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London [* 2] Docks, die West India, Millwall, East India, Victoria, [* 3] Albert und Tilbury Docks unterhalb derselben. Auf dem jenseitigen Ufer der Themse liegen die Commercial Docks.
Schiffahrt und Seehandel. ist jetzt unstreitig der erste Seehafen Englands und somit der Welt. Nur Liverpool [* 4] kann mit ihm einen Vergleich aushalten; der Tonnengehalt seiner Schiffe [* 5] übertrifft sogar jenen der Londoner Schiffe und der Wert seiner Ausfuhr aus den benachbarten Fabrikbezirken denjenigen der Ausfuhr Londons. Anderseits aber ist der Schiffsverkehr Londons infolge der großen Ausdehnung [* 6] der Küstenschiffahrt, welcher die Stadt namentlich ihre Kohlen verdankt, reger, und der Wert der für die Bedürfnisse der starken Bevölkerung [* 7] eingeführten Waren ist bedeutend höher. London besaß 1886: 2610 Seeschiffe von 1,188,917 Ton. Gehalt, einschließlich von 1258 Dampfern (1853 erst 3365 Schiffe von 792,672 T. Gehalt). Im J. 1886 liefen 50,611 Schiffe von 11,988,127 T. Gehalt ein, darunter im Küstenhandel 40,306 Schiffe von 5,177,480 T. Die Einfuhr vom Ausland und den Kolonien hatte 1886 einen Wert von 128,008,767 Pfd. Sterl., und ausgeführt wurden britische Produkte im Wert von 46,125,495 Pfd. Sterl. und ausländische Produkte im Wert von 34,455,430 Pfd. Sterl. Die wichtigsten Artikel der Ausfuhr waren Baumwollwaren (6,398,231 Pfd. Sterl.), Metalle (4,868,933 Pfd. Sterl.), wollene Waren (4,192,144 Pfd. Sterl.), Kleider (2,606,447 Pfd. Sterl.), Maschinen (2,020,665 Pfd. Sterl.), Lederwaren (1,856,512 Pfd. Sterl.); ferner Papier, Messerschmiedewaren, Waffen, [* 8] Bier, Telegraphenapparate, Bücher, Zement, Chemikalien, Hüte, Jute, [* 9] Leinwand, Kunstdünger, Öl, Farben, Porzellan, Kautschukwaren, Glas [* 10] etc. Dabei ist zu berücksichtigen, daß einen großen Teil seines Verkehrs über Harwich, Dover [* 11] und Folkestone vermittelt. Bei der Einfuhr spielen Lebensmittel die Hauptrolle.
Wohlthätigkeitsanstalten.
Die Armenpflege ruht in den Händen der Guardians (Armenpfleger), von welchen aus Gemeindemitteln 38 Armenhäuser (Workhouses), 20 Krankenhäuser, 11 Armenschulen und 24 Asyle für Obdachlose unterhalten werden. Neben ihnen bestehen 3 Asyle für Blödsinnige und 7 Fieber- und Pockenhospitäler unter einem Asylum Board, von dessen Mitgliedern 45 von den Guardians und 15 von der Regierung ernannt werden. Von 10 Irrenhäusern werden 8 von und den Grafschaften gemeinschaftlich unterhalten, 2 (Bethlehem und St. Lukas) sind alte Stiftungen.
Diesen öffentlichen Anstalten stehen eine Unzahl von Privatanstalten zur Seite, und in der That dürfte es schwer fallen, eine Richtung der Wohlthätigkeit zu bezeichnen, welche nicht in London vertreten wäre. Unter diesen Anstalten nehmen die 190 Krankenhäuser (einschließlich von 5 Entbindungsanstalten und 54 Häusern für Genesende und Unheilbare) einen vornehmen Rang ein. Die vier größten unter ihnen sind das 1710 gestiftete London Hospital mit 800 Betten, Guy's Hospital (1721 gestiftet) mit 710 Betten, St. Bartholomew's (1123 gestiftet) mit 676 Betten und St. Thomas's (1563 gestiftet) mit 620 Betten.
