mehr
dem Londoner Thon (London-clay) lagern. Im N. steigt ihr Gebiet zu den Hügeln von Highbury (46 m), Highgate (129 m) und Hampstead (134 m) an. Der südliche Stadtteil, früher teilweise sumpfige Niederung, ist in weitem Kreis von den Hügeln Surreys umgeben, welche bei Sydenham eine Höhe von 112 m erreichen. Das Klima ist gesund, und seit Anlage eines ausgedehnten Systems von Abzugskanälen hat die Sterblichkeit bedeutend abgenommen. Die mittlere Temperatur der Stadt ist 10,25° C. (Sommer 16,6,° Winter 3,9°), und wenn die Themse auch schon gelegentlich zufror oder sich das Eis in ihr aufstaute (wie in den Jahren 1814, 1826 und 1842), so sind doch Schnee und Eis verhältnismäßig seltene Gäste. Der Regen (634 mm jährlich) ist ziemlich gleichmäßig auf die vier Jahreszeiten verteilt. Eigentümlich sind London gelbe Nebel, welche der höhern Temperatur der Themse ihre Entstehung, dem Kohlendampf ihre Farbe und den Gasentweichungen ihren eigentümlichen Geruch verdanken.
[* ] ^[Abb.: Wappen von London.]
Stadtteile. Öffentliche Anlagen. Monumente.
(Vgl. beifolgenden Stadtplan.)
Als eigentlicher Kern der Stadt muß die City (269 Hektar) betrachtet werden, welche allein sich einer Munizipalverfassung erfreut. Ihr schließen sich die mit ihr zusammengewachsenen Stadtteile sowie eine große Anzahl gartenreicher Vorstädte an. Die Einteilung für Zwecke der Verwaltung ist äußerst verwirrt, und selbst der geborne Londoner ist nicht immer in der Lage, anzugeben, in welchem Kirchspiel, Armen- oder anderm Bezirk er wohnt. Die 28 parlamentarischen Wahlbezirke (boroughs), welche 59 Mitglieder in das Parlament schicken, sind die City, Hackney, Shoreditch, Bethnal Green, Tower Hamlets, Islington, Finsbury, Hampstead, Marylebone, Paddington, St. Pancras, Hammersmith, Fulham, Kensington, Chelsea, Westminster, St. Georges und Strand in Middlesex, Battersea mit Clapham, Camberwell, Lambeth, Newington, Southwark und Wandsworth in Surrey, und Greenwich, Deptford, Woolwich und Lewisham in Kent.
Viel geläufiger im Volksmund sind die großen sozialen Abteilungen Londons. Die City muß als das Herz der großen Weltstadt angesehen werden. In ihr haben die großen Kaufherren ihre Geschäftshäuser und entwickelt sich während des Tags der lebhafteste Verkehr. Lombard Street ist seit Jahrhunderten der Sitz der Bankgeschäfte; in Mark Lane wohnen Kornmakler, in Mincing Lane Kolonialhändler, in Paternoster Row Buchhändler, und in der Nähe von Fleet Street findet man die größten Druckereien.
Der City schließt sich das gewerbreiche, großenteils von Arbeitern bewohnte Ostend an. Die Docks und die vielfachen dem Seehandel gewidmeten Anstalten, welche London den Charakter einer Seestadt verleihen, liegen am Ufer der Themse. Whitechapel, nördlich von dieser, hat zahlreiche Tabaks- und Zigarrenfabriken, und die deutschen Arbeiter, die dort wohnen, finden vielfach in den benachbarten Zuckersiedereien in Goodman's Fields Beschäftigung. Spitalfields ist der Sitz der aus Frankreich vertriebenen Seidenweber; Clerkenwell zählt unter seiner Bevölkerung zahlreiche Uhrmacher, Juweliere und Mechaniker.
