durch Sumpffieber, oft ist die Entstehung unbekannt. Bei den meisten Neuralgien kann man zwei Arten des Schmerzes unterscheiden, nämlich einen anhaltenden, durch Druck vermehrten, auf umschriebene Punkte einer Nervenbahn beschränkten, nicht sehr heftigen, aber lästigen Schmerz und einen in Anfällen auftretenden, von jenen Punkten nach dem Verlauf des Nervs ausstrahlenden, überaus quälenden und fast unerträglichen Schmerz.
Die Kranken geben gewöhnlich an, daß der Schmerz nicht an der Oberfläche, sondern in der Tiefe sitze; gewöhnlich sind mehrere Zweige eines Nervenstammes, aber nur selten alle Zweige eines Nervs an der Affektion beteiligt. Nicht selten breitet sich der Nervenschmerz von einem Nerv auf einen andern aus, welcher nicht denselben Ursprung hat. Manchmal werden im Verbreitungsbezirk des von dem Nervenschmerz heimgesuchten Nervs Unregelmäßigkeiten der Blutverteilung sowie der Sekretion und der Ernährung beobachtet, ohne daß es bekannt wäre, wie die krankhafte Erregung der sensibeln Nerven sich auf die Gefäßnerven überträgt. Im Beginn neuralgischer Anfälle bemerkt man bisweilen, daß die Haut [* 5] bleich wird, noch häufiger auf der Höhe der Anfälle, daß sie sich rötet, daß die Absonderung der Nasenschleimhaut, die Thränen- und Speichelsekretion vermehrt wird.
Bei manchen Neuralgien, namentlich denjenigen der Zwischenrippennerven, entwickeln sich im Verbreitungsbezirk der kranken Nerven eigentümliche Ausschläge (Herpes zoster). Der Verlauf der Neuralgien ist bis auf diejenigen Formen, welche unter dem Einfluß der Malaria entstehen, ein chronischer. Derselbe ist fast niemals ein gleichmäßiger, sondern es wechseln Verschlimmerungen und Nachlässe der Krankheit ab. Zuzeiten wiederholen sich die Schmerzanfälle häufiger und erreichen eine bedeutendere Höhe, zu andern Zeiten kehren sie seltener wieder und sind weniger heftig.
Bei den durch Malaria bedingten Neuralgien kehren die Schmerzanfälle zur regelmäßigen Stunde wieder. Die Dauer des Schmerzes kann sich auf Jahre erstrecken, doch wird eine direkte Gefahr für das Leben durch den Nervenschmerz allein nicht gegeben; nur kann dauernde Schlaflosigkeit, durch den Nervenschmerz hervorgebracht, zur Entkräftung führen. Die Behandlung ist ableitend durch Blasenpflaster, Veratrinsalbe, Schröpfköpfe etc. oder allgemein bei rheumatischem Nervenschmerz, wo römische Bäder, Schwitzkuren, Knetkuren empfehlenswert sind; bei Malaria hilft Chinin, gegen die Schmerzen nach Vergiftungen Opium, später Schwefelbäder. Zur Betäubung wirkt vorzüglich das Morphium. Zur dauernden Heilung wendet man neuerlich die Nervendehnung (s. d.) an. Schmerzen, welche durch erkennbare Krankheiten des Nervs oder Geschwülste und fremde Körper oder Druck innerhalb enger Knochenkanäle hervorgerufen werden, sind dem Nervenschmerz sehr ähnlich, sie erfordern örtliche Behandlung, besonders Entfernung des Druckes durch Operation.
(lat. Nervosität, griech. Neurasthenie), eine in unserm Jahrhundert immer häufiger werdende Störung des gesamten Nervensystems, d. h. des Gehirns, des Rückenmarks, des peripherischen und sympathischen Nervensystems. In diesem weitesten Sinn gefaßt, sind es die »Nerven«, welche bei den erhöhten Ansprüchen an die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit der vornehmen Gesellschaftsklassen angegriffen werden und namentlich zartere Frauen nötigen, nach den Strapazen einer gesellig bewegten Wintersaison für ihre Reizbarkeit, Schwindelanfälle, Kopfschmerzen, reißenden Schmerzen in Armen oder Gesicht, [* 6] Herzklopfen, Abgeschlagenheit und Unfähigkeit zu körperlichen Anstrengungen einen Arzt zu befragen oder auf eigne Verordnung an einem ruhigen Ort im Wald oder an der See Erholung zu suchen.
