(lat. Missa), ursprünglich der Teil des Gottesdienstes, in welchem der Priester das Offizium oder die Konsekration
der Abendmahlssubstanzen vornahm. Da schon seit Ende des 2. Jahrh. das Abendmahl zu den Mysterien des christlichen Glaubens
gehörte, durften daran nur die Gläubigen oder Getauften teilnehmen, während alle andern Zuschauer sowie die
Büßenden und Katechumenen vorher mit den Worten: »Ite, missa est« (sc. concio),
d. h. »Geht, die Versammlung ist entlassen«,
aufgefordert wurden, sich zu entfernen. Von dieser Formel erhielt in der Folge der ganze Gottesdienst den Namen Missa, und zwar
nannte man den ersten Teil desselben Missa catechumenorum, den zweiten oder die Feier des Abendmahls Missa
fidelium. Später verstand man in der römisch-katholischen Kirche unter Messe das bei der Feier des Abendmahls gebräuchliche Officium,
d. h. Gebet vor dem Altar (daher der Ausdruck »Messe lesen«),
und vor allem das sogen. Meßopfer, d. h. die priesterliche Handlung,
durch welche im Abendmahl (s. d.) Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi verwandelt und Gott dargebracht
werden. Man unterscheidet Privatmessen (Winkelmessen, missae privatae et solitariae), welche ein Priester allein ohne allen
Gesang abhält, und öffentliche, die wieder in niedere oder stille und hohe eingeteilt werden. Bei einer hohen Messe werden
die dabei nötigen Gebete von den Choristen mit Gesang, zuweilen auch mit Musik, begleitet, und der Priester
erscheint, von wenigstens zwei niedern Geistlichen umgeben, in einem kostbaren Meßgewand.
Eine solche feierliche Messe, welche gewöhnlich am Hochaltar abgehalten wird, heißt auch Hochamt. Bei den niedern Messen, zu
welchen man auch die Privatmesse, die an Nebenaltären, und die sogen. Handmesse
rechnet, die täglich gelesen wird, und wofür der Priester das Geld auf die Hand empfängt, genügt die Ablesung der üblichen
Gebetsformeln. Vorzüglich zeremoniell sind die Messen, welche die Päpste halten. Der Ausbildung der Meßzeremonien lag namentlich
der Papst Gregor d. Gr. ob, von welchem auch die Bestimmung
mehr
herrührt, daß die Messe nur in lateinischer Sprache abgehalten werden darf. Einzelne Teile der Messe, wie das Confiteor, sind schon
vom Papst Damasus I. eingeführt worden. Jetzt besteht die aus vier Hauptbestandteilen: Introitus, Offertorium, Konsekration und
Kommunion. Der Introitus beginnt damit, daß der Priester und der Meßdiener wechselweise den 42. Psalm hersagen;
dann folgt das Confiteor, die Formel des öffentlichen Schulbekenntnisses ^[richtig: Schuldbekenntnisses], die Absolution und
der eigentliche Eingang, aus einigen Bibelversen bestehend. Im Offertorium oder der Opferung segnet der Priester unter bestimmten
stillen Gebeten Brot und Wein und wäscht sich dabei die Hände.
Die Konsekration (s. d.) bringt die eigentliche Wandlung der Elemente (Transsubstantiation) mit sich. Die
Gebetsformel, die der Priester vor, bei und nach der Konsekration verliest, heißt der Meßkanon und ist der Hauptteil der Messe, der
stets unverändert bleibt. Über die Kommunion endlich s. Abendmahl. Die Kleidung des Priesters (Meßgewand, näheres darüber
s. im Art. »Klerus«) während der Messe wechselt in verschiedenen Farben je nach den kirchlichen Zeiten und
Festlichkeiten.
Das Ritual und die Gesänge der Messe sind in Meßbüchern oder Missalen (s. d.) enthalten und modifizieren sich nach den Zeiten
und dem Gegenstand der Feier. Über Totenmessen (Totenamt, missa pro defunctis) und Seelenmessen, welche Verstorbene aus dem
Fegfeuer erlösen oder ihnen doch die Pein desselben erleichtern sollen, s. Requiem. Für Kinder, die unter sieben Jahren sterben,
wird keine Trauermesse, sondern eine Dankmesse (Engelsmesse) gehalten.
