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im Zusammenhang; sowohl bei den Indern, Arabern, Ägyptern als bei den Griechen galt die Heilkunst für eine den Priestern von der Gottheit gemachte Offenbarung, welche sich dann durch Tradition weiter vererbte. Über das Alter der vor nicht gar langer Zeit entdeckten Sanskritschriften streiten die Philologen; man verlegt ihre Entstehung teils 1000-1400 Jahre v. Chr., teils in das erste Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung. Der Agur-Weda ist das für die Medizin wichtigste Sanskritwerk und von Susrutas abgefaßt.
Bei den Griechen konzentrierte sich der Inbegriff alles ärztlichen Wissens auf Asklepios [* 2] (Äskulap), einen Sohn des Apollon, [* 3] und seine Tempel [* 4] (Asklepien) waren lange Zeit die einzigen Orte, wo Kranke sich hinwenden konnten, um Genesung zu erlangen. Die Heilmittel, welche man anwendete, waren teils psychischer, teils physischer Art. Sie wurden den Kranken durch Träume offenbart, welche die Priester auslegten. Die eigentliche Umbildung und tiefere Entwickelung der Heilkunde aber ging von Hippokrates (geb. 460 v. Chr.) aus, bei welchem die Beobachtung in ihrer vollen Reinheit und Konsequenz, frei von den Vorurteilen der Priesterschule auftritt.
Mit den Schülern des Hippokrates begann die dogmatische Schule, von welcher zwar eine Menge philosophischer Theoreme und Spitzfindigkeiten in die Medizin hineingetragen, aber auch neue Entdeckungen gemacht wurden, und Dogmatiker waren es, die zuerst größere Operationen unternahmen. Unter Ptolemäos I. lebten in Alexandria Erasistratos und Herophilos, die beiden größten Kenner der menschlichen Anatomie im Altertum. Seit 280 v. Chr. trat nun die empirische Schule dem Dogmatismus entgegen, welche sich wieder auf genaue Beobachtung legte und die Hauptquelle der ärztlichen Erkenntnis in der Erfahrung suchte.
Von Alexandria wanderte die griechische Heilkunde zu den Römern, bei denen ebenfalls ursprünglich nur die Priester im Besitz medizinischer Kenntnisse waren. Die Richtung des Asklepiades erhielt ihre theoretische Begründung durch die Schule der Methodiker, als deren Stifter Themison von Laodikea (63) angeführt wird. Er strebte, das Gemeinsame in den verschiedenen Krankheiten aufzusuchen, diese auf wenige Typen zurückzuführen und für jeden Typus eine einfache Heilindikation zu finden.
Zwischen 30 v. Chr. und 38 n. Chr. lebte Aul. Corn. Celsus (s. d.), von dessen Werk »De artibus« der erhaltene medizinische Teil sich durch eine im allgemeinen verständige Zusammenstellung und Kritik gleichzeitiger und früherer Lehren [* 5] auszeichnet. Der atomistischen Lehre [* 6] des Asklepiades und der Methodiker trat die dynamische der Pneumatiker entgegen, die das Pneuma, das luftartige Prinzip, von dem alle Thätigkeit im Körper, Krankheit und Gesundheit ausgehe, in den Vordergrund stellte. Als Stifter dieser (neuern) pneumatischen Schule wird Athenäos aus Kilikien um 69 genannt. Sein Schüler Agatinos ^[richtig: Agathinos] aus Sparta wich von der einseitigen Richtung seines Meisters ab und gründete 90 die eklektische Schule, die letzte unter den ärztlichen Schulen des Altertums.
Am Ausgang der römischen Periode der Medizin steht Galenos, der in seinen Werken noch einmal das ganze medizinische Wissen des Altertums zusammenfaßte und namentlich in der speziellen Physiologie wichtige Angaben hinterlassen, in Bezug auf Pathologie sich aber besonders um die Theorie einzelner Krankheiten und krankhafter Symptome verdient gemacht hat. Für alle nach ihm lebenden Ärzte des Altertums blieb er fast unbedingte Autorität, und für die Heilkunde des Mittelalters dienten seine Schriften als Grundlage und Ausgangspunkt.
