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die Deklinationsnadel nur die horizontale Komponente der totalen Kraft [* 2] oder die horizontale Intensität einwirkt. Da jedoch die Deklinationsnadel genauere Beobachtungen gestattet als die Inklinationsnadel, so zieht man es vor, mit Hilfe der erstern nur die horizontale Intensität direkt zu bestimmen, woraus sich alsdann die totale Intensität, wenn die Inklination bekannt ist, leicht berechnen läßt. Die Verteilung der totalen erdmagnetischen Kraft über die Erdoberfläche wird zur Anschauung gebracht durch die Linien gleicher Intensität oder die Isodynamen; das Kärtchen [* 1] (Fig. 10) zeigt, daß die magnetische Intensität im allgemeinen vom Äquator gegen die Pole hin zunimmt; den größten Wert erreicht sie jedoch nicht an den magnetischen Polen selbst, sondern auf der nördlichen Halbkugel finden wir zwei Punkte höchster magnetischer Kraft, den einen in Nordamerika [* 3] etwas westlich von der Hudsonbai, den andern im nördlichen Asien. [* 4] Den beigeschriebenen Zahlen ist eine willkürliche Einheit zu Grunde gelegt.
Intensität, Potenzial, Variationen.
Die drei Größen: Deklination, Inklination und Intensität werden die Elemente des Erdmagnetismus genannt, weil durch sie Richtung und Größe der erdmagnetischen Kraft vollständig bestimmt sind. Gauß hat nun einen mathematischen Ausdruck aufgestellt, das magnetische Potenzial, aus welchem sich sämtliche drei Elemente mit Leichtigkeit berechnen lassen. Auch geben die Linien gleichen Potenzials oder die magnetischen Gleichgewichtslinien das einfachste Bild von den magnetischen Verhältnissen unsrer Erdoberfläche; aus ihrem Lauf läßt sich z. B. die Richtung der Deklinationsnadel an jedem Ort leicht erkennen, indem dieselbe stets rechtwinkelig zu den Gleichgewichtslinien steht. Denkt man sich auf diesem Kärtchen [* 1] (Fig. 11) ein System von Linien gezogen, welche die Gleichgewichtslinien senkrecht durchschneiden, so erhält man die magnetischen Meridiane, während die Gleichgewichtslinien selbst als magnetische Parallelkreise aufgefaßt werden können.
Sämtliche Elemente des Erdmagnetismus behalten auch an einem und demselben Ort nicht den nämlichen Wert, sondern sind fortwährenden Schwankungen unterworfen, welche teils unregelmäßig und plötzlich, teils regelmäßig und periodisch eintreten; erstere heißen Störungen, letztere Variationen. Die täglichen Variationen der Deklination zeigen in unsern Gegenden im allgemeinen folgenden Gang. [* 5] Um 8 Uhr [* 6] morgens hat die Magnetnadel ihre östlichste Stellung, dann bewegt sich ihr Nordende ziemlich rasch gegen W. und erreicht seinen westlichen Wendepunkt zwischen 1 und 2 Uhr nachmittags, um sodann wieder nach O. zurückzugehen, was in den Nachmittags- und Abendstunden rascher geschieht als in den Nachtstunden.
Der Winkel [* 7] zwischen dem östlichsten und westlichsten Stande der Magnetnadel beträgt nur wenige Bogenminuten und ist im Sommer (13-15') größer als im Winter (8-10'). Abgesehen von diesen täglichen Variationen, sind aber auch die Mittelwerte der erdmagnetischen Elemente noch säkularen Variationen unterworfen, welche zwar sehr langsam erfolgen, aber, indem sie im Lauf der Jahre in gleichem Sinn fortschreiten, allmählich zu beträchtlicher Größe anwachsen. So war z. B. in Frankreich 1580 die Deklination 11° 30' östlich, nahm sodann beständig ab und wurde 1663 gleich Null;
von jener Zeit an wurde sie wieder westlich, bis sie 1814 mit 22° 34' ihr westliches Maximum erreichte;
seitdem nimmt die westliche Deklination wieder ab. In Deutschland [* 8] beträgt ihre jährliche Abnahme im Durchschnitt 6½ Minuten;
in Berlin [* 9] war sie während des vorigen Jahrhunderts im Zunehmen begriffen, erreichte 1805 ihren größten westlichen Wert von 18° und beträgt gegenwärtig nur noch 12°. Auch die Inklination zeigt sowohl tägliche als säkulare Änderungen;
in Paris [* 10] betrug sie 1671 noch 75°, seitdem hat sie fortwährend abgenommen bis zu ihrem gegenwärtigen Wert von 66½°. Ebenso ist auch die Intensität sowohl täglichen als säkularen Variationen unterworfen.
