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jetzt leider häufig europäischer Plunder. Die Prinzen stolzieren in Generalsuniform, die Prinzessinnen in bauschigen Seidenroben, höhere Staatsbeamte tragen den Frack, lange Beinkleider und Lackstiefel. Die Elitetruppe in Antananarivo ist anständig und gleichmäßig uniformiert, in den Provinzen dagegen paradieren die Soldaten in den unglaublichsten Uniformen. Die ursprünglichen Waffen [* 2] waren Lanzen und Schilde, Bogen [* 3] und Pfeil, jetzt herrscht das Feuergewehr vor.
Die Wohnungen werden aus rotem Thon aufgemauert, das sehr steile, auf starken Pfählen ruhende Giebeldach wird mit Heu oder Binsen gedeckt; eine ummauerte Bodenstelle dient als Herd, der Rauch entweicht durch Thür und Fenster. Die Ansiedelungen werden durch Palissaden oder Mauern eingeschlossen. Hauptnahrung ist der Reis, auch wird viel Fleisch genossen. Das Volk bedient sich der Löffel und Blätter, die Vornehmen haben europäisches Tafelgeschirr. Tabak [* 4] wird meist nur geschnupft und gekaut.
Der Landbau dreht sich in erster Linie um die Reiskultur; aus Zuckerrohr werden Zucker [* 5] und schlechter Rum bereitet. Die Rinder [* 6] gehören einer schönen Zeburasse an, das Schaf [* 7] ist das haarige, fettschwänzige; unter den vielen eingeführten Schweinerassen herrscht die chinesische vor. Die Pferde [* 8] gedeihen aber gar nicht. Neben der einheimischen Seidenraupe ist die echte eingeführt worden. Man webt sehr dauerhafte Seidenstoffe und Baumwollenzeug, bereitet schöne Zeuge aus den Blattfäden der Raphiapalme und aus Rinde sowie Matten aus Gräsern, Papyrusbast und Binsen.
Äußerst geschickt sind die Madegassen in Filigranarbeiten aus Gold [* 9] und Silber. Das Bambusrohr dient, wie im Indischen Archipel, den allerverschiedensten Zwecken. Die Sprache [* 10] gehört zur malaiisch-polynesischen Sprachfamilie, sie scheint mit der philippinischen Tagalensprache nähere Verwandtschaft zu haben. Daß sie durchaus keine Verwandtschaft mit afrikanischen Idiomen hat, wie behauptet wird, ist noch nicht erwiesen. Der grammatische Bau ist einfach.
Man unterscheidet den Hova- und den Sakalavendialekt. Die Ehe ist eine reine Geschäftssache, und obwohl die Madegassen offiziell sich zum Christentum bekennen (das Volk ist nominell presbyterianisch, 10,000 katholisch), so halten sie doch häufig an der Vielweiberei fest. Keuschheit wird von den Frauen nicht verlangt, doch wird Ehebruch bestraft. Die Sitte der Beschneidung verschwindet seit Einführung des Christentums mehr und mehr. Wie auch sonst in Afrika [* 11] wird die Blutsverbrüderung, die Falotra, eifrig geübt.
Von Charakter sind die Hova leidenschaftlich, empfindlich und rachsüchtig, zeigen sich aber äußerlich höflich und erheucheln lauernd eine kühle Indifferenz. Im Handel sind sie äußerst verschlagen, und an Zuverlässigkeit lassen sie viel zu wünschen übrig. Die frühere Religion war ein Wasserfetischdienst, und hoch im Schwange stand die Wahrsagerei. Jetzt sind sehr viele zum Christentum bekehrt, doch wuchert trotzdem noch der unsinnigste Aberglaube. Das Gerichtsverfahren beruhte auf Gottesurteilen, vornehmlich in dem Trinken des Tangena, eines Gifttrankes, wobei viel Betrug geübt wurde. Das Volk teilt sich in drei ziemlich scharf gesonderte Klassen: Andriana oder Adlige, Hova, den Mittelstand, und Andewo, Sklaven, meist von Kriegsgefangenen und afrikanischen Schwarzen abstammend.
