Erde bei sonst hellem
Wetter
[* 2] viel kälter ist als die über ihr befindliche atmosphärische
Luft; deshalb wird die der Oberfläche
des
Meers nächste Luftschicht vorzugsweise kalt, und die
Dichtigkeit der
Luft nimmt von unten an aufwärts in stärkerm
Maß
als gewöhnlich ab. Befindet sich nun das
Auge
[* 3] eines Beobachters in der kalten
Schicht, so ist es möglich,
daß von einem ebenfalls in der kalten
Schicht befindlichen Gegenstand Lichtstrahlen so in dasselbe gelangen, daß dadurch
ein umgekehrtes
Bild des Gegenstandes oberhalb desselben in der
Luft zum Vorschein kommt.
Über einem entfernten
Schiff
[* 4] erscheint ein zweites umgekehrt in der
Luft und mit seinen Mastspitzen die
des wirklichen
Schiffs berührend.
Schiffe,
[* 5] die noch unter dem
Horizont
[* 6] sind, können auf diese
Weise sichtbar werden und geben
bisweilen selbst noch ein Spiegelbild. Die Grenzflächen zwischen den ungleich erwärmten Luftschichten sind, namentlich
bei bewegter
Luft, gekrümmt, und in diesem
Fall müssen die Spiegelbilder notwendig verzerrt werden, schwanken
und sich vielfach verändern. Auf diese
Weise erklären sich auch die Luftbilder von
Ruinen,
Schlössern und
Palästen, die man
namentlich zu
Neapel,
[* 7]
Reggio und an den
Küsten von
Sizilien
[* 8] schwankend in der
Luft erblickt und die das
Volk als
Fata Morgana (s. d.)
anstaunt. Auch an den
Küsten derNordsee und
Ostsee zeigen sich zuweilen ähnliche
Erscheinungen.
(hierzu die »Temperaturkarte«,
[* 10] vier Abteilungen),
der Wärmezustand der atmosphärischen
Luft. Derselbe ist das
Resultat der durch die Sonnenstrahlen bewirkten Erwärmung und
der durch
Wärmestrahlung
[* 11] der
Erde in den kalten Weltraum bedingten Abkühlung.
Letztere findet dauernd
statt und würde eine allmähliche Abkühlung der
Erde und ihrer
Atmosphäre zur
Folge haben, wenn der Wärmeverlust nicht anderweitig
ersetzt werden würde. Welche
Temperatur der kalte Weltraum besitzt, kann schwer bestimmt werden
(Pouillet nimmt sie zu -142°
an); jedenfalls muß sie aber niedriger sein als die kälteste auf der Erdoberfläche beobachtete
Temperatur
(-56,7° auf dem
Fort Reliance in
Nordamerika),
[* 12] da die Abkühlung durch Strahlung auch bei diesen niedrigen
Temperaturen stattfindet.
Der durch Strahlung bewirkten Temperaturabnahme der Erdoberfläche und ihrer
Atmosphäre wird durch eine Erwärmung durch
die
Sonne
[* 13] entgegengewirkt.
Bevor die Sonnenstrahlen die Erdoberfläche treffen, haben sie die
Atmosphäre durchlaufen; da aber letztere
die leuchtenden Wärmestrahlen nur in geringem
Maß absorbiert, sich selbst also nur wenig erwärmt, so wird die Erdoberfläche
von dem größten Teil der leuchtenden Wärmestrahlen getroffen, durch
Absorption derselben erwärmt und wirkt dann ihrerseits
wieder rückwärts auf die untern Luftschichten durch
Wärmeleitung
[* 14] und durch
Wärmestrahlung (dunkle Wärmestrahlen).
Den größten
Anteil an der Erwärmung der
Luft hat die
Wärmestrahlung der Erdoberfläche, viel weniger die
Wärmeleitung und
die
Absorption der durch die
Atmosphäre hindurchgegangenen leuchtenden Wärmestrahlen. Deshalb wird die Lufttemperatur ganz besonders
von der
Temperatur des Erdbodens abhängen und die Schwankungen der eine
Folge der verschiedenen Erwärmung
der Erdoberfläche sein. Diese letztere ist von verschiedenen Verhältnissen abhängig. Zunächst ist sie eine
Funktion des
Winkels, unter welchem die Sonnenstrahlen die Erdoberfläche treffen, und zwar aus zwei verschiedenen
Gründen.
