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Lord-Mayor seinen Diensteid vor dem Court of Aldermen, und am darauf folgenden Tag begibt er sich in pomphaftem Aufzug [* 2] (Lord-Mayor's Show) nach dem obersten Gerichtshof, wo er der Krone Treue schwört. Am Abend findet in der Guildhall ein großartiges Festessen statt, dessen Unkosten von dem Lord-Mayor und den beiden Sheriffs bestritten werden. Der Lord-Mayor nimmt nächst der Königin in der City den höchsten Rang ein; er ist ex officio Mitglied des Geheimen Rats, Richter im Zentralkriminalgericht, Friedensrichter für die drei hauptstädtischen Grafschaften, Lord-Lieutenant der City und Hafenadmiral von London. [* 3] Seine Amtswohnung ist im Mansion House, und es wird von ihm erwartet, daß er die altberühmte Gastfreundschaft der City in Ehren hält. Er bezieht einen Gehalt von 10,000 Pfd. Sterl. Die städtischen Beamten werden vom Court of Aldermen, vom Court of Common Council oder von der Livery (s. unten) erwählt.
Unter ihnen sind zwei Sheriffs, ein Recorder und ein Common Serjeant (beide Stadtrichter), ein Chamberlain (Schatzmeister) u. a. Eine bedeutende Rolle in der Verwaltung der City spielen die aus den Zünften des Mittelalters hervorgegangenen City Companies. Es gibt deren 79, aber nur 74 unter ihnen sind sogen. Livery Companies, d. h. sie sind in der oben bereits erwähnten Common Hall [* 4] vertreten. Die Rangordnung dieser Companies ist gesetzlich bestimmt. Die 12 vornehmsten sind diejenigen der Seidenhändler (mercers), Gewürzhändler, Tuchhändler, Fischhändler, Goldschmiede, Kürschner, Schneider, Kurzwarenhändler, Salzhändler, Eisenhändler, Weinhändler und Tuchbereiter. Im J. 1880 hatten diese Companies eine Einnahme von 750-800,000 Pfd. Sterl., und ihr Eigentum schätzte man auf 15 Mill. Pfd. Sterl. Die City als Korporation hatte 1884 ein Einkommen von 1,176,234 Pfd. Sterl. bei einer durch Hypotheken vollkommen gedeckten Schuldenlast von 5,273,500 Pfd. Sterl.
Die Hauptstadt als solche besitzt bis jetzt noch keine Munizipalverwaltung und wird durch 38 Bezirksämter (Local Boards) oder Gemeindevorstände (Vestries), 30 Armenämter (Boards of Guardians), ein Bauamt, ein Gesundheitsamt, ein Schulamt und andre Körperschaften mit über 8000 Mitgliedern verwaltet, von denen die Mehrzahl durch die Steuerzahler gewählt wird. Die städtischen Finanzen sind infolge der zahlreichen Behörden ungemein verwickelt. 1885 beliefen sich die Einnahmen der verschiedenen städtischen Behörden (ohne Anleihen) auf 5,795,000 Pfd. Sterl., wovon etwa 3,800,000 Pfd. Sterl. durch eine Mietsteuer, 470,000 Pfd. Sterl. durch Abgaben von Steinkohlen und Wein und der Rest durch Marktgebühren, Mieten, Zuschüsse des Staats u. dgl. aufgebracht wurden.
Die städtischen Schulden beliefen sich auf 28,624,554 Pfd. Sterl. Die den Steuern unterworfene Hausmiete war 1885 zu 30,537,188 Pfd. Sterl. eingeschätzt (1870: 18,719,237 Pfd. Sterl.). Unter diesen zahlreichen Körperschaften steht das Bauamt obenan. Seine 57 Mitglieder werden von der City und den 38 Local Boards ernannt und tagen unter einem von der Regierung ernannten Vorsitzenden (Chairman), welcher einen Gehalt von 2000 Pfd. Sterl. bezieht. Das Bauamt befaßt sich mit Drainierung der Stadt und mit andern der ganzen Hauptstadt gemeinschaftlichen Bauten und Straßendurchbrüchen.