Das Hovareich ist ein durchaus despotisch regierter Staat, in welchem der Herrscher absolute Gewalt über Besitz und Leben aller Unterthanen hat. Der erste Minister, jetzt Gemahl der Königin, ist eine Art Majordomus, seine Macht ist unumschränkt, und die übrigen Minister sowie das in neuester Zeit geschaffene, aus 100 Mitgliedern bestehende Parlament sind durchaus von ihm abhängig. Von den Beamten werden nur die Schullehrer regelrecht besoldet; die übrigen leben sämtlich von Geschenken, Erpressungen und Unterschlagungen.
Die Regierung zieht ihre Einkünfte aus Zöllen und Steuern. Das Land ist in zehn Distrikte geteilt, die wiederum in Kreise [* 12] zerfallen. Dem Aufschwung des Verkehrs ist der Mangel an ordentlichen Straßen außerordentlich hinderlich. Ausfuhrartikel sind: Häute, Hörner, Talg, Wachs, Rinder, Schweine, [* 13] Schmalz, Salz, [* 14] Fleisch, Federharz, etwas Kaffee und Vanille, viele Matten und Säcke zum Verpacken von Kaffee, Tabak und Reis. Eingeführt werden: Baumwollgewebe, Kleidungsstücke, Schirme, Wäsche, Glaskorallen, Porzellan, Steingut, Glas, [* 15] Wein, Rum (von Mauritius), Eisenwaren, Pferde.
Den Gesamthandel schätzt man auf 30 Mill. Frank, derselbe könnte aber bei bessern Verkehrsmitteln sehr viel bedeutender sein. Amerikaner, Engländer, Franzosen, auch Deutsche [* 16] sind die am meisten beteiligten Nationen. Die Hovaregierung erhebt in Waren zahlbare Einfuhrzölle von 10 Proz.; ausgeschlossen sind Pulver und Blei, [* 17] die nur von der Regierung importiert werden dürfen. Die Ausfuhrzölle betragen 10-35 Proz. Man unterscheidet Wolatsiwaki, d. h. unzerteiltes Geld, ganze Säulen- oder Fünffrankenthaler, und geteiltes Geld, indem man den Thaler in vier Stücke teilt und diese abwägt.
Auch Reiskörner bilden Kleingeld. Hauptstadt des Hovareichs ist Antananarivo, das, auf hügeligem Terrain gelegen, sich terrassenförmig erhebt und mit seinen vielen Hütten, [* 18] größern Giebelhäusern (darunter der königliche Palast) und Kirchen alle andern Orte überragt. Die Einwohnerzahl soll 80,000 betragen. Die Haupthäfen sind Tamatave an der Ostküste mit Befestigungen, einer Reede und 3000 Einw., auch Sitz eines deutschen Konsuls, und Majunga an der Nordwestküste. S. Tafel »Flaggen«. [* 19]
[Geschichte.]
Madagaskar, [* 20] von den Arabern Dschesira el Komr (»Mondinsel«) genannt, wird schon von Marco Polo in der zweiten Hälfte des 13. Jahrh. unter dem Namen Magastar oder Madugascar erwähnt, wurde aber erst von dem Portugiesen Antão Gonsalves wieder aufgefunden und nach dem Heiligen des Entdeckungstags Lorenzinsel oder Isla de São Lourenço genannt. Später richteten die Franzosen ihr Augenmerk auf Madagaskar; bereits Heinrich IV. ließ dort das Fort Dauphin errichten, und auf Betreiben des Kardinals Richelieu erklärte König Ludwig XIII. die Insel für ein Besitztum Frankreichs.
