mehr
ins Abendland sei das Märchen erst durch die Kreuzzüge gelangt; vielmehr treffen wir Spuren von ihm im Occident in weit früherer Zeit. Das klassische Altertum schon besaß Märchenhaftes oder Anklänge an das Märchen in Hülle und Fülle (von der Homerischen Kirke an bis zum Ring des Gyges bei Platon), wenn auch noch nicht das Märchen selbst als Kunstgattung. Dagegen taucht in der Zeit des Neuplatonismus, welcher als ein Übergang des antiken Bewußtseins zur Romantik bezeichnet werden kann, eine Dichtung des Altertums auf, welche technisch ein Märchen genannt werden kann, die reizvolle Episode von »Amor und Psyche« in Apulejus' »Goldenem Esel«.
Gleicherweise deuten Stellen in der altdeutschen Heldensage auf das Vorhandensein von Märchen bei den Germanen in uralter Zeit. Gesammelt begegnen uns Märchen am frühsten in den »Tredeci piacevoli notti« des Straparola (Vened. 1550),
im »Pentamerone« des Giambattista Basile (gestorben um 1637 in Neapel), [* 2]
in den »Gesta Romanorum« (Mitte des 14. Jahrh.) etc. In Frankreich beginnen die eigentlichen Märchensammlungen erst zu Ende des 17. Jahrh.; Perrault eröffnete sie mit den als echte Volksmärchen zu betrachtenden »Contes de ma mère l'Oye«; 1704 folgte Gallands gute Übersetzung von »Tausendundeine Nacht« (s. d.), jener berühmten, in der Mitte des 16. Jahrh. im Orient zusammengestellten Sammlung arabischer Märchen. Besondern Märchenreichtum haben England, Schottland und Irland aufzuweisen, vorzüglich die dortigen Nachkommen der keltischen Urbewohner.
Hahn (Vogel) - Hahn (t

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Hahn.Die Märchen der skandinavischen Reiche zeigen nahe Verwandtschaft mit den deutschen. Reiche Fülle von Märchen findet sich bei den Slawen. In Deutschland [* 3] treten Sammlungen von Märchen seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts auf. Die »Volksmärchen« von Musäus (1782) und Benedikte Naubert sind novellistisch und romantisch verarbeitete Volkssagen. Die erste wahrhaft bedeutende, in Darstellung und Fassung vollkommen echte Sammlung deutscher Märchen sind die »Kinder- und Hausmärchen« der Brüder Grimm (zuerst 1812-13, 2 Bde.; ein 3. Band, [* 4] 1822, enthält litterarische Nachweise bezüglich der Märchen). Unter den sonstigen deutschen Sammlungen steht der Grimmschen am nächsten die von L. Bechstein (zuerst 1845); außerdem sind als die bessern zu nennen: die von E. Märchen Arndt (1818), Löhr (1818), J. W. ^[Johannes Wilhelm] Wolf (1845 u. 1851), Zingerle (1852-54), E. Meier (1852), H. Pröhle (1853) u. a. Mit Märchen des Auslandes machten uns durch Übertragungen bekannt: die Brüder Grimm (Irland, 1826), Graf Mailáth (Ungarn, [* 5] 1825), Vogl (Slawonien, 1837), Schott (Walachei, 1845), Asbjörnson (Norwegen), [* 6] Bade (Bretagne, 1847), Iken (Persien, [* 7] 1847), Gaal (Ungarn, 1858), Schleicher (Litauen, 1857), Waldau (Böhmen, [* 8] 1860), Hahn [* 9] (Griechenland [* 10] und Albanien, 1863), Schneller (Welschtirol, 1867), Kreutzwald (Esthland, [* 11] 1869), Wenzig (Westslawen, 1869), Knortz (Indianermärchen, 1870 und 1879), Gonzenbach (Sizilien, [* 12] 1870), Österley (Orient, 1873), Carmen Sylva (Rumänien, [* 13] 1882), Leskien und Brugman (Litauen, 1882), Goldschmidt (Rußland, 1882), Veckenstedt (Litauen, 1883), Krauß (Südslawen, 1883-84), Brauns (Japan, [* 14] 1884), Poestion (Island, [* 15] 1884; Lappland, 1885) u. a. Unter den Kunstpoeten haben sich im M. mit dem meisten Glück versucht: Goethe, L. Tieck, Chamisso, E. T. A. Hoffmann, Fouqué, Kl. Brentano, der Däne Andersen, R. Leander (Volkmann) u. a.
Vgl. Maaß, Das deutsche Märchen (Hamb. 1887).