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eine ununterbrochene Kette von Triumphen angesehen werden, welche er als Komponist, Virtuose, Dirigent und geistreicher, allgemein geliebter Mensch feierte. Er schuf in Leipzig [* 2] ein neues musikalisches Leben, gewann für dasselbe seinen Freund Rietz, den Theoretiker Hauptmann und den Konzertmeister David und legte durch seine Thätigkeit, namentlich auch als Mitgründer des Konservatoriums (1843) und eifriger Lehrer an demselben, den Grund zu Leipzigs Weltbedeutung in der Tonkunst. 1836 wurde er Ehrendoktor der Leipziger Universität; 1837 verheiratete er sich mit Cäcilie Jeanrenaud, der Tochter eines reformierten Predigers in Frankfurt [* 3] a. M.; 1841 erhielt er vom König von Sachsen [* 4] den Kapellmeistertitel.
Neben seiner Direktionsthätigkeit entfaltete er eine außerordentliche Produktionskraft, so daß er bis zum letztgenannten Jahr unter anderm das Klavierkonzert in D moll, den 42. und 114. Psalm, das Streichquartett in E moll, Serenade und Allegro giojoso, die Ouvertüre zu »Ruy Blas«, das Klaviertrio in D moll und den »Lobgesang« vollendet hatte. Ebenfalls 1841 erhielt er von Friedrich Wilhelm IV. den Auftrag, die Musik zu Sophokleischen Tragödien zu schreiben, und brachte infolgedessen in Potsdam [* 5] seine Komposition der »Antigone« zur Aufführung, Die ihm bei dieser Gelegenheit gemachten Anträge, nach Berlin [* 6] überzusiedeln, vermochten indessen nicht, ihn mit dieser Stadt auszusöhnen, sowenig wie seine 1843 erfolgte Ernennung zum preußischen Generalmusikdirektor. Er fuhr vielmehr fort, seine Thätigkeit auf Leipzig zu konzentrieren, daneben wiederholte Besuche in England und bei den rheinischen Musikfesten abstattend.
Das letzte
Mal, daß das englische
Publikum seinen Liebling festlich begrüßen konnte, war 1846 beim
Musikfest in
Birmingham,
[* 7] wo Mendelssoh
n-Bartholdy
sein soeben beendetes
Oratorium
»Elias« mit unbeschreiblichem Erfolg zur Aufführung brachte. Seit
seiner Rückkehr nach
Leipzig litt
er an nervöser
Reizbarkeit, und bald traf ihn überdies durch die Nachricht vom plötzlichen
Tod seiner
Schwester
Fanny
Hensel (s. d.) ein fast vernichtender
Schlag, von
dem er sich nur einigermaßen zu
Interlaken erholte,
wo er durch den
Genuß der Alpenluft zu neuer Thätigkeit erfrischt wurde. Das
Oratorium
»Christus«, die
Fragmente der
Oper
»Lorelei«
(Text von
Geibel) stammen aus jener Zeit. Aber ein Besuch in
Berlin rief die nervöse
Reizbarkeit von
neuem hervor, welche er auch in
Leipzig nicht mehr verlor. Nachdem er schon 28. Okt. von einem heftigen Nervenschlag befallen
worden, starb er in
Leipzig. Eine würdige Totenfeier fand hier 7. Nov. statt, worauf die
Leiche nach
Berlin übergeführt
wurde.
Durch seine Beanlagung vorwiegend auf das Gebiet der
Lyrik, d. h. den
Ausdruck subjektiven Fühlens und Empfindens, gewiesen,
konnte Mendelssoh
n-Bartholdy
seine künstlerische
Individualität besonders in solchen Kompositionsgattungen zur Geltung
bringen, welche die Seelenstimmungen am unmittelbarsten kundgeben, also im
Lied und den sich demselben anschließenden
Formen
der
Instrumentalmusik. Und wenn seine außerordentliche formale Gestaltungskraft sowie die
Fülle und der
Adel seiner
Erfindung
ihn befähigten, auch die größern
Vokal- und Instrumentalformen mit souveräner Meisterschaft zu beherrschen, so sind doch
seine ein- und mehrstimmigen
Lieder und die unter dem
Namen
»Lieder ohne
Worte« durch ihn eingeführte
Gattung
von Klavierstücken kleiner Form als der reinste Ausfluß
[* 8] seiner Künstlerpersönlichkeit zu bezeichnen.
Ein heilsames Gegengewicht des hier zu Tage tretenden und ihn überhaupt beherrschenden Subjektivismus fand er in dem Studium der Werke alter Meister, namentlich Bachs und Händels, deren Vorbilder ihn zu seinen größten und vollendetsten Werken, den Oratorien: »Paulus« (1835) und »Elias« (1846), begeisterten. In dieser aus lyrischen, epischen und dramatischen Elementen gemischten Kunstgattung vermochte er sich zu einer bedeutenden Höhe aufzuschwingen, wogegen für das rein Dramatische seine Kräfte nicht ausreichten; und diese Lücke in seiner musikalischen Organisation war es auch, die ihm den Zugang zur Bühne verschloß, nicht etwa der Mangel an einem geeigneten Operntext, wie unter anderm die Thatsache beweist, daß der für ihn von Eduard Devrient gedichtete Text zu »Hans Heiling«, dessen Brauchbarkeit und Kunstwert sich später durch Marschners Musik glänzend bewährte, von ihm als zur Komposition ungeeignet zurückgewiesen wurde. - Mit seinen großen geistlichen Chorwerken auf gleicher Höhe stehen die weltlichen, meist romantischen Inhalts, darunter obenan die Musik zum »Sommernachtstraum«, zu welcher er die Ouvertüre als 14jähriger Knabe geschrieben, und die während seines Aufenthalts in Rom [* 9] entstandene Goethesche »Walpurgisnacht«. In diesen Arbeiten hat er noch einen Schritt über die Romantik Webers und Marschners hinaus gethan, indem er die Geisterwelt von einer ganz neuen, der neckischen und humoristischen, Seite zur sinnlichen Erscheinung bringt und zwar hauptsächlich mit Hilfe der Orchesterinstrumente, deren individuelle Leistungsfähigkeit er in noch weit ausgedehnterm Maß zu verwerten wußte als seine genannten Vorgänger.
