und aus der
Wissenschaft in die Märchenwelt übergegangen. Über die direkten Entstehungsursachen der
Mißbildungen herrscht
seit der Verbreitung der Darwinschen Deszendenzlehre in manchen
Kapiteln große Uneinigkeit zwischen den beiden
Parteien, deren
eine (die ältere) die
Mißbildungen aus Erkrankungen des
Keims ableitet, deren andre sie auf
Atavismus bezieht und als Rückschlagsbildungen
auf frühere Stammformen des Menschengeschlechts hinstellt (vgl.
Mikrokephalie).
Zur Zeit ist den Anhängern der Rückschlagstheorie noch an keiner
Stelle der unwiderlegbare Nachweis gelungen, während die
Deutung der
Mißbildungen als pathologischer
Abweichungen vom physiologischen
Bildungsgesetz für die
Mehrzahl der bekanntern
Formen schlagend dargelegt werden kann. Von den indirekten
Ursachen solcher Keimerkrankungen wissen wir
nur, daß sie durch
Stoß,
Fall oder
Schlag auf den
Fruchthalter einer Schwangern entstehen können, und ferner, daß die
Disposition
zu fehlerhaften
Entwickelungen oftmals erblich ist.
Alle im
Volk so weit verbreiteten
Legenden über den Einfluß psychischer
Affekte der Schwangern auf die Kindesentwickelung,
namentlich das
Versehen, gehören in das Gebiet der
Fabeln; sie haben sich zu einem festen
Aberglauben gekräftigt
zu einer Zeit, in welcher die Vertreter der
Wissenschaft selbst mit erregbarer Vorstellungsgabe in den
Formen der Monstra die
Ähnlichkeit
[* 2] mit den schreckenerregenden
Tieren,
Feuern etc. anerkannten.
Das
Studium der
Mißbildungen ist sowohl für die theoretische
Erkenntnis der Wachstumsgesetze derOrgane
als auch für die praktischen
Zwecke des Pflanzenzüchters von großer Bedeutung. Die
Mißbildungen bestehen entweder in einer
Abnormität der
Metamorphose (s.
Blatt,
[* 7] S. 1017), indem besonders in den
Blüten bestimmte Blattgebilde auf eine vorhergehende
Ausbildungsform zurücksinken oder auf eine höhere vorschreiten.
Letzteres geschieht z. B. bei der Umwandlung der
Blumenblätter in
Staubgefäße
[* 8] bei
Capsellabursa pastorisL. Ersteres ist der häufigere
Fall, er wird als rückschreitende
Metamorphose (anamorphosis) bezeichnet; zu ihm gehören: die häufigen Rückbildungen der Karpelle in
Staubgefäße sowie die
gefüllten
Blüten (s. d.), ferner die sogen.
Vergrünung der
Blüten, d. h. Umwandlung gewisser
Blätter der
Blüten in grüne
Laubblätter
(Antholyse oder
Phyllodie), die Umwandlung ganzer
Blüten in Laubknospen
(Chloranthie),
wozu
besonders die sogen. lebendig gebärenden
Pflanzen (s.
Pflanze) gehören, und endlich die
Erscheinungen, daß die
Achse einer
Blüte
[* 9] am Ende sich wieder verlängert und in einen Laubsproß auswächst
(Sprossung, prolificatio), z. B. bei
Rosen, und daß
der
Blütenstand
[* 10] dieselbe Veränderung zeigt (sogen. proliferierende Blütenstände).
Oder die
Mißbildungen bestehen in einer Veränderung der relativen Gestaltsverhältnisse innerhalb eines und desselben Blattkreises
einer
Blüte, indem z. B. unregelmäßige
Blüten durch Gleichwerden der
Blumenblätter zu regelmäßigen werden (Pelorien).
Viele
Monstrositäten sind auf
Abweichungen von den normalen Zahlenverhältnissen der Teile zurückzuführen. Dahin rechnen
wir die meist aufKosten der Blütenbildung geschehende abnorme
Vermehrung derLaubblätter bei den
Bäumen
(Laubsucht, phyllomania), die
Vervielfältigung blättertragender
Zweige
(Astwucherung, polycladia), wozu auch die
Hexenbesen
(s. d.) gehören.
Monströsen Trennungen begegnet man besonders an solchen Blütenteilen, welche im normalen Zustand aus
verwachsenen
Gliedern bestehen, wie
Blumenkronen und
Pistille. Auf einer Vereinigung zahlreich angelegter
Knospen
[* 11] während ihrer
Bildung am
Vegetationspunkt beruht die eigentümliche bandartige Verbreiterung (Fasciation) mancher
Stengel
[* 12] und Blütenstände,
wie z. B. bei dem
Hahnenkamm
(Celosia), bei welchem die mißgebildete Form sogar erblich geworden ist.
Vgl. Moquin-Tandon,Pflanzenteratologie (deutsch von
Schauer, Berl. 1842);
Wigand, Grundlegung der Pflanzenteratologie (Marb.
1850);
(lat.), Sendung, Auftrag; insbesondere der Inbegriff aller die Verbreitung
des
Christentums unter nichtchristlichen Völkern bezweckenden
Unternehmungen. Die ersten
Missionäre, d. h.
