3) Markgräfin von Tuscien, die bekannte Freundin
Gregors VII., geb. 1046, war eine Tochter des
MarkgrafenBonifacius von Tuscien
und der
Beatrix von
Lothringen. Sie ging zwar mit Gozelo dem Buckligen, einem Sohn des
Herzogs von
Lothringen, eine
Ehe ein, doch
lebte sie stets von ihm getrennt auf ihren
Gütern in
Italien;
[* 4] 1075 starb Gozelo. Den ihr allgemein gegebenen
Namen der großen
Gräfin verdankt sie ebenso ihrer Macht wie ihren glänzenden
Geistesgaben und ihrer hohen
Bildung.
Bereits 1077 gewährte sie dem
Papst auf ihrem
SchloßCanossa eine Zuflucht, stand ihm 1081 gegen den
Kaiser
bei und unterstützte ihn mit
Geld, als er in
Rom
[* 10] eingeschlossen war. Der
Kirche zuliebe vermählte sie sich sogar 1090 mit
Welf,
Herzog von
Bayern,
[* 11] um diesen noch enger an die päpstliche
Sache zu fesseln. Indessen lebte sie auch von diesem meist,
zuletzt ganz getrennt.
Schon 1077 hatte sie
im Fall ihres kinderlosen Ablebens, welches in dem
von ihr erbauten
Kloster zu Polirone erfolgte, den
Papst zum
Erben ihrer Besitzungen ernannt, was zu langen Streitigkeiten Veranlassung
gab, indem der
Kaiser ihre
Güter (Mathildische
Erbschaft) als eröffnete Reichslehen, der
Papst aber als
ihm durch
Testament zugehörig und
Wels als
Gatte der Verstorbenen in Anspruch nahmen. Man verglich sich endlich dahin, daß
der
Kaiser den größern Teil der Mathildischen
Güter an die
Kirche abtrat.
Vgl. Pannenborg,Studien zur Geschichte der Herzogin
Mathilde
(Götting. 1872);
Tosti, La contessa Matilde
e i romani pontefici (neue Ausg.,
Rom 1886).
LudwigEmil, preuß. Staatsmann, geb. zu
Berlin,
[* 12] widmete sich daselbst dem
Studium der
Rechte, trat
bei den
Berliner
[* 13]
Gerichten in den Staatsjustizdienst und ward 1829 Kammergerichtsrat. 1835-38 war er preußischer
Kommissar
bei der aus
Anlaß des
Frankfurter Aprilaufstandes (1833) niedergesetzten Bundeszentralbehörde inFrankfurt
[* 14] und wurde 1838 zum vortragenden
Rat im
Ministerium des Innern, 1840 zum
Geheimen Oberregierungsrat ernannt und 1842 in den
Staatsrat
berufen, wo er bis 1844 Mitglied des Oberzensurgerichts war und sodann
die Abteilung der höhern
Polizei- und der Preßangelegenheiten
erhielt. 1846 ward er
Direktor im
Ministerium des Innern.
Obwohl liberalen
Reformen nicht abgeneigt, trat er doch im
Sommer 1848 mit
Wartegeld zurück. Anfangs hielt
er sich hierauf zur Kreuzzeitungspartei; bald aber führte die deutsche
Frage einen
Bruch herbei, und Mathis schloß sich dem Patriotischen
Verein zu
Berlin an, welcher die
Durchführung der konstitutionellen
Monarchie sich zum
Ziel setzte. Als Vorsitzender
desselben entfaltete er durch öffentliche
Rede und in der
Presse
[* 15] eine erfolgreiche Thätigkeit und veröffentlichte im
Herbst 1849 die
Flugschrift
»Preußens
[* 16] deutsche
Politik«. Im
Dezember 1849 ward er nach
Frankfurt gesandt, um bei der provisorischen Bundeszentralkommission
die
Referate über die
Departements des Innern und der
Justiz zu übernehmen; im Juni 1850 trat er als preußischer
Bevollmächtigter in die freien
Konferenzen zur Beratung der deutschen Verfassungsangelegenheiten, ward aber schon im
August
wieder abberufen.
Seit 1850 Mitglied der neugebildeten Ersten
Kammer, gründete er 1851 mit
Bethmann-Hollweg u. a. die
Fraktion, welche die Einigung
Deutschlands
[* 17] unter
PreußensFührung und die Aufrechthaltung der preußischenVerfassung zu ihrem
Programm
machte.
Organ der
Fraktion ward das »Preußische Wochenblatt«, an dem Mathis einer
der thätigsten Mitarbeiter war. 1852 in das Abgeordnetenhaus gewählt, zeigte er sich bis 1858 als einen der unermüdlichsten
Gegner des
Ministeriums.
Nur in der
Frage der Ehegesetzgebung trennte er sich infolge seiner strengern kirchlichenRichtung von der
Mehrzahl der liberalen
Partei. 1859 und 1860 ward er zum Vizepräsidenten gewählt.
Indes die weitern Ereignisse, der beginnende
Konflikt über die Militärfrage drängten Mathis mehr und mehr in den
Hintergrund. Bei den
Neuwahlen 1861 wurde er nicht wieder
gewählt, und als er 1865 zum
Präsidenten des
Oberkirchenrats ernannt wurde, machte sich sein streng orthodoxer
Standpunkt in schroffen
Edikten gegen religiösen Liberalismus in der preußischen
Landeskirche geltend, welche seine frühern
Verdienste um die konstitutionelle
VerfassungPreußens fast vergessen ließen. Seit 1872 pensioniert, starb er
SeinerStelle als Minister in Baden
[* 27] enthoben und für seinen Lebensunterhalt auf Erwerb angewiesen, siedelte er 1855 nach
Berlin über, um Hansemann in der Leitung der Diskontogesellschaft zu unterstützen. 1858 ward er Direktor der Bank zu Gotha,
[* 28] 1859 der
DeutschenKreditanstalt zu Leipzig;
[* 29] 1862 trat er in den badischen Staatsdienst zurück und übernahm die Leitung der Hofdomänenkammer
und im Januar 1864 den Vorsitz im Handelsministerium. In dieser Stellung wendete er namentlich dem Eisenbahn-
und Bankwesen seine Thätigkeit zu. In der deutschen Frage war er entschiedener Vertreter des bundesstaatlichen Programms und
nahm daher, als Baden im Sommer 1866 sich auf die Seite Österreichs und seiner mittelstaatlichen Verbündeten gestellt hatte, 30. Juni seine
Entlassung.
Nach der Aussöhnung Badens mit Preußen
[* 30] richteten sich die Blicke des Großherzogs natürlich auf Mathy. Als
Leiter der Finanzen und des Handels ward er 27. Juli zugleich der Vorsitzende in dem neugebildeten Kabinett und arbeitete eifrig
und mit Erfolg daran, Badens Vereinigung mit dem Norddeutschen Bund vorzubereiten und es bis dahin militärisch ebenbürtig
zu machen; doch starb er in Karlsruhe in der Nacht vom 2. auf den
Vgl. G. Freytag, Karl Mathy. Ein
Lebensbild (2. Aufl., Leipz. 1872).