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in Menge da; Antilopen und Strauße gibt es im S., von wo auch als Landplage auftretende Heuschreckenzüge kommen. Die Pferde [* 2] und Maultiere sind vorzüglich, Kamele [* 3] gibt es viel im S.; große Herden von Schafen, Ziegen und Rindern bedecken die Weiden, aber nur die Ausfuhr der letztern ist gestattet. Fische [* 4] sind ebenso zahlreich in den Flüssen wie im Meer. Die Bewohner, deren Zahl auf 10 Mill. geschätzt wird, gehören fünf verschiedenen Rassen an, autochthonen Berbern, als Eroberer ins Land gekommenen Arabern (s. Tafel »Afrikanische Völker«, [* 5] Fig. 3), Mauren und Juden, beide aus Spanien [* 6] vertrieben, und aus dem Sudân importierten Negern.
Die Berber oder Amazirghen (Imoscharh) bewohnen den Atlas [* 7] und die von diesem sich abzweigenden Gebirgszüge, die Araber die Ebenen, Mauren, Juden und Neger die Städte. Die Juden (etwa 200,000) sind die Bankiers des Staats, Händler und Handwerker, dabei aber verachtet und beständig verfolgt; die Neger (500,000) sind Sklaven aus dem Sudân. Die Zahl der Europäer, meist Spanier und Franzosen, wohnhaft in Tanger, ist etwa 2000. Die Religion ist der Islam, der bei Berbern wie bei Negern manche Modifikation erfahren hat.
Die Industrie ist seit Jahrhunderten stationär geblieben, doch ermangeln ihre Produkte nicht des Geschmacks und der Originalität. Die Gewebe, [* 8] Stickereien, Leder- und Töpferarbeiten, Waffen, [* 9] Möbel [* 10] erfreuen sich einer gewissen Berühmtheit. Gold- und Silberarbeiten sind eine Spezialität der Juden. Der Handel wird durch das Verbot der Ausfuhr einer Anzahl von Artikeln gehemmt. Die Karawanen nach dem Sudân (von Tuat nach Timbuktu in 68 Tagen) gehen besonders von Fes aus.
Ausgeführt werden: Häute und Felle, Wolle, Ochsen, Mais, Bohnen, Mandeln, Harze, Straußfedern, Wachs, Eier, [* 11] Elfenbein (aus dem Sudân), Olivenöl, Schuhzeug. Eingeführt werden: Baumwolle [* 12] und Baumwollenstoffe, Zucker, [* 13] Eßwaren, Thee, Seide [* 14] und Seidenwaren, Wollenstoffe, Spirituosen, Papier, Eisen [* 15] und Stahl, Lichte, Geld. Die Einfuhr betrug 1884 ohne Edelmetalle 17,164,000, die Ausfuhr 15,368,000 Mk. und beides verteilte sich wie folgt (in Mill. Mark):
Einfuhr | Ausfuhr | |
---|---|---|
England | 13.13 | 7.55 |
Frankreich | 3.47 | 3.72 |
Spanien | 0.06 | 1.71 |
Portugal | - | 2.36 |
Deutschland | 0.17 | 0.01 |
Die dem europäischen Handel geöffneten Häfen sind: Tetuan, Tanger, El Araïsch, Saleh, Rabât, Casablanca, Mazagan, Saffi und Mogador. Es liefen 1883 ein: 1132 Schiffe [* 16] mit 322,744 Ton., deren Ladung 16,2 Mill. Mk. wertete, während der Ausgang sich auf 14,6 Mill. Mk. belief. Die Verkehrsmittel im Innern sind bei jedem Mangel an fahrbaren Straßen sehr schlecht; Maulesel im N., Kamele im S. befördern die Lasten. Postbüreaus sind in Tanger von England, Frankreich und Spanien errichtet; die Post nach Fes u. a. O. wird durch Boten besorgt.
Eine Telegraphenlinie besteht zwischen Tanger, Tetuan und Fes. Die Staatsform ist die einer absoluten Monarchie. Der Sultan ist unumschränkter Herr über Leben und Tod; seine Einkünfte (10 Mill. Mk.) bestehen in Zöllen, Monopolen, Zehnten vom Bodenertrag und Geschenken, während die Ausgaben nur 6½ Mill. Mk. betragen sollen. Der Großscherif hat daneben aber eine Gewalt, welche der des Sultans in mancher Hinsicht überlegen ist und in seiner Eigenschaft als Großmeister der mächtigen religiösen Brüderschaft von Mulei Tajeb über Algerien, [* 17] Tunis, Tripolis bis nach Ägypten [* 18] reicht.
