mehr
als wenn man ihn frei schwingen ließe; von diesem Mittel zur Dämpfung der Schwingungen eines Magnetstabs wird bei Galvanometern
Gebrauch gemacht. Ebenso wirkt ein feststehender Magnet, in dessen Nähe ein Leiter bewegt wird, auf die Bewegung des letztern
hemmend ein. Führt man z. B. ein Messingblech zwischen den Polen eines starken Elektromagnets hindurch,
so fühlt man einen Widerstand, als wenn man durch eine zähe Substanz, wie Käse, hindurchschnitte. Die Bewegungsenergie, welche
der bewegte Leiter durch diesen »magnetischen Reibungswiderstand« verliert, wird
wie bei der gewöhnlichen Reibung in Wärme verwandelt: der bewegte Leiter erwärmt sich.
Die Rückwirkung der in einem bewegten Leiter durch einen Magnet induzierten Ströme vermag sogar den letztern
in Bewegung zu setzen, was durch folgenden Versuch nachgewiesen wird. Über einer wagerechten Kupferscheibe, welche durch eine
Zentrifugalmaschine in rasche Umdrehung versetzt werden kann, hängt eine in wagerechter Ebene drehbare Magnetnadel. Wird nun
die Kupferscheibe in hinreichend rasche Drehung versetzt, so dreht sich auch die Magnetnadel in demselben
Sinn wie die Scheibe. Arago bezeichnete diese Erscheinung mit dem Namen Rotationsmagnetismus. Auch der Erdmagnetismus vermag in
einem bewegten Leiter Ströme zu induzieren. Als Erdinduktionsapparat
[* ]
(Fig. 3) kann ein kreisförmiger Rahmen MN mit möglichst
großem Durchmesser dienen, auf dessen Umfang zahlreiche Windungen übersponnenen Kupferdrahts gewickelt
sind, und welcher um eine wagerechte Achse drehbar ist. Steht diese Achse senkrecht zum magnetischen Meridian und die Ebene des
Rahmens senkrecht zur Inklinationsrichtung (s. Magnetismus, S. 87), und läßt man die Achse rasch eine halbe Umdrehung machen,
so beobachtet man an einem eingeschalteten Galvanometer einen Induktionsstrom, dessen Stärke der des Erdmagnetismus
proportional ist.
[* ]
^[Abb.: Fig. 3. Erdinduktionsapparat.]
Kuren, auf Anwendung des sogen. tierischen Magnetismus beruhende Heilversuche. Der tierische Magnetismus
(Lebens-, Zoo- oder Biomagnetismus, Mesmerismus) galt im Sinn der ältern Naturwissenschaft als eine hypothetische
Kraft, die man unpassenderweise mit dem Magnetismus verglichen hat, weil sie, wie dieser, durch Bestreichen geweckt oder von
dem »Magnetiseur« auf den Kranken übertragen werden sollte, um in wohlthätiger Weise auf das Nervensystem desselben einzuwirken.
Der Entdecker des sogen. tierischen Magnetismus, Mesmer (s. d.), studierte um 1772 die Wirkung des Magnets
auf den menschlichen Körper und bemerkte hierbei, daß auch ohne Anwendung des Magnets, durch bloßes Streichen mit den Händen,
eigentümliche Wirkungen hervorgebracht wurden, die eine rätselhafte, auf den menschlichen Organismus wirkende Kraft zu bekunden
schienen. Er machte davon Anwendung zur Heilung von Krankheiten und erregte durch seine glücklichen sogen.
magnetischen Kuren großes Aufsehen.
Wienholdt, Olbers,
Bökmann und Gmelin suchten die Lehre von dieser vermeintlichen Kraft wissenschaftlich zu begründen. Wolfart,
ein Schüler Mesmers, gründete eine magnetische Heilanstalt in Berlin; Kieser, Hufeland, Passavant, Baader, Ennemoser u. a. schrieben
zustimmend und anerkennend über tierischen Magnetismus. Es bildete sich eine Theorie heraus, nach welcher
den Fingern, den Augen, dem Hauch des sogen. Magnetiseurs ein eigentümliches ätherisches Fluidum entströmen sollte, eben dieser
tierische Magnetismus, welcher durch den bloßen energischen Willen sogar in weite Ferne entsendet werden könnte, um in der
»magnetisierten« Person höchst merkwürdige Nervenzustände zu erzeugen.
Kieser bezeichnete diese Kraft als Tellurismus oder, soweit sie von Metallen ausströmt, als Siderismus; Gmelin,
Passavant u. v. a. wollten den Nervenäther darin erkennen; am meisten Beifall aber fand der Freiherr von Reichenbach, indem er in
der Ausströmung der Hände eine besondere, bis dahin unbekannte, wohlcharakterisierbare Naturkraft, das Od (s. d.), nachzuweisen
bemüht war. Zunächst äußert sich die Wirkung der in verschiedener Weise und besonders über die leidenden
Körperteile geführten Striche in der Erzeugung eines mehr oder weniger tiefen Schlafs, der indessen durch Braids Beobachtungen 1843 (s.
Hypnotismus) seines geheimnisvollen Charakters entkleidet worden ist.
