den Niederlanden durch Rubens, vornehmlich aber durch Jordaens und durch Rembrandt und seine Schule ausgebildet. Doch gaben diese
Künstler durch Farbe und Licht dem Naturalismus ein poetisches Gegengewicht. Zu einer platten Naturnachahmung ohne poetische Elemente
artete der Naturalismus erst im 19. Jahrh. durch die Franzosen Courbet, Manet und die Impressionisten sowie durch die
sogen. Naturalien (Bastien-Lepage, L'Hermitte u. a.) aus, welche nach dem Grundsatz: »Le laid c'est le beau« (»das
Häßliche ist das Schöne«) verfuhren.
Durch französische und holländische Einflüsse hat der Naturalismus auch in Deutschland Boden gewonnen, in seiner übertriebenen Erscheinungsform
durch M. Liebermann, mit weiser Benutzung seiner unbestreitbaren Rechte durch F. v. Uhde und W. Firle.
Vgl. auch Hellmalerei und Impressionisten. Naturalismus wird auch oft identisch mit Realismus (s. d.) gebraucht.
Doch besteht zwischen
beiden Richtungen der Kunst insofern ein Unterschied, als der Naturalismus ein wirkliches Abbild der Natur mit allen ihren Zufälligkeiten
bieten will, während der Realismus nur den Schein des Lebens in kleinerm Maßstab wiedergibt. - Im philosophischen
Sinn bezeichnet Naturalismus die Verwerfung aller Glaubenssätze, von deren Gültigkeit man sich nicht durch eignes Denken überzeugt
hat, und unterscheidet sich vom (theologischen) Rationalismus dadurch, daß er die Thatsache der Offenbarung selbst leugnet,
während dieser sich nur das Recht zur Prüfung der geoffenbarten Lehren gewahrt wissen will.
in der Rechtssprache die Berechnung einer Frist nach ihrem natürlichen Lauf (a momento ad momentum),
im Gegensatz zur Zivilkomputation, bei welcher der Tag des Anbeginns der Frist nicht mitgezählt wird.
expellas furca, tamen usque recurret (lat.),
»Du magst die Natur (das Naturell) mit Gewalt austreiben, sie wird doch stets zurückkehren«, Citat aus Horaz'
Episteln (I, 10, 24).
Bezeichnung solcher Dichter, welche, ohne höhere Bildung genossen zu haben, bloß von ihrem natürlichen
Gefühl geleitet, sich poetisch aussprechen. Der vorwaltende Charakter dieser Naturpoesie ist heiter und gemütlich, und ihr
Inhalt pflegt selten über die Gegenstände des gewöhnlichen Lebens hinauszugehen; aber diese werden in
einfacher Natürlichkeit aufgefaßt und dargestellt, weshalb Naturdichter nicht mit schlecht gebildeten Dilettanten zu verwechseln sind,
wie häufig geschieht. Als Naturdichter sind vornehmlich die sogen. Dialekt- oder Volksdichter zu nennen, unter den Deutschen der Nürnberger
Flaschnermeister Grübel, unter den Franzosen der Friseur Jasmin,
der Müller Basselin, der Bäckermeister
Jean Reboul, unter den Schotten Robert Burns und James Hogg.
religiöser Kult, der sich den vergötterten Gegenständen der Natur zuwendet.
Weiteres darüber vgl.
in den Artikeln »Ackerkulte«, »Baumkultus«, »Feuerdienst«, »Höhendienst«, »Quellenkultus«, »Sabäismus«, »Schlangenkultus«, »Sonnenkultus«,
»Steindienst«, »Tierdienst«.
