3) Lothar II., fränkischer König, zweiter Sohn von Lothar 1) und seiner Gemahlin Irmengard,
erhielt bei des erstern
Abdankung 855 die
Lande zwischen
Rhein,
Maas und
Schelde nebst
Friesland, welche von ihm den
Namen Lotharingien
(Lothringen) bekamen. 863 teilte er mit seinem
BruderKaiserLudwig II. das
Erbe seines
BrudersKarl, die burgundischen
Lande. Seine
Stellung zwischen den feindlichen Oheimen
Ludwig dem
Deutschen und
Karl dem
Kahlen war eine schwierige.
Sinnlich wie
sein
Vater, zog er sich auch noch einen Ehestreit zu, der sein Ansehen völlig untergrub. Er verstieß
nämlich seine Gemahlin Theutberga, die
Schwester des
Grafen Hucbert von St.-Maurice, mit der er sich 855 vermählt, 857 unter
schändlichen Beschuldigungen, um Waldrada, mit welcher er vor seiner
Ehe gelebt, zu heiraten, und ließ sich unter Zustimmung
seiner
Geistlichkeit auf einer
Synode zu
Aachen
[* 12] 862 mit Waldrada trauen.
PapstNikolaus I. zwang ihn durch
Drohung mit dem
Bann, 865 sich mit Theutberga auszusöhnen; indes die Unterwerfung
Lothars war nur eine äußerliche, und durch die größten Demütigungen suchte er vom
Papste die Trennung der kinderlosen
Ehe mit Theutberga und die
Anerkennung der
Kinder Waldradas zu erlangen.
Noch bevor er dies erreicht, starb
er auf der Rückreise von
Italien8. Aug. 869 in
Piacenza.
Da er keine legitimen
Erben hinterließ, teilten sich
Karl der
Kahle und
Ludwig der Deutsche
[* 13] in sein
Reich.
Als
Unruhen in
Lothringen nach
Ottos I.
Tod ausbrachen und Aussicht auf
Erwerb des Herzogtums vorhanden schien, überfiel Lothar 978
Otto
II. in
Aachen; doch entkam dieser und rächte sich für die von Lothar angerichteten Verwüstungen durch seinen Verheerungszug
bis in die Vorstädte von
Paris
[* 15] im Spätherbst 978. Auf einer Zusammenkunft mit
Otto inChiers 980 entsagte
Lothar allen Ansprüchen auf
Lothringen. Er starb 986. Ihm folgte sein Sohn
Ludwig V., der
Faule, unter Leitung
HugoCapets.
Deutschland abzutreten, und auch auf Westlothringen mußten 879 die SöhneLudwigs des Stammlers von Frankreich zu gunsten Ludwigs
des jüngern verzichten. König Arnulf übergab Lothringen 895 an seinen natürlichen Sohn Zuentebulch als König. Doch fiel dieser 13. Aug. 900 in
einem Treffen an der Maas gegen aufständische Große, welche ein Graf Reginar von Hennegau und Haspengau
aufgereizt hatte. Reginar wurde, nachdem er mit Erfolg das von Ludwig dem Kind begünstigte fränkische Geschlecht der Konradiner
zurückgedrängt hatte, erster Herzog von Lothringen (um 911). Fortan wurde das Gebiet der Mosel, Maas und eines Teils des Niederrheins
als Lothringen betrachtet; von dessen bisherigem Gebiet wurden das Elsaß und Friesland ausgeschieden, ebenso
der auf dem linken Rheinufer belegene Teil von Franken, während auf dem rechten Ufer dieses Flusses ein schmaler Strich unterhalb
Andernach noch zu Lothringen gerechnet wurde.
Frankreich strebte indes immer nach dem Besitz von Lothringen. So wußte selbst Karl der Einfältige den Herzog Reginar
auf französische Seite zu ziehen, und Konrad I. unternahm vergeblich zwei Feldzüge gegen diesen (912). König Heinrich I.
stellte die vorige Verbindung durch Traktate, sowohl mit Karl von Frankreich als mit Rudolf vonBurgund, nicht nur wieder her (921,
923), sondern befestigte sie noch durch die Vermählung seiner Tochter Gerberga mit Reginars Sohn, dem
HerzogGiselbert von Lothringen. Nachdem dieser, im Begriff, Andernach, das von KaiserOtto I. belagert wurde, zu entsetzen, 939 im Rhein
ertrunken war, trat Ottos I. BruderHeinrich an seine Stelle, ward aber wegen seiner Treulosigkeit durch Otto, Richwins Sohn,
ersetzt.
In Oberlothringen herrschte FriedrichsGeschlecht bis 1033; dann fiel das Land an den Herzog Gozelo I. von Niederlothringen.
Nach seinem Tod (1044) erhielt sein ältester Sohn, Gottfried der Bärtige, Oberlothringen, verband sich aber mit Frankreich
gegen KaiserHeinrich III. Obwohl er entsetzt wurde, machte er dem Kaiser auch in den folgenden Jahren viel zu schaffen. Dieser
belehnte 1048 den GrafenGerhard von Elsaß mit Oberlothringen, und er wurde der Stammvater aller nachmaligen Herzöge.
Heinrich I. von Frankreich erhob bei der Zusammenkunft mit dem Kaiser zu Ivois Ansprüche auf Lothringen, verließ
jedoch heimlich die Stadt, als ihn jener zum Zweikampf herausforderte (1055). In den folgenden Jahrhunderten verminderte sich
der Territorialbesitz der Herzöge, indem manche Gebietsteile an jüngere Söhne gegeben wurden, welche dann nach und nach
Landeshoheit erwarben. Seitdem Niederlothringen den Namen »Brabant« bekommen hatte, hieß dies Herzogtum
»Lothringen« Dietbald II. (1304-12) bestimmte 1306 aus einem Landtag, daß auch die Töchter des Herzogs das Land erben könnten, was
später zu vielen Streitigkeiten Anlaß gab.
Anton von Vaudemont, KarlsNeffe, bestritt die weibliche Nachfolge, wurde aber 1431 bei Bulgnéville von Renatus I. geschlagen,
so daß letzterm das Herzogtum blieb. 1453 trat er Lothringen an seinen ältesten Sohn, Johann II., ab; mit dessen
Sohn Nikolaus starb 1473 diese weibliche Linie aus. Es folgte der Mannesstamm, nämlich jenes Anton von Vaudemont Enkel Renatus
II. (gest. 1508), dessen Mutter Jolantha eine Tochter der Isabella von Lothringen gewesen war. Renatus II. (René) wurde 1475 von Karl
dem Kühnen von Burgund vertrieben, gewann aber 1477 durch die Schlacht bei Nancy sein Land wieder.