Gerlach an und beteiligte sich lebhaft an den politischen
Bewegungen. Von seinen wissenschaftlichen
Arbeiten sind hervorzuheben
die mikroskopischen Untersuchungen: »Das Wollhaar des
Schafs« (Berl. 1866) und »Über die Verwertung
der
Wolle nach geschehener Fabrikwäsche«
(Halle
[* 2] 1874);
Gemeinde im nordamerikan.
StaatMassachusetts, 20 km westsüdwestlich von
Boston,
[* 7] am Cochituatesee, mit
Fabriken
und (1880) 8479 Einw. Hier wurde 1860 die erste neuenglische Indianerkirche
gegründet.
(lat.,
Völkerschaft), ein nach Abstammung und
Geburt, nach
Sitte und
Sprache
[* 8] zusammengehöriger
Teil der Menschheit;
Nationalität, die Zugehörigkeit zu diesem. Nach heutigem deutschen Sprachgebrauch decken sich die
Begriffe
Nation und
Volk keineswegs, man versteht vielmehr unter
»Volk« die unter einer gemeinsamen
Regierung vereinigten
Angehörigen eines
bestimmten
Staats. Wie sich aber die
Bevölkerung
[* 9] eines solchen aus verschiedenen
Nationalitäten zusammensetzen kann, so können
auch umgekehrt aus einer und derselben Nation verschiedene Staatswesen gebildet werden.
Denn manche Nationen, und so namentlich die deutsche, sind kräftig genug, um für mehrere Staatskörper
Material zu liefern.
Das
Wort Nation bezeichnet, wie
Bluntschli sagt, einen Kulturbegriff, das
Wort
»Volk« einen Staatsbegriff. Man kann also z. B. sehr
wohl von einem österreichischen
Volk, nicht aber von einer österreichischen Nation sprechen. Zu beachten
ist ferner, daß nach englischem und französischem Sprachgebrauch der
Ausdruck Nation gerade umgekehrt das Staatsvolk (die sogen.
politische
Nationalität) bezeichnet, während für die Nation im deutschen
Sinn des
Wortes, für das Naturvolk (die sogen. natürliche
Nationalität), die
Worte Peuple (franz.) und
People (engl.) gebräuchlich sind.
In demBegriff der Nation liegt das
Bewußtsein der gemeinsamen Abstammung und das
Bewußtsein der Zusammengehörigen überhaupt:
das Nationalgefühl. Ebendieses nationale
Selbstbewußtsein ist es aber, welches zugleich den
Gegensatz zwischen der einen
und der andern Nation hervortreten läßt.
Kann zudem eine Nation auf eine große Vergangenheit zurückblicken,
oder nimmt sie unter den verschiedenen Nationen eine
besonders hervorragende
Stellung ein, so steigert sich das Nationalgefühl
zum Nationalstolz, während sich jener
Gegensatz zwischen verschiedenen
Nationalitäten zuweilen bis zum Nationalhaß verschafft.
Mit dem Nationalgefühl steht der nationale Selbsterhaltungstrieb im Zusammenhang; darum gilt jeder Nation die Nationalfreiheit
als
höchstes Gut, und die Nationalehre verbietet ihr die freiwillige Unterwerfung unter eine andre Nation. Aus
demselben
Grund ist auch jede Nation auf die
Erhaltung ihrer nationalen Eigentümlichkeiten bedacht, vor allem auf die der Nationalsprache,
denn auf dieser beruht zumeist das
Wesen der Nation,
und sie ist es, welche die Stammesgenossen am engsten
verbindet.
Dazu kommt bei den Kulturvölkerschaften eine gemeinsame
Nationallitteratur, in welcher die Nationalsitte ihren besten
Ausdruck
findet. Denn wie die Ausdrucksweise jeder Nation, d. h. ihre
Sprache, eine besondere ist, so pflegt es auch ihre
Anschauungs- und
Auffassungsweise auf dem sittlichen Gebiet, der Nationalcharakter, zu sein. Am leichtesten wird natürlich
einer Nation die
Erhaltung ihrer Selbständigkeit dann werden, wenn sie allein ohne anderweite nationale
Elemente einen
Staat bildet,
und ebendieser
Staat wird sich durch besondere
Stetigkeit und
Festigkeit
[* 10] auszeichnen,
weil er eine natürliche Grundlage hat.
Jedenfalls ist es für einen
Staat von großer Bedeutung, wenn eine Hauptnationalität dieBasis desselben
bildet. Sind aber in einem Staatswesen verschiedene
Nationalitäten vereinigt, so können für die politische Behandlungsweise
derselben folgende
Systeme zur Anwendung kommen:
1) das
System der Unterdrückung, welches z. B. von Rußland der polnischen Nation gegenüber
befolgt worden ist;
2) das
System der Verschmelzung, das altrömische und das französische
System;
3) das
System der Gleichberechtigung der verschiedenen
Nationalitäten, auch wohl das deutsche
System genannt,
welches aber auch in der
Schweiz
[* 11] mit bestem Erfolg angewendet worden ist. Verwerflich war dagegen die Art und
Weise, wie dieses
System früher zum
Zweck der
Erhaltung der österreichischen
Monarchie von österreichischen Staatsmännern, namentlich von
Metternich,
lange Zeit hindurch zur Anwendung gebracht worden ist, indem hier die einzelnen
Nationalitäten gegeneinander
aufgereizt und die eine durch die andre in
Schach gehalten wurden.
Das politische
Leben der Neuzeit hat die
Bildung nationaler
Staaten besonders begünstigt. Dies zeigt sich nicht nur in dem
erfolgreichen
Streben der in verschiedene
Staaten zersplitterten Nationen nach einem einheitlichen Staatswesen,
wie dies namentlich in
Italien
[* 12] und
Deutschland
[* 13] der
Fall war, sondern auch in den Bestrebungen verschiedener zu einem gemeinsamen
Staatskörper vereinigte
Nationalitäten nach politischer Selbständigkeit, wie in
Österreich-Ungarn.
[* 14]
Man hat es sogar geradezu als ein politisches
Prinzip hingestellt, daß jede Nation es als ihrRecht beanspruchen
könne, einen besondern
Staat zu bilden
(Nationalitätsprinzip). Allein dieser
Grundsatz kann in seiner radikalen Auffassung
und Ausführung, wie ihn
Napoleon III. zur Grundlage seiner
Politik erhoben hatte, nicht gutgeheißen werden. Denn nicht jede
Nation hat die
Kraft,
[* 15] einen lebensfähigen
Staat zu bilden, und umgekehrt sind manche Nationen kräftig und
vielseitig genug, um die Grundlage für verschiedene
Staaten abgeben zu können. Daß übrigens
Napoleon III. das
Nationalitätsprinzip
zumeist nur als
Mittel zur Erreichung selbstsüchtiger
Zwecke¶
mehr
benutzt hat, geht am besten aus seiner Handlungsweise Mexiko
[* 17] gegenüber sowie aus der Annexion von Savoyen und Nizza,
[* 18] welche
zu diesem Prinzip im direkten Gegensatz standen, hervor. Immerhin muß aber die nationale Theorie, wonach der Staat auf wesentlich
nationaler Grundlage beruhen soll, freilich mit der gehörigen historischen Einschränkung, dem einseitigen
Festhalten an dem sogen. Legitimitätsprinzip (s. d.)
und der Gleichgewichtstheorie des WienerKongresses gegenüber als ein wichtiger Fortschritt in der Entwickelung des politischen
Völkerlebens bezeichnet werden.