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gegenüberliegenden Seite des
Hafens, die im
Mittelalter um die
Abtei
St.-Victor angelegt ward; endlich, beide Stadtteile verbindend,
die allmählich herangewachsene
Neustadt,
[* 2] welche sich
südlich an den vom
Fort
Notre Dame de la
Garde gekrönten
Hügel anlehnt
und von den beiden andern Stadtteilen durch eine lange Verkehrsader getrennt wird, die nacheinander die
Namen
Rue d'Aix,
Cours Belzunce,
Cours
St.-Louis und
Rue de
Rome trägt und mit schönen Baumreihen bepflanzt ist.
Während des
Baues des
Hafens Joliette wurde der nördlich von der Stadt gelegene
Hügel, auf welchem das alte
Lazarett stand,
abgetragen und an seiner
Stelle sowie auf dem dem
Meer abgewonnenen
Terrain ein weiterer Stadtteil nördlich
von der ältern Stadt angelegt, welcher die eigentliche Seestadt bildet. Die große, breite
Rue de la République zieht sich
mitten durch diesen Stadtteil und verbindet den alten mit dem neuen
Hafen. Die schönste
Straße in der eigentlichen Stadt
ist die vom Ende des alten
Hafens quer über die
oben erwähnte große Verkehrsader in die
Neustadt führende
Straße La Cannebière, der
Stolz der Marseiller
(»Si
Paris
[* 3] avait une Cannebière,
Paris serait un petit Marseille«,
[* 4] sagt ein
Sprichwort der Marseiller), zugleich öffentlicher Platz,
Bazar und Spaziergang.
Die
Straßen von Marseille sind
im allgemeinen breit, mit guten
Trottoirs versehen und mit schönen Gebäuden
besetzt; die öffentlichen
Plätze sind
regelmäßig und geräumig angelegt. Die bedeutendsten der letztern sind:
Place de
la
Bourse, ziemlich in der Mitte der Stadt,
Place St.-Michel, auf dem
Plateau im
O. der Stadt,
Place de St.-Ferréol,
Place Neuve,
der Platz des Justizpalastes, mit einer
Statue des Redners
Berryer, u. a. Die schönsten
Straßen und
Plätze
sind
in der
Neustadt gelegen, welche sich
von
Tag zu
Tag vergrößert.
Zugleich wird die Stadt, welche früher durch ihre Unreinlichkeit verrufen war, sauber und gesund. Eine 83 km lange Wasserleitung [* 5] mit großartigen Kunstbauten (darunter der 3700 m lange Tunnel [* 6] durch die Gebirgskette Taillades und der imposante Aquädukt von Roquefavour, welcher aus drei übereinander stehenden Arkadenreihen zusammengesetzt ist und in einer Länge von 382 m über das Arcthal hinwegsetzt) führt der Stadt Wasser von der Durance (9000 Lit. in der Sekunde) zu und ist durch 400 Brunnen [* 7] und 1800 Auslaufstellen der Bevölkerung [* 8] zugänglich gemacht.
[Bauwerke.]
An hervorragenden öffentlichen Gebäuden, namentlich aus früherer Zeit, ist Marseille nicht sehr reich.
Doch sind
unter den
Kirchen zu erwähnen: die neue
Kathedrale (auf hoher
Terrasse an
Stelle der demolierten alten Bischofskirche
erbaut), eine
Basilika
[* 9]
im byzantinischen
Stil, und die alte berühmte Wallfahrtskapelle
Notre Dame de la
Garde, 1214 auf dem gleichnamigen von einem
Fort gekrönten
Hügel erbaut, jetzt ebenfalls durch einen größern, in romanischem
Stil aufgeführten Neubau ersetzt.
