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weithin sichtbarer Kuppel; mehrere große Hotels und Restaurants (Criterion, St. James, Holborn, Tivoli) und viele der Klubhäuser. Unter letztern ist der National Liberal Club am Themsedamm das größte, wird aber in architektonischer Beziehung von den Prachtbauten in Pall Mall in den Schatten [* 2] gestellt.
Wasser, Licht, Kanalisation. Verkehrsanstalten.
London [* 3] wird durch acht Gesellschaften täglich mit 636 Mill. Liter Wasser versorgt, welches durch Hauptröhren in einer Gesamtlänge von 3900 km in jedes einzelne Haus geleitet wird. Etwa die Hälfte alles Wassers wird der obern Themse entnommen; die erste Wasserleitung [* 4] wurde 1606 unter Leitung H. Myddletons angelegt. Gasbeleuchtung ist seit 1812 eingeführt. Die drei jetzt bestehenden Gasgesellschaften liefern jährlich 571 Mill. cbm Gas; die Gasröhren haben eine Länge von 4000 km. Die Qualität des Gases wird von den Behörden überwacht, und sobald die Dividende einer Gesellschaft 10 Proz. erreicht, muß der Preis desselben herabgesetzt werden.
Thatsächlich erzielen die Gesellschaften eine Durchschnittsdividende von 8,7 Proz. Das elektrische Licht ist seit 1878 eingeführt, findet aber nur beschränkte Verwendung. Die Abfuhr des Unrats geschieht durch ein großartiges, 1859-75 mit einem Aufwand von 4½ Mill. Pfd. Sterl. hergestelltes System von Abzugskanälen (sewers). Dieselben haben eine Länge von 3680 km und führen den Unrat nach zwei unterhalb der Londonbrücke liegenden Reservoirs, von wo er durch Dampfmaschinen [* 5] bei der Ebbe in die Themse gepumpt wird. Das Wegschwemmen überläßt man der Flut. Man beabsichtigt aber, den Unrat durch Niederschlag und Druck auf 850 Ton. täglich zu reduzieren und dann in eigens gebauten Schiffen aufs hohe Meer zu schaffen oder auch landwirtschaftlich zu verwerten.
Wenn man bedenkt, daß täglich weit über 1 Mill. Menschen in das Innere der Stadt strömt, dort ihren Geschäften nachgeht und abends in die vorstädtischen Wohnungen zurückkehrt, so kann man sich einen Begriff machen von den Verkehrsanstalten, die notwendig sind, diese Menschenströme zu bewältigen. Die großen Eisenbahngesellschaften haben ihre Bahnhöfe [* 6] entweder im Innern der Stadt selbst, oder sind mit demselben durch teilweise unterirdische Bahnen verbunden.
Großartig sind namentlich die Bahnhöfe beim Charing Croß, in der Cannon Street und beim King's Croß. Gürtelbahnen verbinden die Vorstädte untereinander und mit der City. Die Eisenbahnen im Gebiet der Hauptstadt haben eine Länge von 288 km, und allein drei Lokalbahnen (88 km) beförderten 1885: 150 Mill. Personen, und ihre Züge legten 17 Mill. km zurück. Ihr Bau hat 23,483,000 Pfd. Sterl. gekostet. Auf Pferdebahnen (205 km) wurden 1886 126 Mill. Menschen befördert und in etwa 1200 Omnibussen wohl die gleiche Zahl. Kleine Dampfer befahren die Themse.
Bevölkerungsverhältnisse.
Seiner Einwohnerzahl nach ist London die bevölkertste Stadt der Welt, selbst innerhalb der Grenzen, [* 7] die vom Registrar general angenommen werden (305,1 qkm mit 1881: 3,816,483 Einw.). Nur wenig größer ist das Gebiet, über welches sich die Autorität des Bauamtes erstreckt (305,3 qkm mit 3,834,354 Einw.). Nun liegen aber jenseit dieser Grenzen und namentlich im O. des Lee (West Ham) ganz bedeutende Stadtteile, welche innig mit London verwachsen sind, und auch viele der weiter entfernten Vorstädte und Städte können füglich als Teile der Metropole betrachtet werden, so daß »Groß-London« einschließlich der City und des hauptstädtischen Polizeibezirks ein Areal von 1786,8 qkm (32,4 QM.) bedeckt und 4,766,661 Einw. zählt.
