ein
Kauf, bez. Verkauf auf
Kredit mit Ratenzahlung, Vorbehalt des
Eigentums bis zur vollständigen
Zahlung des Kaufpreises und
einer Verfallklausel des
Inhalts, daß die einmal geleisteten
Zahlungen auf jeden
Fall dem Verkäufer verfallen
sein sollen,
dann der gewerbsmäßige Betrieb solcher
Abzahlungsgeschäfte (Warenabzahlungsgeschäfte, Warenkreditbazare etc.).
Dem Wortsinn nach ist eigentlich jeder Kauf auf Kredit mit Ratenzahlung ein Abzahlungsgeschäft, doch wird dieses Wort in neuester Zeit in der obigen ganz speziellen Bedeutung genommen.
Nach positivem Recht geht nämlich beim Kreditkauf, ebenso wie beim Barkauf, das Eigentum an dem Gegenstand regelmäßig mit dessen Übergabe auf den Käufer über.
Will sich also beim Kreditkauf der Verkäufer bis zur vollständigen Abzahlung des Kaufpreises das Eigentum vorbehalten, so muß er dies ausdrücklich mit dem Käufer vereinbaren und kann dann, sobald der Käufer auch nur mit einer Rate im Rückstand bleibt, die Sache zurücknehmen;
ist nun dem
Vertrag auch noch die
oben
erwähnte Verfallklausel hinzugefügt, so braucht der Verkäufer, auch wenn
er den Gegenstand wieder zurücknimmt,
die bereits geleisteten Beträge nicht mehr herauszugeben, sie sind zu seinen gunsten verfallen.
An und für sich kann jede
Ware, auch
Wertpapiere, Gegenstand eines
Abzahlungsgeschäfts sein, am häufigsten aber werden
Maschinen (namentlich
Nähmaschinen),
[* 2] musikalische
Instrumente (namentlich
Klaviere) auf Abzahlung verkauft;
ferner Möbel, [* 3] Betten (überhaupt Hauseinrichtungsgegenstände), Kleider, Stiefel, Hüte, Schirme, Uhren, [* 4] Öldruckbilder etc. Gewerbsmäßig betrieben wird das Abzahlungsgeschäft nur bezüglich der letztgenannten Artikel (des täglichen Gebrauchs) und zwar in den sogen. Warenabzahlungsgeschäften oder Warenkreditbazaren, die sich übrigens oft unter Bezeichnungen wie: Ausstattungsgeschäft, Warenbazar etc. verbergen.
Beim Abschluß des Abzahlungsgeschäfts muß der Käufer gewöhnlich einen Vertrag unterschreiben, der außer andern, weniger wesentlichen, die obigen wesentlichen Bestimmungen enthält, ferner wird ihm ein Quittungsformular (in Form einer Karte oder eines Büchelchens, sogen. Kontrabuch) ausgehändigt, in welchem die Zahlungen quittiert werden, und das ebenfalls die Vertragsbedingungen enthält.
Der Vertrag selbst ist entweder ein eigentlicher Kaufvertrag oder ein Mietvertrag (fälschlich oft als Leihvertrag bezeichnet).
In letzterm wird vereinbart, daß z. B. das Geschäft X eine Ware dem Y gegen einen monatlichen (oder wöchentlichen) Mietzins (fälschlich Leihgebühr) vermietet (leiht), daß bei Nichtentrichtung des Mietzinses der Vertrag aufgehoben sein soll, daß dagegen, wenn die Summe der geleisteten Mietzinsen eine bestimmte Höhe (die Höhe des Abzahlungskaufpreises) erreichen wird, der Mietgegenstand in das Eigentum des Mieters übergehen soll, also analoge Bedingungen wie beim Kaufvertrag.
Der Mietvertrag ist hauptsächlich in norddeutschen und aus Norddeutschland stammenden Geschäften üblich (wohl hauptsächlich wegen der ungünstigen Behandlung des Eigentumsvorbehalts beim Kauf durch das preußische Landrecht).
Das Abzahlungssystem stammt aus England und Nordamerika [* 5] und wurde in Deutschland [* 6] zuerst beim Verkauf von Nähmaschinen angewendet. In Deutschland wurde das erste eigentliche Warenabzahlungsgeschäft 1854 in Hamburg [* 7] errichtet, von wo sich diese Geschäfte rasch über ganz Deutschland ausbreiteten und stark vermehrten.