Ähnlich ergeht es auch den jungen Lebemännern, welche zu viel geschwelgt und zu wenig geschlafen haben; ähnlich aber auch zahllosen Männern, denen ihre schwere Berufspflicht, die angespannte Geistesarbeit, der rastlose Kampf ums Dasein mehr Arbeit zugemutet hat, als Körper und Geist auf die Dauer ohne Schaden ertragen können. Ganz irrig ist aber die vielverbreitete Annahme, daß die Nervenschwäche nur ein Leiden [* 7] der begüterten und gebildeten Klassen sei, denn Not und Sorgen, Entbehrungen der notwendigen Nahrung bei harter körperlicher Arbeit, Überreizung durch Alkohol und Tabak, [* 8] Kummer und Niedergeschlagenheit führen zu der gleichen Anomalie [* 9] des Nervensystems.
Die Nervenschwäche ist eine Funktionsstörung, keine eigentliche Krankheit; sie besteht, ohne daß man im Gehirn [* 10] oder in den Nerven eine Entzündung oder sonstige anatomische Veränderung nachweisen kann, wie es bei den echten Nervenkrankheiten (s. d.) der Fall ist. Dennoch ist die Unterscheidung oft ganz außerordentlich schwer, manche Fälle von nervösem Zittern sind z. B. leicht mit dem Zittern beim Beginn von Gehirnlähmungen zu verwechseln, manche Klagen über gestörte Verdauung sind den Erscheinungen bei Magen- und Darmkrankheiten so ähnlich, daß nur die sorgfältigste Untersuchung eines erfahrenen Arztes hier die Grenzen [* 11] ziehen kann.
Allmählich hat sich in der
Lehre
[* 12] der
Nervenkrankheiten der
Name
Neurasthenie eingebürgert für einen Symptomenkomplex
, welcher
bei aller Mannigfaltigkeit im einzelnen bei scheinbar schwerem
Leiden innerer
Organe doch dadurch ausgezeichnet
ist, daß diese
Leiden nicht auf wirklichen anatomisch nachweisbaren Veränderungen beruhen, sondern auf Ernährungsstörungen
des
Nervensystems, woraus dann als wichtigste Schlußfolgerung hervorgeht, daß alle jene verschiedenartigen
Klagen lediglich
durch eine geeignete Behandlung der Nervenschwäche verschwinden können.
Diese Neurasthenie im engern Sinn ist vorwiegend beim männlichen Geschlecht zu beobachten, obwohl auch Frauen, welche den gleichen Schädlichkeiten ausgesetzt sind, davon befallen werden; im allgemeinen leiden dagegen Frauen mehr an jenem, gleichfalls auf Nervenschwäche zu beziehenden Komplex von Erscheinungen, welche die Neuropathologie als Hysterie (s. d.) zu bezeichnen pflegt. Die Ursache der Neurasthenie ist außer der erwähnten Überanstrengung ausschweifender Lebenswandel, zuweilen schließt sich der Prozeß an schwere Krankheiten, namentlich Unterleibstyphus, an, zuweilen führen gewaltsame Kuren, ¶
welche zur schnellen Entfettung eingeschlagen werden, jenen Schwächezustand herbei, zuweilen forcierte Schwitz-, Trink-, Hunger- oder Kaltwasserkuren, welche zu den modernen »Heilmitteln« gehören und welche sehr zum Schaden der Patienten oft ohne ärztliche Vorschrift und Überwachung auf eigne Hand [* 14] unternommen und durchgeführt werden. Vorzugsweise betroffen werden die geistig arbeitenden Klassen und naturgemäß in höherm Maß in dem lebhaften Treiben der großen Städte als auf dem Land; Beamte, Offiziere, Ärzte, Gelehrte und Künstler stellen das größte Kontingent.
Bei der verwirrenden Mannigfaltigkeit der Symptome sei hier an einem Beispiel dargethan, wie bei einem ehrgeizigen Mann die Nervenschwäche aus Überanstrengung sich zu entwickeln pflegt: Im besten Mannesalter stehend, bisher gesund und kräftig, hat er zehn Stunden und darüber angestrengt arbeiten können, ohne an Frische dabei einzubüßen. Unter dem Einfluß einer Gemütsaufregung fühlt er sich plötzlich bei der Arbeit unruhig und zerstreut, zeitweise schwinden die Gedanken, indessen rafft er sie zusammen und arbeitet weiter, bis er wiederum von Aufregung und Angstgefühl befallen wird.