Die Variationen der Deklination werden mittels des Magnetometers, diejenigen der Intensität mittels des Bifilarmagnetometers bestimmt; beide Instrumente wurden von Gauß angegeben (s.
[* 1] ^[Abb.: Fig. 11. Magnetische [* 11] Gleichgewichtslinien für 1835.] ¶
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Magnetometer). [* 13] Die täglichen Variationen stehen offenbar mit dem täglichen Gang der Sonne [* 14] in Beziehung; die Ursache der säkularen Variationen kennt man nicht. Von den Störungen weiß man, daß sie mit Erdbeben [* 15] und vulkanischen Ausbrüchen, namentlich aber mit der Erscheinung des Nordlichts in innigem Zusammenhang stehen. Dieselben treten oft über weite Ländergebiete gleichzeitig ein, was namentlich durch die Beobachtungen des von Humboldt angeregten und von Gauß geleiteten Magnetischen Vereins bestätigt wurde, dessen Mitglieder an verschiedenen Orten an vorausbestimmten Terminen 24 Stunden lang den Gang der Deklinationsinstrumente von 5 zu 5 Minuten nach Göttinger Zeit beobachten.
Eine Eisenstange, welche man in die Inklinationsrichtung hält, wird durch den Einfluß des Erdmagnetismus magnetisch, und zwar bekommt sie oben einen Südpol, unten einen Nordpol. Kehrt man die Stange um, so sind auch sogleich die Pole umgekehrt. Gibt man dem Stab [* 16] eine andre Richtung, so ist die auf ihn ausgeübte magnetisierende Wirkung der Erde um so geringer, je größer der Winkel ist, den er mit der Inklinationsrichtung bildet, und verschwindet ganz, wenn er auf ihr senkrecht steht.
Auf vertikale Stäbe, deren Richtung in unsern Gegenden von derjenigen der Inklinationsnadel nur wenig abweicht, ist der magnetisierende Einfluß der Erde noch ziemlich bedeutend. Stahlstäbe, in der Richtung der Inklinationsnadel oder auch nur vertikal gehalten, werden dauernd magnetisch, namentlich wenn man sie in dieser Stellung hämmert. Erschütterungen scheinen nämlich die Drehung der Molekularmagnetchen zu befördern. Daraus erklärt es sich, daß fast alle Werkzeuge [* 17] in der Werkstatt eines Schlossers Magnete sind. Auch chemische Einwirkungen scheinen das Magnetischwerden zu begünstigen; Eisenstangen, welche in vertikaler Stellung rosten, werden dauernd magnetisch.
Coulombs Gesetz.
Die Kraft, mit welcher zwei Magnetpole sich gegenseitig anziehen oder abstoßen, ist dem Quadrat ihrer Entfernung umgekehrt proportional. Dieses Grundgesetz des Magnetismus [* 18] wurde von Coulomb nach zwei Methoden experimentell nachgewiesen. Erstlich durch die Schwingungen einer kleinen Magnetnadel, welche an einem Kokonfaden aufgehängt war; bringt man dieselbe ein wenig aus ihrer Gleichgewichtslage, so schwingt sie unter dem Einfluß des Erdmagnetismus. Nähert man nun ihrem Südpol den Nordpol eines sehr langen Magnetstabs, dessen Südpol demnach so weit entfernt ist, daß seine Wirkung auf die Nadel außer acht gelassen werden kann, so schwingt sie jetzt unter dem vereinigten Einfluß der Erde und des genäherten Magnetpols.
