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Marmontel u. a., mit Originaldichtungen hervor und fanden sofort ebenbürtige musikalische Mitarbeiter in Philidor, Monsigny und Grétry, welch letzterer 1768 mit Marmontels »Huron« in Paris [* 2] debütierte und seitdem mit Recht der Liebling des französischen Publikums war; denn er gab der komischen Oper diejenige Vollendung, durch welche sie, wie O. Jahn bemerkt, noch heute die echte Repräsentantin des nationalen Charakters der Franzosen auf dem Gebiet der dramatischen ist.
Einen ähnlichen Umschwung bewirkte die Opera buffa in Deutschland, [* 3] wenn auch hier die Bedingungen zur Ausbildung einer nationalen Oper weit weniger günstig waren als in Frankreich. Inmitten des Elends, welches der Dreißigjährige Krieg im Gefolge gehabt, war das deutsche Nationalbewußtsein so tief gesunken, daß man sich der geistigen Fremdherrschaft willig unterworfen hatte, und namentlich war die Opernbühne ausschließlich in den Händen der Italiener oder doch solcher Deutschen, die, wie Fux in Wien [* 4] (gest. 1741), Graun in Berlin [* 5] (gest. 1759), Hasse in Dresden [* 6] (gest. 1783), sich künstlerisch ganz und gar italienisiert hatten.
Von den deutschen Fürsten war eine Änderung dieser Zustände vorläufig nicht zu erwarten; selbst der patriotischte unter ihnen, Friedrich d. Gr., wollte bekanntlich von einer vaterländischen Kunst nichts wissen, und seine Äußerung, »er wolle lieber von einem Pferd [* 7] sich eine Arie vorwiehern lassen als an seiner Oper eine deutsche Sängerin anstellen«, beweist, daß er für die Musik keine Ausnahme machte. Die einzige Stadt Deutschlands, [* 8] welche sich bald nach dem Dreißigjährigen Krieg dem Einfluß des Auslandes mit Erfolg zu entziehen suchte, war Hamburg, [* 9] wo nicht nur die deutsche Kirchen- und Kammermusik während des 17. Jahrh. eine besonders bereitwillige Pflege gefunden hatte, sondern auch 1678 eine nationale Opernbühne ins Leben gerufen war.
Da es derselben jedoch an Dichtern fehlte, welche fähig gewesen wären, dem Geschmack der Gebildeten und dem des Volkes gleichzeitig Genüge zu leisten, und der letztere aus materiellen Gründen mehr und mehr die Oberhand gewann, so sank die Hamburger Oper nach kurzer Blüte [* 10] wieder herab und artete schließlich zur gemeinen Posse aus. Im J. 1738, nachdem die angesehensten Musiker Deutschlands, Reinhard Keiser, Mattheson, zeitweilig auch Händel, sich vergebens bemüht hatten, ihr das Leben zu fristen, mußte sie geschlossen werden, und die Italiener konnten nun auch in Hamburg ihren siegreichen Einzug halten.
Auch der Aufschwung, den die deutsche Dichtung um diese Zeit mit Gottsched nahm, vermochte zur Hebung [* 11] der deutschen Oper nicht beizutragen, vielmehr geriet sie noch weiter in Mißkredit, nachdem der genannte Professor in seiner »Kritischen Dichtkunst« (1729) die Oper als »das ungereimteste Werk« bezeichnet hatte, »das der menschliche Geist jemals erfunden habe«, und selbst Männer wie Gleim und Lessing das deutsche Singspiel (Operette) als kulturfeindlich bekämpft hatten. Es bedurfte des in Frankreich gegebenen Beispiels, um die Aufmerksamkeit der künstlerischen Kreise [* 12] Deutschlands aufs neue dieser Kunstgattung zuzuwenden, sowie des Talents des Dichters Chr.
