(hierzu die »Temperaturkarte«, vier Abteilungen),
der Wärmezustand der atmosphärischen Luft. Derselbe ist das Resultat der durch die Sonnenstrahlen bewirkten Erwärmung und
der durch Wärmestrahlung der Erde in den kalten Weltraum bedingten Abkühlung. Letztere findet dauernd
statt und würde eine allmähliche Abkühlung der Erde und ihrer Atmosphäre zur Folge haben, wenn der Wärmeverlust nicht anderweitig
ersetzt werden würde. Welche Temperatur der kalte Weltraum besitzt, kann schwer bestimmt werden (Pouillet nimmt sie zu -142°
an); jedenfalls muß sie aber niedriger sein als die kälteste auf der Erdoberfläche beobachtete Temperatur
(-56,7° auf dem Fort Reliance in Nordamerika), da die Abkühlung durch Strahlung auch bei diesen niedrigen Temperaturen stattfindet.
Der durch Strahlung bewirkten Temperaturabnahme der Erdoberfläche und ihrer Atmosphäre wird durch eine Erwärmung durch
die Sonne entgegengewirkt.
Bevor die Sonnenstrahlen die Erdoberfläche treffen, haben sie die Atmosphäre durchlaufen; da aber letztere
die leuchtenden Wärmestrahlen nur in geringem Maß absorbiert, sich selbst also nur wenig erwärmt, so wird die Erdoberfläche
von dem größten Teil der leuchtenden Wärmestrahlen getroffen, durch Absorption derselben erwärmt und wirkt dann ihrerseits
wieder rückwärts auf die untern Luftschichten durch Wärmeleitung und durch Wärmestrahlung (dunkle Wärmestrahlen).
Den größten Anteil an der Erwärmung der Luft hat die Wärmestrahlung der Erdoberfläche, viel weniger die Wärmeleitung und
die Absorption der durch die Atmosphäre hindurchgegangenen leuchtenden Wärmestrahlen. Deshalb wird die Lufttemperatur ganz besonders
von der Temperatur des Erdbodens abhängen und die Schwankungen der eine Folge der verschiedenen Erwärmung
der Erdoberfläche sein. Diese letztere ist von verschiedenen Verhältnissen abhängig. Zunächst ist sie eine Funktion des
Winkels, unter welchem die Sonnenstrahlen die Erdoberfläche treffen, und zwar aus zwei verschiedenen Gründen.
Einmal
ist die Erwärmung proportional mit dem Kosinus des Einfallswinkels, besitzt also bei senkrechtem
Auffallen der Wärmestrahlen ihren größten Wert und nimmt mit wachsendem Winkel ab. Außerdem ist aber auch die Erwärmung
desto größer, je senkrechter die Wärmestrahlen auffallen, weil ihr Weg durch die Atmosphäre dann kürzer ist und sie deshalb
auch weniger Wärme durch Absorption in der Atmosphäre verlieren. Bei senkrechtem Auffallen verlieren die
Wärmestrahlen der Sonne 2 Zehntel ihrer erwärmenden Kraft, während sie bald nach Sonnenaufgang und kurz vor Sonnenuntergang
zum größten Teil absorbiert werden. Im Durchschnitt kommen 5-6 Zehntel bei Erwärmung der Erdoberfläche zur Verwendung.
Die auf diese Weise im Lauf eines Jahrs der Erde zugeführte Wärme ist so bedeutend, daß, wenn man sich
dieselbe gleichmäßig über ihre Oberfläche verteilt denkt, sie dazu ausreichen würde, eine Eisschicht von 31 m Höhe zu
schmelzen. Außer von dem Auffallswinkel ist die Erwärmung der Erdoberfläche auch noch abhängig von der Zeit, während
welcher die letztere von den Wärmestrahlen getroffen wird, und von der Natur des Erdbodens selbst. Ein
kahler Sandboden erwärmt sich stärker als ein mit Wald oder Wiesen bedeckter Boden, das Festland stärker als die Oberfläche
des Meers.
Weil die Temperatur der Luft durch die der Erdoberfläche bedingt ist und diese von der Richtung der Wärmestrahlen und der
Dauer ihrer Wirksamkeit abhängig ist, diese letztern beiden aber periodischen Schwankungen unterworfen
sind, die durch die tägliche Rotation der Erde um ihre Achse und die jährliche Bewegung der Erde um die Sonne hervorgerufen werden,
so muß sich diese Periodizität auch in dem Gang der Lufttemperatur geltend machen und zwar sowohl als eine tägliche
wie auch als eine jährliche Periode.