Die Bevölkerung [* 8] hat namentlich seit Anfang dieses Jahrhunderts rasch zugenommen. Im J. 1600 zählte London erst 150,000 Einw., 1801: 958,863, 1821: 1,378,947, 1841: 1,948,417, 1861: 2,803,989, 1881: 3,816,483 und 1886 (nach Schätzung) 4,149,533 Einw. Diese Zunahme verteilt sich indes sehr verschieden auf die einzelnen Stadtteile und gehört im wesentlichen der Peripherie an. In den Jahren 1871-81 betrug die Zunahme für ganz London 17,3 Proz., aber die Binnenstadt (878,556 Einw. im J. 1881) nahm um 7,8 Proz. ab, während die Außenstadt um 27,7 Proz. zunahm.
Noch bedeutender war der Zuwachs in den Vorstädten, welche die eigentliche Metropole zum Polizeibezirk ergänzen (1881: 950,178 Einw.), denn er betrug 50,5 Proz., so daß »Groß-London« eine Zunahme von 22,7 Proz. aufzuweisen hat. Was die innere Stadt und namentlich die City betrifft, so werden dort die Wohnhäuser [* 9] immer mehr von Warenlagern und Geschäftslokalen verdrängt. Während nur 50,526 Personen in der City schliefen, wohnten und arbeiteten in derselben während des Tags 261,061 Personen (195,577 Männer, 44,179 Frauen und 21,305 Kinder unter 15 Jahren) und wurde dieselbe außerdem noch von über einer halben Million Personen besucht.
Auf 1000 Lebende kamen in London 1886: 33,7 Geburten und 20,9 Todesfälle. Die Gesundheitsverhältnisse sind demnach besser als in irgend einer andern Großstadt. Noch 1840-50 kamen auf 1000 Lebende 24,8 Proz. Todesfälle, 1870-1880 nur 22,5 Proz. Auf 1000 Männer kamen 1123 Weiber. Den Altersklassen nach sind 33,61 Proz. unter 15 Jahre alt, 19,75 Proz. zählen 15-25 Jahre, 29,15 Proz. 24-45 Jahre, 38,80 Proz. 45-65 Jahre und 3,69 Proz. über 65 Jahre. Von über 15 Jahre alten Personen sind 48,2 Proz. der Männer und 47,0 Proz. der Frauen verheiratet. Der Beschäftigung nach kamen 23,7 Proz. auf Gewerbe, 6,8 Proz. auf Handel und Verkehr.
Die Zusammensetzung der Bevölkerung ist eine sehr mannigfaltige. Von 1000 Bewohnern sind nur 629,4 in London geboren, 307,3 stammen aus dem Rest von England und Wales, 13,0 sind geborne Schotten, 21,2 Irländer, 8,4 aus britischen Kolonien und 20,8 Ausländer. Unter den 79,709 im Ausland Gebornen sind indes 10,457 Kinder britischer Eltern oder naturalisiert, so daß nur 60,252 wirkliche Ausländer (foreigners) verbleiben, und unter diesen zählt man 21,966 Deutsche, [* 10] 8251 Franzosen, 6931 Russen und Polen, 4301 Amerikaner, 4193 Holländer, 3504 Italiener, 2296 Schweizer, 1278 Österreicher und 1492 Belgier.