Fel. Weiße und des Komponisten J. A. ^[Johann Adam] Hiller (beide in Leipzig), [* 13] um die Abneigung der Gebildeten gegen das deutsche Singspiel zu überwinden. Das von den letztgenannten verfaßte Singspiel »Der Teufel ist los, oder: die verwandelten Weiber« fand bei seinem ersten Erscheinen (1765) ungeteilten Beifall, und die weitern Opern Hillers, namentlich »Der Dorfbarbier« und »Die Jagd«, wurden schnell in ganz Deutschland beliebt, obwohl man sich allerorten für ihre Darstellung mit untergeordneten, von der italienischen Oper verschmähten Gesangskräften begnügen mußte.
Einen noch günstigern Boden für ihre Entwickelung fand die deutsche Oper in Wien, nachdem in demselben Jahr Joseph II. den Thron [* 14] bestiegen und der nationalen Kunst seine Teilnahme zugewendet hatte. Unter seiner persönlichen Fürsorge gewann die Operette bald ein solches Ansehen, daß selbst ein Goethe ihr seine Thätigkeit widmete, und als endlich Wolfgang Amadeus Mozart (1756-91), der bis dahin ausschließlich für die italienische Oper thätig gewesen war, unter dem Schutz des Kaisers seinen Lieblingswunsch, eine deutsche Oper zu komponieren, verwirklichen konnte (die 1782 zum erstenmal aufgeführte »Entführung aus dem Serail«),
trat auch in Deutschland die nationale Oper ins Leben.
Noch weit wichtigere Dienste [* 15] aber leistete Deutschland während des 18. Jahrh. der Tonkunst auf dem Felde der Instrumentalmusik, welche im Verlauf desselben durch Joseph Haydn (1732-1809), Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven (1770-1827) derart vervollkommt war, daß sie nunmehr der Vokalmusik ebenbürtig zur Seite stehen konnte. Wie Bedeutendes auch diese Meister in allen Gattungen der Komposition geschaffen haben, so liegt doch der Schwerpunkt [* 16] ihrer Leistungen in der Ausbildung der cyklischen Instrumentalformen: der Sonate, des Streichquartetts, der Orchestersymphonie. In diesen Gattungen, welchen allen die Form der modernen Sonate zu Grunde liegt, konnte die Kunst des Tondichters sich um so reicher entfalten, als hier die einzelnen Sätze untereinander organisch verbunden sind, im Gegensatz zu den ältern Instrumentalformen, der Partita und der Suite, in welchen eine Anzahl von Tonstücken, vorwiegend Tänze, zwar cyklisch aneinander gereiht, doch ohne innere organische Beziehung zu einander erscheinen.
Was den Ursprung der erstern, künstlerisch ungleich höher stehenden cyklischen Form betrifft, so ist derselbe auf die dreiteilige Opernouvertüre zurückzuführen, in der Gestalt, welche sie in Italien [* 17] durch A. Scarlatti erhalten hatte, nämlich mit einem Anfang und Schlußsatz in lebhafter, und einem Mittelsatz in langsamer Bewegung. Bei immer zunehmender Ausdrucksfähigkeit der Instrumente hatte man begonnen, diese Ouvertüre auch außerhalb des Theaters, zu Konzertzwecken, zu benutzen, was in der Folge zu einer Trennung und innern Durchbildung der drei Sätze führte, wobei jedoch die Einheit des Ganzen nicht aus dem Auge [* 18] gelassen wurde.