Einmal
ist die Erwärmung proportional mit dem
Kosinus des
Einfallswinkels, besitzt also bei senkrechtem
Auffallen der Wärmestrahlen ihren größten Wert und nimmt mit wachsendem
Winkel
[* 15] ab. Außerdem ist aber auch die Erwärmung
desto größer, je senkrechter die Wärmestrahlen auffallen, weil ihr Weg durch die
Atmosphäre dann kürzer ist
und sie deshalb
auch weniger
Wärme
[* 16] durch
Absorption in der
Atmosphäre verlieren. Bei senkrechtem Auffallen verlieren die
Wärmestrahlen der
Sonne 2 Zehntel ihrer erwärmenden
Kraft,
[* 17] während sie bald nach Sonnenaufgang und kurz vor Sonnenuntergang
zum größten Teil absorbiert werden. Im
Durchschnitt kommen 5-6 Zehntel bei Erwärmung der Erdoberfläche zur Verwendung.
Die auf diese
Weise im
Lauf eines
Jahrs der
Erde zugeführte
Wärme ist so bedeutend, daß, wenn man sich
dieselbe gleichmäßig über ihre Oberfläche verteilt denkt, sie dazu ausreichen würde, eine Eisschicht von 31 m
Höhe zu
schmelzen. Außer von dem Auffallswinkel ist die Erwärmung der Erdoberfläche auch noch abhängig von der Zeit, während
welcher die letztere von den Wärmestrahlen getroffen wird, und von der
Natur des Erdbodens selbst. Ein
kahler Sandboden erwärmt sich stärker als ein mit
Wald oder
Wiesen bedeckter
Boden, das
Festland stärker als die Oberfläche
des
Meers.
Weil die
Temperatur der
Luft durch die der Erdoberfläche bedingt ist und diese von der
Richtung der Wärmestrahlen und der
Dauer ihrer Wirksamkeit abhängig ist, diese letztern beiden aber periodischen Schwankungen unterworfen
sind, die durch die tägliche
Rotation der
Erde um ihre
Achse und die jährliche
Bewegung der
Erde um die
Sonne hervorgerufen werden,
so muß sich diese
Periodizität auch in dem
Gang
[* 18] der Lufttemperatur geltend machen und zwar sowohl als eine tägliche
wie auch als eine jährliche
Periode.
Bei der täglichen
Periode nimmt die Lufttemperatur nach Sonnenaufgang durch die immer kräftiger wirkende
Insolation
[* 19] zu, und da die
Erde
beim höchsten
Stande der
Sonne noch nicht so warm geworden ist, daß sie ebensoviel
Wärme durch
Ausstrahlung verliert, wie
sie durch die Sonnenstrahlen erhält, so steigt die
Temperatur noch bis etwa 2
Uhr
[* 20] nachmittags, bis die
Ausstrahlung anfängt das Übergewicht zu bekommen. Von diesem
Moment an nimmt die ab und sinkt bis zum nächsten Sonnenaufgang
oder vielmehr bis zu dem
Moment, wo die
Wirkung der
Ausstrahlung durch die der Sonnenstrahlen aufgehoben wird.
Weil das
Minimum der Lufttemperatur bald nach Sonnenaufgang eintritt, die Zeit dieses letztern aber im
Lauf desJahrs
sehr verschieden ist, so wird die niedrigste
Temperatur der Lufttemperatur in den einzelnen
Monaten zu sehr verschiedenen
Zeiten eintreten.
In unsern
Breiten findet sie im
Januar etwa um 8
Uhr morgens und im Juli etwa um 5
Uhr morgens statt. Die
Zeit, in welcher die Lufttemperatur ihr
Maximum erreicht, verschiebt sich ebenfalls im
Lauf desJahrs, indem dasselbe im
Sommer etwas später
als im
Winter eintritt.