Bei der täglichen Periode nimmt die Lufttemperatur nach Sonnenaufgang durch die immer kräftiger wirkende Insolation zu, und da die Erde
beim höchsten Stande der Sonne noch nicht so warm geworden ist, daß sie ebensoviel Wärme durch Ausstrahlung verliert, wie
sie durch die Sonnenstrahlen erhält, so steigt die Temperatur noch bis etwa 2 Uhr nachmittags, bis die
Ausstrahlung anfängt das Übergewicht zu bekommen. Von diesem Moment an nimmt die ab und sinkt bis zum nächsten Sonnenaufgang
oder vielmehr bis zu dem Moment, wo die Wirkung der Ausstrahlung durch die der Sonnenstrahlen aufgehoben wird.
Weil das Minimum der Lufttemperatur bald nach Sonnenaufgang eintritt, die Zeit dieses letztern aber im Lauf des Jahrs
sehr verschieden ist, so wird die niedrigste Temperatur der Lufttemperatur in den einzelnen Monaten zu sehr verschiedenen Zeiten eintreten.
In unsern Breiten findet sie im Januar etwa um 8 Uhr morgens und im Juli etwa um 5 Uhr morgens statt. Die
Zeit, in welcher die Lufttemperatur ihr Maximum erreicht, verschiebt sich ebenfalls im Lauf des Jahrs, indem dasselbe im Sommer etwas später
als im Winter eintritt.
Die Zeitdifferenz ist dabei aber für das Maximum viel geringer als für das Minimum. Der Unterschied zwischen
den täglichen Extremen der Lufttemperatur (ihre Amplitude) ist in verschiedenen Breiten verschieden groß. Auf der nördlichen Halbkugel
erreicht die Sonne eine desto größere Mittagshöhe, je südlicher der Beobachtungsort liegt, und deshalb ist auch die tägliche
Temperaturschwankung in südlichen Gegenden größer als in nördlichern. Aus demselben Grund wird auch, weil die
Sonne im Sommer eine größere Mittagshöhe erreicht als im Winter, der Unterschied zwischen Maximum und Minimum im Sommer bedeutender
sein als im Winter. In unsern Breiten beträgt die
Die Ziffern an den Isothermen und Isanomalen zeigen die Temperatur in Celsiusgraden. (Nach Hann-Berghaus.)
Jahresisothermen.
Isothermen
des Januar.
Isothermen des Juli.
Isanomalen des Jahres.
Zum Artikel »Lufttemperatur«.
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tägliche Amplitude im Sommer 10-14°, im Winter 3-5°. - Die zweite Hauptperiode im Gang der ist die jährliche. Sie ist eine
Folge der Bewegung der Erde um die Sonne und der Stellung der Erdachse gegen die Ebene der Ekliptik. Trotzdem daß jeder Punkt der
Erdoberfläche während der Zeit eines Jahrs in der Hälfte der Zeit der Einwirkung der Sonnenstrahlen
ausgesetzt ist und in der andern Hälfte von der Sonne nicht beschienen wird, so ist doch die Verteilung der Wärme auf der
Erdoberfläche sehr verschieden, weil die Zeiten, in welchen die Erde von den Sonnenstrahlen getroffen wird, für die verschiedenen
Breiten sehr verschieden verteilt sind.
An den beiden Polen dauert die Einwirkung der Sonnenstrahlen ununterbrochen ein halbes Jahr und fällt dann im nächsten halben
Jahr fort, während sich am Äquator das Jahr in ungefähr gleich lange Perioden von je 12 Stunden Tag und Nacht teilt. In den
dazwischenliegenden Breiten unterscheiden sich die Tageslängen durch ihre verschiedene Dauer, der längste
Tag ist in höhern Breiten länger als in niedrigern und der kürzeste Tag in nördlichern Breiten kürzer als in südlichern.
Diese Verhältnisse bewirken eine sehr verschiedene Wärmeverteilung in der Zeit eines Jahrs und haben dazu geführt, die
Erdoberfläche in fünf Zonen, zwei kalte, zwei gemäßigte und eine heiße, zu teilen.
