Einfluß erhalten soll, während der letztern gleichzeitig die Seelenzustände des Magnetiseurs direkt zum Bewußtsein kommen
sollen. Angeblich sollten selbst leblose Gegenstände zu Trägern des tierischen Magnetismus gemacht werden können, und in
dieser Auffassung bediente sich Mesmer eines sogen. magnetischen Baquets, eines mit Wasser und Eisenfeile gefüllten hölzernen
oder gläsernen Bottichs, den er mit seinem magnetischen Fluidum lud, und aus welchem eine ganze Anzahl
von Kranken gleichzeitig durch eiserne Handhaben dasselbe bezog.
Die Zeit, in welcher der Mesmerismus in Blüte stand, und in welcher man alle Heilwunder der Religionsstifter und Thaumaturgen
auf denselben zurückführen zu können glaubte, liegt weit hinter uns. Anderseits hat das Studium des
Hypnotismus erkennen lassen, daß jene Erscheinungen doch nicht so ganz dem Gebiet der Selbsttäuschung und des Betrugs angehören,
wie man vor einigen Jahrzehnten anzunehmen geneigt war, und man begreift es jetzt, daß so viele ausgezeichnete Ärzte und
Naturforscher früher an eine geheimnisvoll überströmende Kraft des Magnetiseurs geglaubt haben. Da nun
die Experimente am leichtesten mit hysterischen, schon infolge ihrer Krankheit zu phantastischen Täuschungen und Betrügereien
hinneigenden Personen gelangen, so erklärt sich, daß in einer Zeit, die schon an sich zu einer mystischen Auffassung der
Dinge bereit war, aus auffallenden, aber der neuern Physiologie und Psychologie bis zu einem gewissen Grad
vollkommen verständlichen Erscheinungen falsche Schlüsse gezogen wurden, worauf sich ein vollständiges, aus Wahrheit und
Dichtung gemischtes Lehrsystem aufbaute.
Selbst gewisse Heilwirkungen bei Nervenübeln, widernatürlichen Muskelkontraktionen u. dgl.
können von den betreffenden Manipulationen erwartet werden, aber nicht eine allgemeine Disposition zur Heilung aller möglichen
Übel oder gar prophetische Eingebungen des Heilmittels und die sonstigen übernatürlichen Leistungen.
Vgl. Obersteiner, Der Hypnotismus in seiner medizinischen und forensischen Bedeutung (Wien 1887);
Geßmann, Magnetismus und Hypnotismus
(das. 1887);
Binet und Féré, Le magnétisme animal (Par. 1886), sowie die unter Hypnotismus angegebene Litteratur.
Nur von
historischem Interesse, nicht aber von eigentlich wissenschaftlichem Wert sind heute die Schriften von
Mesmer, Wolfart, Stieglitz, Nees v. Esenbeck (»Entwickelungsgeschichte des magnetischen Schlafs und Traums«, Bonn 1820),
Kieser (»Tellurismus«,
Leipz. 1822),
Ennemoser (»Der Magnetismus im Verhältnis zur Natur und Religion«, 2. Aufl., Stuttg. 1853),
[* ] (griech.). Manche Stücke des natürlich vorkommenden Eisenoxyduloxyds (Magneteisensteins) besitzen die Eigenschaft,
Eisenteilchen anzuziehen und festzuhalten. Man nennt diese Eigenschaft und ein Stück jenes Eisenerzes, welches sie besitzt,
heißt ein natürlicher Magnet. Durch Berührung oder
Bestreichen mit einem natürlichen Magnet kann man den
Magnetismus vorübergehend auf Eisen und dauernd auf Stahl übertragen und letztern dadurch zu einem künstlichen Magnet machen.
Bestreut man einen magnetisierten Stahlstab (Magnetstab) mit Eisenfeile, so bleibt dieselbe, Bärte bildend, vorzugsweise
an seinen beiden Enden hängen, während gegen die Mitte zu immer weniger und in der Mitte selbst gar keine
Eisenfeile haftet; die beiden Enden, an welchen sich die Anziehung am kräftigsten äußert, werden die Pole, die Mitte, wo
keine Anziehung stattfindet wird der Äquator oder die indifferente Stelle (Indifferenzpunkt) des Magnets genannt; die Verbindungslinie
der beiden Pole heißt seine magnetische Achse.
Wird ein Magnetstab in seiner Mitte an einem Kokonfaden aufgehängt, so daß er sich in horizontaler
Ebene drehen kann, so stellt sich seine Achse, vermöge einer Einwirkung, welche die Erde als Ganzes auf ihn ausübt, in eine
Richtung ein, welche von der Südnordrichtung nur wenig abweicht; derjenige seiner Pole, welcher sich stets nach Norden wendet,
heißt deshalb der Nordpol, der entgegengesetzte der Südpol. Nähert man den Nordpol eines in der Hand gehaltenen
dem Nordpol eines aufgehängten Magnets, so wird der letztere abgestoßen; ebenso stößt der Südpol des Handmagnets den Südpol
des aufgehängten ab. Dagegen wird der Südpol des aufgehängten vom Nordpol des Handmagnets und ebenso der Nordpol des
erstern vom Südpol des letztern angezogen. Es ergibt sich also das Gesetz: gleichnamige Pole stoßen sich ab, ungleichnamige
ziehen sich an. Bricht man einen Magnetstab mitten entzwei, so bildet jedes Bruchstück wieder einen vollständigen Magnet
mit zwei gleich starken Polen, indem an der Trennungsstelle zwei neue Pole entstehen, von denen jeder dem
bereits vorhandenen Pol des entsprechenden Bruchstücks entgegengesetzt ist; wie weit man diese Teilung auch fortsetzen mag,
jedes noch so kleine Bruchstück eines Magnets erweist sich wieder als vollständiger Magnet.
Dieses Verhalten führt zu der Annahme, daß jedes kleinste Teilchen oder Molekül eines Magnets selbst schon ein Magnet mit
zwei entgegengesetzten Polen, ein sogen. Molekularmagnet, sei. Diese Annahme enthält keinen Widerspruch gegen die Thatsache,
daß die magnetische Wirkung nur an den Enden eines Magnetstabs sich offenbart, sondern gibt davon in befriedigender Weise Rechenschaft.
Denkt man sich nämlich der Einfachheit wegen, ein dünnes Magnetstäbchen bestehe aus einer einzigen Reihe von
Molekularmagneten, deren Achsen alle in derselben geraden Linie liegen, und deren gleichnamige Pole alle nach derselben Seite
gewendet sind, so werden überall auf der ganzen Länge des Stabes zwei entgegengesetzte Pole der benachbarten Molekularmagnete
zusammenstoßen, deren anziehende u. abstoßende Wirkungen sich nach außen hin gegenseitig aufheben; nur an den beiden
Enden des Stabes werden die freien Pole der letzten Moleküle wirksam bleiben.