Ein neutraler Streifen Landes, welchen die »Inns« der Advokaten und die höchsten Gerichtshöfe einnehmen, trennt die City von dem Westend, dessen geschäftlichen Mittelpunkt Charing Croß und Trafalgar Square bilden. Wie die City Sitz des Verkehrs, so ist das Westend im engern Sinn Sitz der politischen Thätigkeit, des Vergnügens und des vornehmen gesellschaftlichen Lebens. Die schönsten Stadtteile dieses Westend sind St. James mit Pall Mall und seinen zahlreichen Klubs, Belgravia im S. des Hyde Park, Mayfair und die Umgegend von Grosvenor Square im O. und der neue Stadtteil Tyburnia im N. desselben.
Diese vornehmen Quartiere der Stadt wandern stetig nach W., und Straßen und Plätze, welche noch zu Anfang des Jahrhunderts für aristokratisch galten, wie Russell Square, sind den wohlhabenden Mittelklassen, den Geschäftslokalen und selbst der Armut überlassen worden. Indes fehlt es auch dem Westend ebenso wie dem Ostend nicht an Stadtteilen, in welchen Armut und Laster ihren Sitz aufgeschlagen haben. Unter ihnen sind zu erwähnen: St. Giles, in der Nähe des Leicester Square, und Teile von Westminster und Chelsea.
Der südlich der Themse gelegene Stadtteil hat wiederum sein eigentümliches Gepräge. Er ist voll von Arbeiterwohnungen und Fabriken. In Lambeth und Wandsworth findet man zahlreiche Töpfereien und chemische Fabriken, in Southwark Brauereien, in Bermondsey Gerbereien. Diese innern Stadtteile umgibt in weitem Umkreis eine Reihe von teils sehr stattlichen Vorstädten, ursprünglich Landstädtchen oder Dörfern, die im Lauf der Zeit mit der Stadt völlig zusammengewachsen sind oder doch mit ihr durch Häuserreihen in Verbindung stehen. Die bekanntern davon sind: Dalston und Clapton im NO., Islington, Highbury, Holloway, Highgate und Hampstead im N., St. John's Wood, Bayswater und Notting Hill im NW., Kensington und Hammersmith jenseit des Hyde Park, Brompton im SW., Battersea, Clapham, Stockwell, Brixton und Camberwell im S.
[Brücken.]
Den Verkehr zwischen den auf beiden Seiten der Themse gelegenen Stadtteilen vermitteln 19 Brücken und 2 Tunnels. Von den Brücken dienen 6 dem Eisenbahnverkehr, 4 von ihnen sind in Stein ausgeführt, 8 in Stein und Eisen, 3 in Eisen, und 4 sind Hängebrücken. Die wichtigern unter ihnen sind: Die Londonbrücke, das wichtigste Bindeglied zwischen City und Southwark, an der obern Grenze des Londoner Hafens, ist 1825-31 von John Rennie an Stelle der ältesten, seit dem 12. Jahrh. bestehenden steinernen Brücke der Stadt aus schottischem Granit aufgeführt.
Einschließlich der Widerlager ist die Brücke 283 m lang, von den fünf Bogen hat der mittlere 46,3 m Spannweite. Man hat berechnet, daß täglich 20,000 Wagen und 170,000 Menschen diese Brücke passieren. Ihr zunächst folgt die vom Bahnhof in Cannon Street ausgehende Eisenbahnbrücke, die von 16 gußeisernen Cylindern getragen wird. Oberhalb liegt die Southwarkbrücke, ein Meisterwerk John Rennies, 215,8 m lang, mit drei gußeisernen, auf steinernen Pfeilern ruhenden Bogen (der mittlere 73,2 m weit).
Dann folgen rasch aufeinander eine noch unvollendete Eisenbahnbrücke, die Alexandrabrücke, 317 m lang, welche gleichfalls dem Eisenbahnverkehr dient, und die 1869 vollendete Blackfriarsbrücke, 281 m lang, mit schmiedeeisernen, von Granitpfeilern getragenen Bogen, bei welcher der Themsedamm seinen Anfang nimmt und sich 2024 m weit ohne Unterbrechung bis zur Westminsterbrücke erstreckt. Die Waterloobrücke, 1811-1817 ebenfalls von Rennie erbaut und unstreitig eine der schönsten Brücken der Welt, ist mit Einschluß
Maßstab = 1:60.000.