Auf diesen vorgeblichen »Rechtstitel« gründet Frankreich noch gegenwärtig seine Ansprüche auf die Insel. Es wurden darauf von den Franzosen einige Häfen an der Küste okkupiert, zeitweilig wieder aufgegeben und dann gelegentlich abermals in Besitz genommen. Die Eindringlinge erbitterten aber durch ihre Ausschweifungen die Eingebornen in dem Grade, daß dieselben dreimal die Kolonisten niedermetzelten, 1652 zu Manghisia, 1670 auf dem Fort Dauphin und 1754 auf der Insel Ste.-Marie. Eine Zeitlang war ein Überrest der gefürchteten Flibustier, die an den Küsten Seeraub trieben und die Sklaverei einführten, das einzige europäische Element auf Madagaskar. Die französische Regierung ließ zwar 1746 und 1774 durch den Grafen Benjowski (s. d.) einige Versuche machen, die Insel zu kolonisieren; da diese aber mißlangen, so begnügte sie sich damit, mehrere Faktoreien anzulegen, um die benachbarte Insel Bourbon mit den nötigen ¶
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Lebensmitteln zu versorgen. Diese Besitzungen gingen in den Revolutionskriegen an England verloren, wurden jedoch durch die Wiener Verträge von 1814 und 1815 den Franzosen wieder zurückgegeben. Ein um so größeres Interesse hatte England fortan an der Aufrechthaltung der Selbständigkeit der Insel, und es erkannte den damaligen König der Hova, Radama I. (1810-28), als König von an. Gleichzeitig sandte es Missionäre nach Madagaskar, die bis 1828 einige Buchdruckereien angelegt und schon 100 Schulen gestiftet hatten, in denen 5000 Kinder christlich unterrichtet wurden.
Englische [* 22] Offiziere organisierten Radamas Heer. Hierdurch gelang es diesem, sich einen Stamm nach dem andern zu unterwerfen, bis er zuletzt auch die französische Besatzung im Fort Dauphin angriff und vertrieb; den Engländern wurden dagegen alle Häfen eröffnet, und sie waren im faktischen Besitz des Landes. Aber Radama starb an Gift, das ihm seine Gattin Ranavalona beigebracht, welche von der Volksversammlung zur Herrscherin ausgerufen wurde.
Die neue Königin war den Fremden abgeneigt und brach den mit den Engländern angeknüpften Handelsverkehr wieder ab. Auch haßte sie das Christentum, zerstörte die Missionen, verjagte die Missionäre und ließ viele Christen hinrichten. Die Franzosen versuchten zwar 1829 an zwei Punkten zu landen, wurden aber bei Foulpointe geschlagen. Frankreich und England vereinigten sich 1845 zu einer gemeinschaftlichen Expedition gegen die Stadt Tamatave und schossen sie in Brand, mußten sich aber nach einem unglücklichen Sturm auf das Fort mit Verlust auf ihre Schiffe [* 23] zurückziehen. Die Folge waren nun blutige Christenverfolgungen auf der Insel. Nachdem jedoch der Kronprinz Rakoto und andre Prinzen 1846 offen zur christlichen Kirche übergetreten waren, erlangten englische Missionäre, namentlich seit 1853, wieder Eingang auf und erwirkten auch die Freigebung des Handels. Mit Ranavalonas Tod und der Thronbesteigung ihres Sohns Rakoto als Radama II. gestalteten sich die Verhältnisse günstiger für die Europäer.
Radama II. öffnete den Fremden bereitwillig sein Land, schaffte alte barbarische Gebräuche ab und suchte die Bildung seines Volkes zu befördern. Durch die Rücksichtslosigkeit aber, mit welcher er Fremde bevorzugte und den Wünschen der einheimischen Edelleute und Priester entgegentrat, erregte er deren Unzufriedenheit, und es ward eine Verschwörung gegen ihn angezettelt, als deren Opfer er fiel. Seine Witwe Rabodo, welche als Königin den Namen Rasoherina annahm, bestieg darauf den Thron, [* 24] verlor aber bald ihr Ansehen völlig und befand sich ganz in der Gewalt ihres Premierministers, dem sie unklugerweise und zum Verdruß des Volkes ihre Hand [* 25] gereicht hatte. 1865 kam es zu einem förmlichen Aufstand des Volkes gegen die Franzosen, während England einen äußerst günstigen Freundschafts- und Handelsvertrag mit Madagaskar abschloß.
