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französischen Okkupation verschont blieb; doch hat es bis 1813, abgesehen von Erpressungen, mehr als 2 Mill. Thlr. für die französische Armee aufbringen müssen. Der Herzog trat dem Rheinbund bei, entsagte 1813 demselben und ließ seine Truppen beim schlesischen Heer am Kampf gegen Frankreich teilnehmen. Er nahm gleichfalls den Titel Großherzog an und erhielt auf dem Wiener Kongreß einen Distrikt im Saardepartement mit 10,000 Seelen. Sein Nachfolger Georg (1816-60, s. Georg 16) verkaufte ihn aber 1819 für 1 Mill. Thlr. an Preußen. [* 2] In dem Deutschen Bunde, dem Mecklenburg-Strelitz 1815 auch beitrat, besaß es für die allgemeine Bundesversammlung eine Stimme (Mecklenburg-Schwerin hatte zwei), für die engere mit Mecklenburg-Schwerin zusammen die 14. Stimme. Seit regiert Georgs Sohn Friedrich Wilhelm (s. Friedrich 31).
Das Jahr 1848 rief auch in beiden Mecklenburg [* 3] Unruhen und Verfassungswirren hervor. In zahlreichen Petitionen ward die Einberufung eines außerordentlichen Landtags zur Beratung der Verfassungsreform und eines volkstümlichen Wahlgesetzes begehrt, und die ausweichende Antwort des Großherzogs von Mecklenburg-Schwerin veranlaßte tumultuarische Auftritte in Schwerin und Rostock. [* 4] Am 18. März ward endlich die Einberufung eines außerordentlichen Landtags verkündigt und die Zensur aufgehoben; eine umfassendere Proklamation vom 23. März verhieß Volksvertretung beim Bundestag, Reform der Landesvertretung, Vereinigungsrecht, Volksbewaffnung und Umgestaltung der Rechtspflege.
Auf dem am 26. April eröffneten außerordentlichen Landtag wurde ein auf allgemeinem Wahlrecht beruhendes Wahlgesetz vereinbart und von den Ständen verlangt, daß die neue Vertretung mindestens dieselben Rechte haben solle wie früher Ritterschaft und Landschaft. Der Landtag wurde 16. Mai geschlossen, und 15. Juli erfolgte die Publikation des Wahlgesetzes. Im Land bildeten sich nun zwei Parteien, eine demokratische und eine konstitutionelle, d. h. streng konservative. Am 31. Okt. trat endlich die verfassungsvereinbarende Versammlung zusammen.
Von den 103 Abgeordneten (85 für Mecklenburg-Schwerin, 18 für Mecklenburg Strelitz und das Fürstentum Ratzeburg) gehörten fast zwei Drittel der demokratischen Partei an; doch löste sich von dieser ein linkes Zentrum ab, das der Schweriner Regierung namentlich in der Wahlgesetzfrage namhafte Konzessionen machte. Die deutschen Grundrechte, Bestimmungen über das Domanium und der Grundsatz des Suspensivvetos wurden in die Verfassung aufgenommen und diese von der Kammer genehmigt.
Die größten Schwierigkeiten machte die Frage der landständischen Union zwischen beiden Großherzogtümern. Am 13. Aug. löste der Großherzog von Strelitz die Kammer auf, wozu das Recht nur dem Großherzog von Schwerin zustand. Daher erklärte die Kammer 19. Aug. die Aufhebung der Union für beide Mecklenburg für notwendig, und auf ihren Antrieb löste der Großherzog von Schwerin gleichfalls die Kammer 22. Aug. auf, bestätigte aber 23. Aug. das vereinbarte Staatsgrundgesetz für Schwerin.
Außer der Regierung von Strelitz protestierten die Agnaten beider mecklenburgischen Linien, darunter der König von Preußen, gestützt auf den Successionsvertrag von 1442, gegen die neue Verfassung. Auch die adlige Ritterschaft that Einspruch und fand, in Schwerin abgewiesen, eine um so huldvollere Aufnahme in Strelitz. Nachdem sich sowohl die strelitzsche Regierung als die Ritterschaft mit einer Klage an den Bund gewandt, erklärte ein Bundesschiedsgericht (v. Langenn, v. Scheele, Götze) die Rechtsbeständigkeit der neuen Staatsverfassung und das Gesetz über die Aufhebung der landständischen Verfassung für nichtig, und der Großherzog von Schwerin wurde angehalten, für 1850 einen Landtag nach dem grundgesetzlichen Erbvergleich von 1755 zu berufen.
