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erst seit 1874 von Wegmann, beide in Zürich. [* 2] Jetzt beginnen sie über die ältern Einrichtungen immer mehr die Oberhand zu gewinnen, weil man sie nicht nur zum Flach- und Hochmahlen gebrauchen, sondern durch Anordnung mehrerer Walzen über- oder nebeneinander noch weiter in der Leistung erhöhen kann. [* 1] Fig. 6 zeigt einen solchen Walzenstuhl mit vier Walzen, der sowohl zum Schroten als Grießmahlen dient. Das Mahlgut fällt aus dem Rumpf r durch die Zellenwalze v und den Trichter f sowie die Wand f1 zwischen die erste und zweite Walze, dann über das Fallbrett f2 zwischen die zweite und dritte, über f3 zwischen die dritte und vierte Walze und endlich über f4 gegen die Zerteilungswalze, welche etwanige Fladen oder Kuchen zerteilt, in den Mehltrichter. Sämtliche Walzen sind senkrecht gegeneinander verstellbar und zum Reinhalten mit Schabern a ausgestattet.
Seit dem J. 1871, wo Carr die Schleudermühle (Desintegrator) [* 3] als Zerkleinerungsmaschine anzuwenden anfing, sucht man diese auch in der Mehlfabrikation einzuführen, um die Körner durch Zerschlagen in Mehl [* 4] zu verwandeln (s. Desintegrator).
Sortieren des Mahlguts.
Die nächste Arbeit, welche mit dem Mahlgut vorgenommen werden muß, besteht entweder nur in einer Trennung des feinen Mehls von dem Grieß und der Kleie, wie bei der Flachmüllerei, oder in einer weitgehenden Sortierung der Mehle und Grieße in Verbindung mit einer solchen Trennung. Man benutzt zu dieser Arbeit Sichtmaschinen und Putzmaschinen. Die Sichtmaschinen wirken durch Siebe aus Müllergaze von steigender Feinheit, seltener aus Drahtgewebe, sind gewöhnlich um 5° geneigte, achteckige Prismen [* 1] (Fig. 7 und 8) CC, deren Seiten bespannt sind (Cylindersiebe, Mehlcylinder).
Das Mahlgut fällt durch das Rohr a am höchsten Ende in den Cylinder und verteilt sich bald über die ganze Siebfläche, teils infolge der Neigung, teils infolge der Drehbewegung des Siebcylinders, der durchschnittlich 25-30 Umdrehungen in der Minute ausführt. Das Mehl geht durch das Sieb in den Raum b und wird vermittelst der Transportschnecke c durch die Trichter d und d direkt in die untergebundenen Säcke geleitet. Die zurückbleibenden Teile gelangen aus dem andere Ende des Siebes durch den Raum e in das Abfallrohr d1. Bespannt man den Cylinder nicht der ganzen Länge nach mit Müllergaze von einer, sondern von drei oder vier verschiedenen Maschengrößen, so erfolgt auch eine dem entsprechende Sortierung des Mehls nach der Feinheit. - Zur Steigerung der Leistung bringt man vielfach in dem Siebcylinder Flügel an, die sich dem letztern entgegengesetzt schnell drehen und durch die Zentrifugalwirkung das Mehl auf der ganzen Siebfläche gleichzeitig durchjagen (Zentrifugalsichtmaschine).
Die Putzmaschinen (Schrot-, Grieß-, Dunstputzmaschine) beruhen auf der Erscheinung, daß die Teilchen des Mahlguts, wenn sie, frei herabfallend, von einem Windstrom getroffen werden, um so mehr aus der Falllinie kommen, je leichter sie sind. Sie wirken also, wie der Tarar, durch einen Luftstrom, der entweder blasend oder saugend über Kammern hinwegstreicht, welche die Grieße je nach ihrer Schwere auffangen. Die in [* 1] Fig. 9 gezeichnete Grießputzmaschine von Haggenmacher zeigt eine vielgebrauchte Einrichtung.