Aus der Verschiedenheit der Tageslängen und der Sonnenhöhen im Lauf eines Jahrs ergibt sich die jährliche Periode der Lufttemperatur. Am 20. oder 21. März, dem
Frühlingsanfang, wird zum erstenmal im Jahr Tag und Nacht gleich lang, die größte Sonnenhöhe ist dann
gleich dem Komplement der geographischen Breite, schwankt also für Deutschland, dessen Breite zwischen 47° 20' und 55° 50'
liegt, zwischen 42° 40' und 34° 10'. Darauf findet ein rasches Zunehmen der Mittagshöhe der Sonne und der Tagesdauer statt
und daher sowohl wegen der längern Einwirkung der Sonnenstrahlen als auch wegen ihres mehr senkrechten
Auffallens eine Steigerung in der Temperatur des Erdbodens u. der Luft. Am 21. Juni erreicht die Sonne die größte Mittagshöhe,
welche für Deutschland zwischen 66° 10' und 58° 40' wie die größte Tageslänge zwischen 15 Stund. 51 Min. und 17 Stund. 25 Min.
schwankt.
Das Maximum der Jahrestemperatur fällt nicht mit der größten Sonnenhöhe und dem längsten Tag zusammen,
sondern tritt erst im Juli ein, weil die Erde noch eine Zeitlang nach dem längsten Tag mehr Wärme empfängt, als sie durch
Ausstrahlung verliert. Die Mittagshöhe der Sonne wird darauf niedriger, die Tageslänge kürzer, und deshalb nimmt dann
auch die ab. Am 22. oder 23. Sept. beginnt der Herbst mit der zweiten Tag- und Nachtgleiche, die Tage werden immer kürzer, die
Sonnenhöhen immer niedriger und die Luft immer kälter. Am 21. oder 22. Dez. beginnt der Winter, die Mittagshöhe der Sonne schwankt
für Deutschland zwischen 19° 10' und 14° 40' und die Tageslänge zwischen 8 Stund. 22 Min. und 6 Stund. 50 Min.
Das Minimum der Jahrestemperatur tritt erst nach dem kürzesten Tag im Januar ein, weil sie anfangs noch mehr Wärme ausstrahlt,
als sie von der Sonne empfängt, indem die Mittagshöhe der Sonne noch gering, also die Tageslänge noch
kurz ist und die Sonnenstrahlen die Erdoberfläche schräg treffen.
Weil der Gang der Lufttemperatur durch die verschiedenen Stellungen der Sonne bestimmt ist, diese aber für dieselbe geographische Breite
unverändert sind und sich nur in verschiedenen Breiten verschieden gestalten, so müßten auch die Verschiedenheiten der
Lufttemperatur lediglich von der geographischen Breite
abhängig sein, und es müßte die Lufttemperatur an den Orten desselben
Breitenkreises einen gleichartigen Verlauf haben. Das ist aber nicht der Fall, und zwar treten sehr bedeutende Abweichungen
von den normalen Temperaturverhältnissen auf, welche eine Folge der verschiedenen Beschaffenheit der Erdoberfläche, der wechselnden
Bewölkung und der Luft- und Meeresströmungen sind. Um über diese Abweichungen ein Urteil zu gewinnen, ist
es notwendig, längere Zeit hindurch die mittlere Tagestemperatur sowie die Mitteltemperaturen der einzelnen Monate und des
Jahrs zu bestimmen.
Die erstere erhält man als Mittel der 24 Temperaturen, welche während eines Tags stündlich abgelesen oder durch ein Registrierthermometer
aufgezeichnet sind. Statt dessen hat man dasselbe meistens aus dreimal täglichen Beobachtungen abgeleitet, und sind für
diese Beobachtungen die gewöhnlichsten Zeiten 7, 2, 9 oder 6, 2, 8 oder 6, 2, 10; auch hat man die Mitteltemperatur zuweilen
als Mittel der täglichen Extreme, d. h. des täglichen Maximums und Minimums, gebildet.
Aus den Mitteltemperaturen der Tage eines Monats erhält man die mittlere Monatstemperatur und aus den 12 mittlern Monatstemperaturen
die mittlere Jahrestemperatur. Je länger diese Beobachtungen fortgesetzt sind, desto weniger werden die erhaltenen Resultate
durch die in einzelnen Jahren auftretenden Unregelmäßigkeiten beeinflußt sein, und desto mehr werden sie die wahren Mitteltemperaturen
angeben. Derartige Beobachtungen liegen für eine große Anzahl von Orten vor; eine Reihe der interessantesten enthält die
auf beifolgender Karte abgedruckte Temperaturtafel.