Anfangs wird der Schwächezustand gewaltsam überwunden, allmählich versagen die Kräfte, es tritt Unfähigkeit zur Arbeit ein, die Zeit wird mit Grübeln über den krankhaften Zustand ausgefüllt, es stellt sich ein Gefühl von Druck im Kopf ein, welches den Kränkelnden zwingt, sich in den stillsten Winkel [* 15] seiner Wohnung zurückzugehen. Dabei wird er leicht erregbar, schreckhaft über jedes Geräusch (nervöse Hyperakusie), der Schlaf ist unruhig, gleicht mehr einem unerquicklichen Halbschlummer. Am Morgen erwacht er wieder, es gelingt ihm nicht, Zeitung oder Bücher zu lesen (nervöse Asthenopie), er leidet an nervösem Herzklopfen, fühlt sich beängstigt, die Brust zusammengeschnürt.
Der Appetit fehlt, die Zunge wird belegt, gegen Speisen stellt sich Abscheu ein, nach dem Essen [* 16] folgt Übelkeit und Aufstoßen, Magenschmerzen (nervöse Kardialgie) und Stuhlverstopfung (spastische Obstipation). Die Gemütsverstimmung kann sich zur Hypochondrie und zu voller Schwermut steigern. Alle diese Symptome hängen vom Gehirn ab (cerebrale Neurasthenie). Das Herzklopfen, Blutwallungen und rasch folgende Blässe, übertriebene oder fehlende Schweiß- und Speichelsekretion deuten auf Störungen im sympathischen Nervengeflecht hin.
Daran schließt sich zuweilen als drittes Glied [* 17] eine Reihe von krankhaften Störungen des Rückenmarks (spinale Neurasthenie), schnelles Ermüden von Arm und Beinen, Zittern der Hände beim Ausstrecken mit gespreizten Fingern (Tremor), krampfartige Muskelzuckungen und ein Gefühl von unaufhörlichen oder zeitweise aussetzenden flatternden Bewegungen. Störungen der Empfindung äußern sich in Taubsein, Eingeschlafensein oder Ameisenlaufen, besonders in den Füßen, Schmerzen in der Wirbelsäule, welche im Verlauf der Nerven auf die Extremitäten ausstrahlen. Zuweilen ist die sexuelle Erregbarkeit gesteigert (Satyriasis), zuweilen erloschen (Azoospermie), namentlich bei bestehenden chronischen Krankheiten dieser Sphäre.
Die Behandlung erfordert die größte Umsicht eines Nervenarztes, welche sich in jedem Fall zunächst auf die Beseitigung etwa vorhandener Organleiden, alsdann aber auf die Nervenschwäche als solche richten muß. Vor allem bedarf es eines tröstenden, den Kranken ermutigenden Zuspruchs. Es muß für einen geeigneten Aufenthalt in reiner Wald-, Gebirgs- oder Seeluft gesorgt werden; unter Umständen sind Bäder, Kaltwasserkuren, Massage mit elektrischer Reizung der Nerven, nervenstärkende Mittel, Bromkali, Chinin, Eisen [* 18] am Platz.
Die Ernährung muß geregelt werden, und unter allen Umständen muß für die Zukunft den Schädlichkeiten, welche die Nervenschwäche hervorgebracht haben, vorgebeugt werden. Die Heilung ist gewöhnlich langsam, aber bei rationeller Behandlung und gutem Willen des Kranken oft von vollkommenem Erfolg.
Vgl. Beard, Die Nervenschwäche, Neurasthenie (deutsch, 2. Aufl., Leipz. 1884);
Derselbe, Die sexuelle Neurasthenie (mit Rockwell; deutsch, Wien [* 19] 1885);
Arndt, Die Neurasthenie (das. 1885);
Möbius, Die Nervosität (2. Aufl., Leipz. 1885);
v. Krafft-Ebing, Über gesunde und kranke Nerven (3. Aufl., Tübing. 1886);
Löwenfeld, Die moderne Behandlung der Nervenschwäche (Wiesb. 1887);
v. Ziemssen, Die Neurasthenia (Leipz. 1887);
Ultzmann in der »Wiener Klinik« 1879; Curschmann in v. Ziemssens »Handbuch der Pathologie und Therapie«, Bd. 9. Vgl. Nervenkrankheiten.