Gegenwärtig gibt es in Berlin [* 8] über 100 eigentliche Warenabzahlungsgeschäfte, in München [* 9] 17 (im J. 1878: 4), in Leipzig [* 10] 12, in Mannheim [* 11] 5. Der gegenwärtige Umfang des Abzahlungsgeschäfts überhaupt geht aus der Thatsache hervor, daß im Handelskammerbezirk Bielefeld [* 12] nahezu zwei Drittel aller Nähmaschinen auf Abzahlung gekauft werden.
Über die volkswirtschaftliche Berechtigung der Abzahlungsgeschäfte hat sich in den letzten Jahren ein lebhafter Streit entsponnen.
Vor allem hat man, und mit Recht, die Härte und ökonomische Unbilligkeit getadelt, welche darin liegt, daß ein vielleicht ganz schuldlos in augenblickliche Zahlungsunfähigkeit geratener Käufer die gekaufte Sache herausgeben muß und die bereits geleisteten Beträge, welche den Kaufpreis vielleicht nahezu erreicht haben, verlieren soll.
Dagegen hat sich durch die thatsächlichen Erhebungen die Meinung als ungerechtfertigt erwiesen, als ob die Abzahlungsgeschäfte gegen ihre Kunden inkulant seien, schon bei der ersten Zahlungsstockung die ihnen vertragsmäßig zustehenden Rechte aufs äußerste ausnützten, ja, daß die Abzahlungsgeschäfte bloß deshalb gegründet worden seien, um mittellose Leute (denn aus diesen rekrutiert sich der Natur der Sache nach das Kundenpublikum dieser Geschäfte) ausbeuten zu können.
Man hat ferner gesagt, daß die in die Augen springende Bequemlichkeit des Abzahlungssystems die unbemittelten Volksklassen dazu verleite, mit Hilfe des Kredits Ausgaben zu machen, welche sich durch ein dringendes Bedürfnis nicht rechtfertigen lassen.
Auch wird behauptet, daß die Abzahlungsgeschäfte, trotzdem sie durch Eigentumsvorbehalt etc. sich einigermaßen sicherstellen können, doch infolge des immerhin großen Risikos einen hohen Preis bei geringer Qualität der Ware berechnen müssen, um so mehr, da sie bestrebt seien, einen außergewöhnlichen Gewinn zu machen.
Dies ist thatsächlich richtig, hat aber seinen Grund nicht im Abzahlungssystem als solchem, sondern in dem Umstand, daß das Abzahlungsgeschäft sozusagen ein Monopol der unreellen Elemente in der Geschäftswelt ist, indem die reellen Kaufleute vor dem Kreditieren an unsichere Leute zurückschrecken, die unsoliden dagegen das Kreditsystem benutzen, um sich einen Absatz zu verschaffen, den sie sonst nicht hätten.
Allen diesen Nachteilen gegenüber muß man anderseits zugestehen, daß beim Handel mit Werkzeugen und Maschinen (z. B. Nähmaschinen) wenigstens das System der Abzahlung einen sehr schwerwiegenden Vorteil dadurch bietet, daß es arbeitsfähigen und arbeitslustigen, aber unbemittelten und deshalb sonst kreditlosen Leuten die einzige Möglichkeit gewährt, sich die nötigen Produktionsmittel auf dem Weg des Kredits zu verschaffen, weshalb man mit Recht das Abzahlungssystem als für Handwerker und Hausindustrielle unentbehrlich bezeichnet.
Die von den Gegnern der Abzahlungsgeschäfte zur Abhilfe empfohlenen Maßregeln beruhen teils auf Staats-, teils auf Selbsthilfe.
Die Staatshilfe wird in Anspruch genommen durch den Vorschlag, Eigentumsvorbehalt oder Verfallklausel oder beides für rechtsunwirksam zu erklären.
Aber abgesehen davon, daß es immerhin mißlich ist, eine so einschneidende Änderung des Zivilrechts um der Schädlichkeit einer einzelnen volkswirtschaftlichen Erscheinung willen vorzunehmen, würde eine solche gesetzliche Bestimmung das Abzahlungssystem nicht nur von seinen Auswüchsen befreien, sondern ganz unmöglich machen.