Unmittelbar nach ihm verfiel die medizinische Kunst und Wissenschaft. Magische Heilungen kamen an die Tagesordnung und brachten das Bedürfnis wissenschaftlicher Bildung fast völlig zum Schweigen. Zu gleicher Zeit machte sich die blindeste Empirie breit, welche vornehmlich nach neuen Arzneimitteln haschte und zu diesem Behuf namentlich das Tierreich ausbeutete. Von den Griechen gelangte die Medizin über Persien [* 7] und Ägypten [* 8] nach der Eroberung dieses Landes zu den Arabern, welche sich des überlieferten Schatzes mit Glück bemächtigten.
Ganz besonders wurde im 9. Jahrh. durch Übersetzung griechischer Schriften die Litteratur der Heilkunde bei den Arabern erweitert. Durch Vielseitigkeit des Wissens ragte besonders der gelehrte Abu Jusuf Jakub ben Izhak el Kindi (Alkindus) hervor, von dessen zahlreichen Übersetzungen und eignen Werken (deren man 200 angibt) nur eins: »Über die zusammengesetzten Arzneien«, in Europa [* 9] bekannt geworden ist, worin die Grade und Qualitäten der Arzneien nach mathematischen Prinzipien und nach den Gesetzen der musikalischen Harmonie bestimmt sind.
Auf die Männer, die größtenteils sammelten und übersetzten, folgten im 10. und 11. Jahrh. die Koryphäen der arabischen Heilkunde, welche im Orient noch heutzutage als solche angesehen werden: Rhazes, Haly Abbas und Avicenna. Besonders war es der letztere (eigentlich Abu Ali Alhossain ebn Abd Allah ebn Sinah), der jahrhundertelang mit Aristoteles und Galenos die Despotie im Reich der Wissenschaften teilte. Sein »Kanon« galt bis ins 16. Jahrh. herab als das umfassendste und beste Lehrgebäude der Heilkunde in den Schulen der Ärzte. Mit Avicenna erreichte die arabische Heilkunde ihren Höhepunkt, von welchem aus sie, von fremden, abendländischen Einflüssen mehr und mehr berührt, ihrem Verfall entgegeneilte. Was den allgemeinen Charakter der arabischen Heilkunde betrifft, so war dieselbe zwar ganz auf die griechische basiert, aber doch in vieler Hinsicht eigentümlich.
In der christlichen Welt des Mittelalters geriet wie alle andern Wissenschaften die Medizin in die Hände der Mönche, welche wenig Förderliches an ihr geleistet haben. Der erste berühmtere Mann ist Konstantin der Afrikaner (gest. 1087), durch den vornehmlich die Kenntnis der arabischen Medizin im Abendland verbreitet ward, der aber auch zahlreiche eigne Werke schrieb, unter denen das »Breviarium viaticum« geraume Zeit ein geschätztes Lehrbuch war. Die uns erhaltenen Werke der salernitanischen Schule sind meist in gereimten Hexametern, den sogen. leoninischen Versen, geschrieben.
Ein Hauptverdienst dieser Schule ist, daß sie die Medizin von der hierarchischen Bevormundung und Klausur zuerst frei zu machen begann; die Mönche verwandelten sich nach und nach in Laienärzte, unter denen häufig auch Juden, namentlich als Leibärzte von Fürsten, erscheinen. Nun mußte aber auch die weltliche Obrigkeit sich veranlaßt finden, das Treiben der aus der Obhut der Kirche entlassenen Ärzte zu überwachen, und so entstand eine Reihe von Medizinalgesetzen, unter denen die des Kaisers Friedrich II. von Hohenstaufen (1238) die wichtigsten sind. Auch das Gewerbe der Droguisten und Apotheker ward durch bestimmte Vorschriften geordnet. Ein höchst wichtiges und folgenreiches Ereignis war es, daß 1315 ein Professor zu Bologna, Mondini de' Luzzi (Mundinus), das wagte, was Kaiser Friedrich II. vergeblich gewünscht und Papst Bonifacius VIII. eben noch mit dem strengsten Kirchenbann verpönt hatte, indem er öffentlich zwei ¶
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weibliche Leichname zergliederte und damit die Anatomie in die Reihe der Universitätsstudien einführte.