Seine Ausgaben für das Jahr 1885 betrugen 1,768,438 Pfd. Sterl., und es hat bereits eine Schuldenlast von (1887) 17,220,449 Pfd. Sterl. angehäuft. Die unter Aufsicht dieses Amtes stehende Feuerbrigade ist (1886) 671 Mann stark mit 163 Spritzen. Die 1829 geschaffene hauptstädtische Polizei steht unter dem Minister des Innern, ist 13,849 Mann stark und kostet jährlich über 1 Mill. Pfd. Sterl. (wovon der Staat die Hälfte zahlt). Außerdem hat die City eine Polizei von 902 Mann. Westminster (s. d.), obgleich es offiziell den Namen »City« führt, hat keine Munizipalverfassung, ist auch nicht Bischofsitz. Seine Vorrechte beschränken sich auf die vom Dekan und dem Kapitel der Westminsterabtei zu vollziehende Ernennung einiger Lokalbeamten, von denen der High Steward bei den Vierteljahrssessionen den Vorsitz führt und der High Bailiff die Befugnisse eines Sheriffs hat.
ist Sitz der obersten Gerichtshöfe des Landes. Ein Zentralkriminalgericht hat seinen Sitz im Old Bailey bei Newgate unter Vorsitz eines königlichen Richters und der zwei Stadtrichter. Die Friedensrichter der hauptstädtischen Grafschaften halten ihre üblichen Sitzungen ab. Die zwölf County Courts (s. England, S. 642) sowohl als zwei städtische Gerichtshöfe in der Guildhall haben Jurisdiktion in Zivilsachen. Die niedere Gerichtsbarkeit wird von 14 Polizeigerichten ausgeübt, wovon 2 in der City, unter Vorsitz des Lord-Mayors und eines Ratsherrn, und 12 im Reste der Hauptstadt, unter Vorsitz besoldeter Richter, tagen. London hat 8 Gefängnisse, darunter 4 für Strafgefangene (Convicts), und ist Sitz eines deutschen Berufskonsuls.
Umgebungen (hierzu Karte: »Umgebung von London«).
Wie bereits erwähnt, schließt das Häusermeer Londons keineswegs mit den offiziellen Grenzen [* 5] der Metropole ab, sondern erstreckt sich nach allen Richtungen weit über dieselben hinaus. Dicht an den Grenzen liegen West Ham (128,953 Einw.), Leyton (27,068) und Walthamstow (21,715) in Essex;
Tottenham (46,456), Hornsey (22,485), Highgate (9457), Willesden (27,453), Acton (17,126), Chiswick (15,975), Ealing (15,764), Hanwell (5178) und Brentford (11,810) in Middlesex;
Kew (1670), Richmond (19,066), Kingston (35,829), Wimbledon (15,950) und Croydon (78,953) in Surrey;
Beckenham (13,045), Bromley (15,154) und Dartford (10,163) in Kent.
Während die nördlich von der Themse unterhalb London gelegene Gegend meist Flachland ist, erhebt sich namentlich im W. und S. eine liebliche Hügellandschaft, und während sich London als Industrie- und Handelsstadt in östlicher Richtung längs der Themse ausbreitet, genießt namentlich der Westen den Vorzug als Wohnstadt. Aber wenn auch das im SW. gelegene Wimbledon Common und die Parke von Kew, Richmond und Hampton Court beliebte Anziehungspunkte bieten, so besitzt auch der Nordosten im Eppinger Wald (s. d.) einen öffentlichen Park, welcher dem Freunde der Natur großen Genuß bietet. Selbst in größerer Entfernung, bei Maidenhead, hat die City das Burnham Beeches genannte Wäldchen ihren Bürgern erworben.
Geschichte.
London war schon zur Römerzeit eine bedeutende Stadt, wird aber weder bei Cäsars noch bei Claudius' Zug, sondern zuerst von Tacitus genannt. Der Name ist keltisch, seine Ableitung unsicher. Zur Zeit der Römer [* 6] hieß London Londinium (Lundinium) und war römische Kolonie. Von der Königin Boadicea, die sich gegen die Römer erhob, ward London zerstört; bald aber erstand es wieder. Unter den Angelsachsen hieß es Lundenburg oder Lundenwic, war Bischofsitz und Hauptstadt der Könige von Essex. Gegen das Ende des 8. Jahrh. wurde es viermal durch Feuersbrünste fast ganz zerstört und im 9. Jahrh. zweimal von ¶
Maßstab [* 8] 1:100000
Der Plan ist eingeteilt in Quadrate von 1 English Mile.
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den Dänen genommen. 884 erhob Alfred d. Gr. die Stadt zur Hauptstadt seines Reichs, befestigte sie und legte den Grund zur städtischen Verwaltung. Wilhelm I. verlieh London nach seiner Thronbesteigung 1066 eine noch existierende Charte und entzog den Bischöfen jede Jurisdiktion in Zivilstreitigkeiten. Er ist der Erbauer des Towers. Richard I. bewilligte den Bürgern für 1500 Pfd. Sterl. eine Charte, welche ihre Jurisdiktionsansprüche auf der Themse feststellte.