Der nach der Größe der Körner sortierte Grieß gelangt aus der Gosse r durch die Öffnung a in den Sortierraum. Ein Ventilator saugt durch die Räume v Luft aus, welche unten an Regulierschiebern s s vorbei eintritt, in der Pfeilrichtung sich weiter bewegt, den die vier Stockwerke e1 bis e4 herabfallenden Grieß trifft und diesen in Grieß erster und zweiter Sorte sowie in sogen. Überschlag (Produkt zwischen Grieß und Kleie) sortiert, welche getrennt bei d, e und f aus der Maschine [* 5] treten, während die leichte Kleie von dem Ventilator durch v abgeführt wird. Besondere stellbare Schieber g lassen die Übersprunghöhe der einzelnen Abteilungen passend einstellen, während die Klappen h sich durch die dahinter sich ansammelnden Grieße etc. öffnen.
[* 1] ^[Abb.: Durchschnitt einer Kunstmühle.] ¶
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Die Mühlen [* 7] der Neuzeit zeichnen sich besonders noch dadurch aus, daß der Transport des Getreides zu den Reinigungsmaschinen, den Schälmaschinen [* 8] und Spitzgängen, von diesen zu den Mahlgängen, Sortiermaschinen etc. durch mechanische Vorrichtungen, die sogen. Elevatoren oder Eimerwerke, in vertikaler und Transportschrauben in horizontaler Richtung verrichtet wird, so daß nach Ingangsetzung der Mühle mit den entsprechenden Geschwindigkeiten an den einzelnen Maschinen die sämtlichen Arbeiten automatisch vor sich gehen. Die umstehende Durchschnittsskizze einer solchen sogen. Kunstmühle zum Vermahlen von Dinkel zeigt den zum automatischen Betrieb erforderlichen Zusammenhang. Auch zum Einstampfen des Mehls in die Säcke und Fässer benutzt man dann Mehlpackmaschinen.
Häufig kommen in Mühlen Brände ohne direkt wahrnehmbare Veranlassung vor. Eine Erklärung gibt die Untersuchung von Weber, nach welcher in der Luft suspendierter Mehlstaub unter gewissen Umständen durch eine Flamme [* 9] oder glühende Körper explosionsartig zur Entzündung gebracht werden kann.
Geschichtliches.
Die Erfindung der Mehlbereitung und der Mühlen wird von Plinius nach der attischen und sizilischen Sage der Demeter [* 10] (Ceres), nach der dorischen dem Leleger Myles in Alesiä (Mahlstadt) zugeschrieben. Nach andern Sagen war ein Telchine, Mylas, der Erfinder, der in Kamiros ein Heiligtum der Mahlgötter errichtete und selbst als Erfinder des Mühlsteins verehrt wurde. Von dem hohen Alter der Erfindung zeugt der Umstand, daß Zeus [* 11] auch den Beinamen der »Müller« (myleus) hatte.
Alte ägyptische Wandgemälde zeigen Mörser und Siebe und die Bereitung des Mehls mit Hilfe derselben. Die Indianer zu Monterey und die Nubier zerreiben die Getreidekörner zwischen zwei kleinen, mit der Hand [* 12] geführten Steinen, und auf ähnliche Weise dürfte man zur Anwendung der Mühlsteine [* 13] geführt worden sein. Im Norden [* 14] sind die ältesten, der Steinzeit [* 15] angehörigen Handmühlen größere, trogförmig ausgehöhlte Granitblöcke, sogen. Riesenhacken, in denen die Körner mit einem kleinern kugeligen Stein zerrieben oder zerquetscht wurden.
Alsdann finden sich, in Ungarn [* 16] z. B., auch in der Steinzeit flache Steine, zwischen denen die Körner zerrieben wurden. Solche wurden in der frühern Metallzeit [* 17] auch im Norden gefunden, in der Mark Brandenburg [* 18] und Sachsen [* 19] z. B., mit einem der Form nach an einen Kommißbrotlaib erinnernden Oberstein. Mahlmühlen mit zwei Steinen erwähnen Moses und Homer, doch sind die Steine solcher alter Mühlen sehr klein gewesen; bei Abbeville ausgegrabene hatten nur einen Durchmesser von 30 cm. Derartige Mühlen haben sich im Orient und in China [* 20] bis heute erhalten. In Pompeji [* 21] hat man anders gestaltete Mühlen ausgegraben (s. Abbildung).
