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das Stadt- und Landamt, werden ausschließlich aus Mitgliedern des Senats gebildet. Die Ausgaben der Staatskasse beliefen sich 1885 auf 2,621,758 Mk., das Budget für 1886 war in Einnahme und Ausgabe auf 2,959,904 Mk. festgesetzt. Unter den Einnahmen betrugen
Zinsen und Dividenden | 782277 Mk. |
Direkte Steuern | 628300 " |
Indirekte Steuern | 569718 " |
Ertrag der Domänen | 552202 " |
Hauptsächlichste Steuer ist die 1870 eingeführte direkte Einkommensteuer, deren Ertrag für 1886 auf 576,300 Mk. angesetzt war. Daneben waren die Hafenabgaben auf 188,500, der Anteil an den Zöllen und Stempelabgaben des Reichs auf 212,500 Mk. berechnet. Dagegen hatte Lübeck [* 2] an Matrikularbeiträgen für 1886/87: 169,142 Mk. zu zahlen. Die Staatsschuld betrug Anfang 1886: 15,473,920 Mk. Lübeck führt eine Stimme im Bundesrat und entsendet einen Abgeordneten zum deutschen Reichstag.
Über das gesamte Kirchenwesen übt der Senat die Oberaufsicht aus; die anerkannten Religionsbekenntnisse sind gesetzlich gleichberechtigt. Man zählte 1885: 65,997 Evangelische, 802 Katholiken, 644 Israeliten und 215 sonstige Christen und Einwohner unbekannter Konfession. Das Schulwesen, dessen Verhältnisse durch das Gesetz vom neu geregelt worden sind, steht unter der Leitung der Oberschulbehörde. Die Ausgaben für Schulzwecke (Zuschüsse) waren für 1886 auf 484,737 Mk. veranschlagt. Das Wappen [* 3] Lübecks ist der zweiköpfige Adler [* 4] mit einem weiß und rot wagerecht geteilten Brustschild. Die Landesfarben sind Weiß und Rot (s. Tafel »Flaggen«). [* 5]
Die Stadt Lübeck.
Die freie Hansestadt Lübeck, einst Haupt des Hansabundes, an der Mündung der Wackenitz in die Trave gelegen, bildet den Knotenpunkt der Eisenbahnen Eutin-Lübeck, Lübeck-Büchen, Lübeck-Hamburg und Lübeck-Travemünde sowie der Linie Lübeck. - Mecklenburgisch-Preußische Grenze der Mecklenburgischen Friedrich Franz-Bahn und besteht aus der eigentlichen Stadt und drei Vorstädten. Der alte Wall zwischen der Trave und dem frühern Stadtgraben ist seit 1802 zu Promenaden umgeschaffen, zum Teil abgetragen worden.
Die Straßen der innern Stadt sind meistens breit und freundlich, gut gepflastert und kanalisiert. Der in der Mitte der Stadt liegende Marktplatz sowie der Klingenberg sind mit sehenswerten Brunnenmonumenten geschmückt worden. Die Häuser haben meist ein altertümliches Ansehen und zeigen oft reiche architektonische Ornamente, [* 6] doch gibt es auch zahlreiche Gebäude im modernen Stil. Unter den öffentlichen Gebäuden stehen die Kirchen voran. Namentlich ist die Marienkirche, 1163-70 gegründet (der jetzige Bau stammt aus den Jahren 1276-1310), eine der schönsten frühgotischen Kirchen Deutschlands. [* 7]
Sie ist 102 m lang, 56,7 m breit und hat zwei 124 m hohe Türme, drei Schiffe [* 8] (das mittlere 38,5 m hoch), mehrere sehenswerte Kapellen (darunter eine mit berühmtem Totentanz von 1463) und Grabdenkmäler, einen Hochaltar (1697 von Th. Quellinus gearbeitet), eine Kanzel von schwarzem Marmor, eine Anzahl von Meisterwerken der ältern deutschen Skulptur, ein künstliches Uhrwerk (von 1565), Gemälde von Overbeck (Einzug Christi in Jerusalem [* 9] und die berühmte Grablegung Christi), von Mostaert (1518) und Orley sowie eine große Orgel.
Die Domkirche, 1173 gegründet und im 14. Jahrh. um die Hälfte vergrößert, mit zwei 120 m hohen Türmen, enthält schöne Sarkophage und wertvolle Kunstschätze, darunter ein treffliches Altarbild von Memling (von 1491). Die Jakobikirche (vor 1227 gegründet), mit einem schlanken, 96,6 m hohen Turm, [* 10] und die Petrikirche (vor 1163 gegründet), mit einem durch vier Nebenspitzen gezierten Turm von fast 87 m Höhe, enthalten ebenfalls gute alte Gemälde und Denkmäler. Die Ägidienkirche, mit 75,6 m hohem Turm, besitzt eine vorzügliche Orgel, die nicht mehr zum Gottesdienst benutzte schöne Katharinenkirche wertvolle Gemälde und Epitaphien sowie eine Sammlung kirchlicher Kunstschätze im Chor. Die St. Jürgenkapelle (von 1645) ist von geringerm Umfang, aber ansprechendem Stil.