Arbeiter amWerk der
Mission, waren die
Apostel Jesu. Die Geschichte der Mission fällt zusammen mit der der Ausbreitung des
Christentums, bildet daher bis
tief ins
Mittelalter hinein ein wesentliches
StückKirchengeschichte. Seit der
Reformation ist das
Treffen zwischen christlicher
und nichtchristlicher
Welt sozusagen zum Stehen gebracht worden, und die Mission, welche früher die erste
aller Lebensfragen der
Kirche bildete, bedeutet jetzt nur noch eine, wenngleich noch mit
Energie und Erfolg fortgesetzte,
Aktion
auf der
Peripherie¶
mehr
des kirchlichen Lebens. Das größte und bedeutendste Missionsinstitut der katholischen Kirche stellt die von PapstGregor XV. 1622 gestiftete
Propaganda (s. d.) dar, womit Urban VIII. 1627 das Kollegium der Propaganda verband. Dasselbe leitet das ganze Missionswerk nach
einem festen Plan und unter Aufsicht und Mitwirkung des römischen Stuhls und stellt sich namentlich die
Aufgabe, der katholischen Kirche Glaubensboten für alle Völker aus deren eignen Jünglingen zu bilden.
Auch Weltgeistliche, namentlich in Frankreich und Italien,
[* 23] traten in eigne, mehr oder minder mönchisch
organisierte Missionsvereine zusammen;
in neuerer Zeit entstanden außerdem auch unter Laien sogen. Vereine zur Verbreitung
des Glaubens, deren Mitglieder sich zu einem bestimmten Beitrag an Geld und einem täglichen Gebet für die Missionäre verpflichten;
die verbreitetsten sind: die 1805 von Coudrin gegründete, 1817 vom Papst bestätigte Picpusgenossenschaft
in Paris
[* 24] und der Xaverius-Verein, gegründet 1822 in Lyon
[* 25] (der Erfinder der fruchtbaren Souskollekte);
Die Missionsgesellschaften mehrten sich fortan von Jahr zu Jahr, zersplitterten sich aber auch in demselben Maß unter dem
Einfluß des Kirchen- und Sektengeistes. Den ersten Platz nimmt immer noch England ein; ihm reiht sich
Nordamerika, dann Deutschland
[* 33] an. Die beiden schottischen Kirchen sehen (seit 1824 und 1843) die Mission geradezu als Kirchensache
an. Verhältnismäßig weitherzig trat die große Amerikanische Missionsgesellschaft zu Boston
[* 34] seit 1810 (Board of foreign missions)
auf, neben welcher aber alsbald baptistische, methodistische, bischöfliche und andre Missionsgesellschaften
ins Leben traten.
In denNiederlanden findet seit 1797 ein reger Missionsbetrieb statt. In der Schweiz
[* 35] entstand 1815 die Baseler Mission, deren Schule
gegenwärtig die besuchteste ist, in Deutschland 1823 die Berliner,
[* 36] 1828 die Rheinische Missionsgesellschaft mit dem Missionsseminar
in Barmen,
[* 37] 1836 die Norddeutsche, in demselben Jahr der Geßnersche Missionsverein in Berlin,
[* 38] die Dresdener
(Leipziger) mit streng lutherischem Charakter, 1844 der Zentralverein in Bayern, gleichfalls ausschließlich konfessionell wie
auch die Hermannsburger Mission (1849) des PastorsHarms (s. d. 2). Im Gegensatz hierzu vertritt der 1884 gegründete Allgemeine evangelisch-protestantische
Missionsverein eine weitherzige Richtung.
Gegenwärtig existieren im ganzen etwa 107 Missionsgesellschaften, welche jährlich etwa 31 Mill. Mk.
(über viermal soviel wie die römische Kirche) aufbringen; davon sind 13 deutsche, 28 englische, 29 nordamerikanische, 11 holländische, 2 französische,
je 1 dänische, norwegische, schwedische und finnländische Gesellschaft; die meisten von ihnen suchen auch im Inland religiöse
Bestrebungen zu fördern, wozu Traktate, Missionspredigten und Missionsfeste dienen. Was ihre äußere
Wirksamkeit betrifft, so geht das Streben der meisten protestantischen Missionsanstalten auf die Bekehrung von Individuen (Seelenrettungen),
während den Katholiken vielfach zum Vorwurf gemacht wird, daß sie auf Massenbekehrungen ausgehen und ihre Missionsthätigkeit
mit dem Vollzug der Taufe als beendet ansehen.
Der gegenwärtige Stand der protestantischen Missionssache erhellt zunächst aus der Missionsstatistik,
welche Grundemann 1885 (auch separat erschienen) in der »Allgemeinen Missionszeitschrift«
zusammengestellt hat. Nach diesen Mitteilungen sind auf 2147 Stationen 2690 Missionäre mit 23,346 Gehilfen thätig; Kommunikanten
werden 600,231 gezählt, Christen überhaupt 2,024,701, Schüler 645,886. Die jährliche Gesamtausgabe ist auf 30,151,698
Mk. veranschlagt.