Versorgungshäuser zählt man 94, teilweise aus dem Mittelalter stammend; als die ältesten unter ihnen sind das 1148 gestiftete Katharinenhospital im Regent's Park und das vom Bürgermeister Whittington 1521 gestiftete »College« anzuführen. Ferner erwähnen wir 26 Anstalten für Blinde, 8 für Taubstumme, 3 für Blödsinnige, 56 Waisenhäuser (darunter das 1739 gegründete »Findelhaus«, in welchem indes nur Kinder, deren Mütter dem Vorstand empfohlen sind, Aufnahme finden) etc. Zu diesen eigentlichen Wohlthätigkeitsanstalten kommen nun noch 92 Missionsgesellschaften (Jahreseinnahme über 1½ Mill. Pfd. Sterl.), Vereine für Kirchenbau, Bibelgesellschaften etc.
Bildungsanstalten, Museen etc.
Erst seit 1870, in welchem Jahr die Steuerzahler zuerst einen Schulvorstand (School Board) wählten, wird in London in systematischer Weise für die Elementarbildung des Volkes gesorgt. Die öffentliche Schulbehörde hatte 1885-86 eine Einnahme von 2,289,847 Pfd. Sterl., wovon nur 111,080 Pfd. Sterl. an Schulgeldern und 277,623 Pfd. Sterl. an Staatszuschuß, und ihre 6141 Lehrer und 1643 Lehramtskandidaten (pupil teachers) unterrichteten 379,525 Kinder. Außerdem waren die vom Staat anerkannten und unterstützten Schulen von 237,018 Kindern besucht.
Unter diesen Privatschulen sind diejenigen der kirchlichen National Society und der konfessionslosen British and Foreign School Society am wichtigsten. Anderseits fehlt es an guten Schulen für die Mittelklassen, welche noch großenteils auf Privatschulen angewiesen sind, für deren Leistungsfähigkeit keine Bürgschaft geboten wird. Was in dieser Richtung durch die Middle Class Educational Union, die Girls' Public Day-schools Company und andre Privatvereine gethan, ist anerkennenswert, aber keineswegs zureichend.
Den deutschen Gymnasien oder Realgymnasien entsprechen die 6 großen öffentlichen (Public) und 33 Lateinschulen (Grammar Schools), der Mehrzahl nach alte Stiftungen und teilweise Pensionate. Die berühmten »großen« Schulen sind: St. Paul's (gegründet 1512), Christ's Hospital (Blue coat School, 1553), Westminster School (1560), die Schule der Merchant Taylors (1561), Dulwich College (1619) und die City of London School (1834). Dazu kommen noch die mit King's und University Colleges verbundenen Gymnasien.
Für die weibliche Jugend bestehen 4 Colleges. An Fachschulen bestehen 12 theologische Colleges, 11 medizinische Schulen in Verbindung mit den großen Hospitälern, 2 Tierarzneischulen, ein von der City gegründetes Technical College, die königliche Bergbauschule, 11 Lehrerseminare, die Militärakademie in Woolwich und das Naval College in Greenwich, 4 Musikschulen (Academy, College in Guildhall, School of Music und Trinity College), ferner die Kunstschulen der Royal Academy und in Kensington, letztere mit zahlreichen Zweigschulen etc. Eine Universitätsbildung bieten das 1828 von der liberalen Partei gegründete University College (39 Professoren) und das kirchliche King's College (44 Professoren).
Die Londoner Universität ist eine von der Regierung überwachte Examinationsbehörde, deren Entwickelung zu einer Lehranstalt nur eine Frage der Zeit ist. Der Bildung und nebenbei geistigen Unterhaltung der arbeitenden Klassen widmen sich zahlreiche Anstalten und Vereine, wie die Polytechnic Young Men's Christian Association, Working Men's College, Birckbeck Institution, der im O. gelegene People's Palace (mit Bibliothek, Turnhalle etc., 1887 eröffnet) u. a. Auch besitzt eine Anzahl von Volksbibliotheken.