Der Koran ist das einzige anerkannte Gesetzbuch, und das Zeugnis eines Christen oder Juden gegenüber dem eines Mohammedaners ist ungültig. Daher entscheiden die Konsuln, wenn Streitigkeiten zwischen ihren Staatsangehörigen und Eingebornen entstehen. Der oberste Richter, Kadi el Dschemma, wird vom Sultan ernannt, er ernennt wiederum die Kadis der Provinzen, deren es 20 gibt. Die halb unabhängigen Stämme haben aber teils vom Sultan eingesetzte, teils von ihnen selber gewählte Scheichs. Das Heer soll mit allen Aufgeboten eine Stärke [* 19] von 300,000 Mann (meist Reiter) erreichen können, in Wirklichkeit ist es in den letzten Jahren nicht über 25,000 stark gewesen. Eine Kriegsflotte besitzt Marokko ebensowenig wie eine Handelsflotte. Das Geld Marokkos besteht aus viereckigen, jetzt seltenen Silbermünzen und kleinen Kupfermünzen; im Umlauf sind meist spanische und französische Geldstücke. S. Tafel »Flaggen«. [* 20]
Die Hauptstadt Marokko (Marrakesch), welche diesen Rang mit Fes teilt, liegt nördlich vom Atlas inmitten einer weiten, wohlbewässerten Ebene, am linken Ufer des Tensift, wird von einer 8-10 m hohen, alle 100 m mit Türmen gekrönten Lehmmauer umgeben, die aber völlig verfallen ist. Die Straßen sind eng und schmutzig, die Häuser elend; nur wenige Moscheen, namentlich der hohe Turm [* 21] der Kutubia, verdienen als Bauwerke Beachtung. Durch Wasserleitungen wird Marokko gut versorgt, seine Märkte sind ansehnlich, von Industrie ist aber heute kaum noch die Rede.
Die aus allen Teilen Afrikas stammenden Einwohner, ca. 60,000 (wenn der Sultan hier Hof [* 22] hält, 100,000), wovon 6000 Juden, betreiben meist Ackerbau. Nahezu auf drei Seiten wird die Stadt von prächtigen Anpflanzungen von Oliven-, Feigenbäumen, Dattelpalmen umgeben. Außerhalb der Stadt und im S. derselben liegt der große kaiserliche Palast, dessen Mauern von fast 6 km Umfang große Gärten einschließen. Von den früher hochberühmten Schulen und Bibliotheken ist kaum noch eine Spur vorhanden.
[Geschichte.]
Die Geschichte Marokkos ist in älterer Zeit mit der der Berberei (s. d.) verbunden. Es hieß ursprünglich Mauretanien (s. d.) u. stand unter eignen Königen. 43 n. Chr. wurde es von den Römern ihrem Reich einverleibt und in zwei Provinzen, Mauretania Tingitana (der Westen) und Mauretania Caesariensis (der Osten), geteilt. Nach der kurzen Herrschaft der Vandalen (429-534) und des oströmischen Reichs (bis Ende des 7. Jahrh.) kam Marokko unter die Herrschaft der Araber. Um 790 machten sich die Edrisiden zu unabhängigen Herrschern von Marokko, wurden aber 986 von den Fatimiden unterworfen.
Gegen diese erhoben sich wieder die Zeiriden, bis Abu Bekr 1059 die Herrschaft der Almorawiden mit dem Herrschersitz Marokko begründete und auch Spanien sich unterwarf. An ihre Stelle traten 1146 die Almohaden, deren Macht in Spanien 1212, in Marokko 1269 vernichtet wurde. Nach ihnen herrschten die Meriniden bis zum Ende des 15. Jahrh. Um diese Zeit wurden die Meriniden von den Sanditen gestürzt, denen 1546 die Scherifs von Tafilet folgten, welche ihren Ursprung vom Propheten ableiteten, und unter welchen trotz der innern Thronstreitigkeiten gegen das Ende des 16. Jahrh. das Reich seine größte Ausdehnung [* 23] erlangte, indem es den westlichen Teil von Algerien umfaßte und im S. bis Sudân reichte. Unter ihnen wurden auch die Portugiesen aus ihren Besitzungen vertrieben und König Sebastian bei Alkazar (1578) geschlagen. Seeräuberei wurde um diese Zeit selbst gegen die größern ¶
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Mächte getrieben. Nach dem Tod Achmeds, des mächtigsten der Scherifs, um 1603, entstand ein Bruderkrieg unter seinen Söhnen, bis der älteste derselben, Mulei Zidan, König von Fes, auch die Herrschaft von Marokko wiedererlangte. Unter ihm kamen die 1610 aus Spanien vertriebenen Mauren nach Marokko. Mit Mulei Arschid kam 1669 eine Seitenlinie der Scherifs, die Dynastie der Aliden oder Hoseini, auf den Thron. [* 25] Marokko führte von jetzt ab den Titel eines Königtums. Mulei Arschids Nachfolger (1672), sein Bruder Mulei Ismail, erwarb sich den Ruf eines der grausamsten Tyrannen.
