mehr
Lebensmitteln zu versorgen. Diese Besitzungen gingen in den Revolutionskriegen an England verloren, wurden jedoch durch die Wiener Verträge von 1814 und 1815 den Franzosen wieder zurückgegeben. Ein um so größeres Interesse hatte England fortan an der Aufrechthaltung der Selbständigkeit der Insel, und es erkannte den damaligen König der Hova, Radama I. (1810-28), als König von [* 2] an. Gleichzeitig sandte es Missionäre nach Madagaskar, die bis 1828 einige Buchdruckereien angelegt und schon 100 Schulen gestiftet hatten, in denen 5000 Kinder christlich unterrichtet wurden.
Englische [* 3] Offiziere organisierten Radamas Heer. Hierdurch gelang es diesem, sich einen Stamm nach dem andern zu unterwerfen, bis er zuletzt auch die französische Besatzung im Fort Dauphin angriff und vertrieb; den Engländern wurden dagegen alle Häfen eröffnet, und sie waren im faktischen Besitz des Landes. Aber Radama starb an Gift, das ihm seine Gattin Ranavalona beigebracht, welche von der Volksversammlung zur Herrscherin ausgerufen wurde.
Die neue Königin war den Fremden abgeneigt und brach den mit den Engländern angeknüpften Handelsverkehr wieder ab. Auch haßte sie das Christentum, zerstörte die Missionen, verjagte die Missionäre und ließ viele Christen hinrichten. Die Franzosen versuchten zwar 1829 an zwei Punkten zu landen, wurden aber bei Foulpointe geschlagen. Frankreich und England vereinigten sich 1845 zu einer gemeinschaftlichen Expedition gegen die Stadt Tamatave und schossen sie in Brand, mußten sich aber nach einem unglücklichen Sturm auf das Fort mit Verlust auf ihre Schiffe [* 4] zurückziehen. Die Folge waren nun blutige Christenverfolgungen auf der Insel. Nachdem jedoch der Kronprinz Rakoto und andre Prinzen 1846 offen zur christlichen Kirche übergetreten waren, erlangten englische Missionäre, namentlich seit 1853, wieder Eingang auf und erwirkten auch die Freigebung des Handels. Mit Ranavalonas Tod und der Thronbesteigung ihres Sohns Rakoto als Radama II. gestalteten sich die Verhältnisse günstiger für die Europäer.
Radama II. öffnete den Fremden bereitwillig sein Land, schaffte alte barbarische Gebräuche ab und suchte die Bildung seines Volkes zu befördern. Durch die Rücksichtslosigkeit aber, mit welcher er Fremde bevorzugte und den Wünschen der einheimischen Edelleute und Priester entgegentrat, erregte er deren Unzufriedenheit, und es ward eine Verschwörung gegen ihn angezettelt, als deren Opfer er fiel. Seine Witwe Rabodo, welche als Königin den Namen Rasoherina annahm, bestieg darauf den Thron, [* 5] verlor aber bald ihr Ansehen völlig und befand sich ganz in der Gewalt ihres Premierministers, dem sie unklugerweise und zum Verdruß des Volkes ihre Hand [* 6] gereicht hatte. 1865 kam es zu einem förmlichen Aufstand des Volkes gegen die Franzosen, während England einen äußerst günstigen Freundschafts- und Handelsvertrag mit Madagaskar abschloß.
Rasoherina starb und nach einigen Streitigkeiten über die Thronfolge zwischen der alten Hovapartei und dem Premierminister der verstorbenen Königin, Rainitaiarivoy, ward einer Verwandten derselben, Ramona, unter dem Namen Ranavalona Majonka II. die Krone übertragen. Die neue Königin zeigte sich dem Christentum günstig und ließ sich nebst einem großen Teil des Adels taufen. Trotz der Entrüstung der heidnischen Priesterschaft und der Masse des Volkes befahl sie darauf die Zerstörung der alten Götzenbilder, deren strafloses Gelingen solchen Eindruck auf das Volk machte, daß es in großer Zahl zum Christentum übertrat. 1877 wurde die Sklaverei abgeschafft.
Als 1882 die Franzosen über Belästigung ihrer Mitbürger, Verweigerung des Verkaufs von Land u. dgl. Beschwerde führten, schickten die Hova eine Gesandtschaft nach Europa, [* 7] welche mit mehreren Staaten, auch mit Deutschland, [* 8] Handelsverträge schloß, aber mit Frankreich keine Vereinbarung zu stande brachte, da letzteres die Schutzherrschaft nicht bloß über die Sakalaven, sondern über die ganze Ostküste beanspruchte. Frankreich schickte darauf 1883 ein Geschwader nach Madagaskar, das mehrere Küstenplätze bombardierte und 13. Juni Tamatave besetzte.
Auch die neue Königin, Ranavalona III., welche nach Ranavalonas II. Tod (13. Juli) den Thron bestieg, ihren Premierminister Rainilairivony heiratete und 22. Nov. feierlichst gekrönt wurde, weigerte sich, die französischen Forderungen zu bewilligen, und beanspruchte die Herrschaft über ganz Madagaskar. Obwohl nun die Versuche der Franzosen, 1885 von Tamatave in das Innere von Madagaskar einzudringen, an dem tapfern Widerstand der Madegassen scheiterten, schlossen diese doch 17. Dez. mit Frankreich einen Vertrag, der diesen eine Schutzherrschaft, namentlich die Vertretung in allen auswärtigen Beziehungen, einräumt; Madagaskar sollte 10 Mill. Kriegskosten bezahlen, bis dahin Tamatave von den Franzosen besetzt bleiben. Ein französischer Generalresident (Le [* 9] Myre de Vilers) nahm mit einer kleinen militärischen Eskorte seinen Sitz in Tananarivo.
Vgl. Ellis, History of Madagaskar (Lond. 1838);
Derselbe, Three visits to Madagaskar (das. 1858);
Bocage, Madagaskar, possession française depuis 1642 (Par. 1859);
Ida Pfeiffer, Reise nach Madagaskar (Wien [* 10] 1861, 2 Bde.);
Mears, The story of Madagaskar (Philad. 1873);
Grandidier, Histoire physique, naturelle et politique de Madagaskar (Par. 1876 ff., auf 28 Bde. berechnet);
Sibree, Madagaskar, Geographie, Naturgeschichte, Ethnographie [* 11] der Insel etc. (deutsch, Leipz. 1881);
Escamps, Histoire et géographie de Madagaskar (neue Ausg., Par. 1884);
Little, Madagaskar, its history and people (Lond. 1884);
R. Hartmann, und die Seychellen etc. (Leipz. 1886);
Oliver, an historical and descriptive account (Lond. 1887, 2 Bde.).
Ein madegassisch-englisches Wörterbuch gab Richardson (1886) heraus.