Unter den wissenschaftlichen und Kunstsammlungen Londons gebührt dem Britischen Museum (s. d.) der erste Rang. Das Gewerbemuseum in South Kensington (s. Kensington-Museum), zu dessen Entstehung die 1851er Weltausstellung den Anstoß gab, ist eine der größten derartigen Anstalten in der ¶
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Welt, mit einem Zweig in Bethnal Green. Ferner verdienen Erwähnung: die Nationalgalerie (mit über 1200 Gemälden) auf dem Trafalgar Square, die vom Schauspieler Alleyn gestiftete Gemäldegalerie in Dulwich, das geologische Museum in der Jermyn Street, das naturhistorische Museum und das 1887 gegründete Imperial Institute in Kensington, das anatomische Museum des College of Surgeons und Soane's Museum, beide in den Lincoln's Inn Fields, das Museum der United Service Institution, das Marinemuseum in Greenwich. Der Sternwarte [* 13] in Greenwich (s. d.), des botanischen Gartens in Kew (s. d.) und des zoologischen Gartens im Regent's Park muß gleichfalls hier gedacht werden.
Vereine. Zahlreiche Privatvereine lassen sich die Pflege von Kunst und Wissenschaft angelegen sein. An ihrer Spitze stehen die Royal Society (1652 gegründet) und die Royal Academy (1768). Ferner verdienen Erwähnung: die Royal Institution (1800 gegründet, mit Laboratorium, [* 14] in welchem Faraday seine großen Entdeckungen machte), die Zoologische Gesellschaft (1826), die Geographische Gesellschaft, der Geologische Verein, die Linnésche Gesellschaft, die Astronomische Gesellschaft, die Statistische Gesellschaft, der Altertumsverein, die Asiatische Gesellschaft, die Society of Arts (Kunstgewerbe etc.), die London Institution in der City, 12 medizinische Gesellschaften, 8 Kunstvereine u. v. a. Die Mehrzahl dieser Vereine ist im Besitz von reichhaltigen Fachbibliotheken, welche die Bücherschätze in den wenig zahlreichen öffentlichen Bibliotheken ergänzen.
Die Presse [* 15] ist ungemein thätig; es erscheinen (1886) 666 Zeitungen und 807 Zeitschriften, darunter 33 täglich. An jedem Wochentag verlassen durchschnittlich 145 Nummern die Presse.
Vergnügungsanstalten, Klubs.
Für Vergnügungen ist in London in ausreichender Weise gesorgt. Dem Kristallpalast in Sydenham und Alexandrapalast im Norden [* 16] Londons, beide inmitten herrlicher Gartenanlagen gelegen, können andere Städte nichts Ähnliches zur Seite stellen. Größere Vergnügungslokale in der Stadt selbst sind das Aquarium mit Wintergarten in Westminster und der Albertpalast beim Battersea Park. Es gibt ferner 44 größere und kleinere Theater, [* 17] von denen keins vom Staat oder von der Stadt einen Zuschuß erhält.
Das älteste unter ihnen ist Drury Lane, 1663 gegründet (das jetzige Gebäude wurde 1812 errichtet); das Opernhaus in Covent Garden stammt vom Jahr 1733, wurde aber nach einem Brand 1856 neu aufgebaut; das Opernhaus am Haymarket (Her Majesty's), in welchem 1705 die erste italienische Oper in England aufgeführt wurde. Ein ständiges Opernhaus besitzt London nicht. Unter den für Konzerte und öffentliche Versammlungen bestimmten Hallen steht die 1871 eröffnete Albert Hall [* 18] (s. oben, S. 900) beim Albertdenkmal am Hyde Park obenan.
Exeter Hall im Strand ist durch die von der Sacred Harmonie Society veranstalteten Konzerte und die Versammlungen religiöser Vereine bekannt geworden. Erwähnenswert sind ferner St. James' Hall in Regent's Street, St. George's Hall, Willis's Rooms, Freemasons' Hall, die in Islington erbaute landwirtschaftliche Halle, [* 19] in welcher neben Vieh- und Pferdeausstellungen auch Konzerte gegeben werden, eine ähnliche Halle (Olympia) in Kensington, die zahlreichen Musikhallen und das weltbekannte Wachsfigurenkabinett der Madame Tussaud.