Eine neue Epoche in der Geschichte der Heilkunde beginnt mit dem Umschwung, welcher in fast allen Wissenschaften und Künsten unter Vermittelung der Reformation und der Erfindung der Buchdruckerkunst sowie des erwachenden kritischen Geistes sich vollzog. Es begann die Naturbeobachtung wieder in ihr Recht zu treten und sich von den Fesseln der Scholastik, wenn auch langsam und allmählich, zu lösen. Vor allem war es die Wiederbelebung, man kann fast sagen die Wiederentdeckung der Anatomie und die von nun an rastlos fortschreitende Ausbildung dieser Wissenschaft, welche den Boden ebnete. Sylvius, Vesalius, zu dessen berühmtem Werk über den Bau des menschlichen Körpers vielleicht Tizian selbst, sicher aber sein Schüler Johann von Kalkar die Zeichnungen fertigte, Fallopia (gest. 1562), Eustachio (gest. 1579) wurden die Begründer unsrer heutigen Anatomie. Auch die Geburtshilfe blühte zu dieser Zeit auf; zu Anfang des 16. Jahrh. (1513) schrieb Eucharius Rößlein (Rhodion), Arzt zu Worms [* 11] und Frankfurt, [* 12] »Der schwangern Frauen Rosengarten«, ein aus ältern Schriften kompiliertes, aber mit deutscher Sinnigkeit verfaßtes Hebammenbuch, das aller Mangelhaftigkeit ungeachtet lange Zeit im Gebrauch blieb. In dieser Zeit kam auch zuerst die gerichtliche Medizin auf, die aber erst später weitere Ausbildung fand.
Der skeptisch-kritische Ton wurde dem herrschenden Galenischen und arabischen System gegenüber besonders durch Theophrastus Bombastus Paracelsus (gest. 1554) angeschlagen, welcher der Heilkunde eine ideale Richtung erteilte und die schon längst wankenden Pfeiler der Herrschaft Galenos' vollends niederriß. Seine Erscheinung bezeichnet die eigentliche Grenzscheide des Mittelalters und den Anbruch der für die Heilkunde lange schon vorbereiteten neuen Zeit.
Der Grundgedanke dieses Mannes ist die Auffassung der Natur als eines großen lebendigen Ganzen, in welchem weder Stillstand noch Tod, sondern stets fortschreitende, durch ein inneres Prinzip bedingte organische Entwickelung besteht. Demgemäß gilt ihm die Krankheit als ein lebendiges Wesen, als eine parasitische Pflanze mit einem selbständigen, individuellen Lebensprozeß, der im Schoß eines andern, höhern sich bilde. Die Heilung erschien ihm als ein aus dem gesunden Leben entsprungener, spezifisch individueller Vorgang, den die Natur und öfters die Kunst hervorrufe, um die Krankheit dadurch zu bekämpfen.
Die wahren Heilmittel (arcana) sind ihm daher samenähnliche Wesen, aus denen im Schoß des Organismus eine neue individuelle Lebensentwickelung behufs der Überwältigung der krankhaften hervorgehe. Auch Laien begannen unter Paracelsischem Schild [* 13] sich mit einer mystischen Medizin zu befassen, und die Heilkunst ward wieder völlig in das Gebiet der Mystik entrückt, als die Gesellschaft der Rosenkreuzer (s. d.) den Namen des Paracelsus zu ihrem Losungswort erhob. Als Verteidiger der alten Schule gegen die Paracelsischen Neuerungen trat mit besonderm Erfolg Andr. Libavius aus Halle [* 14] auf, dessen chemische Arbeiten das Irrige und Phantastische in vielen Paracelsischen Behauptungen bloßstellten.
Sein Verdienst ist es, daß von nun an die Chemie immer größern Einfluß auf die Heilkunde gewann, die spagirische und die spagirischen Mittel der Paracelsisten sich ihrer geheimnisvollen Hüllen mehr und mehr entäußerten und zu ihrer wissenschaftlichern Schätzung und Gewinnung die Bahn gebrochen ward. Unter den großen Philosophen des 17. Jahrh. haben vornehmlich Baco von Verulam und Descartes, die beiden Hauptwortführer der Erfahrung und Spekulation, den entschiedensten Einfluß auf die Heilkunde ausgeübt.