Die
Zeitdifferenz ist dabei aber für das
Maximum viel geringer als für das
Minimum. Der Unterschied zwischen
den täglichen
Extremen der Lufttemperatur (ihre
Amplitude) ist in verschiedenen
Breiten verschieden groß. Auf der nördlichen
Halbkugel
erreicht die
Sonne eine desto größere Mittagshöhe, je südlicher der Beobachtungsort liegt, und deshalb ist auch die tägliche
Temperaturschwankung in südlichen Gegenden größer als in nördlichern. Aus demselben
Grund wird auch, weil die
Sonne im
Sommer eine größere Mittagshöhe erreicht als im
Winter, der Unterschied zwischen
Maximum und
Minimum im
Sommer bedeutender
sein als im
Winter. In unsern
Breiten beträgt die
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tägliche Amplitude im Sommer 10-14°, im Winter 3-5°. - Die zweite Hauptperiode im Gang der ist die jährliche. Sie ist eine
Folge der Bewegung der Erde um die Sonne und der Stellung der Erdachse gegen die Ebene der Ekliptik. Trotzdem daß jeder Punkt der
Erdoberfläche während der Zeit eines Jahrs in der Hälfte der Zeit der Einwirkung der Sonnenstrahlen
ausgesetzt ist und in der andern Hälfte von der Sonne nicht beschienen wird, so ist doch die Verteilung der Wärme auf der
Erdoberfläche sehr verschieden, weil die Zeiten, in welchen die Erde von den Sonnenstrahlen getroffen wird, für die verschiedenen
Breiten sehr verschieden verteilt sind.
An den beiden Polen dauert die Einwirkung der Sonnenstrahlen ununterbrochen ein halbes Jahr und fällt dann im nächsten halben
Jahr fort, während sich am Äquator das Jahr in ungefähr gleich lange Perioden von je 12 StundenTag undNacht teilt. In den
dazwischenliegenden Breiten unterscheiden sich die Tageslängen durch ihre verschiedene Dauer, der längste
Tag ist in höhern Breiten länger als in niedrigern und der kürzeste Tag in nördlichern Breiten kürzer als in südlichern.
Diese Verhältnisse bewirken eine sehr verschiedene Wärmeverteilung in der Zeit eines Jahrs und haben dazu geführt, die
Erdoberfläche in fünf Zonen, zwei kalte, zwei gemäßigte und eine heiße, zu teilen.
Aus der Verschiedenheit der Tageslängen und der Sonnenhöhen im Lauf eines Jahrs ergibt sich die jährliche Periode der Lufttemperatur. Am 20. oder 21. März, dem
Frühlingsanfang, wird zum erstenmal im Jahr Tag undNacht gleich lang, die größte Sonnenhöhe ist dann
gleich dem Komplement der geographischen Breite,
[* 23] schwankt also für Deutschland,
[* 24] dessen Breite zwischen 47° 20' und 55° 50'
liegt, zwischen 42° 40' und 34° 10'. Darauf findet ein rasches Zunehmen der Mittagshöhe der Sonne und der Tagesdauer statt
und daher sowohl wegen der längern Einwirkung der Sonnenstrahlen als auch wegen ihres mehr senkrechten
Auffallens eine Steigerung in der Temperatur des Erdbodens u. der Luft. Am 21. Juni erreicht die Sonne die größte Mittagshöhe,
welche für Deutschland zwischen 66° 10' und 58° 40' wie die größte Tageslänge zwischen 15 Stund. 51 Min. und 17 Stund. 25 Min.
schwankt.
Das Maximum der Jahrestemperatur fällt nicht mit der größten Sonnenhöhe und dem längsten Tag zusammen,
sondern tritt erst im Juli ein, weil die Erde noch eine Zeitlang nach dem längsten Tag mehr Wärme empfängt, als sie durch
Ausstrahlung verliert. Die Mittagshöhe der Sonne wird darauf niedriger, die Tageslänge kürzer, und deshalb nimmt dann
auch die ab. Am 22. oder 23. Sept. beginnt der Herbst mit der zweiten Tag- und Nachtgleiche, die Tage werden immer kürzer, die
Sonnenhöhen immer niedriger und die Luft immer kälter. Am 21. oder 22. Dez. beginnt der Winter, die Mittagshöhe der Sonne schwankt
für Deutschland zwischen 19° 10' und 14° 40' und die Tageslänge zwischen 8 Stund. 22 Min. und 6 Stund. 50 Min.
Das Minimum der Jahrestemperatur tritt erst nach dem kürzesten Tag im Januar ein, weil sie anfangs noch mehr Wärme ausstrahlt,
als sie von der Sonne empfängt, indem die Mittagshöhe der Sonne noch gering, also die Tageslänge noch
kurz ist und die Sonnenstrahlen die Erdoberfläche schräg treffen.