Influenz, Koerzitivkraft, Anker.
Nähert man den Nordpol eines Magnets einem Stück weichen Eisens, so wird dasselbe sofort selbst zu einem Magnet, indem es an
seinem nähern Ende einen Südpol, am entferntern einen Nordpol bekommt, und vermag jetzt selbst wieder
ein zweites, dieses ein drittes etc. Eisenstückchen anzuziehen und zutragen. Das Eisen wird vom Magnet ebendarum angezogen,
weil es unter seinem Einfluß (Influenz) selbst zu einem Magnet wird, welcher dem genäherten Magnetpol seinen ungleichnamigen
Pol zuwendet. Der Magnetismus des weichen Eisens verschwindet wieder, und die von
mehr
ihm getragenen Eisenstückchen fallen sofort ab, wenn der influenzierende Magnetpol entfernt wird, oder überhaupt, sobald
die magnetisierende Kraft aufhört. Anders verhält sich der Stahl: er wird nicht so leicht magnetisch; ist er es aber durch
anhaltende Einwirkung eines Magnets geworden, so bleibt er magnetisch, auch wenn er von diesem getrennt
wird. Die Kraft, mit welcher der Stahl der Magnetisierung widersteht, und welche ihn auch verhindert, den einmal angenommenen
Magnetismus wieder zu verlieren, heißt die Koerzitivkraft. Am größten ist die Koerzitivkraft des härtesten und sprödesten Stahls,
beim Anlassen nimmt sie ab und wird durch Erhitzung bis zur Rotglut und allmähliche Abkühlung so gering
wie beim weichen Eisen. Graues Gußeisen, welches hell rotglühend gemacht und dann abgelöscht wird, gewinnt dadurch eine bedeutende
Koerzitivkraft.
Um die Erscheinungen der magnetischen Influenz zu erklären, nehmen wir an, daß auch jedes unmagnetische Eisen- oder Stahlstück
aus bereits fertig gebildeten Molekularmagnetchen bestehe, welche jedoch derart regellos gelagert sind,
daß nach jeder Richtung ebenso viele Nord- wie Südpole sich wenden und deshalb ihre anziehenden und abstoßenden Wirkungen
gegenseitig aufheben. Bei Annäherung eines Magnetpols drehen sich nun die Molekularmagnete so, daß sie ihre ungleichnamigen
Pole dem influenzierenden Magnetpol zuwenden, und ebendadurch wird das Eisen- oder Stahlstück magnetisch.
Während im Stahl die Moleküle der Drehung einen großen Widerstand (Koerzitivkraft) entgegensetzen, dagegen
aber auch die neue Lage ebenso hartnäckig behaupten, kehren die Moleküle des Eisens, nachdem die magnetisierende Kraft aufgehört
hat, ebenso leicht wieder in ihre frühere Lage zurück, wie sie dieselbe verlassen haben. Jedes Eisen- oder Stahlstück kann
nur bis zu einem gewissen Grad, bis zur Sättigung, magnetisch gemacht werden, welche dann eintritt, wenn
die Drehung sämtlicher Molekularmagnete erreicht ist.
Die gebräuchlichsten Formen der Stahlmagnete sind: der geradlinige Magnetstab, die Magnetnadel, ein dünnes Magnetstäbchen,
welches gewöhnlich die Form einer langgestreckten Raute hat und in der Mitte mit einem Hütchen aus Achat
oder Stahl versehen ist, welches auf eine Stahlspitze aufgesetzt werden kann
[* ]
(Fig. 1);
ferner der Hufeisenmagnet, dessen Pole,
um sie gleichzeitig wirken lassen zu können, nebeneinander liegen. An die Pole wird ein Stück weiches Eisen, der Anker (die
Armatur m m,
[* ]
Fig. 2), gelegt, welches selbst zu einem Magnet wird, der an den Polen des Hufeisenmagnets mit
seinen ungleichnamigen Polen anliegt;
da zur Bildung des Südpols des Ankers nicht nur der Pol N, sondern auch der Pol S des Magnets
beiträgt, so ist die Magnetisierung des Ankers ungleich stärker, als wenn sie nur von dem einen Pol des Magnets
bewirkt worden wäre. Da jeder Pol des Ankers bestrebt ist,
nicht nur die bereits gedrehten magnetischen Moleküle in ihrer
Richtung zu erhalten, sondern auch die noch nicht gedrehten zu richten, so ist der angelegte Anker ein Mittel, nicht nur eine
Schwächung des Magnets zu verhindern, sondern sogar eine allmähliche Kräftigung nicht gesättigter Magnete
zu erzielen. Um denselben Vorteil auch bei Magnetstäben zu erreichen, legt man zwei gleiche Stäbe parallel so nebeneinander,
daß der Südpol des einen nach derselben Seite gekehrt ist wie der Nordpol des andern, und verbindet ihre Enden durch zwei
weiche Eisenstücke derart, daß sie mit den Stäben ein Rechteck bilden. Um stärkere Wirkungen zu erzielen,
als durch einzelne Stäbe oder Hufeisen möglich ist, vereinigt man mehrere vorher magnetisierte Stahllamellen zu einem magnetischen
Magazin
[* ]
(Fig. 2), indem man sie so aufeinander schichtet, daß ihre gleichnamigen Pole aufeinander zu liegen kommen, und sie
durch Schrauben in dieser Lage befestigt.
Tragkraft. Strichmethoden.
Um die Tragkraft eines Hufeisenmagnets zu erproben, hängt man ihn an seiner Biegung auf und belastet den Anker mit Gewichten.
Infolge der Influenz, welche beide Pole des Magnets auf den Anker ausüben, vermag ein Hufeisenmagnet weit mehr zu tragen als
das Doppelte von dem, was ein Pol für sich tragen würde. Die Tragkraft wächst jedoch keineswegs im nämlichen
Verhältnis wie die Masse eines Magnets, sondern ist nach Hacker der Kubikwurzel aus dem Quadrat seines Gewichts proportional. Ein
Magnet von 60 g trägt das 25fache seines Gewichts, ein 100pfündiger nicht einmal das Dreifache und ein 1972pfündiger nur
noch sein eignes Gewicht. Durch Abreißen des Ankers wird die Tragkraft bedeutend geschwächt, und nach
öfterm Abreißen bleibt nur ein Anteil, die konstante Tragkraft, zurück, welche aber durch Stoßen, Fallenlassen etc. ebenfalls
noch bedeutend geschwächt werden kann.