Der letztere, welcher 1864 eingeweiht wurde, zeichnet sich
durch eine große Vorhalle, einen Glockenturm von 45 m
Höhe, im
Innern durch die Verkleidung mit weißem karrarischen
Marmor und eine schöne
Kuppel aus. Von der
Terrasse
und der Turmgalerie genießt man die wundervollste Aussicht
auf die malerisch gelegene Stadt, das
Meer, die
Inseln und die
Berge umher. Bemerkenswerte
Kirchen sind ferner: Notre Dame du
Mont Carmel in der alten Stadt;
St.-Victor, das Überbleibsel der ehemaligen Abtei gleiches Namens, mit alter unterirdischer Kapelle und Katakomben;
die moderne Kirche St.-Joseph und die neue gotische Kirche St.-Vincent. Auch die protestantische Kirche ist ein hübsches modernes Gotteshaus.
Andre interessante Bauwerke sind: das Stadthaus mit Skulpturen von Puget;
der Justizpalast, 1858-62 erbaut, mit schönem Saal (des Pas Perdus);
der neue bischöfliche Palast;
das Präfekturgebäude mit reichgeschmückter Fassade (Reiterstandbild Ludwigs XIV.) und schönen Prachtgemächern;
die Börse (1854-60 an der Rue Cannebière erbaut) mit reicher ornamentaler Verzierung und einem 1120 qm fassenden Hauptsaal;
das große Theater [* 10] (von 1784), im Innern neuerlich restauriert;
der Triumphbogen an der Rue d'Aix, mit Skulpturen von David d'Angers und Ramey;
das Fort St.-Jean am Eingang des alten Hafens und das gegenüberliegende Fort St.-Nicolas, in dessen Nähe sich auch auf einer ins Meer vorspringenden Anhöhe das ehemals kaiserliche Château du Pharo befindet;
ferner das prächtige, im Renaissancestil erbaute Palais de Longchamp am Ostende [* 11] des gleichnamigen Boulevards (1869 vollendet), mit 2 Pavillons, in welchen das naturhistorische Museum und die Gemäldegalerie untergebracht sind, dann einem Mittelbau mit schöner Fontäne;
endlich der Neubau der Kunstschule, das große Schlachthaus, die Markt- und die Fischhallen.
Die beliebtesten Spaziergänge sind im Innern der Stadt: die Allée Meilhan;
der Boulevard Longchamp, welcher in dem zoologischen Garten [* 12] endet, 1855 eröffnet, 6 Hektar umfassend, von schöner Anlage;
der Cours Belzunce, mit einer 1852 errichteten Bronzestatue des Bischofs Belzunce, welcher sich während der Pest 1702 hilfreich erwies;
der Cours Pierre Puget, gleichfalls in einen schönen, auf felsiger Anhöhe gelegenen öffentlichen Garten auslaufend, in welchem eine Säule die Büste Napoleons I. trägt.
[* 1] ^[Abb.: Karte der Umgebung von Marseille.] ¶
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Promenaden außerhalb der Stadt sind: Der Prado, mehr als 4 km lang, mit schönen Alleen bepflanzt und von Villen in seiner ganzen Ausdehnung [* 14] umsäumt, von der Stadt zum Meer beim Château des Fleurs vorbeiführend, letzteres mit Hippodrom, Schießstätte und einem schönen, 50 Hektar großen Park. Am Ende des Prado befindet sich das der Stadt gehörige Schloß Borelli mit archäologischem Museum (s. unten), Wettrennplatz und schönen Parkanlagen, weiter die Promenade de la Corniche, welche sich längs der Küste in einer Ausdehnung von 7 km hinzieht, eine prachtvolle Aussicht auf das Meer gewährt und zahlreiche schöne Villen enthält. Im übrigen ist die nächste Umgebung der Stadt kahl und vegetationslos; erst etwas entfernter ist der Boden gut bebaut und mit Gärten und Weinbergen sowie mit zahlreichen (über 4000) Landhäusern, sogen. »Bastides«, meist zweistöckigen Gebäuden mit kleinen Gärten, bedeckt.
[Bevölkerung.]