Namentlich bot letzterer durch seine Korpuskularlehre den dogmatischen Bestrebungen der Ärzte einen willkommenen Stoff dar, während der Einfluß des erstern erst später die starre Einseitigkeit der Schule überwinden half. Ehe dies aber geschah, führte der Dogmatismus in der Medizin noch das Zepter, indem er sich in zwei Schulen, die chemiatrische und iatromathematische, teilte. Die chemiatrische Schule schloß sich zum Teil den Lehren des Paracelsus an, und es ging daraus hervor, daß man die Chemie nicht bloß zur Bereitung der Arzneien, sondern auch zur Erklärung des organischen Lebens mehr und mehr zu Rate gezogen wissen wollte.
Schon zu Anfang des 17. Jahrh. wurden auf den Universitäten eigne Lehrstühle der »Chymiatria« errichtet. Diese Chemiatrie bestand aber lediglich in der Darstellung und Anwendung der neuen mineralischen Arzneimittel, von denen nach und nach zweckmäßigere Formen und Zusammensetzungen bekannt wurden. Eine andre und zwar spiritualistische Gestaltung erhielt die Chemiatrie durch van Helmont (gest. 1644), welcher Mystik und Naturforschung miteinander zu verbinden strebte und als Hauptgedanken die Beseelung der ganzen Natur durch geistige Schöpfungskräfte aufstellte. An der Spitze dieser Kräfte stand ihm der Archeus oder das schaffende Prinzip der Natur, und seine Therapie zielte auf Beruhigung und Zurechtleitung des erzürnten oder verirrten Archeus hin, wozu er geistige Einwirkungen und Arkana, aber auch Wein, Opium, Spießglanz- und Quecksilbermittel benutzte.
Die zweite Schule des Dogmatismus, die iatromathematische oder iatromechanische, suchte das Leben aus den Gesetzen der Statik und Hydraulik zu begreifen und wollte die als einen Teil der angewandten Mathematik und mechanischen Physik angesehen und behandelt wissen. Indem wir aus der Enge dieser Schulen auf das große offene Feld der Erfahrung heraustreten, begegnen uns zunächst die glänzenden Namen eines Harvey und Sydenham. William Harvey (1578-1657) machte die große Entdeckung vom Kreislauf des Bluts, [* 15] verkündigte das omne vivum ex ovo gegen die Anhänger der Generatio aequivoca und ward dadurch der wahre Schöpfer der neuern Physiologie.
Die Anatomie erfreute sich in diesem Jahrhundert besonders eifriger Bearbeitung, und namentlich trug die Verbesserung der Mikroskope [* 16] mächtig dazu bei, »die Verhältnisse im kleinsten Raum aufzuschließen«, was zunächst durch Malpighi und Leeuwenhoek geschah. Unter den Krankheiten des 17. Jahrh. nehmen einen Hauptplatz die Seuchen ein, welche durch Krieg, Hungersnot, Elend aller Art und durch ungewöhnliche kosmische und tellurische Einflüsse begünstigt wurden.
Von chronischen Krankheiten lernte man die Rhachitis kennen, deren erste Erscheinung in das Jahr 1630 fällt; auch der Kretinismus in den Alpenthälern regte zuerst die Aufmerksamkeit der Ärzte an. Der größere Verkehr mit entfernten Weltteilen vermehrte die Erfahrungen über den klimatischen Unterschied der Krankheiten, und auch der Beobachtung der Epidemien und der epidemischen Konstitution wurde größere Aufmerksamkeit zugewendet, nach dem Vorgang Thomas Sydenhams (1624-89), der, die Idee des Lebens in ihrer ganzen Reinheit fassend; die dem Leben entfremdete Heilkunde wieder auf den Weg der Natur leitete. Die Heilkunde des beginnenden 18. Jahrh. fand ihre beiden größten Koryphäen, Stahl und Hoffmann, auf ¶