Als das Ergebnis dieses Prozesses entstand das schon erwähnte italienische Violinkonzert des Vivaldi und die Klaviersonate des Ph. Em. Bach, beide Muster der Sonatenform, welche von Haydn und Mozart zwar mit neuem, reichem Geist erfüllt, im wesentlichen jedoch (abgesehen von der Hinzunahme eines vierten Satzes, des der Suite entlehnten Menuetts) unverändert gelassen wurde. Beethoven endlich war es vorbehalten, diese Form bis zur äußersten Grenze ihrer Erweiterungsfähigkeit zu führen und sie, wie R. Wagner in seiner Schrift »Zukunftsmusik« sagt, »mit einem so unerhört mannigfaltigen und hinreißenden melodischen Inhalt zu erfüllen, daß wir heute vor der Beethovenschen Symphonie wie vor dem Markstein einer ganz neuen Periode der Kunstgeschichte überhaupt stehen; denn durch sie ist eine Erscheinung in die Welt getreten, von welcher die Kunst keiner Zeit und keines Volkes ¶
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etwas auch nur annähernd Ähnliches aufzuweisen hat. Indem hier die eine Sprache [* 20] redet, die mit ihrer freien und kühnen Gesetzmäßigkeit uns mächtiger als alle Logik dünken muß, während doch das vernunftgemäße, am Leitfaden von Grund und Folge sich bewegende Denken hier gar keinen Anhalt [* 21] findet, muß uns Beethovens Symphonie geradeswegs als eine Offenbarung aus einer andern Welt erscheinen.«
Wie nach jeder schöpferisch reichen Kunstepoche sich das Bestreben zeigt, das in der Praxis Errungene auch theoretisch zu rechtfertigen und zu befestigen, so folgte auch dem Aufschwung der dramatischen und der Instrumentalmusik eine rege Thätigkeit seitens der Theoretiker. Während die großen Tonlehrer der frühern Epoche, der schon genannte Venezianer Zarlino und der als Kapellmeister in Bologna 1678 gestorbene Bononcini, die polyphone Gesangsmusik zur Grundlage des Kompositionsstudiums gemacht hatten, nehmen die Methoden Rameaus und J. S. Bachs ihren Ausgangspunkt von den Klaviaturinstrumenten.
Die Harmonie, der Akkord, ist nach ihrer Auffassung nicht mehr das zufällige Ergebnis des Zusammenerklingens zweier oder mehrerer Melodien, sondern die notwendige, durch die Natur gegebene Ergänzung jeder einzelnen Tonreihe, wie dies Rameau an den zu jedem Ton miterklingenden Obertönen (am deutlichsten die Oktave, Quinte und Terz), der Violinist Tartini in seinem 1754 erschienenen »Trattato di musica« an dem sogen. Kombinationston, d. h. einem zu zwei höhern Tönen mitklingenden tiefern Ton, nachzuweisen suchten.
Die so begründete harmonische Vervollständigung der Melodie darzustellen, war die Aufgabe des Generalbasses, und da der ihn ausführende Künstler sich keineswegs darauf beschränkte, die bloßen durch die Ziffern angezeigten Akkorde hören zu lassen, sondern die melodischen Motive auch in der Begleitung kunstgemäß zu verwerten hatte, so wurde die Kunst des Generalbaßspielens nach und nach zum Inbegriff alles dessen, was zur Technik der Tonsetzkunst gehörte. In dieser Bedeutung erscheint sie in dem 1711 veröffentlichten Werk des Dresdener Kapellmeisters J. D. ^[Johann David] Heinichen: »Der Generalbaß in der Komposition«, wie auch in den von J. S. Bach hinterlassenen »Vorschriften und Grundsätze zum vierstimmigen Spielen des Generalbaß oder Akkompagnement«; und wenn auch Fux in seinem »Gradus ad Parnassum« (1725) und später der Bologneser Giambattista Martini in seinem »Saggio di contrappunto« (1774) auf die ältere Methode zurückgingen, so behauptete sich doch die auf den Generalbaß gegründete Lehre, [* 22] namentlich seitdem sie durch die Berliner [* 23] Theoretiker Kirnberger (»Kunst des reinen Satzes«, 1774) und Marpurg (»Abhandlung von der Fuge«, 1753) vervollständigt war, für die Folgezeit als die herrschende.
Zur Verdrängung der ältern Lehre wirkte noch der Umstand mit, daß die durch Ausbildung des Einzelgesanges und dessen Begleitung veränderte Stellung und wesentliche Bereicherung der Harmonie eine Vereinfachung des Tonsystems zur notwendigen Folge gehabt hatte. Um das auf harmonischem Gebiet Errungene, um die besonders nach Einführung der gleichschwebenden Temperatur gewonnene unbeschränkte Freiheit im Modulieren völlig zu genießen, verzichtete man auf die melodische Mannigfaltigkeit der Kirchentonarten und begnügte sich von nun an mit zwei Tonarten: die Oktavengattungen mit großer Terz wurden auf die ionische, die mit kleiner Terz auf die äolische zurückgeführt, und damit war das bis zur Gegenwart herrschend gebliebene Dur- und Mollsystem endgültig angenommen.
