(Felis leo Löwe), Säugetierart aus der
Ordnung der
Raubtiere
[* 3] und der
Familie und der
Gattung der
Katzen,
[* 4] unterscheidet
sich von seinen Gattungsverwandten auffallend genug durch den kurzen, gedrungenen
Körper, die kurze,
glatt anliegende, einfarbige
Behaarung, die ansehnliche
Mähne um
Hals und Vorderbrust des männlichen
Tiers, das breite
Gesicht
[* 5] mit verhältnismäßig kleinen
Augen und den in eine
Quaste endigenden und in dieser
Quaste mit einem hornigen
Nagel versehenen
Schwanz.
DieMähne ist sehr veränderlich nach der
Heimat des
Löwen,
[* 6] so daß man nach ihr mehrere
Arten oder wenigstens
Abarten des
Löwen
(Perser-,
Senegal-, Kaplöwe, s. Tafel
»Raubtiere III«,
[* 7] und der kleinere, mähnenlose Löwe von
Gudscharat) unterschieden
hat. Die ausgezeichnetste
Abart ist der Löwe der
Berberei
(LeobarbarusCuv.). Derselbe wird 1,5 m lang und
80-90
cm hoch, hat einen 80
cm langen
Schwanz, eine breite
Brust und schlanke
Weichen. Der dicke, fast viereckige
Kopf verlängert
sich in eine breite, stumpfe Schnauze; die
Ohren sind abgerundet, die
Augen von mittlerer
Größe, aber lebendig und feurig,
die
Gliedmaßen gedrungen und außerordentlich kräftig; die
Pranken sind größer als bei allen übrigen
Katzenarten.
Die
Behaarung ist lebhaft rötlichgelb oder fahlbraun. Die dichte, fahlgelbe, stark mit
Schwarz gemischte
Mähne besteht aus
langen, schlichten
Haaren und reicht vorn bis zur Handwurzel, hinten bis fast zur Hälfte des
Rückens und der Seiten herab.
Auch der
Unterleib zeigt seiner ganzen
Länge nach eine dicht stehende, längere, schlichte, schwarze
Behaarung,
und an den
Ellbogen und den Vorderteilen der
Schenkel stehen wenigstens noch schwarze Haarbüschel. Neugeborne
Löwen haben
etwa 33
cmLänge, aber weder
Mähne noch Schwanzquaste, sondern sind mit wolligen, gräulichen
Haaren bedeckt, am
Kopf und an den
Beinen schwarz gefleckt, an den Seiten, über dem
Rücken und am
Schwanz mit kleinen, schwarzen Querstrichen
gebändert und mit schwarzer Rückenlinie gezeichnet.
Schon im ersten Jahr verschwinden
Flecken und
Streifen, im zweiten wird die Grundfarbe ein gleichmäßiges Fahlgelb, und im
dritten Jahr erscheinen mit der
Mähne alle Zeichen der
Mannbarkeit. Bei der Löwin ist die
Behaarung überall
kurz und am Vorderkörper höchstens eine Andeutung der
Mähne vorhanden. Der Berberlöwe findet sich in den
Ländern
des
Atlas,
[* 8] der Perserlöwe von
Persien
[* 9] bis
Indien, der Senegallöwe vom 20.° nördl.
Br. bis zum
Kap und von der
West- bis zur Ostküste,
der Kaplöwe außer im
Kapland, wie es scheint, auch in
Habesch, der Gudscharatlöwe findet sich in den
Dschangelwaldungen längs der
Flüsse.
[* 10]
Früher war der Löwe weit verbreiteter als gegenwärtig. Zur Zeit der
Römer
[* 11] fand er sich nicht nur in ganz
Afrika
[* 12] und im südwestlichen
Asien,
[* 13] in
Syrien und
Palästina,
[* 14] sondern auch in
Griechenland
[* 15] und
Makedonien. Der Löwe der
Berberei insbesondere
lebte früher im ganzen nördlichen
Afrika mit Einschluß
Ägyptens. Jetzt
ist er aus dem ganzen untern Nilthal völlig verschwunden.
Auch wo er noch einheimisch ist, in
Tunis,
[* 16] in der
OaseFezzan, in
Algerien und
Marokko, findet er sich bei weitem nicht mehr so
häufig wie früher; überall hat er der andringenden
Kultur weichen müssen, und namentlich haben auch
die langwierigen
Kriege der
Franzosen in
Algerien die
Reihen der
Löwen sehr gelichtet, abgesehen von der Thätigkeit französischer
Löwenjäger, wie des berühmten Jules
Gérard. Am zahlreichsten ist noch der Senegallöwe zu finden, obwohl auch er nach
und nach immer weiter zurückgedrängt wird.
