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nachteiliger für Frankreichs Machtstellung und seine Finanzen wie für den Ruhm seiner Armee war Ludwigs Teilnahme am Siebenjährigen Krieg auf seiten des eben erst bekämpften Österreich. [* 2] Der glückliche Feldzug d'Estrées in Norddeutschland im Sommer 1757 hätte zu einem ehrenvollen Frieden führen können; indes in seiner Verblendung setzte Ludwig den Kampf fort, der Frankreichs Kräfte erschöpfte, durch die Niederlage bei Roßbach [* 3] sein Ansehen tief erschütterte und schließlich im Frieden von Paris [* 4] 1763 ihm nicht nur nicht den gehofften Gewinn, die Niederlande, [* 5] verschaffte, sondern auch die Besitzungen in Nordamerika, [* 6] seine Stellung in Ostindien, [* 7] seine Seemacht kostete.
Die Nation war durch diesen Ausgang eines kostspieligen Kriegs in ihrem Selbstgefühl aufs empfindlichste verletzt. Ludwigs frivoles Verhalten mußte notwendig die Erbitterung der Gemüter vermehren und Verachtung gegen das einst so hochgepriesene Königtum erwecken. Er gestattete seinen Mätressen, unter denen die Marquise von Pompadour ihre Stellung behauptete, auch als ihr sinnliches Verhältnis zum König aufgehört hatte, einen überaus wirksamen Einfluß; sie durften sich auf Kosten der Staatsfinanzen aufs schamloseste bereichern und ihre Verwandten und Günstlinge in hohe, einträgliche Ämter bringen.
In der Befriedigung seiner sinnlichen Gelüste legte sich Ludwig nicht die geringsten Schranken auf; die Pompadour hielt ihm sogar einen förmlichen Harem, den »Hirschpark«. Während ihn das Volk 1744 nach der Genesung von einer schweren Krankheit noch als den »Vielgeliebten« begrüßt hatte, ward 1757 durch Damiens ein Mordanfall auf ihn gemacht. Indem er in der Wahl seiner Minister fortwährend schwankte, bald einen Anhänger von Reformen, wie Choiseul, bald einen Vertreter des starren Absolutismus, wie Aiguillon, berief, geriet er zuletzt mit den Hauptstützen des Königtums, dem Klerus und den Parlamenten, in Konflikt.
Den erstern reizte er durch die Vertreibung der Jesuiten 1762 und durch Ansprüche auf die Kirchengüter, die Opposition der letztern wurde durch gewaltsame Aufhebung derselben beseitigt. Gleichgültig gegen die steigende Erbitterung gegen den Hof, [* 8] die sich in offenen Meutereien Luft machte, existierte Ludwig in der letzten Zeit nur noch für die Jagd und seine Mätressen, unter denen nach dem Tode der Pompadour die gemeine Dubarry den herrschenden Einfluß hatte. Wenn man ihn auf das öffentliche Elend und die dem Thron [* 9] drohende Gefahr aufmerksam machte, hatte er die Antwort bereit: »J nun, die Monarchie wird schon halten, solange wir leben! Après nous le déluge!« Ludwig starb an den Kinderblattern.
Ein junges Mädchen, eine Müllerstochter, welche ihm von der Gräfin Dubarry zur Zerstreuung seiner Melancholie zugeführt worden war, hatte ihn angesteckt. Er hinterließ den Staat mit einer Schuldenlast von 4000 Mill. Livres und in fast unheilbarer Zerrüttung. Sein einziger legitimer Sohn, der Dauphin, war gestorben; daher folgte ihm sein Enkel Ludwig XVI. auf dem Thron.