Bei besonders dazu neigenden Personen sollte sodann der Tiefschlaf bald in den Zustand des Schlafwachens
oder Somnambulismus (s. d.) übergehen, in welchem Fragen beantwortet werden und angeblich das geistige Vermögen der Betreffenden,
von den gewöhnlichen Fesseln befreit, nicht nur den Zustand des eignen Körpers völlig durchschauen, sondern auch die geeigneten
Heilmittel für denselben erkennen, ja in den gesteigerten Zuständen dieses Schlafwachens, die man als
Hochschlaf oder Hellsehen bezeichnet, die Vergangenheit, Zukunft und räumliche Ferne durchdringen sollte.
Man erzählt zahlreiche, wahrscheinlich niemals genau untersuchte Fälle, in denen so behandelte Personen mit den Fingerspitzen
verschlossene Briefe gelesen und alle Dinge erkannt haben sollen, die man ihnen wohlverschlossen auf die Magengrube gelegt,
woraus dann weiter geschlossen worden ist, daß das sogen. sympathische
Nervengeflecht mit seinen Ganglien das eigentliche Organ für diese geheimnisvollen Seelenkräfte sei. Nach Beendigung des somnambulen
Zustandes fehlt übrigens meist alle Erinnerung an das in demselben Erträumte und Geschehene, wie auch der Körper während
desselben sich unempfindlich gegen schmerzende Eingriffe bewährt, oft sogar in Starrkrampf übergeht,
den der Wille und Befehl des Magnetiseurs allein aufheben soll, Erscheinungen, die man oft auf die Schaubühne gebracht hat.
Infolge der magnetischen Manipulation und des dadurch bewirkten Somnambulismus entsteht angeblich zwischen Magnetiseur und Somnambule
ein sogen. magnetischer Rapport, worunter man sich eine Art von Lebens- und Empfindungsgemeinschaft vorzustellen
hat, vermöge deren der Wille des Magnetiseurs auf die organischen und geistigen Funktionen der Somnambule einen bezwingenden
mehr
Einfluß erhalten soll, während der letztern gleichzeitig die Seelenzustände des Magnetiseurs direkt zum Bewußtsein kommen
sollen. Angeblich sollten selbst leblose Gegenstände zu Trägern des tierischen Magnetismus gemacht werden können, und in
dieser Auffassung bediente sich Mesmer eines sogen. magnetischen Baquets, eines mit Wasser und Eisenfeile gefüllten hölzernen
oder gläsernen Bottichs, den er mit seinem magnetischen Fluidum lud, und aus welchem eine ganze Anzahl
von Kranken gleichzeitig durch eiserne Handhaben dasselbe bezog.
Die Zeit, in welcher der Mesmerismus in Blüte stand, und in welcher man alle Heilwunder der Religionsstifter und Thaumaturgen
auf denselben zurückführen zu können glaubte, liegt weit hinter uns. Anderseits hat das Studium des
Hypnotismus erkennen lassen, daß jene Erscheinungen doch nicht so ganz dem Gebiet der Selbsttäuschung und des Betrugs angehören,
wie man vor einigen Jahrzehnten anzunehmen geneigt war, und man begreift es jetzt, daß so viele ausgezeichnete Ärzte und
Naturforscher früher an eine geheimnisvoll überströmende Kraft des Magnetiseurs geglaubt haben. Da nun
die Experimente am leichtesten mit hysterischen, schon infolge ihrer Krankheit zu phantastischen Täuschungen und Betrügereien
hinneigenden Personen gelangen, so erklärt sich, daß in einer Zeit, die schon an sich zu einer mystischen Auffassung der
Dinge bereit war, aus auffallenden, aber der neuern Physiologie und Psychologie bis zu einem gewissen Grad
vollkommen verständlichen Erscheinungen falsche Schlüsse gezogen wurden, worauf sich ein vollständiges, aus Wahrheit und
Dichtung gemischtes Lehrsystem aufbaute.
Selbst gewisse Heilwirkungen bei Nervenübeln, widernatürlichen Muskelkontraktionen u. dgl.
können von den betreffenden Manipulationen erwartet werden, aber nicht eine allgemeine Disposition zur Heilung aller möglichen
Übel oder gar prophetische Eingebungen des Heilmittels und die sonstigen übernatürlichen Leistungen.
Vgl. Obersteiner, Der Hypnotismus in seiner medizinischen und forensischen Bedeutung (Wien 1887);
Geßmann, Magnetismus und Hypnotismus
(das. 1887);
Binet und Féré, Le magnétisme animal (Par. 1886), sowie die unter Hypnotismus angegebene Litteratur.
Nur von
historischem Interesse, nicht aber von eigentlich wissenschaftlichem Wert sind heute die Schriften von
Mesmer, Wolfart, Stieglitz, Nees v. Esenbeck (»Entwickelungsgeschichte des magnetischen Schlafs und Traums«, Bonn 1820),
Kieser (»Tellurismus«,
Leipz. 1822),
Ennemoser (»Der Magnetismus im Verhältnis zur Natur und Religion«, 2. Aufl., Stuttg. 1853),
Carus (»Über Lebensmagnetismus«,
Leipz. 1857),
Perty (»Die mystischen Erscheinungen der menschlichen Natur«, 2. Aufl., das. 1872).