Andre möchten die Abzahlungsgeschäfte den gewerbepolizeilichen Beschränkungen unterworfen wissen, denen die ¶
Pfandleihgeschäfte nach den § 34, 38 und 53 der Reichsgewerbeordnung unterliegen.
Allein eine solche polizeiliche Überwachung könnte bloß nach formalen Gesichtspunkten durchgeführt werden;
hierdurch würden zwar die schlimmsten Vorfälle vermieden, aber doch keine durchgreifende Abhilfe geschaffen.
Diejenigen, welche zur Reform durch Selbsthilfe ihre Zuflucht nehmen, beschränken sich entweder darauf, dem Publikum anzuempfehlen, in Abzahlungsgeschäften nicht zu kaufen oder beim Einkauf in denselben wenigstens die größte Vorsicht obwalten zu lassen, oder sie verlangen, daß durch Förderung der Sparkassen und ähnlicher Einrichtungen der Sparsinn der Bevölkerung [* 14] gehoben und auf diesem Weg das Kreditsystem, soweit es schädlich wirkt, durch das Barsystem allmählich verdrängt werde, eine sehr schöne, aber weitaussehende Idee.
Alle gemachten Vorschläge scheitern an der Verkennung des Umstandes, daß nicht das Abzahlungssystem als solches, obwohl dasselbe Schattenseiten hat, verwerflich ist, sondern die Art und Weise, wie dasselbe gegenwärtig betrieben wird.
Angesichts des Widerstreits der Meinungen und der Schwierigkeit der gesetzlichen Regelung wird es wohl bezüglich der Abzahlungsgeschäfte vorderhand beim alten bleiben.
R. Wagner in Dresden. [* 15] Interessant ist Ihnen vielleicht folgende Notiz: Die am in Salzburg [* 16] verstorbene Witwe des italienischen Generalleutnants Cavaliere Soten de Recagni, geborne Gräfin Leopoldine Firmian, setzte in ihrem Testament das Gesamterträgnis ihres Vermögens (ca. 3200 Lire) zu Stipendien à 100 Gulden für evangelische Waisenkinder, in erster Linie aus Salzburg, aus, indem sie glaube, dadurch einen Teil der Schuld und Härte abzutragen, mit der ein Glied [* 17] ihrer Familie in allzu fanatischer Weise einst so viele unschuldige protestantische Familien in Verderben und Armut gejagt habe.
Robert von Paris [* 18] in Warschau. [* 19]
In den Schriften des Herrn Jacolliot haben Sie es mit völlig unwissenschaftlichen und phantastischen Dingen zu thun.
Dieselben haben mehrere Gegenäußerungen hervorgerufen, so von J. ^[Julien] Vinson in der »Revue de linguistique«, von Paul Regnard (»Une mystification scientifique: Les ouvrages de M. Jacolliot«, in der »Revue lyonnaise«, Bd. 1),
von dem Missionär Pedro Gual (»A Indian Christan, ou cartas biblicas contra os livros de Luis Jacolliot: A Biblia na India« e »Os filhos de Deus«, Par. 1881).
Nach einer Notiz in Lorenz' Bibliographie, welche außer den von Ihnen angeführten Schriften »Christna et Christus«, »Les fils de Dieu« noch eine große Anzahl andrer Erzeugnisse Jacolliots verzeichnet, ist derselbe 1837 in Charolles (Saône-et-Loire) geboren und war früher Beamter in Indien u. Tahiti. [* 20]
J. A. in München. Über den Antrag »Ampach und Gen.«, betreffend die Aufhebung des Identitätsnachweises im Getreidehandel, ist der Reichstag vorerst zur Tagesordnung übergegangen;
doch wird man jedenfalls auf die vielbesprochene Sache zurückkommen.
Die schwierige Frage ist im wesentlichen diese: Durch die Getreidezölle ist der Preis des in Deutschland produzierten ebenso wie des vom Ausland nach Deutschland importierten Getreides erheblich erhöht worden.
Hierdurch wurde die deutsche Mühlenindustrie, welche zugleich eine wichtige Exportindustrie ist, sehr geschädigt, weil sie zur Herstellung ihrer Mehlfabrikate auf den Import von ausländischem Getreide [* 21] angewiesen.