Vgl. Voltaire, Siècle de Louis XV (Par. 1768-70, 2 Bde.);
Lemontey, Histoire de la régence et de la minorité de Louis XV (1832, 2 Bde.);
Barbier (gest. 1771), Journal historique et anecdotique du règne de Louis XV (1849-56, 4 Bde.);
Capefigue, Louis XV et la société du XVIII. siècle (2. Aufl. 1854);
Tocqueville, Histoire philosophique du règne de Louis XV (2. Aufl. 1847, 2 Bde.);
Jobez, La
France sous
Louis XV (1864-73, 6 Bde.);
Boutaric, Étude sur le caractère et la politique personnelle de Louis XV (1866);
Derselbe, Correspondance secrète inédite de Louis XV sur la politique étrangère (1866, 2 Bde.);
»Correspondance secrète de Louis XV avec ses agents diplomatiques 1752-74« (hrsg. von Broglie, 1878, 2 Bde.);
Pajol, Les
guerres sous
Louis XV (1881-86, 5 Bde.);
Bonhomme, Louis XV et sa famille (1873).
34) Ludwig XVI. August, König von Frankreich, Enkel des vorigen, dritter Sohn des Dauphins Ludwig und der Maria Josepha von Sachsen, [* 10] geb. erhielt den Titel eines Herzogs von Berri und ward durch den Tod seiner ältern Brüder und seines Vaters 1765 Dauphin. Er besaß von Natur einen starken Körper, viel Herzensgüte, aber mittelmäßige Anlagen, welche nicht durch eine gute, strenge Erziehung ausgebildet wurden. Ludwig lernte wenig, seine Willenskraft war gering, im Denken war er langsam und unbeholfen und an ernsthafte Arbeit nicht gewöhnt.
Die größte Vorliebe zeigte der Prinz für mechanische Arbeiten, auch liebte er die Jagd. Obschon in der Mitte des verderbten Hofs erzogen, bewahrte er sich doch einfache, reine Sitten, zeigte Rechts- und Pflichtgefühl, war fromm bis zum Aberglauben und haßte den Luxus. Am vermählte er sich mit Marie Antoinette (s. d.) von Österreich. Bei dem geringen Zutrauen, das er zu sich selbst besaß, erfüllte ihn die Aussicht auf den Thron mit Bangigkeit. Als man ihm die Nachricht von dem Tod seines Großvaters überbrachte, rief er in Thränen aus: »O mein Gott, welches Unglück für mich«.
Der junge König brachte unter den schwierigsten Verhältnissen nichts mit auf den Thron als redlichen Willen, aber keine Einsicht und Ausdauer, und daher waren seine Reformbestrebungen nur verwirrende Experimente. Zu spät betrat der zum Minister erhobene greise Maurepas den Weg der Reformen und stellte ausgezeichnete, patriotische Männer, wie Vergennes, Saint-Germain, Malesherbes und Turgot, an die Spitze der Verwaltung. Man hob die Tortur, die Reste der Leibeigenschaft, die willkürlichen Gnadenspenden und Sinekuren auf und schränkte mit dem Willen des Königs den Hofhalt so bedeutend ein, daß man in kurzem gegen 100 Mill. Livres Staatsschulden abzahlen konnte.
Gründlichere Reformen scheiterten an dem Widerstand der Aristokratie und der Parlamente, die man zurückberufen und in den vorigen Stand gesetzt hatte. Nach der Krönung zu Reims [* 11] sah der König schon die Schwierigkeiten seiner Stellung wachsen. Ein Edikt, das die drückenden Wegebaufronen, und ein andres, das den Zunftzwang abschaffte, konnte nur durch ein Lit de justice zum Gesetz erhoben werden, und Turgot, der Urheber dieser Reformen, mußte bald darauf mit Malesherbes aus der Verwaltung scheiden, weil ihn der schwache König weder gegen die Parlamente noch gegen den Hof zu schützen vermochte.