Unter den musikalischen Vereinen sind namentlich die alte und die neue Philharmonische Gesellschaft, die Sacred Harmonic Society und der Wagner-Verein zu erwähnen. Daß auch den Freunden des Sports in London Gelegenheit geboten wird, ihrem Vergnügen nachzugehen, ist selbstverständlich. Namentlich gilt das Pferderennen am Derby-Tag als allgemeines Volksfest, und auch das jährlich wiederkehrende Wettrudern zwischen den beiden Universitäten versetzt die ganze Stadt in Aufregung.
Schließlich sei hier noch der 180 Klubs gedacht, die, mehr oder weniger glänzend ausgestattet, eine Eigentümlichkeit des Londoner Lebens bilden. Die Mehrzahl dieser Klubs ist Eigentum der Mitglieder; andre gehören Privatunternehmern, die aber die Aufnahme von Mitgliedern einem Ausschuß überlassen. Viele der Klubs liegen an der Straße Pall Mall und zählen unter die schönsten Gebäude Londons. Die Mitglieder rekrutieren sich häufig in der gleichen Gesellschafts- oder Berufsklasse.
Das Athenaeum hat einen gelehrten Anstrich;
im United Service und dem Army and Navy Club werden nur Offiziere zugelassen;
wer im Traveller's Club Aufnahme finden will, muß Weltreisender sein;
Reform und National Liberal Clubs sind Sammelpunkte der Liberalen;
Carlton, Constitutional und Conservative Clubs nehmen nur Konservative auf.
Auch die Damen haben ihre Klubs (Alexandra, Somerville). Insgesamt zählen diese Klubs über 100,000 Mitglieder. Diesen Klubs für die höhern Klassen schließen sich jetzt 48 Arbeiterklubs an, gegründet, um den Arbeiter von den schlimmen Einflüssen des Wirtshausbesuchs fern zu halten (vgl. Timbs, Clubs and club-life in London, 1873).
Verfassung, Behörden, Finanzen.
Was die städtische Verwaltung betrifft, so erfreut sich nur die City einer Munizipalverfassung, welche sie sich mit all ihren alten Gerechtsamen und Bräuchen zu wahren wußte, als sämtliche städtische Verfassungen Englands durch die Municipal Corporations Act von 1835 einer Reform unterzogen wurden. Die City wird eingeteilt in 26 Wards und 207 Precincts. Jährlich haben sämtliche Bewohner eines Precinct eine Versammlung, in welcher sie ihre öffentlichen Angelegenheiten besprechen und Kandidaten als Common Councilmen (Stadträte) und Inquestmen (Fleischbeschauer u. dgl.) aufstellen.
Die Wahl selbst wird von einem Ward-mote vollzogen, in welchem nur Bürger (Freemen) Sitz und Stimme haben. Das Bürgerrecht wird den Söhnen, Töchtern und Lehrlingen unentgeltlich, Auswärtigen aber, welche in der City ein Geschäft betreiben, gegen Zahlung einer geringen Taxe erteilt. Am Montag nach dem Dreikönigstag werden die erwählten Common Councilmen dem in der Guildhall tagenden Court of Aldermen (Rat) vorgestellt. Die Aldermen (Ratsherren), je einer für jeden Ward, werden gleichfalls vom Ward-mote und zwar auf Lebenszeit gewählt.
Sie bilden den Court of Aldermen und, gemeinschaftlich mit den Common Councilmen, den Court of Common Council (Gemeinderat), welcher aus 228 Mitgliedern, einschließlich der 26 Aldermen, besteht. In diesen zwei Versammlungen sowohl als in der Common Hall (d. h. der Gemeinschaft sämtlicher Liverymen der unten erwähnten City Companies) führt ein jährlich am 29. Sept. gewählter Lord-Mayor den Vorsitz. In der Regel wird der älteste Alderman für diesen Ehrenposten in Vorschlag gebracht, und seine Amtsdauer ist selten über ein Jahr. Der Common Hall steht das Recht zu, den künftigen Lord-Mayor vorzuschlagen; die Aldermen aber haben das Recht der Wahl, die vom Lord-Kanzler im Namen der Krone bestätigt wird. Am 8. Nov. leistet der neue ¶