Der Löwe lebt einzeln und hält sich nur von der Brunstzeit an, und bis die
Jungen ein gewisses
Alter erreicht haben, zu seinem
Weibchen. Jeder Löwe hat sein Gebiet, doch vereinigen sich oft auch mehrere
Löwen zu größern Jagdzügen.
Breite,
[* 17] waldige
Thäler
sind sein Lieblingsaufenthalt.
In denGebirgen steigt er bis zu 1500 m empor. An einem geschützten
Ort
scharrt er sich eine flache Vertiefung als
Lager
[* 18] und ruht hier einen oder mehrere
Tage lang, je nachdem er
Nahrung findet und
sich sicher fühlt. In größern Waldungen hält er sich oft geraume Zeit an einem und demselben Platz
auf und zieht erst dann weiter, wenn die Gegend ausgebeutet ist. Er ist weit träger als die übrigen
Katzen und sucht es
sich stets so bequem wie möglich zu machen. Im Ostsudân folgt er regelmäßig den dort nomadisch lebenden Bewohnern, von
ihren
HerdenTribut erhebend.
Gern richtet der Löwe, besonders der ältere, seine
Streifzüge nach Dörfern, in deren
Nähe er sich daher
oft ansiedelt. Bei
Tage hält er sich in seinem
Lager verborgen, aber bisweilen sieht man ihn an einem erhöhten
Punkt Umschau
in seinem Gebiet halten. Mit hereinbrechender
Nacht beginnt er die
Jagd, oft mit furchtbarem, donnerähnlichem
Gebrüll die andern
Tiere aufscheuchend und verwirrend, oft auch lautlos heranschleichend. Bei der
Jagd, welche er hauptsächlich
auf große
Tiere richtet, zeigt er viel
Verstand,
List und Kühnheit.
Schnellfüßigen
Tieren, wie den
Antilopen, lauert er auf und schleicht äußerst vorsichtig unter dem
Wind an sie heran; namentlich
sind die Wasserplätze in den
SteppenMittel- und Südafrikas ergiebige Jagdorte für ihn. Gewöhnlich
frißt er nur selbsterlegte frische
Beute; in der
Not geht er auch an
Aas. Er ist unstreitig neben dem
Tiger und
Jaguar das stärkste
und furchtbarste
Raubtier.
[* 19] Mit außerordentlicher
Stärke
[* 20] verbindet er große Gewandtheit und Behendigkeit; er
macht weite
Sprünge, oft bis zu 9
m und darüber, sitzt in Einem
Sprung einem
Pferd
[* 21] oder andern großen
Tier auf dem
Nacken, und
mit Einem
Biß zermalmt er die Halswirbelknochen seiner
Beute.
Schakale und noch größere
Tiere tötet er mit einem einzigen
Schlag seiner Tatze. Ein getötetes
Pferd, sogar ein zweijähriges
Rind
[* 22] schleppt er ohne Mühe weite
Strecken
fort, und mit einem zweijährigen
Rind im
Rachen springt er über einen fast 3 m hohen
Zaun. Den
Menschen greift er nicht leicht
an; hat er aber
¶
mehr
einmal Menschenfleisch gefressen, dann soll er dieses jedem andern vorziehen. Wie behauptet wird, greift er denMenschen oder
ein Tier, das nicht vor ihm flieht, nie an, ohne sich vorher in einer Entfernung von 10-12 Schritt zum Sprung niederzulegen.
Wer nun entflieht, ist unfehlbar verloren; wer aber ruhig stehen bleibt, gegen den wird er denSprung nicht
wagen, wenn man nur Mut genug hat, ihm ruhig und fest ins Auge
[* 24] zu schauen. Nach einiger Zeit erhebt er sich langsam, geht unter
beständigem Umsehen einige Schritte zurück, legt sich wieder, entfernt sich abermals in immer kürzern Zwischenräumen und
nimmt endlich, wenn er ganz aus dem Wirkungskreis des Menschen zu sein glaubt, in vollem Lauf die Flucht.
Durch Wachtfeuer geschützte Lager überfällt er niemals. Die körperlichen Vorzüge des Löwen, die durch eine wirklich edle
Gestalt, einen gravitätischen Gang,
[* 25] ein ernstes, stolzes Gesicht noch erhöht werden, mögen immerhin berechtigen, den Löwen
als den König der Landtiere anzusehen; was aber seine intellektuellen Eigenschaften betrifft, so ist
seine Geschichte mit einer Menge von Fabeln ausgeschmückt. Seine Großmut ist meist eine poetische Verschönerung seiner natürlichen
Trägheit und Apathie oder der Verachtung vieler kleinerer Tiere, die er des Raubes nicht wert hält und ungehindert vorübergehen
läßt.