Diese Seite seiner Begabung tritt auch in seinen Orchesterwerken, den Symphonien in A moll und A dur, sowie in seinen gleichsam der Natur abgelauschten Ouvertüren: »Die Hebriden«, »Meeresstille und glückliche Fahrt« glänzend zu Tage, und die verhältnismäßige Dürftigkeit der Erfindung in seinen Streichquartetten ist vornehmlich dem Umstand zuzuschreiben, daß ihm hier die Mannigfaltigkeit des instrumentalen Klanges nicht zu Gebote stand. In seinen Kompositionen für Klavier und Orgel, auf welchen beiden Instrumenten er Virtuose war, ist dieser Mangel freilich nicht zu spüren: seine Trios in D und C moll und seine Klavierkonzerte in G und D moll, endlich seine zahlreichen Präludien, Fugen und Sonaten für Orgel sind auch hinsichts der Klangfülle und Klangschönheit zu seinen Meisterwerken zu rechnen;
und hierher gehört auch sein Violinkonzert, vielleicht sein genialstes Werk, insofern er damit, ohne selbst Violinspieler zu sein, ein dem Charakter und der Technik des Instruments bis ins kleinste entsprechendes Kunstwerk geschaffen hat.
Ein wesentliches
Merkmal aller dieser Werke ist der Zug
geistiger Vornehmheit, welche als
Mensch wie als
Künstler auszeichnete; diese
Eigenschaft
seiner
Musik öffnete ihr die
Herzen aller Gebildeten, wogegen ihr eine
Popularität, wie sie beispielsweise die Webersche erlangte,
aus diesem
Grund versagt bleiben mußte. Selbst die weitverbreiteten
Lieder: »Es ist bestimmt in
Gottes
Rat« und
»Wer hat dich, du schöner
Wald« können nur in beschränktem
Sinn als volkstümlich gelten. Eine Gesamtausgabe der
Werke Mendelssoh
n-Bartholdys
, von
Rietz redigiert, erschien 1871-77 im
Verlag von
Breitkopf u.
Härtel in
Leipzig. Einen wertvollen
Beitrag zur
Kunde seines künstlerischen
Strebens wie der Liebenswürdigkeit und Reinheit seines
Charakters
liefern seine
Briefe (Bd. 1: »Reisebriefe
1830-32«, Bd. 2:
»Briefe 1833-47«, hrsg. von seinem
Bruder
Paul Mendelssoh
n-Bartholdy;
letzte Ausg. in einem
Band,
[* 10] Leipz. 1882).
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Vgl. Lobes Studie über Mendelssoh
n-Bartholdy
(»Gartenlaube« 1859);
Reißmann, Mendelssoh
n-Bartholdy
, sein Leben und seine Werke (2. Aufl., Berl. 1872);
E. Devrient, Meine Erinnerungen an Felix und seine Briefe an mich (2. Aufl., Leipz. 1872);
Hiller, Mendelssoh
n-Bartholdy
, Briefe und Erinnerungen (Köln
[* 12] 1874);
Lampadius,
Felix Mendelssoh
n-Bartholdy
, ein Gesamtbild seines Lebens und Wirkens (Leipz. 1886);
S. Hensel, Die Familie Mendelssoh
n-Bartholdy
in Briefen und
Tagebüchern (5. Aufl., Berl. 1886). -
Aus dem Erträgnis einer Aufführung von Mendelssohns »Elias« unter Leitung von J. ^[Jules] Benedict wurde 1848 in London [* 13] unter dem Namen Mendelssohn-Scholarship ein Fonds begründet, dessen Zinsen als Stipendium an talentvolle junge englische Komponisten vergeben werden. Der erste Mendelssohn Scholar war Arthur Sullivan (1856-60). Auch Berlin besitzt eine Mendelssohn-Stiftung, bestehend in einem Stipendium von 1500 Mk. für junge deutsche Komponisten u. ausübende Tonkünstler, die mindestens ein halbes Jahr an einem vom Staat subventionierten Musikinstitut studiert haben.
2) Karl, Historiker, Sohn des vorigen, geb. zu Leipzig, machte 1863 zwei Reisen nach Griechenland, [* 14] habilitierte sich 1864 als Privatdozent der Geschichte in Heidelberg, [* 15] ward 1867 Professor in Freiburg [* 16] i. Br.; starb Er schrieb: »Graf Johann Kapodistrias« (Berl. 1864),
»Friedrich v. Gentz« (Leipz. 1867),
»Der Rastatter Gesandtenmord« (Heidelb. 1869),
»Geschichte Griechenlands von 1453 bis auf unsre Tage« (Leipz. 1870-1874, 2 Bde.),
»Goethe und Felix Mendelssohn-Bartholdy«
(das. 1871) und gab den Briefwechsel Gentz' mit Pilat (das. 1868, 2 Bde.),
denjenigen des Generalpostmeisters K. F. v. Nagler (das. 1869, 2 Bde.) und
den des preußischen Generals und Gesandten v. Rochow (Frankf. 1874), die beiden letztern in Gemeinschaft
mit E. Kelchner, heraus.