Um die wahre Verteilung der Wärme auf der Erdoberfläche bildlich darzustellen, hat bereits Alex. v.
Humboldt alle Orte mit gleicher mittlerer Jahreswärme miteinander durch Linien verbunden, und später ist
es namentlich durch die Arbeiten von Dove möglich geworden, dieselben den wirklichen Temperaturverhältnissen der Erdoberfläche
genau anzupassen. Diese Linien, welche man Jahresisothermen nennt, sind auf der Karte dargestellt.
Aus dem Gang der Jahresisothermen ist ersichtlich, daß sie wesentlich von den Breitenkreisen abweichen. So liegt z. B.
New York ungefähr 1° südlicher als Rom, und doch ist seine mittlere Jahrestemperatur um 5° niedriger.
Überhaupt findet man, daß es bei gleicher geographischer Breite in Nordamerika stets kälter ist als in Europa, ebenso wie
sich dasselbe Verhältnis auch bei einer Vergleichung zwischen Europa und dem nördlichen Asien herausstellt. Ferner zeigt der
Verlauf der Jahresisothermen, daß die mittlere Jahrestemperatur auf dem Festland viel rascher gegen den
Pol abnimmt als über den Meeren, und daß daher die Kurven über den Kontinenten näher aneinander gerückt sind.
Besonders auffallend verlaufen die Jahresisothermen im nördlichen Teil des Atlantischen Ozeans, wo sie infolge der Einwirkung
des Golfstroms weit nach Norden vorspringen. Endlich sieht man auch, daß das kälteste Gebiet der Erde nicht
mit dem Nordpol zusammenfällt, sondern nördlich von Nordamerika zu suchen ist. Die niedrigste Jahresisotherme, die man nach
den bisherigen Beobachtungen hat ziehen können, ist die für -20°; sie bildet eine geschlossene Kurve, innerhalb welcher
der kälteste Punkt der nördlichen Halbkugel, ihr Kältepol, liegt. Der geographische Nordpol liegt außerhalb
dieser Kurve und ist daher nicht der kälteste Punkt der Erde.
So wichtig die Kenntnis der mittlern Jahrestemperatur ist, so ist sie doch nicht genügend, um ein
mehr
richtiges Bild von den klimatischen Verhältnissen eines Ortes zu geben, weil diese auch von der Verteilung der Wärme im Lauf des
Jahrs abhängig sind. Edinburg und Tübingen haben z. B. beinahe dieselbe mittlere Jahreswärme, 8,4
und 8,2,° und unterscheiden sich doch sehr wesentlich durch ihre Temperaturverhältnisse im
Sommer und im Winter. In Edinburg ist die Mitteltemperatur des Sommers 14,1° und die des Winters 3,6,° während
die entsprechenden Werte für Tübingen 17,1 und 0,2° sind. Will man auch die Verteilung der Wärme bildlich darstellen, so
genügen dazu die Jahresisothermen nicht, und daher verbindet man entweder die Orte mit gleicher mittlerer Sommertemperatur
und die mit gleicher mittlerer Wintertemperatur und erhält dadurch im ersten Fall die Isotheren und im
zweiten die Isochimenen, oder man entwirft Karten mit Monatsisothermen, von denen die Karte die Isothermen für den Januar und
die für den Juli angibt.
Die Monatsisothermen sind besonders gut dazu geeignet, die verschiedenen Formen des Klimas sowie den Unterschied
zwischen Land- und Seeklima (Kontinental- und ozeanisches oder Insel- oder Küstenklima) zu erkennen. In der Nähe des Meers
findet man kühle Sommer und verhältnismäßig warme Winter, während im Innern der großen Kontinente heiße Sommer und strenge
Winter vorherrschen. Daß diese Temperaturverteilung einen wesentlichen Einfluß auf die Vegetation ausüben
muß, liegt auf der Hand. In Sibirien, z. B. in Jakutsk, wo die mittlere Jahrestemperatur -10,3° und die mittlere Januartemperatur
-43,0° beträgt, gelangt während des kurzen, aber heißen Sommers (die Mitteltemperatur des Juli ist 17,7°) Getreide zur
Reife, trotzdem der Boden in einer Tiefe von 1 m beständig gefroren bleibt. Dagegen ist in Island bei einer
höhern Jahrestemperatur und bei einer unbedeutenden Winterkälte an Getreidebau nicht mehr zu denken, weil die niedrige
Sommerwärme nicht ausreicht, dasselbe zur Reife zu bringen. Ebenso gedeiht in Ungarn vorzüglicher Wein, obgleich seine Winter
kälter sind als im nördlichen Schottland, wo selbst kein Obstbau mehr möglich ist.