Die Bevölkerung von Marseille, welche 1801 erst 90,500, 1835: 148,597 Seelen betrug, belief sich 1861 schon auf 260,910, 1881 auf 360,099 (wovon 269,340 auf das eigentlich städtische, 90,759 auf das weitere Gemeindegebiet kommen), endlich 1886 auf 376,143 Einw. und ist somit nach Paris und Lyon [* 15] die größte Stadtbevölkerung in Frankreich. Unter der Bevölkerung von Marseille befinden sich zahlreiche fremde Staatsangehörige, namentlich etwa 40,000 Italiener, der Religion nach etwa 15,000 Protestanten und 3000 Juden.
Der Typus des Menschenschlags ist schön; ein feuriges Auge, [* 16] eine rasch accentuierte Sprache, [* 17] lebhafte Gebärden unterstützen die ausdrucksvolle Physiognomie. Die Hauptbeschäftigung bilden Handel und Schiffahrt; doch ist Marseille nicht nur ein großer Hafen- und Handelsplatz, sondern auch der Sitz einer wichtigen Industrie, deren Entwickelung der Handel teilweise seinen hohen Aufschwung verdankt. Der wichtigste Gewerbszweig ist die Seifenfabrikation, die im 16. Jahrh. von Savona und Genua [* 18] hierher verpflanzt worden ist.
Dieselbe beschäftigt in der Stadt und Umgebung 85 Etablissements mit gegen 5000 Arbeitern und produziert jährlich Seife im Wert von 85 Mill. Frank. Als Hilfsgewerbe dient der Seifenfabrikation die Produktion von vegetabilischem Öl (in 40 Fabriken mit 2000 Arbeitern, welche namentlich Sesam und Erdnüsse verarbeiten) und von Soda. Bedeutende Industriezweige sind weiter: die Zuckerraffinerie (2 Etablissements mit 2450 Arbeitern);
die metallurgische Industrie in Eisen [* 19] und Blei [* 20] (Erze aus Italien, [* 21] Algerien, [* 22] Spanien), [* 23] Weißblech und Metalllegierungen;
die Lederfabrikation, früher in noch höherer Blüte [* 24] (jetzt 25 Gerbereien mit 1700 Arbeitern, Rohmaterial aus Marokko, Algerien etc.);
die Wollwäscherei;
die Behandlung und Präparierung von Weinen aus Languedoc und Var zum Export nach den Antillen, Indien und Algerien;
die Fabrikation von Kerzen, Mehl [* 25] (100 Mühlen [* 26] mit 800 Arbeitern), Zündhölzchen, Weinstein, Flechtwerk und Matten (namentlich aus Esparto), Juwelierarbeiten, Stöpseln, Bier, Kesselschmiedewaren, Konserven, Salzfleisch, Konditorwaren, Teigwerk, Tabak, [* 27] Papier, Hüten, Marmorarbeiten und Ziegeln.
Die Schiffkonstruktion ist gegenwärtig auf die Reparatur von Schiffen beschränkt, da sich der eigentliche Schiffbau von der Stadt weggezogen hat. Von Bedeutung ist auch die Fischerei, [* 28] besonders der Kabeljaufang; 1885 liefen 31 Schiffe [* 29] mit 4294 Ton. vom Fischfang ein und brachten eine Ausbeute von 3,7 Mill. kg Stockfisch mit.
[Handel und Schiffahrt.]
Seine Größe und Bedeutung verdankt jedoch Marseille zunächst seinem Handel und seiner Schiffahrt, welche sich beide in den schon jetzt großartigen Hafenanlagen konzentrieren. Die Stadt besitzt zwei Häfen: den Alten Hafen, ein von der Natur gebildetes, gegen den Mistral (Nordwestwind) geschütztes Becken von 28 Hektar Oberfläche, welches bis 600 Handelsschiffe von einer seiner geringen Tiefe (4-7 m) entsprechenden Größe fassen kann, und den Hafen Joliette, 1853 in einer Flächenausdehnung von 22 Hektar angelegt und mit dem Alten Hafen durch einen Kanal [* 30] verbunden.