Nach der kurzen, aber verderblichen Finanzverwaltung Clugnys wurde im Juni 1777 Necker Generaldirektor; aber da Ludwig, der Volksstimmung weichend, ein Bündnis mit den nordamerikanischen Kolonien schloß und mit England einen kostspieligen Krieg anfing, kam Necker mit seinen Mitteln, Ersparungen und Anleihen, auf die Dauer nicht aus und mußte sich, nachdem er den Hof durch eine rücksichtslose Darlegung seiner Verschwendung öffentlich kompromittiert, 1781 zurückziehen. Die steigende Finanznot zwang den König 1787, die Notabeln zu berufen; er erhielt von ihnen die gewünschten Steuern auf die privilegierten Stände, gegen die aber nun das Parlament ¶
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opponierte und auf die Generalstände hinwies. Ludwig beseitigte diesen Widerstand, wie sein Vorgänger, auf gewaltsame Weise; als aber auch die zweite Notabelnversammlung 1788 der Finanznot nicht abhelfen konnte, berief er, nachdem er Necker von neuem an die Spitze der Verwaltung gestellt, doch die Reichsstände, die in Versailles [* 13] zusammentraten. In gleicher Weise verfuhr er haltlos und schwankend in dem entscheidungsvollen Sommer 1789. Als sich der dritte Stand als Nationalversammlung konstituierte, ließ sich der König von der Hofaristokratie zu der unheilvollen königlichen Sitzung verleiten, in welcher er die Beschlüsse des dritten Standes kassierte.
Dieser fügte sich jedoch nicht, und Ludwig bat nun selbst die Geistlichkeit und den Adel, sich mit dem dritten Stand zu vereinigen. Dem König blieb jetzt nur übrig, sich selbst an die Spitze der politischen Revolution zu stellen oder dieselbe mit den Waffen [* 14] in der Hand [* 15] zu bekämpfen. Zum erstern fehlten ihm Energie und Überzeugung, gegen die Gewalt empörte sich sein Herz. Als er sich zur Zusammenziehung eines 30,000 Mann starken Truppenkorps in der Nähe der Hauptstadt bewegen ließ und den populären Necker verabschiedete, bewirkte er nichts als die Erhebung des Pariser Pöbels und die Erstürmung der Bastille (14. Juli), worauf er sich am 15. zu Fuß in die Nationalversammlung begab und hier erklärte, daß er mit der Nation eins sei und die Truppen zurückziehen werde. Darauf bestätigte er in Paris die Errichtung der revolutionären Autoritäten und der Nationalgarde. Die Nationalversammlung ging nun an die Abfassung der Konstitution und an die Zertrümmerung des Feudalstaats, und der König ließ sich auch 11. Sept. die Bestätigung aller Beschlüsse abzwingen. Statt aber sich jetzt mit der zwar liberalen, aber monarchisch gesinnten Majorität unter Mirabeau offen gegen die Hofkabale zu verbünden, nahm er 1. Okt. an dem Gastmahl der Garde du Korps teil, auf dem es zu realistischen Demonstrationen kam, die wieder das Mißtrauen des Volkes erweckten. Am 5. Okt. unternahm der Pöbel von Paris einen Zug nach Versailles; der Mordanschlag des Herzogs von Orléans [* 16] auf den König mißlang, aber Ludwig mußte dem stürmischen Verlangen des Volkes, das 6. Okt. in das Schloß eindrang, nachgeben und mit seiner Familie nach Paris in die Tuilerien übersiedeln. Er war von da an völlig gebrochen und hatte alle Willenskraft verloren. Er erwartete nur noch von der Hilfe des Auslandes Errettung, und als auch Mirabeau, mit dem der Hof zuletzt Unterhandlungen angeknüpft, starb, wurde die Flucht beschlossen, aber langsam und ungeschickt ins Werk gesetzt, schließlich noch gegen die Verabredung um einen Tag verzögert und erst in der Nacht vom 20. zum 21. Juni unternommen, so daß alle getroffenen Maßregeln sich unnütz erwiesen und er von dem Postmeister Drouet, der ihn in Ste.