Die Reichsgesetzgebung gestand daher der deutschen Mühlenindustrie 1882 für den Export von Mehl [* 22] die Aufhebung des Identitätsnachweises zu, d. h. der Müller, welcher Getreide vom Ausland importiert und dafür Mehl nach dem Ausland exportiert, braucht nicht die Identität seines Mehls mit dem vom Ausland bezogenen Korn nachzuweisen;
er bekommt vielmehr, wenn er eine entsprechende Mehlquantität exportiert, den Zoll erstattet, welchen er für das bezogene ausländische Getreide zu zahlen hatte.
Diese Vergünstigung will man nun auch dem Getreidehandel zuwenden und zwar in folgender Weise: Wer deutsches Getreide nach dem Ausland exportiert, soll dafür die entsprechende Quantität Getreide aus dem Ausland nach Deutschland zollfrei importieren dürfen.
Der deutsche Exporteur erhält bei dem Export eine Bescheinigung, welche zur zollfreien Einfuhr der entsprechenden Quantität ermächtigt.
Diese »Einfuhrvollmacht« soll auf den Inhaber lauten und kann also auf einen andern übertragen werden. So kann z. B. A in Königsberg [* 23] 5 Ton. ostpreußischen Roggen nach Schweden [* 24] exportieren, er begibt seine Einfuhrvollmacht für 5 T. Roggen an B in Mannheim, der nun dafür in Konstanz [* 25] 5 T. ungarischen Roggen zollfrei importieren kann.
Diese Maßregel wird namentlich von den Landwirten in den östlichen Provinzen Preußens [* 26] lebhaft befürwortet, weil dort mehr Getreide produziert, als in den betreffenden Landschaften konsumiert wird.
Sie wird aber auch von den Interessenten des Handels in den Hafenplätzen der Ostsee angestrebt, weil dort früher ein lebhafter Getreideexporthandel bestand, der jetzt neu belebt werden soll.
Durch die Getreidezölle ist nämlich das deutsche Getreide so verteuert, daß sein Export jetzt nur wenig oder gar nicht mehr lohnend ist, weil der deutsche Preis den Weltmarktspreis erheblich übersteigt.
Der fragliche Vorschlag würde nun die deutschen Exporteure in den Stand setzen, den Exportpreis niedriger zu stellen als den Inlandspreis, um so mit deutschem Getreide auf dem Weltmarkt konkurrieren zu können.
Die süddeutschen Landwirte dagegen sind fast durchweg gegen die geplante Maßregel und zwar namentlich um deswillen, weil durch die Übertragbarkeit der Einfuhrvollmachten die zollfreie Einfuhr großer Getreidemengen in Süddeutschland ermöglicht werden würde, während süddeutsches Getreide nur wenig exportiert werden kann.
Auch wird geltend gemacht, daß man statt der exportierten geringwertigen Getreidesorten Getreide von besserer Qualität, z. B. statt des in Königsberg exportierten ostpreußischen Rauhweizens feinsten indischen Weizen, statt der ausgeführten ostpreußischen Futtergerste in Lindau [* 27] feinste Brauergerste, zollfrei einführen könne.
Endlich wird auch von den Gegnern hervorgehoben, daß durch die Annahme jenes Vorschlags die Getreidepreise [* 28] noch mehr Gegenstand der Spekulation werden würden, als dies schon jetzt der Fall sei.
Übrigens gehören zu diesen Gegnern auch Anhänger des Freihandelssystems, welche den Antrag namentlich um deswillen bekämpfen, weil dadurch keine billigern, sondern voraussichtlich höhere Getreidepreise zu gunsten der Großgrundbesitzer in den östlichen Provinzen erzielt werden würden, während die Reichskasse einen nicht geringen Einnahmeausfall erleiden würde.
Jedenfalls ist, wie auch der Fürst Bismarck erklärt hat, die Sache noch nicht spruchreif, und ebendeshalb hat der Reichstag die Frage noch unentschieden gelassen.
Steuerrat Decker in Beerfelden.
Beruht auf einem Schreibfehler, es muß im Art. »Kopernikus«, S. 65, 1. Spalte, Zeile 16 von oben: geozentrisch (statt geometrisch) heißen. ¶