Wegen der großen Koerzitivkraft des Stahls reicht die bloße Berührung mit einem Magnet zu seiner Magnetisierung
nicht hin, sondern öfteres Bestreichen ist erforderlich, indem man z. B., in der Mitte anfangend, mit der einen
Hälfte des zu magnetisierenden Stabes oder Hufeisens 10-20mal über den Nordpol, mit der andern Hälfte ebenso oft über den
Südpol eines kräftigen Magnets hinstreicht; natürlich erhält die am Nordpol gestrichene Hälfte einen
Südpol und umgekehrt.
Die verschiedenen künstlichen Strichmethoden, welche ersonnen wurden, um Stahlstäbe bis zur Sättigung zu magnetisieren,
haben ihre Bedeutung verloren, seit man nach Entdeckung des Elektromagnetismus (s. d.) über ungleich größere magnetisierende
Kräfte als früher gebietet. Ein Stahlstab kann sehr kräftig magnetisiert werden, indem man ihn in der oben angegebenen
Weise an den Polen eines Elektromagnets streicht. Man kann einen Stahlstab
[* ]
^[Abb.: Fig. 2. Magnetisches Magazin mit Anker.]
mehr
aber auch unmittelbar mit Hilfe des Stroms magnetisieren, indem man ihn in eine Drahtrolle steckt und ihn darin, während der
Strom durch den Draht fließt, einigemal hin- und herzieht, endlich aber, wenn der Stab sich gerade wieder mit seinem mittlern
Teil in der Rolle befindet, den Strom öffnet und den Stab herausnimmt. Wenn die Magnetisierung nicht richtig
ausgeführt wird, bekommt der Magnet nicht bloß an seinen Enden, sondern auch an beliebigen Zwischenpunkten Pole, welche man
Folgepunkte nennt.
Astasie, Erdmagnetismus, Deklination.
Hängt man in einiger Entfernung über einer Magnetnadel, welche sich unter dem Einfluß der Erde in die Südnordrichtung eingestellt
hat, einen Magnetstab auf, so wird sich derselbe zur Nadel parallel stellen, und beide, Stab und Nadel, werden
mit ihren Nordpolen nach Norden weisen. Wird die Nadel aus ihrer Stellung seitlich abgezogen und dann losgelassen, so kehrt sie
rasch wieder dahin zurück. Senkt man nun den Magnetstab allmählich herab, so bemerkt man, daß bei
einer gewissen Höhe des Stabes über der Nadel letztere das Bestreben, sich einzustellen, verliert und, wenn sie seitwärts
abgezogen wird, nicht mehr in ihre frühere Stellung zurückkehrt.
Senkt man den Magnetstab noch tiefer, so kehrt die Nadel ihre Stellung um und zeigt mit ihrem Nordpol nach Süden.
Aus diesem Versuch geht hervor, daß die Wirkung der Erde auf die Magnetnadel durch einen in geeigneter Entfernung angebrachten
Magnet neutralisiert werden kann. Nähert man nun von untenher der Magnetnadel einen Magnetstab, dessen Südpol nach
Norden gerichtet
ist, so bemerkt man, daß ihr Bestreben, sich mit dem Nordpol nach Norden zu wenden, zurückkehrt und bei
einer gewissen Entfernung dieses zweiten Stabes dieselbe Größe erlangt wie bei alleiniger Wirkung der Erde. Daraus geht hervor,
daß die Erdwirkung genau dieselbe ist wie die eines Magnets, dessen Nordpol nach Süden gewendet ist, und daß die Erde hinsichtlich
ihrer Wirkung auf eine Magnetnadel durch einen solchen Magnet repräsentiert werden kann und demnach selbst
als ein großer Magnet anzusehen ist.
Eine Magnetnadel, welche in der vorhin angegebenen Weise durch Annäherung eines Magnets mit gleichliegenden Polen der Wirkung
des Erdmagnetismus entzogen ist, so daß sie nun jedem Impuls frei zu folgen vermag, heißt astatisch. Denselben Erfolg
erreicht man auch dadurch, daß man zwei ziemlich gleich starke Magnetnadeln
[* ]
(Fig. 3) so übereinander befestigt, daß die
ungleichnamigen Pole übereinander liegen, und dieses astatische Nadelpaar nun frei schweben läßt.
Denkt man sich durch die magnetische Achse einer in horizontaler Ebene drehbaren Magnetnadel
[* ]
(Fig. 4), nachdem sich dieselbe
unter dem Einfluß des Erdmagnetismus eingestellt hat, eine Vertikalebene (a b) gelegt, so ist diese der
magnetische Meridian; derselbe macht mit dem astronomischen Meridian (s n) des Beobachtungsorts einen Winkel, welchen man die
magnetische Deklination oder Abweichung nennt; die Deklination hat an verschiedenen Orten der Erdoberfläche ungleiche Werte und
ist östlich oder
westlich, je nachdem das Nordende der Nadel östlich oder westlich vom astronomischen Meridian liegt. In unsern Gegenden ist
die Deklination westlich und beträgt gegenwärtig in Berlin ungefähr 12°. Einen Überblick über die Deklinationsverhältnisse
der Erdoberfläche gewährt die Deklinationskarte
[* ]
(Fig. 5), auf welcher alle Orte gleicher Abweichung durch krumme Linien verbunden
sind; diese Kurven gleicher magnetischer Deklination heißen Isogonen. Alle Isogonen laufen in zwei Punkten zusammen, von denen
der eine im nordamerikanischen Eismeer in der Nähe der Melvilleinsel, der andre im Südlichen Eismeer südlich von Neuholland
liegt, und welche als die magnetischen Pole der Erde anzusehen sind; der im N. gelegene ist ein magnetischer
Südpol, der südliche ein magnetischer Nordpol.
Eine Linie ohne Abweichung, d. h. eine solche, auf welcher die Richtung der Magnetnadel überall mit dem astronomischen Meridian
zusammenfällt, schneidet die östliche Spitze von Brasilien ab, läuft im O. von Westindien durch den Atlantischen Ozean, um
in der Gegend von Philadelphia in den Kontinent von Nordamerika einzutreten und durch die Hudsonbai hindurchzulaufen.
Dann geht sie durch den magnetischen Südpol und den geographischen Nordpol, durch das Weiße und Kaspische Meer, durchsetzt
westlich von Vorderindien den Indischen Ozean, wendet sich sodann nach Neuholland, um endlich durch den magnetischen Nordpol und
geographischen Südpol der Erde in sich selbst zurückzulaufen. Auf dem Atlantischen Ozean, in Europa u. Afrika
ist die Deklination überall eine westliche; auf der andern, durch die beschriebene Linie bezeichneten Erdhälfte ist die Deklination
eine östliche, mit Ausnahme einer kleinen Strecke im östlichen Asien und dem angrenzenden Meer, wo eine zweite, in sich selbst
zurücklaufende Linie ohne Abweichung vorkommt, in deren Innerm die Deklination wieder eine westliche ist.