Rasoherina starb und nach einigen Streitigkeiten über die Thronfolge zwischen der alten Hovapartei und dem Premierminister der verstorbenen Königin, Rainitaiarivoy, ward einer Verwandten derselben, Ramona, unter dem Namen Ranavalona Majonka II. die Krone übertragen. Die neue Königin zeigte sich dem Christentum günstig und ließ sich nebst einem großen Teil des Adels taufen. Trotz der Entrüstung der heidnischen Priesterschaft und der Masse des Volkes befahl sie darauf die Zerstörung der alten Götzenbilder, deren strafloses Gelingen solchen Eindruck auf das Volk machte, daß es in großer Zahl zum Christentum übertrat. 1877 wurde die Sklaverei abgeschafft.
Als 1882 die Franzosen über Belästigung ihrer Mitbürger, Verweigerung des Verkaufs von Land u. dgl. Beschwerde führten, schickten die Hova eine Gesandtschaft nach Europa, [* 26] welche mit mehreren Staaten, auch mit Deutschland, [* 27] Handelsverträge schloß, aber mit Frankreich keine Vereinbarung zu stande brachte, da letzteres die Schutzherrschaft nicht bloß über die Sakalaven, sondern über die ganze Ostküste beanspruchte. Frankreich schickte darauf 1883 ein Geschwader nach Madagaskar, das mehrere Küstenplätze bombardierte und 13. Juni Tamatave besetzte.
Auch die neue Königin, Ranavalona III., welche nach Ranavalonas II. Tod (13. Juli) den Thron bestieg, ihren Premierminister Rainilairivony heiratete und 22. Nov. feierlichst gekrönt wurde, weigerte sich, die französischen Forderungen zu bewilligen, und beanspruchte die Herrschaft über ganz Madagaskar. Obwohl nun die Versuche der Franzosen, 1885 von Tamatave in das Innere von Madagaskar einzudringen, an dem tapfern Widerstand der Madegassen scheiterten, schlossen diese doch 17. Dez. mit Frankreich einen Vertrag, der diesen eine Schutzherrschaft, namentlich die Vertretung in allen auswärtigen Beziehungen, einräumt; Madagaskar sollte 10 Mill. Kriegskosten bezahlen, bis dahin Tamatave von den Franzosen besetzt bleiben. Ein französischer Generalresident (Le [* 28] Myre de Vilers) nahm mit einer kleinen militärischen Eskorte seinen Sitz in Tananarivo.
Vgl. Ellis, History of Madagaskar (Lond. 1838);
Derselbe, Three visits to Madagaskar (das. 1858);
Bocage, Madagaskar, possession française depuis 1642 (Par. 1859);
Ida Pfeiffer, Reise nach Madagaskar (Wien [* 29] 1861, 2 Bde.);
Mears, The story of Madagaskar (Philad. 1873);
Grandidier, Histoire physique, naturelle et politique de Madagaskar (Par. 1876 ff., auf 28 Bde. berechnet);
Sibree, Madagaskar, Geographie, Naturgeschichte, Ethnographie [* 30] der Insel etc. (deutsch, Leipz. 1881);
Escamps, Histoire et géographie de Madagaskar (neue Ausg., Par. 1884);
Little, Madagaskar, its history and people (Lond. 1884);
R. Hartmann, und die Seychellen etc. (Leipz. 1886);
Oliver, an historical and descriptive account (Lond. 1887, 2 Bde.).
Ein madegassisch-englisches Wörterbuch gab Richardson (1886) heraus.