Zum Artikel »London«.
mehr
ihrer Anfahrten 746,6 m lang, und ihre neun Korbbogen haben eine Weite von je 36,5 m. Die Eisenbahngitterbrücke bei Charing Croß nimmt die Stelle einer alten Hängebrücke ein. Auf sie folgt die 1862 von Page vollendete Westminsterbrücke, aus Stein und Eisen aufgeführt, 352,6 m lang und 25,9 m breit, mit sieben Bogen, deren mittlerer eine Spannweite von 36,5 m hat. Die alte, 1739-50 von einem Schweizer erbaute Brücke, die zweite Londons, fiel ihr zum Opfer. Unter den obern Brücken ist die Kettenbrücke bei Chelsea, 1857-58 erbaut, wohl die wichtigste. Sie ist 289,9 m lang, und die beiden Öffnungen sind jede 105,8 m weit. Der einst für ein Wunderwerk der Welt gehaltene Themsetunnel wird jetzt von einer Eisenbahn durchfahren; man hat aber einen kleinern Tunnel (subway), für Personenverkehr, beim Tower gebaut und arbeitet an einem großen Tunnel, welcher Blackwall mit Greenwich verbinden wird.
[Straßen.]
Von den ungefähr 11,000 Straßen Londons, in einer Gesamtlänge von 3200 km (450 km mit Granit und 85 mit Holz gepflastert, 22 asphaltiert und sämtlich mit guten Trottoirs versehen), können nur wenige in architektonischer Beziehung Anspruch auf Schönheit machen. Die Mehrzahl der Häuser ist aus Backsteinen aufgeführt, 2-3 Stockwerke hoch, zwei Fenster breit, ungetüncht und von Rauch geschwärzt. In den Geschäftsstraßen der City jedoch, in den wohlhabenden Stadtteilen des Westend und vielfach in den Vorstädten gestalten sich diese Verhältnisse günstiger, und namentlich in jüngster Zeit sind zahlreiche Bauten erstanden, welche einer jeden Stadt zur Zierde gereichen würden.
Unter sämtlichen Verkehrsadern Londons ist die ausgedehnte Straßenreihe, welche die Bank mit Westminster verbindet, die wichtigste und auch wohl die älteste. Als Cheapside (»Kaufstraße«) erstreckt sie sich von der Bank bis zur Paulskathedrale, nimmt dann den Namen Ludgate Hill an und geht an der Stelle des alten Ludthors in Fleet Street über. Bei Temple Bar, dem einstigen Stadtthor, an dessen Stelle ein Denkmal getreten ist, verlassen wir das Gebiet der City. Der Strand, mit zahlreichen Theatern, Speisewirtschaften und Kaufläden, bringt uns nach dem Trafalgar Square und Charing Croß, von wo die breite, Whitehall genannte und fast ganz von Regierungsgebäuden besetzte Straße nach den Parlamentsgebäuden führt.
Abermals von der Bank ausgehend, bringt uns die neue Queen Victoria Street mit ihren stattlichen Geschäftshäusern auf den Themsedamm, der, teilweise mit städtischen Anlagen geziert, sich mit der Zeit zu einem Glanzpunkt Londons entwickeln wird. Die von Bäumen beschattete Northumberland Avenue verbindet den Themsedamm mit Charing Croß. Eine dritte Straßenreihe geht von der Paulskathedrale aus. Sie überschreitet auf hohem Viadukt das Thal des ehemaligen Flüßchens Fleet und setzt sich als Holborn und Oxford Street bis zum Hyde Park fort.
Unter den andern Straßen, welche von der Bank, dem Mittelpunkt der City, ihren Ausgangspunkt haben, sind zu erwähnen: Moorgate Street mit ihren Verlängerungen, der City Road etc., welche nördlich von Oxford Street nach dem weiten Westen führt;
die in nördlicher Richtung verlaufende Bishopsgate Street, die nach O. führende Whitechapel Road und King William Street, welche zur Londonbrücke führt und jenseit derselben sowohl in südlicher als in südöstlicher Richtung ihre Fortsetzung findet.