Mit Berücksichtigung der Thatsache, daß die Mitteltemperaturen an den verschiedenen Orten desselben Breitenkreises sehr verschieden
sind, kann man die normale Mitteltemperatur der einzelnen Breitenkreise berechnen, indem man das Mittel aus den Temperaturen
nimmt, welche die auf demselben Breitenkreis liegenden Orte besitzen, und kann durch Vergleichung feststellen, ob
die Mitteltemperatur des Jahrs oder der einzelnen Monate für einen Ort höher oder niedriger ist, als sie nach seiner geographischen
Breite sein sollte.
Die Größe, um welche die Temperatur zu hoch oder zu niedrig ist, wird nach Dove die thermische Anomalie genannt, und dem entsprechend
heißen die Kurven, welche die Orte mit gleicher thermischer Anomalie verbinden, thermische Isanomalen (s.
Karte). Diese geben ein sehr anschauliches Bild über die Wärmeverhältnisse eines Ortes. So ersieht man aus den thermischen
Isanomalen des Jahrs, daß die mittlere Jahreswärme von ganz Europa, Kleinasien, Arabien, Persien, Ostindien und dem größten
Teil von Afrika und Australien höher ist als die Normaltemperatur der entsprechenden Breitenkreise, und
daß der größte Teil von Asien und Nordamerika eine zu geringe mittlere Jahrestemperatur besitzt.
Welche Unterschiede dabei gegen die normale mittlere Jahrestemperatur vorkommen, kann dadurch kenntlich gemacht werden, daß
man die Größe der thermischen
Anomalie an die Isanomalen heranschreibt. Noch wichtiger als die Isanomalen
des Jahrs sind die für die einzelnen Monate, indem aus diesen darauf geschlossen werden kann, ob ein Ort mehr dem Kontinentalklima
oder mehr dem Seeklima angehört. So zeigen die Isanomalen des Januars, daß die Mitteltemperatur dieses Monats an den Nordwestküsten
von Nordamerika und an den Westküsten von Europa viel zu hoch ist, daß sie dagegen im Innern und an den
Ostküsten von Nordamerika sowie auf dem Kontinent von Asien zu niedrig ist. Im Juli ist die Mitteltemperatur im nördlichen
und mittlern Asien zu hoch, liegt in Europa etwas über der normalen und ist an den Ostküsten von Nordamerika
zu niedrig.
Ausnahmen von der Wärmeverteilung, wie sie aus den vieljährigen Mitteln folgt, kommen häufig vor, doch treten größere
Abweichungen nicht lokal auf, sondern sind gleichzeitig über größere Gebiete der Erdoberfläche verbreitet. Eine zu
große Kälte oder zu große Wärme ist nie gleichzeitig auf der ganzen Erde vorhanden, sondern jedes in
einer Gegend auftretende Extrem findet sein Gegengewicht in einer entgegengesetzten Abweichung in andern Gegenden. Gleichartige
Witterungsverhältnisse sind häufiger in der Richtung von N. nach S. als von W. nach O., und oft steht die Witterung in Europa
im Gegensatz zu der in Nordamerika oder in Sibirien, was seinen Grund darin hat, daß der Charakter der Witterung
davon abhängt, ob die südwestliche oder nordöstliche Windrichtung vorherrscht.
Da aber dieselbe Windrichtung nicht gleichzeitig über der ganzen Hemisphäre herrschen kann und die entgegengesetzten Luftströme
nebeneinander herlaufen, so werden auf demselben Breitenkreis abwechselnd positive und negative Abweichungen häufiger vorkommen
als auf demselben Meridian. Die Abweichungen der Temperaturverhältnisse von den aus vieljährigen Beobachtungen
gewonnenen Mitteln nennt man ihre absolute Veränderlichkeit. Diese ist unter den Tropen am geringsten und wächst in den gemäßigten
Zonen mit der Annäherung an die kalten Zonen.