Weil der Gang der Lufttemperatur durch die verschiedenen Stellungen der Sonne bestimmt ist, diese aber für dieselbe geographische Breite
unverändert sind und sich nur in verschiedenen Breiten verschieden gestalten, so müßten auch die Verschiedenheiten der
Lufttemperatur lediglich von der geographischen Breite
abhängig sein, und es müßte die Lufttemperatur an den Orten desselben
Breitenkreises einen gleichartigen Verlauf haben. Das ist aber nicht der Fall, und zwar treten sehr bedeutende Abweichungen
von den normalen Temperaturverhältnissen auf, welche eine Folge der verschiedenen Beschaffenheit der Erdoberfläche, der wechselnden
Bewölkung und der Luft- und Meeresströmungen
[* 25] sind. Um über diese Abweichungen ein Urteil zu gewinnen, ist
es notwendig, längere Zeit hindurch die mittlere Tagestemperatur sowie die Mitteltemperaturen der einzelnen Monate und des
Jahrs zu bestimmen.
Die erstere erhält man als Mittel der 24 Temperaturen, welche während eines Tags stündlich abgelesen oder durch ein Registrierthermometer
aufgezeichnet sind. Statt dessen hat man dasselbe meistens aus dreimal täglichen Beobachtungen abgeleitet, und sind für
diese Beobachtungen die gewöhnlichsten Zeiten 7, 2, 9 oder 6, 2, 8 oder 6, 2, 10; auch hat man die Mitteltemperatur zuweilen
als Mittel der täglichen Extreme, d. h. des täglichen Maximums und Minimums, gebildet.
Aus den Mitteltemperaturen der Tage eines Monats erhält man die mittlere Monatstemperatur und aus den 12 mittlern Monatstemperaturen
die mittlere Jahrestemperatur. Je länger diese Beobachtungen fortgesetzt sind, desto weniger werden die erhaltenen Resultate
durch die in einzelnen Jahren auftretenden Unregelmäßigkeiten beeinflußt sein, und desto mehr werden sie die wahren Mitteltemperaturen
angeben. Derartige Beobachtungen liegen für eine große Anzahl von Orten vor; eine Reihe der interessantesten enthält die
auf beifolgender Karte abgedruckte Temperaturtafel.
Um die wahre Verteilung der Wärme auf der Erdoberfläche bildlich darzustellen, hat bereits Alex. v.
Humboldt alle Orte mit gleicher mittlerer Jahreswärme miteinander durch Linien verbunden, und später ist
es namentlich durch die Arbeiten von Dove möglich geworden, dieselben den wirklichen Temperaturverhältnissen der Erdoberfläche
genau anzupassen. Diese Linien, welche man Jahresisothermen nennt, sind auf der Karte dargestellt.
Aus dem Gang der Jahresisothermen ist ersichtlich, daß sie wesentlich von den Breitenkreisen abweichen. So liegt z. B.
New York ungefähr 1° südlicher als Rom,
[* 26] und doch ist seine mittlere Jahrestemperatur um 5° niedriger.
Überhaupt findet man, daß es bei gleicher geographischer Breite in Nordamerika stets kälter ist als in Europa,
[* 27] ebenso wie
sich dasselbe Verhältnis auch bei einer Vergleichung zwischen Europa und dem nördlichen Asien
[* 28] herausstellt. Ferner zeigt der
Verlauf der Jahresisothermen, daß die mittlere Jahrestemperatur auf dem Festland viel rascher gegen den
Pol abnimmt als über den Meeren, und daß daher die Kurven über den Kontinenten näher aneinander gerückt sind.
Besonders auffallend verlaufen die Jahresisothermen im nördlichen Teil des Atlantischen Ozeans, wo sie infolge der Einwirkung
des Golfstroms weit nach Norden
[* 29] vorspringen. Endlich sieht man auch, daß das kälteste Gebiet der Erde nicht
mit dem Nordpol zusammenfällt, sondern nördlich von Nordamerika zu suchen ist. Die niedrigste Jahresisotherme, die man nach
den bisherigen Beobachtungen hat ziehen können, ist die für -20°; sie bildet eine geschlossene Kurve, innerhalb welcher
der kälteste Punkt der nördlichen Halbkugel, ihr Kältepol, liegt. Der geographische Nordpol liegt außerhalb
dieser Kurve und ist daher nicht der kälteste Punkt der Erde.
So wichtig die Kenntnis der mittlern Jahrestemperatur ist, so ist sie doch nicht genügend, um ein
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