Der untere Stein von 1,5 m Durchmesser trägt auf einem emporragenden Kegel, dessen Spitze mit einem eisernen Zapfen [* 22] gekrönt ist, den obern Stein, welcher einer Sanduhr gleicht, indem er zwei glockenförmige Höhlungen besitzt, welche mit ihren Spitzen in der Mitte des Steins zusammenstoßen. An der offenen Verbindungsstelle der Glockenscheitel ist ein stegartiges Eisen [* 23] befestigt mit einer Öffnung in der Mitte zur Aufnahme des Zapfens des Untersteins. Das Getreide [* 24] wurde in die obere Glocke geschüttet und der Oberstein durch Hebel [* 25] gedreht.
Bei Anwendung schwererer Mühlsteine benutzte man zum Betrieb Pferde, [* 26] Esel oder Rinder. [* 27] Vitruv beschreibt zuerst durch unterschlächtige Wasserräder [* 28] betriebene Mühlen, die unsern altdeutschen ähnlich gewesen zu sein scheinen. Diese Mühlen haben sich jedenfalls bald über ganz Europa [* 29] verbreitet. In Holland erbaute man die erste Windmühle 1439. Jahrhundertelang ist dann das Mühlwesen auf der alten Stufe stehen geblieben, bis von Amerika [* 30] her ein mächtiger Anstoß erfolgte.
Dort bestanden bereits im Anfang dieses Jahrhunderts in Pennsylvanien und am Mississippi Hunderte von Mühlen, die alles weit übertrafen, was bis dahin die deutsche Müllerei geleistet hatte. In England wurde 1784 die erste mit entschiedenem Erfolg arbeitende Dampfmahlmühle in London [* 31] errichtet. 1826 kam die erste verbesserte Dampfmühle nach Frankreich, und 1825 arbeiteten bereits in Magdeburg, [* 32] Eupen [* 33] und Berlin [* 34] nach amerikanischem Prinzip gebaute Mühlen mit Dampfbetrieb.
Mit dem Ende der 40er Jahre waren die verbesserten amerikanisch-englischen Mühlen vollständig über Deutschland [* 35] verbreitet. 1834 wandte Sulzberger nach dem versuchsweisen Vorgang andrer eiserne Walzen statt der Mühlsteine an.
Vgl. Wiebe, Die Mahlmühlen, eine Darstellung des Baues und Betriebs der gebräuchlichsten Mühlen (Stuttg. 1861);
Benoît, Guide du meunier et du constructeur de moulins (Par. 1863);
Fairbairn, Treatise on mills and mill-work (4. Aufl., Lond. 1878);
Haase, Die praktische Müllerei (5. Aufl., Bresl. 1885);
Neumann, Der Mahlmühlenbetrieb (2. Aufl., Weim. 1885);
Derselbe, Die Windmühlen (das. 1863);
Lohmann-Krüdener, Wassermahlmühlenbau (3. Aufl., das. 1883);
Meißner, Die Walzenmüllerei (Jena [* 36] 1881);
Kunis, Die Praxis des Mühlenbetriebs (Lpz. 1884-85, 2 Bde.);
Rühlmann, Allgemeine Maschinenlehre, Bd. 2, 1. Hälfte (2. Aufl., Braunschw. 1876);
Anton, Illustrierte Encyklopädie für Müller, Mühlen- und Maschinenbauer (2. Aufl., Leipz. 1871);
Kick, Mehlfabrikation (2. Aufl., das. 1878);
Derselbe, Neueste Fortschritte in der Mehlfabrikation (das. 1883).
Zeitschrift: »Die Mühle« (redigiert von Kunis, Leipz., seit 1864).
[* 6] ^[Abb.: Mahlmühle aus Pompeji (a Durchschnitt).]