Jeder zur Messung der Deklination bestimmte Apparat heißt Deklinatorium oder Deklinationsbussole. Einen einfachen Apparat dieser
Art zeigt
[* ]
Fig. 6. Inmitten eines horizontalen, geteilten Kreises ist eine Magnetnadel auf eine Spitze aufgesetzt; an der Seite
des
Gehäuses, welches um eine vertikale Achse gedreht werden kann, ist ein Fernrohr angebracht, dessen
Achse mit dem Durchmesser 0-180° des Teilkreises parallel läuft. Hat man den Apparat so gestellt, daß die Nadel über 0-180°
steht, so fällt die Achse des Fernrohrs in den magnetischen Meridian; bringt man dagegen das Fernrohr in
den astronomischen Meridian, so gibt die Nadel die Deklination an. Das Instrument kann natürlich auch zum Messen beliebiger Winkel
benutzt werden (Feldbussole). Die zum Schiffsgebrauch dienende Deklinationsbussole heißt Kompaß (s. d.). Zu sehr genauen
Deklinationsbestimmungen gebraucht man das Magnetometer und den magnetischen Theodolit (s. Magnetometer).
Inklination.
Wird eine Magnetnadel, welche um eine horizontale, durch ihren Schwerpunkt gehende Achse drehbar ist
[* ]
(Fig.
7), so aufgestellt, daß ihre Drehungsebene in den magnetischen Meridian fällt, so nimmt ihre Achse eine zum Horizont geneigte
Stellung an, und zwar neigt sich auf der nördlichen Halbkugel der Nordpol, auf der südlichen der Südpol der Nadel nach
abwärts. Der Winkel, welchen die Achse der Nadel mit der Horizontalen bildet, heißt die magnetische Neigung oder Inklination.
Dieselbe beträgt in Berlin gegenwärtig 67° und nimmt nach N. hin zu, bis sie am nördlichen Magnetpol selbst, welcher von
Kapitän Roß unter 70° 5' nördl. Br. und 96° 46' westl. L. v. Gr.
wirklich erreicht worden ist, = 90° wird; an den magnetischen Polen der Erde stellt sich also die Magnetnadel vertikal, weshalb
der Schiffskompaß in hohen Breiten unbrauchbar wird. Die Verteilung der Inklination über die Erdoberfläche wird veranschaulicht
durch die Inklinationskarte
[* ]
(Fig. 8), auf der die Orte mit gleicher Inklination durch je eine krumme Linie
verbunden sind; diese Linien werden Isoklinen genannt. Die Nullisokline, längs welcher die Inklinationsnadel horizontal steht,
verläuft in der Äquatorialzone teils diesseit, teils jenseit des geographischen Äquators; sie wird der magnetische Äquator
der Erde genannt. Zur Bestimmung der Inklination kann die Inklinationsbussole
[* ]
(Fig. 9) angewendet werden, deren Einrichtung ohne weitere Erläuterung verständlich ist. Die Stellung der Inklinationsnadel
gibt die Richtung an, nach welcher an jedem Orte die totale erdmagnetische Kraft wirkt. Die Wirkung des Erdmagnetismus auf eine
Magnetnadel ist nur eine richtende und keineswegs eine fortbewegende; denn die entgegengesetzten Kräfte, welche jeder
Erdpol auf die beiden Pole der Nadel ausübt, sind wegen der ungeheuern Entfernung des Erdpols von der Nadel einander gleich
und parallel und bilden sonach ein Kräftepaar, welches nur eine drehende, nicht aber eine fortschreitende Bewegung hervorzubringen
vermag.
Entfernt man eine Magnetnadel, sei es eine Inklinations- oder Deklinationsnadel, ein
wenig aus ihrer Gleichgewichtslage,
so kehrt sie dahin zurück vermöge einer Reihe von Schwingungen, welche genau dieselben Gesetze befolgen wie die Schwingungen
eines Pendels. Läßt man eine und dieselbe Magnetnadel an verschiedenen Orten der Erdoberfläche schwingen, so kann man aus
der Anzahl der Schwingungen, welche sie in einer Sekunde macht, auf das Verhältnis der erdmagnetischen
Kräfte an diesen Orten schließen; diese Kräfte verhalten sich nämlich wie die Quadrate der beobachteten Schwingungszahlen.
Aus den Schwingungen einer Inklinationsnadel würde man auf diese Weise die ganze erdmagnetische Kraft oder die totale Intensität
kennen lernen, während auf
[* ]
^[Abb.: Fig. 10. Isodynamische Linien für 1835.]
mehr
die Deklinationsnadel nur die horizontale Komponente der totalen Kraft oder die horizontale Intensität einwirkt. Da jedoch die
Deklinationsnadel genauere Beobachtungen gestattet als die Inklinationsnadel, so zieht man es vor, mit Hilfe der erstern nur
die horizontale Intensität direkt zu bestimmen, woraus sich alsdann die totale Intensität, wenn die Inklination bekannt
ist, leicht berechnen läßt. Die Verteilung der totalen erdmagnetischen Kraft über die Erdoberfläche wird zur Anschauung
gebracht durch die Linien gleicher Intensität oder die Isodynamen; das Kärtchen
[* ]
(Fig. 10) zeigt, daß die magnetische Intensität
im allgemeinen vom Äquator gegen die Pole hin zunimmt; den größten Wert erreicht sie jedoch nicht an den
magnetischen Polen selbst, sondern auf der nördlichen Halbkugel finden wir zwei Punkte höchster magnetischer Kraft, den einen
in Nordamerika etwas westlich von der Hudsonbai, den andern im nördlichen Asien. Den beigeschriebenen Zahlen ist eine willkürliche
Einheit zu Grunde gelegt.
Intensität, Potenzial, Variationen.
Die drei Größen: Deklination, Inklination und Intensität werden die Elemente des Erdmagnetismus genannt,
weil durch sie Richtung und Größe der erdmagnetischen Kraft vollständig bestimmt sind. Gauß hat nun einen mathematischen
Ausdruck aufgestellt, das magnetische Potenzial, aus welchem sich sämtliche drei Elemente mit Leichtigkeit berechnen lassen.