Gegen 5000 Menschen richtete er eigenhändig hin, zum Teil unter den ausgesuchtesten Martern. Nach seinem Tod 1727 kam es zwischen seinen Söhnen Achmed Deby und Mulei Abdallah wegen der Thronfolge zum Krieg, welcher 1730 mit dem Sieg des erstern endigte. Ihm folgte 1757 sein Sohn Mulei Sidi Mohammed, dessen Regierung sich durch Milde und das Bestreben, europäischer Kultur Eingang zu verschaffen, auszeichnete. Das Reich erstreckte sich bis Timbuktu. Nach seinem Tod (1789) entstanden neue Kriege zwischen seinen Söhnen, bis sich endlich Mulei Yezid behauptete, dem 1794 sein jüngerer Bruder, Mulei Soliman, in der Regierung folgte.
Derselbe schaffte die Christensklaven ab, schritt gegen die Seeräuberei ein und trat mit den europäischen Mächten, namentlich mit Frankreich, in diplomatischen Verkehr. 1810 fiel Sidi Hescham von ab. Auf Mulei Soliman folgte 1822 der älteste Sohn seines Bruders Mulei Hescham, Mulei Abd ur Rahmân. Dieser trat die Regierung unter wenig günstigen Umständen an. Im Innern herrschten Aufstände gegen die weltliche Herrschaft des Sultans, religiöser Fanatismus und Haß gegen die Fremden.
Handel und Verkehr lagen danieder. Die Besitznahme Algiers durch die Franzosen verwickelte Marokko in Konflikte mit Frankreich; die fanatisch mosleminische Bevölkerung [* 26] gewährte Abd el Kader nicht nur Zuflucht und Schutz, sondern zwang auch den Sultan 1844, demselben 15,000 Mann zu Hilfe zu schicken, welche die Franzosen im Juni unversehens angriffen, aber zurückgeschlagen wurden. Nach Ablehnung des französischen Ultimatums bombardierte die französische Flotte unter dem Prinzen von Joinville im August Tanger und Mogador, und 14. Aug. kam es zwischen den Franzosen unter Bugeaud und dem großen marokkanischen Heer unter Sidi Mohammed, einem Sohn des Sultans, beim Fluß Isly zur Schlacht, in welcher die Marokkaner geschlagen wurden und ihr ganzes Lager [* 27] in die Hände der Sieger fiel.
Auf Veranlassung Englands bot endlich der Sultan von Marokko Frankreich den Frieden an, der am 10. Sept. in Tanger zu stande kam. Als Abd el Kader 1845 die algerischen Stämme nach Marokko übersiedeln und durch sie dies Land von neuem zum Kriege gegen Frankreich nötigen wollte, rief Marokko die Hilfe Frankreichs gegen ihn an, worauf dieses 1847 durch eine nachdrückliche Intervention in Marokko dem Sultan zur Unterwerfung seiner Unterthanen verhalf und Abd el Kader 22. Dez. zur Ergebung zwang. Doch erneuerten sich die Konflikte mit Frankreich und andern Mächten fortwährend, da die Regierung, selbst wenn sie einmal den guten Willen hatte, mit jenen Frieden zu halten, der Macht ermangelte, ihre Unterthanen im Zaum zu halten und an Räubereien und Mißhandlungen der Fremden zu hindern, zumal die Regierungstruppen fast unaufhörlich mit dem Eintreiben der Abgaben beschäftigt sind. Im August 1856 wollte die Bemannung der preußischen Korvette Danzig [* 28] unter dem Befehl des Prinzen Adalbert an der Rifküste in ans Land steigen, wurde aber von den wilden, meist von Seeräuberei lebenden Bewohnern derselben aus einem Hinterhalt mit Gewehrschüssen empfangen und mußte sich mit einem Verlust von 7 Mann Toten und 18 Verwundeten zurückziehen.