Zu diesen Fortschritten kommt noch der für die Musik des 18. Jahrh. charakteristische Aufschwung der Musikwissenschaft. Die Geschichte der Musik, von frühern Schriftstellern nur gelegentlich berührt und meist in phantastischer Weise behandelt (wie z. B. in der 1650 zu Rom [* 24] erschienenen »Musurgia universalis« des Jesuiten Athanasius Kircher),
wird ein Gegenstand systematischen Studiums. Als einer der ersten namhaften Musikhistoriker erscheint in Deutschland der Sorauer Kantor Printz mit seiner 1690 veröffentlichten »Historischen Beschreibung der edeln Sing- und Klingkunst«; ihm folgen Marpurg (»Historisch-kritische Beiträge«, 1754-60),
J. A. ^[Johann Adam] Hiller (»Lebensbeschreibungen berühmter Tonkünstler«, 1784) und Forkel (»Geschichte der Musik«, 1788-1801, und »Allgemeine Litteratur der Musik«, 1792). In Italien wirken auf demselben Gebiet und mit gleichem Erfolg der oben genannte Padre Martini (»Storia della musica«, 1775-81) und Arteaga (»Le [* 25] revoluzioni del teatro musicale italiano«, 1785); in Frankreich Burette, der erste glückliche Entzifferer der in der Renaissancezeit aufgefundenen, damals noch unverständlich gebliebenen Fragmente altgriechischer und de la Borde (»Essai sur la musique ancienne et moderne«, 1780); in England Burney (»A general history of music«, 1776-89) und Hawkins (»A general history of the science and practice of music«, 1776). Als zuverlässige Hilfsmittel bieten sich den Historikern dieser Zeit die mit Gründlichkeit und Sachkenntnis redigierten Sammelwerke von Meibom (»Antiquae musicae auctores septem«, 1652) und vom Fürstabt Gerbert (»Scriptores ecclesiastici«, 1784),
erstere die wichtigsten Musikschriftsteller des Altertums, letztere die des Mittelalters reproduzierend; ferner die Arbeiten der Lexikographen, unter denen Brossard (»Dictionnaire de musique«, 1703) und J. J. Rousseau (»Dictionnaire de musique«, 1768) in Frankreich, J. G. ^[Johann Gottfried] Walther (»Musikalisches Lexikon«, 1732) und Gerber (»Historisch-biographisches Lexikon der Tonkünstler«, 1792) in Deutschland hervorragen. Ferner ist noch der Akustik zu gedenken, welche im Lauf des 18. Jahrh. durch den Franzosen Sauveur (»Système général des intervalles des sons«, 1701),
der auch die Bezeichnung »Akustik« für die Lehre vom Schall [* 26] einführte, sowie in Deutschland durch Euler (»Dissertatio de sono«, 1727) und Chladni (»Entdeckungen über die Theorie des Klanges«, 1787) in erfolgreicher Weise ausgebildet wurde. Die Anwendung der 1750 von A. G. Baumgarten unter dem Namen Ästhetik ausgebildeten Wissenschaft vom Sinnlich-Schönen auf das musikalische Kunstwerk endlich versuchte zum erstenmal der Dichter-Komponist Daniel Schubart in seinen nach seinem Tod veröffentlichen »Ideen zur Ästhetik der Tonkunst« (1806).
IV. Die Musik im 19. Jahrhundert.
Forschen wir nun nach der musikalischen Signatur des 19. Jahrh., so erscheint dieselbe wesentlich bestimmt durch die von den sogen. Wiener Meistern Haydn, Mozart und Beethoven zur selbständigen Macht erhobene Instrumentalmusik. Begreiflicherweise übte dieselbe ihren Einfluß vorwiegend in Deutschland, wo die Pflege des Gesanges nicht nur von vornherein durch natürliche (unter andern klimatische) Verhältnisse, sondern auch durch Nebenumstände, namentlich durch die verzögerte Ausbildung der Sprache, erschwert war. Gleichwohl fanden die zu Anfang des Jahrhunderts hier auftretenden Komponisten ihren ¶