Unter den weltlichen Gebäuden ist besonders das Rathaus, ein großes, aus roten und schwarzen verglasten Backsteinen zu verschiedenen Zeiten errichtetes Gebäude, merkwürdig; der an der Westseite belegene Teil desselben ist seit 1673 zur Börse eingerichtet. Unter der Börse und dem Rathaus befindet sich der schon im 13. Jahrh. angelegte, neuerdings umgebaute Ratsweinkeller, ein interessantes Bauwerk
[* 1] ^[Abb.: Plan von Lübeck.] ¶
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mit hohen und weitläufigen Gewölben, von Einheimischen und Fremden viel besucht. Die Kriegsstube im Rathaus sowie das Fredenhagensche Zimmer (im Haus der Kaufmannschaft) enthalten sehenswerte Schnitzwerke aus Holz [* 12] und Alabaster. Ein zierlicher Bau aus dem 13. Jahrh. ist das Hospital zum Heiligen Geist, mit kunstvollen Holzschnitzereien. Beachtung verdienen ferner das Holstenthor von 1477 und das Burgthor sowie das Haus der Schiffergesellschaft. Von Interesse sind noch das neue Schlachthaus, das städtische Wasserwerk und die Zentralstation für elektrische Beleuchtung. [* 13] Die Einwohnerzahl beziffert sich (1885) mit der Garnison (ein Infanteriebataillon Nr. 76) auf 55,399 Seelen, meist Evangelische.
Die Industrie ist nicht unbedeutend; die Hauptzweige derselben sind: Branntweinbrennerei, Bier- und Essigbrauerei, Zigarrenfabrikation und Seifensiederei. Außerdem gibt es Konservenfabriken, Etablissements für Baumwoll- und Seidenweberei, Tuch- und Weißwarenfabrikation, Eisengießerei, [* 14] Maschinen- und Schiffbauanstalten, Portefeuille-, Galanteriewaren- und Mineralwasserfabriken sowie mehrere bedeutende Säge- und Hobelwerke. Bei weitem wichtiger aber sind Handel und Schiffahrt. ist ein bedeutender Speditionsplatz für die Ostsee und vermittelt in großartigem Maßstab [* 15] den Handel zwischen Hamburg [* 16] und dem Innern Deutschlands einer- und den Ostseeküsten anderseits. Nach dem Eintritt der Stadt in den Zollverein (1868) sowie infolge der Ausdehnung [* 17] ihres Eisenbahnnetzes hat der Handel bedeutend zugenommen. Die Einfuhr betrug:
Jahr | Doppelzentner | Wert (Mark) |
---|---|---|
1870 | 2463708 | 91807824 |
1875 | 4867566 | 194435434 |
1880 | 5947831 | 212178802 |
1883 | 5991372 | 211361042 |
1885 | 5944879 | 190690183 |
1886 | 6152709 | 188522814 |
Die wichtigern Einfuhrartikel sind: aus Rußland Getreide, [* 18] Butter, Spirituosen, Holzwaren, Pottasche, Teer, Petroleum, Hanf und Hanföl, Kupfer, [* 19] Talg;
aus Schweden [* 20] Bauholz, Bretter, Eisen, [* 21] Kupfer, Stahl;
aus Preußen [* 22] Getreide, Spirituosen;
aus Dänemark [* 23] Getreide, Fettwaren, Ölsamen, Butter;
aus Großbritannien [* 24] Steinkohlen, Steingut, Roh- und Stangeneisen, Eisenwaren, Leinöl;
aus Frankreich Wein, Spirituosen;
aus Nordamerika [* 25] Petroleum etc. Die Schiffahrt Lübecks geht größtenteils nach den europäischen Ländern, vornehmlich nach Schweden und Rußland, dann nach Großbritannien, Dänemark, Schleswig-Holstein, [* 26] Preußen und Frankreich.