Bestimmt man die Schwingungszahlen bei verschiedenen Abständen des Pols und berechnet daraus nach dem bereits oben angeführten Gesetz die jedesmal wirksame Kraft, so findet man, daß die vom Pol allein geübte Anziehung bei doppelter Entfernung nur noch ¼, bei dreifacher nur 1/9 etc. beträgt. Bei der zweiten Methode kam die Drehwage (s. d.) zur Anwendung. Ein Magnetstäbchen hängt an einem Drahte, dessen oberes Ende durch Umdrehung einer Scheibe um einen meßbaren Winkel gedreht werden kann.
Wäre das Stäbchen nicht magnetisch, so würde es der Drehung folgen, ohne daß der Draht [* 19] eine Drillung oder Torsion erleidet. Da aber das Stäbchen seiner Entfernung aus dem magnetischen Meridian widerstrebt, so erleidet der Draht eine Torsion, und das Stäbchen nimmt stets diejenige Stellung an, daß sein magnetisches Moment dem Torsionsmoment des Drahts das Gleichgewicht [* 20] hält. Nähert man nun seinem einen Pol einen gleichnamigen Magnetpol, der es in die Gleichgewichtslage zurückzutreiben strebt, so muß man, um dies zu verhindern, dem Draht eine neue Torsion erteilen.
Bestimmt man die hierzu nötige Torsion für verschiedene Entfernungen des Magnetpols, so läßt sich, da die Kraft, mit welcher der Draht in seine Gleichgewichtslage zurückzukehren strebt, stets der Größe der Torsion proportional ist, die in jedem Fall wirksame Abstoßungskraft leicht berechnen. Auch diese Versuche bestätigen die Richtigkeit des obigen Gesetzes. Aus diesem Gesetz, welches für die Wechselwirkung zweier Pole gilt, folgt, daß die gegenseitige Einwirkung zweier vollständiger Magnete, deren Entfernung im Verhältnis zu ihren Dimensionen so groß ist, daß die Wechselwirkung aller vier Pole in Betracht kommt, der dritten Potenz ihrer Entfernung umgekehrt proportional ist. Die leicht durchzuführende experimentelle Bestätigung dieser Folgerung liefert einen neuen Beweis für die Richtigkeit des Grundgesetzes.
Befindet sich eine Magnetpol in der Nähe eines Magnets, so werden dessen beide Pole, der eine mit einer anziehenden, der andre mit einer abstoßenden Kraft, auf ihn wirken, welche sich zu einer resultierenden Kraft vereinigen, deren Richtung und Größe von der Lage jenes Pols in Beziehung auf den Magnet abhängig ist. Die verschiedenen Richtungen der magnetischen Kräfte in der Nähe eines Magnets können in anschaulicher Weise sichtbar gemacht werden, indem man auf ein über den Magnet gelegtes Blatt [* 21] steifen Papiers Eisenfeilspäne siebt. Diese ordnen sich zu regelmäßig gestalteten Kurven [* 12] (Fig. 12), welche beide Pole miteinander verbinden, und deren Richtung in jedem Punkte die Richtung der magnetischen Kraft angibt. Diese Linien heißen magnetische Kurven oder (nach Faraday) Magnetkraftlinien. Die Linien, welche wir im vorigen Abschnitt als magnetische Meridiane bezeichneten, sind die Magnetkraftlinien der Erde.
Theorien.
Zur Erklärung der magnetischen Erscheinungen hat man angenommen, daß es zwei unwägbare magnetische Flüssigkeiten (Fluida), eine nordmagnetische und eine südmagnetische, gebe, denen man die Eigenschaft zuschreibt, daß die Teilchen derselben Flüssigkeit einander abstoßen, daß dagegen Anziehung stattfindet zwischen den Teilchen der einen und denjenigen der andern Flüssigkeit. Diese Hypothese kann nicht den Anspruch erheben, über die Natur des Magnetismus Aufschluß zu geben; sie hat vielmehr nur die Bedeutung einer bildlichen Ausdrucksweise, welche uns den Überblick über die Erscheinungen und die Beschreibung derselben erleichtert, und wird von den Physikern heutzutage auch nur noch in diesem Sinn angewendet.
[* 12] ^[Abb.: Fig. 12. Magnetische Kurven.] ¶