Die landständische Union zwischen beiden Mecklenburg war somit wiederhergestellt. Es begann die Zeit der Reaktion. Zunächst wurde das bisher gemeinsame Konsistorium aufgelöst, das Kirchenregiment über die lutherische Kirche fortan durch zwei Behörden, in Schwerin durch den Oberkirchenrat, in Strelitz durch ein Konsistorium, geübt. Am 9. Okt. erfolgte die Aufhebung der deutschen Grundrechte und das Verbot aller Versammlungen zu politischen Zwecken. Am trat zu Malchin der allgemeine Landtag wieder zusammen, bei welchem die adlige Ritterschaft im Übergewicht war.
Somit war der alte patrimonial-ständische Privilegienstaat mit der Dreiteiligkeit von Landesherrschaft, Ritterschaft und Städten wiederhergestellt. Weiteres über die Landstände s. oben, S. 388. Am wurde die Prügelstrafe wieder eingeführt. Die obere Leitung der Staatsverwaltung ward in Schwerin durch Verordnung vom neu geordnet, der Wirkungskreis des Staatsministeriums erweitert und diesem kollegialische Beratung empfohlen. Die drückende Lage der Bauern und Tagelöhner, die Schwierigkeiten des Gewerbebetriebs in den Städten riefen seit 1850 eine überaus rege Auswanderung aus beiden Mecklenburg nach Amerika [* 5] hervor, die in den Jahren 1852-57 ihre größte Höhe (6000 Menschen) erreichte. Damals trat sogar eine absolute Verminderung der Bevölkerungsziffer ein.
Während der Großherzog von Mecklenburg-Strelitz beim Ausbruch des österreichisch-preußischen Kriegs 1866 so zögernd auf Preußens [* 6] Seite trat, daß sein Kontingent gar nicht mehr am Kampf teilnahm, schloß der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin 30. Juni mit Preußen ein Bündnis und stellte ihm sein Kontingent zur Verfügung, das er dann mit preußischen Truppen vereint selbst nach Bayern [* 7] führte, wo er bis Nürnberg [* 8] vordrang (s. Preußisch-deutscher Krieg). Dem preußischen Entwurf vom 4. Aug. für einen norddeutschen Bund stimmten beide Mecklenburg nur zögernd und unter Vorbehalten bei. Am 26. Sept. ward sodann ein außerordentlicher Landtag versammelt und diesem der Bündnisvertrag mit Preußen wie der Entwurf des Wahlgesetzes für den Norddeutschen Bund vorgelegt.
Die Mehrheit der deshalb niedergesetzten Kommission befürwortete notgedrungen die Billigung der betreffenden Vorlagen, traten beide Mecklenburg dem Zollverein bei. Die norddeutsche Bundesverfassung bildete natürlich für die Stände Mecklenburgs einen furchtbaren Stein des Anstoßes. Gleichwohl entschied sich der mecklenburgische Landtag für Annahme derselben u. zwar mit 106 gegen 16 Stimmen. Der Abschluß einer Militärkonvention mit Preußen verzögerte sich bis
Nach dem deutsch-französischen Krieg, an dem auch Mecklenburgs Truppen im Verband [* 9] des 9. Armeekorps einen ruhmreichen Anteil nahmen, und der Begründung des Deutschen Reichs trat die mecklenburgische Verfassungsfrage in ein neues Stadium. Am beschloß (ähnlich wie schon 7. Juli eine Delegiertenversammlung von 16 Stadtmagistraten) der landschaftliche Konvent der drei Kreise, [* 10] in einer Eingabe an beide Landesherren die ¶
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Notwendigkeit der Verfassungsreform darzulegen. Wichtiger war, daß damals der mecklenburgische Abgeordnete Büsing im Reichstag zu Art. 3 der Reichsverfassung den Zusatz beantragte: »In jedem Bundesstaat muß eine aus den Wahlen der Bevölkerung [* 12] hervorgehende Vertretung bestehen, deren Zustimmung bei jedem Landesgesetz und bei Feststellung des Staatshaushalts erforderlich ist«, und daß er die Annahme dieses Antrags mit 185 gegen 88 Stimmen erzielte. Schon 7. Dez. forderten beide Großherzöge den Landtag auf, Vertreter zu kommissarisch-deputatischen Verhandlungen über Änderung der bestehenden Verfassung zu erwählen.
Dieselben begannen führten aber zu keinem Resultat, weil die landschaftlichen Vertreter die Regierungsvorlage als völlig ungeeignet ablehnten. Dennoch setzte die ritterschaftliche Majorität auf dem Landtag die Beratung der Vorlage im Plenum durch und erklärte sich mit ihren Grundprinzipien einverstanden, wogegen die Landschaft nur die Vorschläge der Regierungen in betreff der Gesetzgebung billigte, im ganzen aber den Entwurf ablehnte. Während nun in Mecklenburg die Frage einstweilen vertagt ward, suchte ein Teil der Bevölkerung durch Petitionen, von denen eine mit 22,600 Unterschriften bedeckt war, den Reichstag zum Einschreiten zu bewegen.