Auch geben die Linien gleichen Potenzials oder die magnetischen Gleichgewichtslinien das einfachste Bild
von den magnetischen Verhältnissen unsrer Erdoberfläche; aus ihrem Lauf läßt sich z. B. die Richtung der Deklinationsnadel
an jedem Ort leicht erkennen, indem dieselbe stets rechtwinkelig zu den Gleichgewichtslinien steht. Denkt man sich auf diesem
Kärtchen
[* ]
(Fig. 11) ein System von Linien gezogen, welche die Gleichgewichtslinien senkrecht durchschneiden, so
erhält man die magnetischen Meridiane, während die Gleichgewichtslinien selbst als magnetische Parallelkreise aufgefaßt
werden können.
Sämtliche Elemente des Erdmagnetismus behalten auch an einem und
demselben Ort nicht den nämlichen Wert, sondern sind fortwährenden
Schwankungen unterworfen, welche teils unregelmäßig und plötzlich, teils regelmäßig und periodisch eintreten; erstere
heißen Störungen, letztere Variationen. Die täglichen Variationen der Deklination zeigen in unsern Gegenden
im allgemeinen folgenden Gang. Um 8 Uhr morgens hat die Magnetnadel ihre östlichste Stellung, dann bewegt sich ihr Nordende
ziemlich rasch gegen W. und erreicht seinen westlichen Wendepunkt zwischen 1 und 2 Uhr nachmittags, um sodann wieder nach
O. zurückzugehen, was in den Nachmittags- und Abendstunden rascher geschieht als in den Nachtstunden.
Der Winkel zwischen dem östlichsten und westlichsten Stande der Magnetnadel beträgt nur wenige Bogenminuten und ist im Sommer
(13-15') größer als im Winter (8-10'). Abgesehen von diesen täglichen Variationen, sind aber auch die Mittelwerte der erdmagnetischen
Elemente noch säkularen Variationen unterworfen, welche zwar sehr langsam erfolgen, aber, indem sie im
Lauf der Jahre in gleichem Sinn fortschreiten, allmählich zu beträchtlicher Größe anwachsen. So war z. B. in Frankreich 1580 die
Deklination 11° 30' östlich, nahm sodann beständig ab und wurde 1663 gleich Null;
von jener Zeit an wurde sie wieder
westlich, bis sie 1814 mit 22° 34' ihr westliches Maximum erreichte;
seitdem nimmt die westliche Deklination wieder ab. In
Deutschland beträgt ihre jährliche Abnahme im Durchschnitt 6½ Minuten;
in Berlin war sie während des vorigen Jahrhunderts
im Zunehmen begriffen, erreichte 1805 ihren größten westlichen Wert von 18° und beträgt gegenwärtig
nur noch 12°. Auch die Inklination zeigt sowohl tägliche als säkulare Änderungen;
in Paris betrug sie 1671 noch 75°, seitdem
hat sie fortwährend abgenommen bis zu ihrem gegenwärtigen Wert von 66½°. Ebenso ist auch die Intensität sowohl täglichen
als säkularen Variationen unterworfen.
Die Variationen der Deklination werden mittels des Magnetometers,
diejenigen der Intensität mittels des Bifilarmagnetometers bestimmt; beide Instrumente wurden von Gauß angegeben (s.
[* ]
^[Abb.: Fig. 11. Magnetische Gleichgewichtslinien für 1835.]
mehr
Magnetometer). Die täglichen Variationen stehen offenbar mit dem täglichen Gang der Sonne in Beziehung; die Ursache der säkularen
Variationen kennt man nicht. Von den Störungen weiß man, daß sie mit Erdbeben und vulkanischen Ausbrüchen, namentlich aber
mit der Erscheinung des Nordlichts in innigem Zusammenhang stehen. Dieselben treten oft über weite Ländergebiete
gleichzeitig ein, was namentlich durch die Beobachtungen des von Humboldt angeregten und von Gauß geleiteten Magnetischen Vereins
bestätigt wurde, dessen Mitglieder an verschiedenen Orten an vorausbestimmten Terminen 24 Stunden lang den Gang der Deklinationsinstrumente
von 5 zu 5 Minuten nach Göttinger Zeit beobachten.
Eine Eisenstange, welche man in die Inklinationsrichtung hält, wird durch den Einfluß des Erdmagnetismus
magnetisch, und zwar bekommt sie oben einen Südpol, unten einen Nordpol. Kehrt man die Stange um, so sind auch sogleich die
Pole umgekehrt. Gibt man dem Stab eine andre Richtung, so ist die auf ihn ausgeübte magnetisierende Wirkung der Erde um so
geringer, je größer der Winkel ist, den er mit der Inklinationsrichtung bildet, und verschwindet ganz, wenn er auf ihr senkrecht
steht.
Auf vertikale Stäbe, deren Richtung in unsern Gegenden von derjenigen der Inklinationsnadel nur wenig abweicht, ist der magnetisierende
Einfluß der Erde noch ziemlich bedeutend. Stahlstäbe, in der Richtung der Inklinationsnadel oder auch
nur vertikal gehalten, werden dauernd magnetisch, namentlich wenn man sie in dieser Stellung hämmert. Erschütterungen scheinen
nämlich die Drehung der Molekularmagnetchen zu befördern. Daraus erklärt es sich, daß fast alle Werkzeuge in der Werkstatt
eines Schlossers Magnete sind. Auch chemische Einwirkungen scheinen das Magnetischwerden zu begünstigen; Eisenstangen,
welche in vertikaler Stellung rosten, werden dauernd magnetisch.
Coulombs Gesetz.
Die Kraft, mit welcher zwei Magnetpole sich gegenseitig anziehen oder abstoßen, ist dem Quadrat ihrer Entfernung umgekehrt
proportional. Dieses Grundgesetz des Magnetismus wurde von Coulomb nach zwei Methoden experimentell nachgewiesen. Erstlich durch die
Schwingungen einer kleinen Magnetnadel, welche an einem Kokonfaden aufgehängt war; bringt man dieselbe
ein wenig aus ihrer Gleichgewichtslage, so schwingt sie unter dem Einfluß des Erdmagnetismus. Nähert man nun ihrem Südpol
den Nordpol eines sehr langen Magnetstabs, dessen Südpol demnach so weit entfernt ist, daß seine Wirkung auf die Nadel außer
acht gelassen werden kann, so schwingt sie jetzt unter dem vereinigten Einfluß der Erde und des genäherten
Magnetpols.
Bestimmt man die Schwingungszahlen bei verschiedenen Abständen des Pols und berechnet daraus nach dem bereits oben angeführten
Gesetz die jedesmal wirksame Kraft, so findet man, daß die vom Pol allein geübte Anziehung bei doppelter Entfernung nur noch
¼, bei dreifacher nur 1/9 etc. beträgt. Bei der zweiten Methode kam die Drehwage (s. d.) zur Anwendung.
Ein Magnetstäbchen hängt an einem Drahte, dessen oberes Ende durch Umdrehung einer Scheibe um einen meßbaren Winkel gedreht
werden kann.