Die Nähe bedeutender Gebirge erhöht die Veränderlichkeit besonders in den Sommermonaten. Im Seeklima ist
die Veränderlichkeit gering und nimmt mit der Entfernung von den Küsten nach dem Innern der großen Kontinente anfangs zu
und dann wieder ab. Ein Bild von außergewöhnlichen Witterungsverhältnissen einzelner Jahre kann ebenfalls durch Kurven gegeben
werden, die man nach Dove thermische Isametralen nennt, und welche die Punkte gleicher Abweichung miteinander
verbinden. Dove hat dieselben dazu benutzt, um die Wärmeverteilung in Europa im Lauf einiger ungewöhnlicher Winter darzustellen.
Die Frage, ob die gegenwärtigen Wärmeverhältnisse auf der Erde in historischen Zeiten eine wesentliche Veränderung erfahren
haben, kann nur aus etwanigen Veränderungen in der Flora und Fauna der verschiedenen Länder entschieden werden, denn
regelmäßige Thermometerbeobachtungen werden erst während einer zu kurzen Zeit angestellt. Wie wenig entscheidend aber
derartige Untersuchungen sind, ist daraus ersichtlich, daß dabei eine Reihe der verschiedenartigsten Einflüsse zur Geltung
kommt und Veränderungen in der Vegetation oft nur eine Folge veränderter Feuchtigkeits- oder sonstiger lokaler Verhältnisse
sind. Aus der Thatsache, daß in Palästina heute noch der Weinstock und die Dattelpalme nebeneinander gedeihen,
wie es in den biblischen Zeiten der Fall war, schließt Arago, daß sich das Klima von
mehr
Palästina in den letzten 3000 Jahren nicht wesentlich geändert haben kann, weil die Nordgrenze der Dattelpalme mit der Südgrenze
des Weinstocks zusammenfällt. Unzweifelhaft steht fest, daß in nördlichen Gegenden manche Pflanzen im Lauf der Zeit ausgestorben
sind, wie die Birke, welche früher auf Island, auf den Shetlandinseln und in Lappland in ganzen Wäldern
vorkam, daselbst verschwunden ist; doch kann man aus einzelnen derartigen Thatsachen ebensowenig wie daraus, daß durch das
Anwachsen von Eismassen, wie an der Ostküste von Grönland, Landstriche, die früher bewohnt waren, unbewohnbar geworden
sind, auf eine säkulare Veränderung in den Temperaturverhältnissen schließen.
Einen wesentlichen Einfluß auf die Lufttemperatur übt die Erhebung über den Meeresspiegel aus. Je größer die
Höhe, desto geringer ist die Lufttemperatur. Weil die Luft in der Nähe der Erdoberfläche durch diese erwärmt wird, sie selbst aber ein
schlechter Wärmeleiter ist, so wird die Temperatur der höhern Luftschichten nicht mehr direkt durch die Erdoberfläche erhöht,
sondern die erwärmte Luft, welche durch Ausdehnung leichter geworden ist, steigt empor und führt ihre Wärme den höhern Schichten
zu. Dadurch kommt die Luft unter einen geringern Druck, dehnt sich deshalb aus und erfährt durch den dazu erforderlichen Wärmeverbrauch
eine Temperaturabnahme.
Enthielte die Luft keinen Wasserdampf, so würde ihre Temperatur für jede 101 m Erhebung um 1° sinken;
weil aber stets Wasserdampf in der Luft vorhanden ist, so sinkt ihre Temperatur nach der Höhe zu um so langsamer, je feuchter
die Luft ist, und deshalb erfolgt die Temperaturabnahme im Winter langsamer als im Sommer. Zwischen Genf
und dem St. Bernhard
kommt 1° Temperaturabnahme im Dezember auf 276 m Erhebung und im August auf 147 m. Wenn das Gesetz für die Temperaturabnahme
mit der Höhe für einen Ort bekannt ist, so kann man aus ihm und seiner Höhe über dem Meeresspiegel berechnen, welche Temperatur
an dem betreffenden Ort vorhanden sein würde, wenn er in der Höhe der Meeresoberfläche liegen würde.
Dies nennt man: die Temperatur des Ortes auf die Meeresoberfläche reduzieren. Auf diese Weise sind alle Beobachtungen, die zur
Zeichnung der Isothermen benutzt sind, auf den Meeresspiegel reduziert und dadurch die lokalen Einflüsse, welche Gebirge und
Hochebenen auf die Temperatur ausüben, beseitigt worden.