-Menehould erkannt, in Varennes angehalten und nach Paris zurückgebracht wurde. Die Nationalversammlung, die 24. Juni die Suspension ausgesprochen hatte, hob sie wieder auf und dekretierte in der neuen Verfassung die Unverletzlichkeit und Unverantwortlichkeit des Königs. Dieser leistete, in seinem Gewissen durch die kirchenfeindlichen Gesetze bedrängt, nach langem Sträuben unter Thränen den Eid auf die Konstitution, geriet aber mit der neuen Gesetzgebenden Versammlung in Konflikt durch das Veto, welches er den Gesetzen gegen die eidweigernden Priester und die Emigranten entgegensetzte. Seitdem hatte die Gironde seinen Sturz beschlossen. Zu diesem Zweck wurde ein Zug des Pöbels nach den Tuilerien veranstaltet. Ludwig ertrug mit Würde und Kaltblütigkeit drei Stunden lang die Beschimpfungen des Pöbels, setzte die dargereichte rote Mütze auf und nahm aus der Hand eines schmutzigen Kerls ein Glas [* 17] Wein. Bei dem großen Sturm des Pöbels auf die Tuilerien 10. Aug. sah er sich genötigt, mit seiner Familie Schutz in dem Schoß der Nationalversammlung zu suchen, wo er in der Stenographenloge den Verhandlungen über seine zweite Suspension zuhören mußte. Am folgenden Tag brachte man ihn als Gefangenen mit seiner Familie nach dem Palast Luxembourg und von hier nach einigen Tagen nach dem Temple. Ludwig bewies in dieser Lage eine große Resignation und beschäftigte sich mit dem Unterricht seines Sohns. Das Gericht über ihn überließ die Versammlung dem am 21. Sept. zusammentretenden Nationalkonvent, der sofort die Abschaffung des Königtums beschloß. Die Jakobiner wollten ihn ohne Umstände verurteilen und hinrichten, um den Bruch mit der Vergangenheit unheilbar zu machen; die Girondisten drangen auf eine förmliche Prozedur, um das Leben des Königs zu retten. Als dieser 11. Dez. vor den Schranken der Versammlung erschien, benahm er sich mit Würde, verteidigte sich mit Ruhe und Geistesgegenwart gegen die leichtfertige Anklageschrift, indem er gegen alle Anklagen auf seine früher nicht beschränkte Souveränität und seine spätere Unverantwortlichkeit mit wenigen schlagenden Worten hinwies, und erhielt Tronchet, Malesherbes und de Sèzes zu Verteidigern. Am 26. Dez. hielt de Sèzes seine glänzende, aber natürlich erfolglose Verteidigungsrede. Der Konvent erklärte nach einer mehrtägigen Debatte Ludwig Capet, wie man den König nannte, der Verschwörung gegen den Staat und die Sicherheit der Nation schuldig und bestimmte, daß das Urteil, wie es auch ausfallen möge, dem Volk nicht zur Bestätigung vorgelegt werden sollte. Die Abstimmung fand statt und dauerte gerade 24 Stunden, bis zum 17., 8 Uhr [* 18] abends; mit 361 gegen 360 wurde Ludwig zum Tod verurteilt. Ludwig vernahm sein Schicksal mit großer Fassung, bat aber um drei Tage Aufschub, um eine freie Zusammenkunft mit seiner Familie, von der man ihn während des Prozesses getrennt hatte, und um den Beistand seines Beichtvaters Edgeworth. Nur der Aufschub wurde ihm gewährt. Am vormittags 10 Uhr, betrat Ludwig das Schafott. Als ihn der Henker gebunden, rief er noch mit lauter Stimme: »Volk, ich sterbe unschuldig!« und zu den Henkern sagte er: »Meine Herren, ich sterbe unschuldig an allem, was man mir vorwirft; ich wünsche, daß mein Blut das Glück der Franzosen befestigen möge«. Nachdem er die Vorbereitungen zur Hinrichtung mit Festigkeit [* 19] und Seelenruhe ertragen, fiel sein Haupt unter der Guillotine. Ludwig starb als das Sühnopfer der Verbrechen seiner Väter und trug für seine Person keine andre Schuld, als daß ihm die Natur die Eigenschaften eines Herrschers versagt hatte. Sein Leichnam wurde auf dem Kirchhof Ste.-Madeleine bestattet, nach der Restauration 1814 aber nach St.-Denis gebracht und auf dem Platz der Hinrichtung eine Chapelle expiatoire errichtet. Ludwigs Sohn war Ludwig XVII.
Vgl. Soulavie, Mémoires historiques et politiques du règne de Louis XVI (Par. 1801, 6 Bde.);
Bournisseaux, Histoire de Louis XVI (1829, 4 Bde.);
Droz, Histoire du règne de Louis XVI (2. Aufl. 1858, 3 Bde.);
Capefigue, Louis XVI (1844, 4 Bde.);
Tocqueville, Coup d'œil sur le ¶