Wäre das Stäbchen nicht magnetisch, so würde es der Drehung folgen, ohne daß der Draht eine Drillung
oder Torsion erleidet. Da aber das Stäbchen seiner Entfernung aus dem magnetischen Meridian widerstrebt, so erleidet der Draht
eine Torsion, und das Stäbchen nimmt stets diejenige Stellung an, daß sein magnetisches Moment dem Torsionsmoment des Drahts
das Gleichgewicht hält. Nähert man nun seinem einen Pol einen gleichnamigen Magnetpol, der es in die
Gleichgewichtslage zurückzutreiben strebt, so muß man, um dies zu verhindern, dem Draht eine neue Torsion erteilen.
Bestimmt man die hierzu nötige Torsion für verschiedene Entfernungen des Magnetpols, so läßt sich, da die Kraft, mit welcher
der Draht in seine Gleichgewichtslage zurückzukehren strebt, stets der Größe der Torsion proportional
ist, die in jedem Fall wirksame Abstoßungskraft leicht berechnen. Auch diese Versuche bestätigen die Richtigkeit des obigen
Gesetzes. Aus diesem Gesetz, welches für die Wechselwirkung zweier Pole gilt, folgt, daß die gegenseitige Einwirkung zweier
vollständiger Magnete, deren Entfernung im Verhältnis zu ihren Dimensionen so groß ist, daß die Wechselwirkung
aller vier Pole in Betracht kommt, der dritten Potenz ihrer Entfernung umgekehrt proportional ist. Die leicht durchzuführende
experimentelle Bestätigung dieser Folgerung liefert einen neuen Beweis für die Richtigkeit des Grundgesetzes.
Befindet sich eine Magnetpol in der Nähe eines Magnets, so werden dessen beide Pole, der eine mit einer
anziehenden, der andre mit einer abstoßenden Kraft, auf ihn wirken, welche sich zu einer resultierenden Kraft vereinigen,
deren Richtung und Größe von der Lage jenes Pols in Beziehung auf den Magnet abhängig ist. Die verschiedenen Richtungen der
magnetischen Kräfte in der Nähe eines Magnets können in anschaulicher Weise sichtbar gemacht werden, indem
man auf ein über den Magnet gelegtes Blatt steifen Papiers Eisenfeilspäne siebt. Diese ordnen sich zu regelmäßig gestalteten
Kurven
[* ]
(Fig. 12), welche beide Pole miteinander verbinden, und deren Richtung in jedem Punkte die Richtung der magnetischen Kraft
angibt. Diese Linien heißen magnetische Kurven oder (nach Faraday) Magnetkraftlinien. Die Linien, welche
wir im vorigen Abschnitt als magnetische Meridiane bezeichneten, sind die Magnetkraftlinien der Erde.
Theorien.
Zur Erklärung der magnetischen Erscheinungen hat man angenommen, daß es zwei unwägbare magnetische Flüssigkeiten (Fluida),
eine nordmagnetische und eine südmagnetische, gebe, denen man die Eigenschaft zuschreibt, daß die Teilchen derselben Flüssigkeit
einander abstoßen, daß dagegen Anziehung stattfindet zwischen den Teilchen der einen und denjenigen
der andern Flüssigkeit. Diese Hypothese kann nicht den Anspruch erheben, über die Natur des Magnetismus Aufschluß zu geben; sie hat
vielmehr nur die Bedeutung einer bildlichen Ausdrucksweise, welche uns den Überblick über die Erscheinungen und die Beschreibung
derselben erleichtert, und wird von den Physikern heutzutage auch nur noch in diesem Sinn angewendet.
Eine andre Theorie des Magnetismus, welche alle magnetischen Erscheinungen auf die Wirkungen elektrischer Ströme zurückführt, hat Ampère
aufgestellt. Nachdem derselbe nämlich erkannt hatte, daß zwei Stromleiter sich anziehen oder abstoßen, je nachdem sie
in gleicher oder entgegengesetzter Richtung vom Strom durchflossen werden, und daß eine von Elektrizität durchströmte Drahtspirale
(Solenoid) sich einem Magnet, der Erde oder einer zweiten durchströmten Spirale gegenüber ganz wie ein
Magnetstab verhält, nahm er an, daß jedes Eisenmolekül unaufhörlich von einem kleinen Kreisstrom umflossen werde, von
denen jeder nach den Gesetzen der Elektrodynamik (s. d.) einen kleinen Magnet darstellt, dessen Pole zu beiden Seiten des Kreisstroms
in der Achse liegen, die man sich senkrecht durch die Mitte des Kreises gelegt denken kann. In einem unmagnetischen
Eisenstab haben die Ebenen dieser Kreisströme die verschiedensten Lagen und heben deswegen ihre Wirkungen nach außen gegenseitig
auf.
Führt man nun einen elektrischen Strom um den Eisenstab, so richtet derselbe die Molekularströme gleichlaufend
mit sich und folglich deren Achsen parallel zur Achse des Eisenstabes; der Stab ist jetzt magnetisch (zu einem Elektromagnet,
s. d.) geworden und hat seinen Südpol nach der Seite gewendet, von welcher aus betrachtet sowohl der magnetisierende Strom
als auch die Molekularströme des Eisens in der Richtung des Uhrzeigers kreisen. Während die Molekularströme
des weichen Eisens nach Aufhören der magnetisierenden Ursache in ihre frühern Lagen zurückkehren, behaupten diejenigen des
Stahls dauernd die ihnen einmal gegebene Richtung.
Die Ströme, welche die innern Moleküle eines Magnets umkreisen, können nach außen keine bemerkbare magnetische Wirkung ausüben,
weil in Bezug auf jeden solchen innern Kreisstrom alle benachbarten Ströme so laufen, daß sie die Wirkung
desselben aufheben; vielmehr können nur die Ströme, welche die an dem Umfang des Stabes liegenden Moleküle umfließen, und
zwar nur in den nach auswärts gewendeten Teilen ihrer Bahn die vom Stab ausgehende magnetische Wirkung verursachen.
Diese Ströme kann man sich aber ersetzt denken durch geschlossene Ströme, welche den ganzen Stab rings
umlaufen, und sonach wäre ein Magnetstab vergleichbar mit einer vom Strom durchlaufenen Drahtspirale. Das Gesetz der Pole erklärt
sich alsdann aus dem Bestreben der Ströme in den beiden aufeinander wirkenden Magneten, sich parallel und gleichzurichten
[* ]
(Fig. 13). Ebenso wird eine Magnetnadel durch den elektrischen Strom abgelenkt, weil die sie umkreisenden
Ströme sich parallel mit dem Strom im Leitungsdraht zu stellen suchen. Auch der Erdmagnetismus ist nach dieser Theorie nichts
weiter als die Wirkung von elektrischen Strömen, welche die Erde in stets veränderlicher Richtung und Stärke, aber im allgemeinen
von O. nach W. umkreisen. Die tägliche Periode der magnetischen Variationen scheint darauf hinzudeuten,
daß diese Erdströme thermoelektrischen Ursprungs sind.