Hierzu kamen in weiterer Folge die Bassins Lazaret (16 Hektar), Arenc und National (je 24 Hektar), alle drei in den letzten Jahren eröffnet, ferner ein nasses und zwei Trockendocks an dem Verbindungskanal zwischen den beiden Häfen, so daß die Gesamtfläche der Hafenanlagen 114 Hektar beträgt, während die Kais eine Längenentwickelung von 9055 m haben. Dennoch genügten weder die Bassins und Kais noch die Docks den Bedürfnissen der Schiffahrt, wie auch der Mangel an einem Vorhafen sich sehr fühlbar machte. Es wurde daher schon seit 1863 die Vergrößerung des Hafens in Aussicht genommen und den auszuführenden Arbeiten ein weit ausgreifendes Projekt zu Grunde gelegt, welches folgende Objekte umfaßt: ein Bassin von 64 Hektar Oberfläche zwischen dem Bassin National und dem Kap Pinède, ein zweites Bassin von noch größern Dimensionen zwischen den Kaps Pinède und Janet, beide Bassins durch Molen von 300-520 m Länge getrennt;
eine Verlängerung [* 31] des Dammes vom Hafen Joliette und von den daran befindlichen Bassins zu den neuen Bassins;
einen Vorhafen, gebildet durch den Damm der Bassins und durch einen Wellenbrecher von 2800 m Länge;
ein Trockendockbassin mit 12 Werften sowie ein nasses Dock; [* 32]
neue leicht gebaute Magazine (Hangars);
Herstellung von Schienenwegen auf den Hafendämmen.
Nach Vollendung aller dieser Arbeiten wird kein Hafen der Welt bei direkter Verbindung mit dem Meer eine gleiche Wasserfläche und eine ähnliche Ausdehnung der Kais aufweisen. Vor dem Hafen von Marseille breitet sich die Reede, südöstlich vom Kap Croisette, nordwestlich vom Kap Couronne begrenzt, aus. Von der offenen See führen in dieselbe vier Zufahrten zwischen den der Reede vorgelagerten kleinen Inseln Ratoneau und Pomègues, der mit einem runden Turm [* 33] als Wahrzeichen versehenen Klippe Canoubier und dem Felseneiland If (s. d.). Die Reede von ist durch vier Leuchttürme bezeichnet, darunter eine Leuchte erster Ordnung auf dem Felsen Planier.
Vom Hafen gehen Schiffahrtsverbindungen nach den verschiedensten Richtungen aus. Der regelmäßige Dienst der Paketboote für Passagiere umfaßt Linien nach Nizza, [* 34] Cette, Barcelona, [* 35] Ajaccio, Bastia, Genua, Livorno, [* 36] Neapel, [* 37] Algier, Oran, Philippeville, Tunis. Unter den Schiffahrtsgesellschaften steht obenan die Compagnie des services maritimes des Messageries, welche Linien nach Italien, Malta, Griechenland, [* 38] der Türkei, [* 39] Syrien, Ägypten, [* 40] Algier, Spanien, nach dem Schwarzen Meer, der untern Donau, dem Suezkanal, Ostindien [* 41] und Australien [* 42] unterhält.
Außerdem bestehen noch zahlreiche andre Gesellschaften für einzelne Schiffahrtskurse. In Verbindung mit den Seekommunikationen steht als Landverkehrsweg die Eisenbahn von Paris über Lyon nach und weiter über Toulon [* 43] und Nizza nach Italien, mit mehreren Zweigbahnen. Die Ergebnisse des Handels und der Schifffahrt von Marseille waren 1885 folgende: Auf der internationalen Schiffahrt sind im ganzen 4280 handelsthätige Schiffe mit einem Tonnengehalt von 3,152,058 Ton. und einer Bemannung von 119,785 Personen ¶