Einschließlich ihrer naturalisierten Landsleute und der in England gebornen Kinder dürfte sich die deutsche Bevölkerung Londons (mit Deutschen, Schweizern und Österreichern) auf 34,000 Seelen belaufen, wovon 12,000 weiblichen Geschlechts. Die Deutschen bilden von alters her einen angesehenen Bestandteil der Bevölkerung Londons; sie hatten bereits im 10. Jahrh. eine Kolonie und erfreuten sich als »Kaisermannen« bedeutender Privilegien. Die Hanseaten, welche Heinrich III. zur See gegen Frankreich unterstützt hatten, erhielten 1266 einen Freibrief, welcher ihnen das Recht erteilte, gegen Erlegung eines Zolles von nur 1 Proz. Waren ein- und auszuführen. 1473 wurde ihnen ihr Stapelhof (steel-yard) gegen Zahlung einer Jahresmiete von 70 Pfd. Sterl. überlassen. Sämtliche Vorrechte wurden den ausländischen Kaufleuten 1597 entzogen, aber der Stapelhof blieb im Besitz der Hansestädte, bis er 1866 ¶
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von ihnen an eine Eisenbahngesellschaft verkauft wurde. Jetzt steht der Bahnhof in Cannon Street an dessen Stelle. 1580 zählte man unter den in London lebenden 6502 Ausländern (einschließlich der in England gebornen Kinder) bereits 2302 Deutsche. Die Deutschen besitzen in London 8 protestantische und eine kathol. Kirche (einschließlich einer Hofkapelle), mit denen mehrfach Volksschulen vereinigt sind, einen Klub (German Athenaeum), eine große Turnhalle, ein Hospital und ein Waisenhaus (Kaiser Wilhelm Stiftung) in Dalston, 4 größere Arbeiterklubs, Gesangvereine etc. Auch erscheinen zwei deutsche Wochenblätter. Dem Beruf nach sind unter den Deutschen am zahlreichsten vertreten: Kaufleute, Bäcker, Schneider, Dienstboten, Zuckersieder, Schuster, Uhrmacher, Tischler, Musiker, Kellner, Lehrer und Gouvernanten, Kürschner, Maler u. Bildhauer, Ärzte, Schriftsteller etc.
Die Wohnverhältnisse sind im allgemeinen günstig, denn bei (1881) 486,186 bewohnten Häusern kommen nur 7,85 Seelen auf ein Haus und 12,559 Einw. auf das QKilometer. Einzelne Stadtteile sind indes entschieden übervölkert. So wohnten noch 1885 in Clerkenwell häufig 7-12 Personen in einem einzigen Zimmer, dazu war die Wasserzufuhr ungenügend und die Kanalisation mangelhaft. Diesen Mißständen helfen die seit 1841 von Privaten und seit 1875 auch von der Stadt gebauten Arbeiterwohnungen nur wenig ab, obgleich erstere (unter denen die der Peabody-Stiftung hervorragen) Raum für 60,000 und die städtischen Arbeiterwohnungen (1885) für 21,678 Personen bieten, welche eine Miete zahlen, durch die das angelegte Kapital mit 3-5 Proz. verzinst wird.
Dem religiösen Bekenntnis nach gab es 1881 in London etwa 130,000 Katholiken, 430,000 protestantische Dissidenten und 12,000 Juden. Der Rest gehört der Staatskirche an oder kümmert sich überhaupt nicht um Religion. Als Kirchengänger ist der Londoner lässig, und wenn auch am 460,000 Menschen den Gottesdienst am Vormittag und 410,000 denjenigen am Abend besuchten, so will das bei einer Bevölkerung von 4 Mill. nicht viel heißen.
Über den Charakter der Bevölkerung Londons läßt sich allgemein Zutreffendes kaum sagen. Neben der Verfeinerung der hohen Welt und des Mittelstandes finden sich Tausende, welche der Rev. Reany (»Fortnightly Review«, Dezember 1886) als »trunksüchtig und faul, schlau wie Füchse, geil wie Böcke und mit Begierden, die unnennbar sind«, beschreibt. Seit der großen Ausstellung im J. 1851 hat der Londoner jedenfalls viel von seinen engherzigen Ansichten verloren. Er ist duldsamer gegen fremde Sitten geworden und hat sich dieselben teilweise sogar angeeignet.
Jedenfalls aber thut man ihm nicht unrecht, wenn man ihm den in andern Städten Englands so hoch entwickelten städtischen Gemeinsinn abspricht. Schon die Zusammensetzung der Bevölkerung bringt das mit sich, und die großen Entfernungen und der Mangel einer die ganze Bürgerschaft umfassenden Munizipalverfassung tragen das Ihrige dazu bei. Die großen reformatorischen Bestrebungen des 19. Jahrh. sind nicht von London ausgegangen, und erst nachdem die Provinzialstädte durch Gründung von Freibibliotheken und andern öffentlichen Anstalten der Art mit gutem Beispiel vorangegangen waren, ist London in ihre Fußstapfen getreten. Sehr häufig kommt es vor, daß Fremde als die Leiter politischer und sozialer Reformen auftreten.
Handel und Industrie.