Diamagnetismus.
Bringt
man ein Stäbchen von Wismut, welches, an einem Kokonfaden aufgehängt, horizontal schwebt, zwischen die Pole eines
sehr kräftigen Elektromagnets
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(Fig. 14, von oben gesehen), so wird es von beiden Polen abgestoßen und
stellt sich daher rechtwinkelig (a b) zur Verbindungslinie der beiden Pole (äquatorial), während ein Eisenstäbchen sich
natürlich in die Verbindungslinie (N S) der beiden Pole (axial) gestellt hätte. In Bezug auf dieses Verhalten lassen sich
alle Körper in zwei Gruppen teilen: die magnetischen (auch »paramagnetische« genannt) werden
vom Magnet angezogen und stellen sich axial, die übrigen werden abgestoßen und stellen sich äquatorial;
letztere wurden
von Faraday, der diese Erscheinung entdeckte, diamagnetisch genannt.
Außer Eisen, Nickel und Kobalt, deren magnetische Eigenschaften
schon längst bekannt waren, erwiesen sich noch Mangan, Chrom, Cer, Titan, Palladium, Platin, Osmium sowie fast alle
Eisenverbindungen als magnetisch, als diamagnetisch dagegen vorzüglich Wismut, sodann Antimon, Zink, Zinn, Blei, Silber, Kupfer,
Gold etc. Um Flüssigkeiten zu prüfen, füllt man sie in dünnwandige Glasröhren, oder man stellt sie in einem Uhrglas über
die sehr genäherten Pole eines starken Elektromagnets; im letztern Fall bilden sie unebene Oberflächen, und
zwar häufen sich magnetische Flüssigkeiten über den Kanten der Pole an und bilden kleine Hügel, während diamagnetische Flüssigkeiten
sich nach der axialen Richtung ausdehnen und nach der äquatorialen zusammenziehen; in der Mitte zwischen den beiden Polen
bildet sich alsdann statt des frühern Bergrückens ein in der äquatorialen Richtung sich hinziehendes
Thal.
Kerzenflammen sind in höherm Grade diamagnetisch als die umgebende Luft; sie werden von den Magnetpolen abgestoßen und nehmen
in äquatorialer Richtung eine verbreiterte Gestalt an. Die Gase sind diamagnetisch, Sauerstoffgas aber verhält sich gegen
alle andern Gase magnetisch, d. h. es ist weniger diamagnetisch als sie. Wie Plücker zuerst gezeigt hat,
üben die Kristallisationsverhältnisse auf die diamagnetischen Erscheinungen einen wesentlichen Einfluß aus.
Eine parallel zur Kristallachse geschliffene Turmalinplatte stellt sich axial, wenn jene Achse senkrecht steht, dagegen äquatorial,
wenn ihre Achse horizontal liegt. Aus Versuchen mit kristallisiertem Wismut ergab sich, daß die Hauptspaltungsebene sich äquatorial
zu stellen strebt, so daß ein Stäbchen aus kristallisiertem Wismut, dessen Längsrichtung auf dieser
Ebene senkrecht steht, sich axial stellt. Faraday nennt diese Richtung des kristallisierten Wismuts, welche sich axial zu stellen
strebt, die Magnetkristallachse. Plücker bezeichnet als magnetische Kristallachsen solche durch die Kristallform bedingte
feste Richtungen, nach welchen die magnetische oder diamagnetische Polarität unabhängig von der Lage der
magnetisierenden Pole auftritt.
Weber erklärt den Diamagnetismus durch molekulare Ströme, welche aber nicht, wie diejenigen der
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^[Abb.: Fig. 13. Erklärung des Magnetismus nach Ampère.]
magnetischen Körper, bereits fertig gebildet sind und durch einen genäherten Magnet bloß seinen eignen Strömen gleichgerichtet
werden, sondern welche durch den genäherten Magnet erst hervorgerufen oder, wie man sagt, induziert werden. Nähert man einem
Magnetpol einen Leiter, z. B. einen Kupferstab, so werden in diesem Ströme induziert, welche den Ampèreschen Strömen
entgegengesetzt sind. Diese Ströme sind jedoch von sehr kurzer Dauer, denn indem sie durch die Masse des Kupfers von Molekül
zu Molekül übergehen, haben sie einen Leitungswiderstand zu überwinden, durch welchen ihre Energie sehr bald erschöpft
wird.
Außer diesen durch die Masse des Leiters sich fortpflanzenden gewöhnlichen Induktionsströmen erregt der
Magnet aber auch noch kleine Kreisströme um dessen Moleküle, welche den Molekularströmen des Magnets ebenfalls entgegengesetzt
sind, aber, weil sie beim Umkreisen des Moleküls keinem Widerstand begegnen, so lange fortdauern, bis infolge einer neuen
Induktion neue entgegengesetzte Molekularströme entstehen, welche die ältern aufheben. Da nun diese Molekularströme
denjenigen des Magnets entgegengesetzt sind, so sieht man, daß nach den elektrodynamischen Gesetzen Abstoßung
eintreten muß.
Die induzierten Molekularströme können sich auch in Nichtleitern bilden, welche einen Übergang der Elektrizität von einem
Molekül zum andern und daher das Entstehen gewöhnlicher Induktionsströme nicht gestatten; Glas, Schwefelkohlenstoff und andre
Nichtleiter zeigen sich in der That stark diamagnetisch. Die erste diamagnetische Erscheinung, welche Faraday
beobachtete, war die Drehung der Polarisationsebene des Lichts (s. Polarisation) durch den Magnetismus. Bringt man nämlich zwischen
die Halbanker eines kräftigen Elektromagnets
[* ]
(Fig. 15), welche in axialer Richtung (a d), um hindurchsehen zu können, durchbohrt
sind, ein Stück (g) von Faradays »schwerem Glas« (kieselborsaurem Blei), so erleidet die Polarisationsebene
eines durch dies Glasstück hindurchgeschickten linearpolarisierten Lichtstrahls eine Drehung und zwar in der Richtung, nach
welcher der positive Strom den Elektromagnet umkreist.
