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Handelsvertrag mit England (1860) erworben. Unter dem Eindruck der unversöhnlichen Mißstimmung der Nation ließ sich Napoleon 1870 wider seinen Willen von seiner durch die Jesuiten beherrschten Gemahlin und seiner Umgebung zum Krieg mit Preußen [* 2] drängen (s. Deutsch-französischer Krieg). Er teilte die Siegeszuversicht der Hofpartei nicht; sein Mangel an Vertrauen zu sich selbst und seine Krankheit raubten ihm den letzten Rest von Energie und Thatkraft in der Führung der Armee, deren Oberbefehl er schon 12. Aug. niederlegte. Er hatte nicht den Mut, von Metz [* 3] nach Paris [* 4] zurückzukehren, sondern begab sich mit seinem Sohne nach Châlons und schloß sich rat- und thatlos dem Marschall Mac Mahon an. Der Tag von Sedan [* 5] (1. Sept.) besiegelte sein Schicksal. Nachdem »es ihm nicht gelungen, den Tod zu finden«, gab er sich kriegsgefangen, wagte aber nicht die Verantwortung für Friedensverhandlungen zu übernehmen, sondern machte 2. Sept. bei Bismarck nur einen Versuch, die Kriegsgefangenschaft des Heers abzuwenden. Noch an demselben Tag reiste er nach dem ihm angewiesenen Aufenthalt, Schloß Wilhelmshöhe, ab und begab sich nach Abschluß des Präliminarfriedens im März 1871 zu seiner Familie nach Chiselhurst, nachdem er gegen seine Absetzung durch die Nationalversammlung zu Bordeaux [* 6] (1. März) am 6. d. M. protestiert hatte. In Chiselhurst starb er an den Folgen einer Steinoperation.
Napoleon hatte in seinem Äußern wenig vom Bonapartischen Familientypus; auch sein Phlegma, seine träumerische Apathie wiesen auf andern als corsischen Ursprung hin. Von Natur war er sanft und wohlwollend, seinen Freunden und Dienern treu und dankbar; seine geistige Begabung war nicht unbedeutend, wenn auch nicht schöpferisch. Seine Kenntnisse waren vielseitig, er wußte sie nach allgemeinen Gesichtspunkten zu ordnen und seine Gedanken in guter Sprache [* 7] auszudrücken, nur neigte er etwas zum Doktrinarismus.
Sein Verhängnis war sein Prätendententum; die Schuld des Staatsstreichs lastete schwer auf ihm, und sein Regierungssystem mußte an dem unversöhnbaren Widerspruch zwischen Despotismus und Volkssouveränität scheitern. Sein Sturz ist deswegen ein so tragischer, weil er nicht einmal Mitleid, sondern nur Verwünschungen, Hohn und Spott bei der ganzen Nation hervorrief. Nur die italienische Nation hat ihm ein dankbares Andenken bewahrt u. ihm 1879 in Mailand [* 8] ein Standbild errichtet.
Seine Werke erschienen gesammelt als »Œuvres de Napoléon III« (Par. 1854-69, 5 Bde.; deutsch von Richard, Leipz. 1857-58, 4 Bde.). Kleinere Schriften sind: »Politique de la France en Algérie« (Par. 1865);
»Carte de la situation militaire en Europe« (das. 1868);
»Titres de la dynastie Napoléonienne« (das. 1868);
»Progrès de la France sous le gouvernement impérial« (das. 1869);
»Forces militaires de la France« (das. 1872).
Sein Hauptwerk ist die »Histoire de Jules César« (Par. 1865-1866, 2 Bde.; deutsch, Wien [* 9] 1865-66),
deren zweiter Band [* 10] wegen der gründlichen Studien über den gallischen Krieg wertvoll ist. Nach seinem Tod erschienen: »Œuvres posthumes; autographes inédits de Napoleon III en exil« (Par. u. Lond. 1873).
Vgl. Gottschall, Napoleon III. Eine biographische Studie (2. Aufl., Liegn. 1871);
v. Sybel, Napoleon III. (Bonn [* 11] 1873);
Delord, Histoire du second Empire (Par. 1869-75, 6 Bde.);
Jerrold, The life of Napoleon III. (Lond. 1877, 3 Bde.);
Simson, Die Beziehungen Napoleons III. zu Preußen und Deutschland [* 12] (Freiburg [* 13] 1882).
Erbe seiner Rechte und Haupt der Napoleonischen Dynastie wurde sein einziger Sohn, der kaiserliche Prinz Napoleon Eugène Louis Jean Joseph, geb. in den Tuilerien, das »Kind von Frankreich«, auch Lulu genannt. Er wurde sorgfältig erzogen und sollte 1870 sich die ersten Kriegslorbeeren erwerben. Bei Saarbrücken [* 14] 2. Aug. feuerte er eine Mitrailleuse ab, flüchtete mit seinem Vater von Metz nach Châlons, von da über Belgien [* 15] nach Chiselhurst, worauf er nach dem Tod seines Vaters die Artillerieschule zu Woolwich besuchte und beim Eintritt seiner Großjährigkeit von der bonapartistischen Partei feierlich in Chiselhurst als Napoleon IV. zu ihrem Haupt und Prätendenten erklärt wurde.
Nachdem er sich bei verschiedenen Höfen vergeblich um die Hand [* 16] einer Prinzessin beworben, begab er sich, um eine Zeitlang von der seinem bescheidenen und aufrichtigen Charakter wenig entsprechenden Prätendentenrolle befreit zu sein, im Februar 1879 nach dem Kapland, um am Zulukrieg teilzunehmen. Hier wurde er bei einem Rekognoszierungsritt am Ityolyosifluß 1. Juni von den Zulu erschlagen. Seine Leiche ward neben der seines Vaters 1887 in einem Mausoleum zu Farnborough beigesetzt.
Vgl. Barlee, Life of Prince imperial of France (Lond. 1880).