Industrie. ist vorwiegend Handelsstadt, steht aber in gewissen Zweigen der Industrie an der Spitze aller andern Städte Englands. Seine Druckereien (25,595 Buchdrucker) gehören zu den größten der Welt, die Möbelschreinerei beschäftigt 21,957, der Maschinenbau 17,758, der Schiffbau 4814, die Seidenweberei 4023 Arbeiter. Es gibt 61,221 Schneider, 71,837 Kleidermacher, 27,267 Hemdenmacher, 37,337 Schuhmacher und 4167 Hutmacher. Musikalische, chirurgische und optische Instrumente, Uhren, [* 12] Goldschmiedearbeiten, Messerwaren, Sattler- und Lederwaren liefert London in vorzüglicher Güte. Seine Gerbereien, Töpfereien, Zuckersiedereien, Zigarrenfabriken, chemischen, Handschuh-, Möbel-, Wagen-, Gewehr-, Glas- und Tapetenfabriken erfreuen sich des besten Rufs. Seine Bierbrauereien liefern namentlich Porter (Schwarzbier), seine Brennereien Gin.
Handel. Wenn auch alle gewerblichen Anstalten zusammen 904,005 Menschen beschäftigen, so ist es doch der Handel, der London seinen Charakter aufdrückt, und dem es seinen Reichtum verdankt. Unter den Anstalten, welche die Bestimmung haben, denselben zu fördern, nimmt die 1694 gegründete Bank von England mit einem Stammkapital von 14,553,000 Pfd. Sterl. die erste Stelle ein (weiteres s. Banken, S. 335). Neben der Bank von England bestehen 72 Gesellschafts- und 107 Privatbanken.
Einer Anzahl derselben ist ein Ausgleichsamt (Clearinghouse) gemeinschaftlich, durch dessen Vermittelung die Wechsel und Kassenanweisungen umgetauscht werden, so daß nur die Bruchteile bar zu entrichten sind. Jährlich kommen hier ca. 6000 Mill. Pfd. Sterl. zur Verrechnung. Der Bank gegenüber steht die Börse (Royal Exchange) mit Lloyd's Subscription Rooms, ein Mittelpunkt des Verkehrs für alle, welche an der Reederei Interesse nehmen. Ferner gibt es in eine Aktienbörse (Stock Exchange), eine Kohlenbörse, Kornbörse, Hopfen- und Malzbörse. Sogen. Kaffeehäuser dienen den Kaufleuten als Versammlungspunkte, wo die ihnen wichtigen Nachrichten auf gemeinschaftliche Kosten angesammelt werden. So ist das »Baltic« Vereinigungspunkt der mit Rußland und dem Norden [* 13] Europas Handel treibenden Kaufleute; »Jerusalem« [* 14] dient dem Handel mit dem Osten und Australien, [* 15] »Jamaica« dem Handel mit Westindien. [* 16] - In Bezug auf den innern Verkehr ist noch der 14 Markthallen [* 17] zu gedenken, die weniger zahlreich sind, als man von der Ausdehnung [* 18] der Stadt erwarten dürfte, weil der Kleinhandel fast gänzlich in den Händen der über die ganze Stadt zerstreuten Krämer und der herumziehenden »Costermongers« ist. Unter diesen Markthallen sind die von der City erbauten Fleischhallen auf dem Smithfield, Billingsgate Market (für Fische) [* 19] an der Themse, die Viehmärkte im N. Londons und bei Deptford an der Themse die wichtigsten; Covent Garden Market (für Gemüse und Blumen) liegt im Westend.
Hafen und Docks. Der Hafen Londons erstreckt sich von der Londonbrücke bis zur Themsemündung, und der der Brücke [* 20] zunächst gelegene Teil ist als »the Pool« bekannt. Großartig sind die seit 1800 sämtlich von Aktiengesellschaften erbauten Docks auf beiden Themseufern. Sie erstrecken sich vom Tower, wo die Flut 5,3 m steigt, bis Tilbury, gegenüber Gravesend, und haben eine Wasserfläche von 276 Hektar nebst einem Areal von 522 Hektar für Warenhäuser und Gewölbe. [* 21] Die ältesten und noch immer die wichtigsten unter ihnen sind die London Docks, 1805 eröffnet, 37 Hektar groß, wovon 14 Hektar Wasser, und von großartigen Warenhäusern (namentlich für Tabak [* 22] und Kolonialwaren) und Weinkellern umgeben. Die Katharinendocks liegen oberhalb dieser ¶