Auch an andern durchsichtigen, festen und flüssigen Körpern beobachtet man die magnetische Drehung der Polarisationsebene,
wenn auch in geringerm Grade. Denselben Erfolg erzielt man auch ohne Magnet, wenn man einen elektrischen
Strom in Spiralwindungen um die durchsichtigen Körper herumleitet. Zwischen der magnetischen Drehung der Polarisationsebene
und derjenigen Drehung, welche manchen Körpern (den zirkularpolarisierenden) von Natur eigen ist, besteht übrigens ein wesentlicher
Unterschied.
Geht nämlich ein Strahl durch ein von Strömen umkreistes diamagnetisches Mittel, so wird die Polarisationsebene,
wie erwähnt, nach der Richtung der Ströme gedreht, und man erhält mithin eine Drehung nach rechts oder nach links, je nachdem
der Strahl in der einen oder in der andern Richtung durch das Mittel hindurchgeht. Bei zirkularpolarisierenden Körpern erhält
man dagegen stets eine Drehung nach derselben Seite, gleichviel nach welcher Richtung man durch den Körper
hindurchblickt.
Wird daher der einfallende Strahl am andern Ende des zirkularpolarisierenden Mittels so reflektiert, daß
er auf demselben
Weg zurückkehrt, so beobachtet man gar keine Drehung, weil die beiden hintereinander erfolgten Drehungen, absolut genommen,
entgegengesetzt waren. Bei der Drehung durch den Strom werden dagegen beide Drehungen, wieder absolut
genommen, in gleichem Sinn erfolgen, und der Effekt wird durch die Reflexion verdoppelt. Nach Wiedemanns Untersuchungen ist die
Drehung der Polarisationsebene der Stärke des Stroms oder der magnetisierenden Kraft proportional und nimmt zu mit der Brechbarkeit
der Strahlen. Bei gleicher magnetisierender Kraft ist die Drehung in verschiedenen Stoffen sehr verschieden:
in Lösungen von Salzen mit diamagnetischem Radikal ist das Drehungsvermögen fast durchgängig größer als für Wasser, dagegen
ist es kleiner als für Wasser in Lösungen von Salzen mit magnetischem Radikal, so daß letztern Salzen ein negatives Drehungsvermögen
zuzuschreiben ist.
Geschichtliches.
Der Magnetstein hat nach Lukrez seinen Namen von der Stadt Magnesia, wo ihn die Griechen zuerst gefunden
haben sollen. Plinius erzählt von einem Hirten, Magnes, der auf dem Berg Ida mit den eisernen Nägeln seiner Sohlen und der eisernen
Spitze seines Hirtenstabes auf einem magnetischen Stein festgehalten wurde. Die Alten scheinen die Kunst
verstanden zu haben, den natürlichen Magnet zu armieren und dadurch zu verstärken. Das Geheimnisvolle, welches in dem Stein
liegt, wurde namentlich von den Priestern vielfach ausgenutzt.
Die Richtkraft des Magnets war wenigstens den Chinesen schon sehr lange bekannt; sie benutzten magnetische Wagen, auf denen
der magnetische Arm einer Menschengestalt unausgesetzt nach Süden wies, um sicher den Landweg durch die
Grasebenen der Tatarei zu finden. Im 3. Jahrh. nach unsrer Zeitrechnung segelten schon chinesische Fahrzeuge im Indischen Ozean
nach magnetischer Südweisung. 400 Jahre vor Kolumbus kannten die Chinesen bereits die Deklination. In Europa wird der Magnetstein
zuerst gegen Ende des 11. Jahrh. von Are Frode in seiner Geschichte von der Entdeckung Islands erwähnt;
man scheint den natürlichen Magnet an einem Faden aufgehängt zu haben und nannte ihn Leitstein (engl. leadstone).
Gilbert erzählt, daß nach Flavius Blondus zuerst ums Jahr 1300 die Amalfitaner in Neapel den Schiffskompaß konstruiert und
angewendet hätten, und zwar nach der Anleitung des Flavio Gioja; doch sei es wahrscheinlicher, daß die
Kenntnis des Kompasses ums Jahr 1260 durch Paulus Venetus aus China nach Italien gebracht sei. Jedenfalls war der Seekompaß
im südlichen Europa schon zu Anfang des 13. Jahrh. bekannt. Im J. 1266 kannte man auch
in Norwegen die Magnetnadel, und wenige Jahre später wußte man, daß ungleichnamige Pole sich anziehen. In einem Briefe von
Peter Adsiger wird ausführlich von der Deklination gesprochen, die später Kolumbus mit großer Bestürzung 200 Leguas von der
Insel Ferro entfernt von neuem entdeckte. Kolumbus war der erste, welcher die Beobachtung machte, daß die
Deklination an verschiedenen Orten ungleich stark ist. Genauere Bestimmungen der Deklination wurden erst um die Mitte des 16. Jahrh.
gemacht, und 1543 entdeckte Georg Hartmann in Nürnberg die Inklination. Er
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^[Abb.: Fig. 15. Diamagnetische Drehung der Polarisationsebene
des Lichts.]
mehr
fand auch das Gesetz der ungleichnamigen Pole und das Magnetischwerden eines Eisenstäbchens unter dem Einfluß des Erdmagnetismus. 1590 beobachtete
Cäsar in Rimini den Magnetismus einer auf einem Kirchturm verrosteten Eisenstange. Um den Magnetismus zu erklären, hat man lange abenteuerliche
Vorstellungen gehegt, und besonders glaubte man an nordische Magnetberge, denen kein Schiff sich nähern
dürfe, ohne zu zerschellen, indem die Nägel durch den Magnet aus dem Holz herausgezogen würden.
Erst Gilbert verwies 1600 diese Vorstellung ins Reich der Fabeln. Daß die Deklination sich an demselben Ort mit der Zeit ändere,
wurde in London und Paris nachgewiesen, und 1722 entdeckte Graham auch die täglichen Variationen. Halley,
der sich um die Theorie des Magnetismus sehr verdient gemacht hat, entwarf 1699 die isogonischen Linien, die übrigens schon Burrus
gezogen haben soll. Die neuern Arbeiten über den Magnetismus knüpfen sich an die Namen Euler, Humboldt, Hansteen, Gauß, Weber, Lamont.
Der Diamagnetismus wurde 1845 von Faraday entdeckt, neben welchem als Forscher auf diesem Gebiet noch Plücker,
Weber, Tyndall, Wiedemann und Verdet zu nennen sind. - Über den sogen. tierischen oder Lebensmagnetismus s. Magnetische Kuren.
Vgl. Lamont, Handbuch des Magnetismus (Leipz. 1867);
Airy, Über den (a. d. Engl., Berl. 1874);
Ferrini, Technologie der Elektrizität
und des Magnetismus (deutsch, Jena 1878);
Hoh, und Elektrizität als kosmotellurische Kräfte (Wien 1887).