König Johann gab der Stadt 1210 die Grundzüge ihrer jetzigen Verfassung und ermächtigte unter anderm die Bürger, sich jährlich einen Mayor zu wählen. In dem bald darauf zwischen der Krone und den Baronen entbrennenden Streit stand auf der Seite der letztern, und Johann mußte der Stadt in der Magna charta ihre alten Rechte und Privilegien bestätigen und erweitern. Nach 1216 trat das Oberhaus zum erstenmal in London zusammen. Die Hansestädte hatten in London seit dem 13. Jahrh. eine kaufmännische Niederlassung. 1377 hatte die Stadt 35,000 Einw. An den Kämpfen zwischen der Weißen und Roten Rose beteiligte sich die Stadt zu gunsten des Hauses York.
Die Einführung der Reformation trug namentlich durch die dadurch veranlaßte Aufhebung der zahlreichen Klöster viel zum Aufblühen der Stadt bei. Gegen die spanische Armada (1588) konnte die Stadt schon 20,000 Mann und 38 Schiffe [* 10] stellen. 1660 betrug die Zahl der Einwohner ½ Mill. 1665 raffte die Pest hier über 68,000 Menschen weg, und eine Feuersbrunst verzehrte 13,200 Häuser. Die Zunahme des Handels, die Geschäftseröffnung mit moskowitischen Kaufleuten, die Gründung der amerikanischen Kolonien, die Entstehung der Ostindischen Kompanie und einer andern für den Handel mit der Türkei [* 11] und der Levante gaben einen bedeutenden Aufschwung. Da die religiösen Verfolgungen in Frankreich und die bürgerlichen Zerwürfnisse in Flandern Tausende veranlaßten, nach London auszuwandern, wurden trotz königlicher Verbote die Vorstädte erweitert.
Ein Dekret von 1710 ordnete die Erbauung von 50 neuen Kirchen in und seinen Vorstädten an. Die ganze weite Strecke von Goodmansfields bis Stepney, unter Whitechapel Road bis nach Shadwell bedeckte sich rasch dicht mit Wohnungen. Dagegen traten im Innern an die Stelle von übervölkerten Stadtvierteln schöne Straßen mit prachtvollen Gebäuden. Vielfach war London der Ort von diplomatischen Unterhandlungen. So ward hier die Quadrupelallianz zwischen England, Frankreich, dem Kaiser und Holland abgeschlossen, ein Defensivbündnis zwischen England und Preußen [* 12] gegen Österreich [* 13] und Frankreich etc. Besonders wichtig sind die Londoner Konferenzen, welche 1829 und 1832 über das Schicksal Griechenlands, 1830-31 und 1839 über das Belgiens entschieden; ferner der Kongreß von 1850, der durch das Londoner Protokoll vom 8. Mai die dänische Thronfolge und die schleswig-holsteinische Sache ordnete. 1863 fanden abermals Konferenzen über die Neubesetzung des griechischen Throns, vom April bis Juni 1864 zur Schlichtung des deutsch-dänischen Streits, endlich 1871 über die Revision des Pariser Friedens von 1856 statt. Am wurde in London die große Evangelische Allianz (s. d.) gestiftet.
Vom Mai bis Oktober 1851 fand hier eine große Industrieausstellung aller Nationen statt. Am ward in London die zweite Weltindustrieausstellung eröffnet.
Vgl. Allen, History and antiquities of London (Lond. 1829, 4 Bde.);
Norton, History constitution etc. of the city of London (3. Aufl. 1869);
Arundell, Historical reminiscences of the city of London (1869);
Thornbury, Old and new a narrative of its history (1873-75, 3 Bde.);
Jesse, London, its celebrated characters and remarkable places (3. Aufl. 1871, 3 Bde.);
Doran, London in the Jacobite times (1877, 2 Bde.);
Walford, Greater a narrative of its history (1883-84, 2 Bde.);
Loftie, History of London (2. Aufl. 1884, 2 Bde.);
Derselbe, Round about London (4. Aufl. 1880);
Rodenberg, Tag und Nacht in London (Berl. 1862);
Hare, Walks in London (5. Aufl. 1883, 2 Bde.);
Becker, Scientific London (1876);
Firth, Municipal London (1876);
Hutton, Literary landmarks of London (1885);
Dickens, Dictionary of London (1886);
Reisehandbücher von Ravenstein (in »Meyers Reisebüchern«) u. Bädeker; Baumann, Londinismen (Wörterbuch der Londoner Volkssprache, Berl. 1886).