Nachdem Abd ur Rahmân 1858 noch eine bedeutende Empörung unterdrückt hatte, starb er im August 1859 und hatte seinen ältesten Sohn, Sidi Mohammed, zum Nachfolger. Nur durch blutige Kämpfe vermochte sich dieser gegen seine vielen Nebenbuhler auf dem Thron zu behaupten. Diese Unruhen sich zu nutze machend, unternahmen die Rifbewohner im September Einfälle in die spanischen Besitzungen auf Nordafrika, wurden aber mit Verlust zurückgeschlagen. Spanien verlangte nun von der marokkanischen Regierung als Genugthuung für eine Reihe von Unbilden und als Garantie für die Sicherheit seiner afrikanischen Besitzungen die Abtretung eines Gebiets.
Die eingeleiteten Unterhandlungen blieben ohne Resultat, und es erklärte daher Spanien an Marokko den Krieg. General O'Donnell erhielt den Oberbefehl über die aus 35-40,000 Mann Fußvolk, 2000 Mann Kavallerie und 150 Geschützen bestehende spanische Heeresmacht, ward zwar anfangs (Dezember) von den Kabylen und Mauren der Ebene, ungefähr 60,000 Mann Reiterei, heftig angegriffen, drang aber bald siegreich vor. Nach vielen kleinen, aber sehr blutigen Gefechten besetzten die Spanier die Stadt Tetuan, und nach einer 23. März westlich von derselben erlittenen entscheidenden Niederlage baten die Marokkaner um Waffenstillstand, der, zumal auch im Innern Marokkos Unruhen ausbrachen, bald zum Frieden führte.
Derselbe ward 25. April in Tetuan von O'Donnell und Mulei Abbas unterzeichnet und bestimmte, daß an Spanien eine Entschädigung von 20 Mill. Piaster zahlen und bis zur Erlegung dieser Summe die Stadt Tetuan den Spaniern überlassen mußte. Diesem Frieden folgte ein Handelsvertrag. 1873 starb Sidi Mohammed, und ihm folgte 25. Sept. sein Sohn Mulei Hassan, der durch wiederholte große Gesandtschaften freundschaftliche Beziehungen mit den europäischen Mächten anknüpfte, dadurch aber Unruhen in seinem Reich erregte, ohne daß doch dem Aussaugungssystem der Beamten gesteuert und Reformen angebahnt worden wären. Das Schutzrecht der europäischen Mächte in Marokko wurde 1880 auf einer Konferenz zu Madrid [* 29] geregelt.
Vgl. außer den ältern Werken von Ali Bei el Abassy (1816), Jackson (1811), Graberg de Hemsö (1838), Drummond-Hay (1841) u. a.: Renou, Description géographique de l'empire du Maroc (Par. 1846);
L. Godard, Description et histoire du Maroc (das. 1860, 2 Bde.);
Richardson, Travels in Marocco (Lond. 1859, 2 Bde.);
Maltzan, Drei Jahre im Nordwesten von Afrika. [* 30]
Reisen in Algerien und Marokko (2. Aufl., Leipz. 1868, 4 Bde.);
Rohlfs, Reise durch Marokko (2. Aufl., Brem. 1869);
Derselbe, Mein erster Aufenthalt in Marokko (das. 1872);
Leàred, Marocco and the moors (Lond. 1876);
Derselbe, A visit to the court of Marokko (das. 1879);
Pietsch, Marokko, Briefe von der deutschen Gesandtschaftsreise nach Fes 1877 (Leipz. 1878);
D. Hooker und J. ^[John] Ball, Journal of a tour in Marocco and the Great Atlas (Lond. 1879);
v. Conring, Marokko, das Land und die Leute (Berl. 1880);
De Amicis, Marokko (deutsch, Wien [* 31] 1883);
Lenz, Timbuktu. Reise durch Marokko etc. (Leipz. 1884, 2 Bde.);
Erckmann, Le [* 32] Maroc moderne (Par. 1885);
Mackenzie, Report on the condition of the empire of Marocco (Lond. 1886);
Stutfield, El Maghreb (das. 1886);
Horowitz, Marokko, Land und Leute ¶