In demCharakter des Löwen wechseln Mut, Kühnheit und Feigheit. Verfehlt er einen Sprung auf Raub, so flieht
er, als schäme er sich seines mißlungenen Angriffs. Er ist nicht so beharrlich kühn, so dreist und verwegen wie der Tiger,
der ihm weder weicht, noch ihn fürchtet. Der Mut des Löwen erwacht erst, wenn ihn der Hunger plagt, oder
wenn er gereizt und angegriffen wird. Immerhin zeigt er neben den übrigen KatzenEigenschaften, welche die Bewunderung rechtfertigen,
die ihm von so vielen Beobachtern entgegengebracht wird.
Zur Zeit der Paarung folgen oft mehrere männliche Löwen einer Löwin, und es entspinnen sich dann blutige
Kämpfe unter ihnen. Hat die Löwin aber den Gatten erwählt, so ziehen die andern ab, und beide leben nun treu zusammen. 15-16
Wochen (108 Tage) nach der Begattung wirft die Löwin in einem Dickicht, möglichst nahe einem Tränkplatz, 1-6, gewöhnlich
aber 2-3 Junge, die mit offenen Augen zur Welt kommen und etwa die Größe einer halb erwachsenen Katze
[* 26] haben.
Die Löwin pflegt sie mit großer Zärtlichkeit, säugt sie etwa sechs Monate lang und wird in der Herbeischaffung der Nahrung
vom Löwen unterstützt. Im Verhältnis zum langsamen Wachstum des Löwen steht das hohe Alter, welches er erreicht; man kennt
Fälle, daß Löwen sogar in der Gefangenschaft 70 Jahre gelebt haben, wiewohl sie auch bei der besten
Pflege bald ein greisenhaftes Aussehen bekommen.
Jedoch auch im gezähmten Zustand ist ihm nicht unbedingt zu trauen, und schon mancher Tierwärter hat ein tollkühnes Wagestück
mit seinem Leben bezahlen müssen. Das Fleisch des Löwen wird in Nordafrika von den Mauren gegessen, und auch die Südafrikaner
verschmähen es nicht. Die Haut
[* 30] des Löwen, im Altertum ein Schmuck der Helden, wird jetzt nicht besonders
geschätzt und nur zu Bett- und Pferdedecken verarbeitet. Auf den ältesten ägyptischen Denkmälern kommen afrikanische und
asiatische, wilde und gezähmte Löwen und Löwenjagden vor.
Das Bild des Löwen galt bei vielen alten Völkern als Symbol des Heldentums. In Ägypten
[* 34] war der Löwe das Symbol der Nilflut,
ein Zeichen des Tierkreises und in den spätern Fabeln vom Harpokrates das der Sonne
[* 35] im Zenith und das des Feuers; er war der Sonne
heilig, und wenn diese im Löwen stand, hatten die Tempelschlüssel Löwenköpfe. In der Stadt Tal (Tanis) wurde eine Sonnengottheit
unter dem Bild eines Löwen als siegreicher Kämpfer gegen den asiatischen Baal verehrt.
Auch dem Horos
[* 36] (s. d.) war der Löwe geheiligt, ebenso der syrischen und griechischen
Kybele.
[* 37] Er diente wohl auch als Symbol der alles durchdringenden, belebenden und bändigenden Feuerkraft. In der Architektur
der Griechen und Römer ward er zum Quellwächter (Krenophylax), und aus Löwenrachen floß das Wasser
der Brunnen;
[* 38] Löwenköpfe waren in der dorischen Bauart gewöhnliche Verzierung auf dem Karnies
[* 39] der Gebäude, um die Löcher
zu verbergen, die zum Ablauf
[* 40] des Regenwassers von dem Dach
[* 41] dienten. - Als Sinnbild der Tapferkeit ist der auch eins der beliebtesten
Wappentiere, und zwar hat er als solches eine typische Stellung, so wie er sich auf seine Beute stürzt:
auf den Hinterfüßen stehend mit vorgeworfenen Vorderpranken, das Maul aufgerissen und die Zunge herausgestreckt, die Mähne
flatternd, den Schwanz nach oben gestreckt
[* 6]
(Fig. 1);
seltener erscheint er »schreitend« mit aufgehobener rechter Vorderpranke
[* 6]
(Fig. 2), dann oft zu zweien und dreien übereinander. Vgl. Leopard.
[* 42]