Hier ward jener von Büsing erneuerte Antrag nochmals fast einstimmig angenommen. Dagegen betonte der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin bei Gelegenheit der landwirtschaftlichen Ausstellung in Wismar [* 13] die berechtigten Eigentümlichkeiten Mecklenburgs, die auch in der Reformfrage zu berücksichtigen seien. Dem Landtag, der 12. Nov. zusammentrat, ward derselbe Verfassungsentwurf wie im vorigen Jahr vorgelegt, aber wiederum von der Landschaft, welche auf der Einführung des Repräsentativsystems bestand, zurückgewiesen.
Die Regierungen gaben endlich dem Druck der Landschaft nach und brachten bei Eröffnung eines außerordentlichen Landtags eine neue Vorlage ein. Danach sollte der für beide Mecklenburg gemeinsame Landtag eine einheitliche Versammlung bilden und aus Vertretern des großen Grundbesitzes, der Städte und der Landgemeinden bestehen. Während die Einkünfte des Domaniums dem Großherzog vorbehalten blieben, sollten die Voranschläge der übrigen Einnahmen und Ausgaben dem Landtag jährlich als Staatshaushaltsetat vorgelegt werden.
Obgleich bei der neuen Vertretung das ständische Prinzip aufrecht erhalten wurde, obgleich ferner in den Landgemeinden nur ein kleiner Kreis [* 14] von Personen, in den Städten nur die Behörden zur Wahl berechtigt sein sollten, so war in dem Entwurf doch das Übergewicht des Großgrundbesitzes ungemein beschränkt. In dem Verfassungsausschuß, dem zunächst die Vorlage zuging, erklärten die Vertreter der Ritterschaft, daß diese niemals auf ihr Virilstimmrecht verzichten werde.
Als nur die Landschaft geneigt war, die Verhandlungen auf dem Boden der neuen Vorlage fortzusetzen, die Ritterschaft aber bei ihrer Ablehnung beharrte, schlossen die Regierungen 9. März den Landtag. In der Session von 1875 sprach sich die Ritterschaft unterm 17. Febr. wiederum für Aufrechthaltung von Ritterschaft und Landschaft als politische Korporationen aus und veranlaßte durch dies Votum die Landschaft, die Verhandlungen in der Reformfrage abzubrechen (26. Febr.). Das Ansinnen der Ritterschaft aber, neue Verhandlungen auf Grund eines veränderten Entwurfs zu beginnen, lehnte der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin 13. März ab. Erst 1878 nahm derselbe im Einverständnis mit dem Großherzog von Mecklenburg-Strelitz die Verhandlungen über die Verfassungsreform wieder auf, fand aber beim Landtag wenig Neigung dazu. Dieser begnügte sich damit, die Verfassungsfrage einer Deputation zu überweisen, und somit harrt diese wichtige Angelegenheit noch der Erledigung. Friedrich Franz II. starb, allgemein betrauert, Ihm folgte in Mecklenburg-Schwerin sein Sohn Friedrich Franz III. (s. Friedrich 30). Dessen jüngerer Bruder, Paul, der, mit einer (katholischen) Prinzessin Windischgrätz vermählt, seine Kinder katholisch erziehen ließ, verzichtete auf seine Erbfolgerechte.
Vgl. v. Lützow, Versuch einer pragmatischen Geschichte von Mecklenburg (Berl. 1827-35, 3 Bde.);
Wiggers, Kirchengeschichte Mecklenburgs (Parch. 1840);
Boll, Geschichte Mecklenburgs (Neubrandenb. 1855-56, 2 Tle.);
Pentz, Geschichte Mecklenburgs (Wism. 1872, 2 Bde.);
Wigger, Mecklenburgische Annalen bis 1066 (Schwer. 1860);
Ernst, Kolonisation Mecklenburgs im 12. und 13. Jahrhundert (Rostock 1875);
Lehsten, Der Adel Mecklenburgs seit dem landesgrundgesetzlichen Erbvergleich (das. 1864);
Derselbe, Die Wiederherstellung der Leibeigenschaft in Mecklenburg (2. Aufl., Kob. 1864);
Mecklenburg Wiggers, Der Vernichtungskampf wider die Bauern in Mecklenburg (Leipz. 1864);
Derselbe, Der mecklenburgische Patrimonialstaat (Magdeb. 1865).
Für die ältere Geschichte wichtig: Lisch, Mecklenburgische Urkunden (Schwer. 1837-41, 3 Bde.);
»Mecklenburgisches Urkundenbuch« (das. 1863-86, Bd. 1-14);
»Jahrbücher des Vereins für die Geschichte Mecklenburgs« (das. 1836 ff.).