Da man frühzeitig Messen mit Fürbitten und Gelübden verband, um denselben eine größere Kraft zu verleihen, sie ferner auch
gegen die elementaren Gewalten der Natur sowie gegen die Bosheiten der Menschen in Anspruch nahm, so entstanden
neben den Fest- und Wochenmessen eine große Anzahl von sogen. außerordentlichen Messen, welche sämtlich der Kirche oder dem
Priester besonders honoriert werden müssen. Dergleichen sind: die Braut- und Hochzeitsmessen, die Weih- und die Vorbittemessen,
die Heilige Geist-Messe, eine der feierlichsten, die vor der Wahl zu einem kirchlichen Amt, beim Beginn einer
großen Festlichkeit abgehalten wird, die Messen als Gegenstand eines Gelübdes (Votivmessen) etc. Eine besondere Art ist die
ewige Messe, die an gewissen Tagen im Jahr, gewöhnlich für Verstorbene gestiftet, gelesen wird.
Bei der trocknen Messe (Schiffsmesse), die früher auf den Schiffen abgehalten zu werden pflegte, fand, um
eine Verschüttung des Kelchs zu verhüten, keine Konsekration statt, und an der Wahlmesse, welche ehemals alljährlich am
Mittwoch und Sonnabend der vierten Fastenwoche gelesen wurde, nahmen nur die Katechumenen teil, die geprüft werden sollten,
ob sie genügend vorbereitet zum Empfang der Taufe wären. Die meisten und besuchtesten Messen trifft man in
Spanien.
Dennoch darf auch dort kein Priester mehr als eine an einem Tag lesen, und nur am Weihnachtstag (25. Dez.) ist es allen Priestern
erlaubt, drei Messen abzuhalten (s. Weihnachten). Damit die öffentlichen Messen nicht durch Privatmessen
gestört werden, haben sie ihre bestimmten Stunden, weshalb man sie auch als Frühmesse, 10-Uhr-Messe, Mitternachtsmesse etc.
bezeichnet. In der griechischen Kirche entwickelte sich das Zeremoniell der Messe auf ganz eigentümliche Art; s. darüber Russische Kirche.
Luthers Reformation richtete sich besonders gegen die Mißbräuche des Meßwesens; er schaffte die Messe in
ihrem Kern ab,
d. h. den Wandlungs- und Opferbegriff. Im übrigen schloß sich selbst noch seine »Deutsche
Messe« von 1526 im Gegensatz zu den Calvinisten an die katholische an, deren Ritual er übrigens mit der größten Freiheit behandelte
und namentlich kürzte. Der Konsekration folgt die Kommunion auf dem Fuß, und alles wird möglichst der
Einfachheit der ursprünglichen Abendmahlsfeier genähert.
Vgl. Kössing, Liturgische Erklärung der heiligen Messe (3. Aufl.,
Regensb. 1869);
Gihr, Das heilige Meßopfer (4. Aufl., Freiburg
1887);
Lüdtke, Erklärung des heiligen Meßopfers (Danz. 1882). -
Die Musik während des katholischen Hochamtes oder während der eigentlichen kirchlichen Messe, gewöhnlich ebenfalls
Messe (Missa) genannt, besteht nach den Anfangsworten des zu singenden Textes aus dem Kyrie eleïson oder Christe eleïson, dem
Gloria in excelsis Deo, dem Credo, Sanctus und Osianna, dem Benedictus, dem Agnus Dei und dem Dona nobis pacem. Der eigentliche
Kirchengesang, wie er jetzt meist üblich und im Meßbuch, dem Kyriale und Antiphonarium enthalten ist,
ist der Gregorianische, wie ihn Papst Gregor d. Gr. ordnete.
Die deutschen Lieder sind spätern Ursprungs. In polyphoner Bearbeitung der Messe lieferten Ausgezeichnetes Palestrina (»Missa
papae Marcelli«),
in Italien Orlando di Lasso und in Deutschland Leo Haßler. Mit der Zeit schwand jedoch die ursprüngliche Einfachheit
jenes Gesanges mehr und mehr, besonders durch die Anwendung der Instrumentalmusik im 17. Jahrh. Messen mit
Orchester komponierten: Seb. Bach (»Hohe aus H moll), die beiden Haydn, Mozart, Beethoven, Naumann, Vogler, Winter, Cherubini, Rossini,
Hummel, Seyfried, Eybler, Tomaschek, Fr. Schneider, Hauptmann, Fr. Kiel, Alb. Becker, Anton Bruckner u. a.