(franz. naturel), der Inbegriff der ganzen leiblichen
Eigentümlichkeit des Individuums, sofern seine geistige dadurch bleibend beeinflußt wird. Dasselbe unterscheidet sich sowohl
von der leiblichen Natur, bei welcher von deren Einfluß auf den Geist abgesehen, als von dem Temperament (s. d.), bei welchem
nur der Einfluß des Nervensystems auf denselben berücksichtigt wird. Streng genommen hat jeder Mensch,
weil unter besondern äußern physikalischen Einflüssen (Boden, Klima, Nahrungsverhältnissen etc.) und von besondern Eltern
(Goethes »Frohnatur« von der Mutter, »Statur« und »des Lebens ernste Führung« vom Vater) geboren, sein eignes Naturell. Wird im weitern
Sinn die ganzen Familien, Stämmen, Völkern, die unter gemeinsamem Himmelsstrich und verwandten physischen Bedingungen leben,
sowie die Geschlechtern und Lebensaltern allenthalben gemeinschaftliche leibliche Beschaffenheit in Betracht gezogen, so läßt
sich von einem Familien-, Stammes-, Volks- sowie von einem Geschlechts- und Altersnaturell sprechen.
Südlichen Völkern wird ein hitziges, nördlichen ein kälteres Naturell beigelegt;
gewisse Familien, z. B. die der ersten römischen
Cäsaren, zeichneten sich durch ein erbliches Naturell (»Cäsarenwahnsinn«)
aus;
große Herrscherinnen, wie Elisabeth, Maria Theresia, Katharina II., vermochten doch niemals vollständig das Naturell des Weibes
zu verleugnen;
im Knaben, Jüngling, Mann und Greis äußert sich nach der berühmten Schilderung der Lebensalter in Horatius'
»Brief an die Pisonen« ein verwandeltes Naturell. Da sich die leibliche Konstitution bis zu einem gewissen Grade
durch künstliche Mittel (Diät, ausschließlicher Genuß gewisser Nahrungsstoffe, Vegetarismus) bleibend umstimmen läßt, wodurch
auch deren Einfluß auf das geistige und Gemütsleben sich ändert, so kann man im Gegensatz zum ursprünglichen (angebornen)
auch von einem anerzogenen (erworbenen) Naturell reden.
jährliche Versammlungen deutscher Naturforscher und Ärzte. Oken forderte
in seiner Zeitschrift »Isis« im J. 1821 auf, die Naturforscher möchten sich alljährlich zum Zweck geselligen und wissenschaftlichen
Verkehrs und Austausches einmal versammeln, nachdem Graf Sternberg schon 1815 solche Kongresse der Botaniker vorgeschlagen und
ein Kapital dafür gestiftet hatte. Am 18. Sept. 1822 fand zu Leipzig die Eröffnung der ersten Versammlung
statt.
Graf Sternberg war es auch, der A. v. Humboldt und den Minister v. Altenstein für diese durch Okens Auftreten einigermaßen diskreditierten
Versammlungen gewann und sowohl die erste großdeutsche Naturforscherversammlung in Berlin (1826) als in Wien (1832) zu stande
brachte. Damit waren die politischen Vorurteile überwunden, und seitdem hat mit wenigen durch Seuchen
oder Kriege veranlaßten Ausnahmen alljährlich vom 18. bis 25. Sept. eine solche Versammlung stattgefunden, und diese Einrichtung
ist auch von andern Kulturvölkern adoptiert sowie von andern Fachkreisen nachgeahmt worden. Aus den Statuten ist von allgemeinerm
Interesse nur das Folgende: Zutritt zu den
mehr
Versammlungen hat jeder, der sich wissenschaftlich mit irgend einem Zweig der Naturwissenschaft und der Medizin beschäftigt
hat; aber stimmberechtigtes Mitglied ist nur ein solcher, der sich, abgesehen von der Inauguraldissertation, noch als naturwissenschaftlicher
Schriftsteller bekannt gemacht hat. Die Versammlung hatte bis 1887 kein Vermögen, keinen bleibenden Vorstand, keinen festen
Wohnsitz; doch sind für die Zukunft Abänderungen geplant. Der Ort der Versammlung und die Geschäftsführer
derselben werden jedesmal für das folgende Jahr im voraus erwählt. Es finden öffentliche Sitzungen und Sitzungen der Sektionen
statt, deren Zahl bei der zweiten Berliner Versammlung (1886) bereits auf 30 gestiegen war. In neuerer Zeit haben
sich die Vertreter mehrerer Disziplinen, wie z. B. die Meteorologen, Anthropologen u. a.,
zur Abhaltung besonderer Jahresversammlungen vereinigt.