Es kamen an | Es gingen ab | ||||
---|---|---|---|---|---|
Jahr | Seeschiffe | Reg.-Tons | Jahr | Seeschiffe | Reg.-Tons |
1880 | 2301 | 311457 | 1880 | 2347 | 318591 |
1881 | 2110 | 306932 | 1881 | 2110 | 303710 |
1882 | 2161 | 371490 | 1882 | 2165 | 373646 |
1883 | 2002 | 360403 | 1883 | 2005 | 358470 |
1884 | 2269 | 431208 | 1884 | 2281 | 435500 |
1885 | 2198 | 414429 | 1885 | 2224 | 420312 |
1886 | 2208 | 416897 | 1886 | 2219 | 420656 |
Dampfschiffahrtsverbindung wird durch regelmäßige Fahrten nach verschiedenen Orten der russischen, schwedischen, dänischen und schleswig-holsteinischen Küste unterhalten. Die die Wasserverbindung zwischen und der Ostsee vermittelnde Trave ist 1878-82 mit bedeutendem Kostenaufwand bis auf 4,6 m vertieft worden, so daß infolgedessen die größten Seeschiffe an die Stadt gelangen können. Die Hafen- und Kanalanlagen haben in den letzten Jahren großartige Erweiterungen erfahren, an denen im Hinblick auf die projektierte Herstellung einer Wasserverbindung zwischen der Elbe und Trave durch Ausbau des Stecknitzkanals fortgesetzt gearbeitet wird. Die lübeckische Reederei zählte Ende 1885: 35 Schiffe mit einer Tragfähigkeit von 10,401 Reg.-Tons, darunter 31 Dampfschiffe. Zur Unterstützung des Handels dienen: eine Handels- und Gewerbekammer, eine Reichsbankstelle (Umsatz 1886: 215¾ Mill. Mk.), zwei Privatbanken, zwei Sparkassen, mehrere Versicherungsanstalten etc.;
den Verkehr in der Stadt vermittelt eine Pferdebahn.
An Anstalten für Unterricht und Bildung bestehen in Lübeck: das seit alters berühmte Katharineum (im ehemaligen Katharinenkloster, Gymnasium, verbunden mit Realgymnasium), ein Privatprogymnasium, 2 höhere Bürgerschulen (eine davon Privatanstalt), eine Gewerbeschule, eine Privathandelslehranstalt, eine Navigationsschule, ein Schullehrerseminar, eine Taubstummenanstalt etc. Ferner hat eine Stadtbibliothek mit 98,000 Bänden, eine Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Thätigkeit, welche treffliche ethnographische und Kunstsammlungen, eine Sammlung prähistorischer Altertümer, ein Handelsmuseum sowie eine Naturaliensammlung (in derselben besonders hervorzuheben die Sammlung von Gorillas, bis jetzt die vollständigste in Europa) [* 27] besitzt, einen Ärztlichen Verein mit einer Bibliothek von 30,000 Bänden, einen Landwirtschaftlichen Verein, einen Kunstverein, ein Theater [* 28] etc. Das Armenwesen ist musterhaft geordnet; unter den Wohlthätigkeitsanstalten sind hervorzuheben: die Armenanstalt mit bedeutendem Grundbesitz und einem Kapitalvermögen von etwa 1,450,000 Mk., das St. Johannis-Jungfrauenkloster und die Brigittenstiftung (Versorgungsanstalten für weibliche Personen), das Hospital zum Heiligen Geiste, das Irrenhaus, das Waisenhaus, die Kinderpfleganstalt, das allgemeine Krankenhaus, [* 29] das Kinderhospital, außerdem zahlreiche Privatstiftungen. Das Gesamtvermögen der letztern (ohne den Grundbesitz) wurde 1885 auf 4,952,022 Mk. berechnet, wogegen das der öffentlichen Wohlthätigkeitsanstalten zu derselben Zeit 4,199,290 Mk. betrug. ist Sitz der Staatsbehörden, eines Landgerichts (s. oben), eines Hauptzollamtes und vieler auswärtiger Konsulate.
[Geschichte.]
Eine Stadt Namens Lübeck (Liubice) wird zuerst unter dem christlichen Wendenfürsten Gottschalk (gest. 1066) erwähnt; sie lag an der Mündung der Schwartau in die Trave. Unter seinem jüngern Sohn, Heinrich, blühte das alte auf, wurde aber in einem spätern Krieg 1138 von Race, Fürsten der Rugier, erobert und verwüstet. Graf Adolf II. von Holstein erbaute 1143 ein neues auf einem Werder zwischen Trave und Wackenitz, und dieses gewann durch seine glückliche Lage so rasch eine Bedeutung, daß die Kaufleute aus Bardowiek fortzogen und nach Lübeck übersiedelten.
Mit Unwillen sah Heinrich der Löwe dies, da sein eignes Land darunter litt. Nachdem er jedoch 1157 den Grafen Adolf bewogen hatte, ihm Lübeck zu überlassen, widmete er selbst der jungen Ansiedelung eifrige Fürsorge. Er gab ihr städtische Verfassung und ein eignes Recht und sandte Boten an die Städte und in die Reiche des Nordens, um sie zum Handelsverkehr mit Lübeck einzuladen. Auch verlegte er 1163 den Bischofsitz aus Oldenburg [* 30] dahin und erbaute den Dom. Die Stadt hing mit Treue an ihm auch nach seiner Ächtung, bis Friedrich I. 1181 mit einem Heer erschien und Lübecks Gehorsam erzwang. Er bestätigte und erweiterte die Gerechtsame der ¶