Unter den von N. nach S. verlaufenden Straßen ist Regent Street die bedeutendste und überhaupt eine der schönsten in London. Sie wurde seit 1813 nach dem Entwurf von Nash nach einheitlichem Plan ausgeführt und verbindet Waterloo Place, wo die Denksäule des Herzogs von York steht, mit dem Regent's Park. Sie durchschneidet Oxford Street sowohl als Piccadilly, Pall Mall (mit schönen Klubhäusern) und mündet beim Waterloo Place in St. James. Die neuern Straßendurchbrüche erleichtern zwar den Verkehr, verschönern aber keineswegs die Stadt in dem gehofften Maß.
[Squares, Parke.]
Zahlreiche mit Gartenanlagen versehene Squares gereichen London zur besondern Zierde. Die Mehrzahl derselben ist Privateigentum und nur den Umwohnern zugänglich. Einige jedoch, wie der mit einem Denkmal Shakespeares geschmückte Leicester Square, Soho Square und der bei den Parlamentsgebäuden und der Westminsterabtei gelegene Parlament Square, stehen dem Publikum offen. Die bereits 1619 vom berühmten Architekten Inigo Jones angelegten Lincoln's Inn Fields, Eaton Square, der aristokratische Belgrave Square und Russell Square sind die bedeutendsten unter diesen offenen Stellen im Londoner Häusermeer.
Trafalgar Square hat keinen Baumwuchs, aber Springbrunnen, eine Nelsonsäule und andre Denkmäler. Smithfield (eigentlich Smoothfield, »ebenes Feld«) in der City ist historisch merkwürdig als alter Turnierplatz und Hinrichtungsstätte. Nächst den Squares sind es die großen öffentlichen Parke, deren frisches Grün das Auge erquickt, und die teilweise im Innern der Stadt liegen. Sämtliche 42 Parke und öffentliche Gärten von London umfassen einen Flächenraum von 1817 Hektar.
Den vornehmsten Rang unter ihnen nimmt die zusammenhängende Reihe des Westend Park ein, welche sich von der Nähe der Charing Croß ununterbrochen bis zur Vorstadt Kensington erstreckt und ein Areal von 319 Hektar hat. Dazu gehören St. James' Park mit der nach einem Ballspiel genannten Allee »The Mall«, Green Park, Hyde Park (157 Hektar) und die mit prächtigem Baumwuchs gezierten Kensington Gardens. Am Hyde Park Corner, wo Green und Hyde Park zusammenstoßen, steht ein Denkmal Wellingtons und im Park selbst, an der Stelle, welche das 1851er Ausstellungsgebäude einnahm, ein großartiges Denkmal des Prinzen Albert (Albert Memorial).
Hyde Park ist Sammelplatz der vornehmen Welt, welcher hier in der Rotten Row (Route du roi) eine vorzügliche Reitbahn, in der Ladies' Mile oder dem Ring eine schöne Fahrbahn geboten wird. Regent's Park (191 Hektar) mit dem anstoßenden Primrose Hill Park (28 Hektar) liegt nördlich vom Hyde Park, und in noch größerer Entfernung vom Westend liegen Finsbury Park (47 Hektar), Victoria Park (107 Hektar) und West Ham Park (32 Hektar), letzterer im fernsten Osten. Auf dem südlichen Ufer liegen Battersea Park (101 Hektar), Kennington Park (10 Hektar), Southwark Park (25,5 Hektar) und Greenwich Park (70,3 Hektar).
Kleinere Gartenanlagen findet man in verschiedenen Teilen der Stadt, namentlich auf dem Themsedamm; auch die schönen Temple Gardens stehen dem Publikum zu gewissen Stunden offen. Diesen eigentlichen Parken schließen sich eine stattliche Reihe von Commons (Gemeindeweiden) an, unter welchen Hampstead Heath im N., Clapham Common im SO. und Blackheath (»die schwarze Heide«) bei Greenwich die bedeutendsten sind. In sämtlichen Parken findet man Spiel- und Turnplätze, und auch für das Baden sind in einigen unter ihnen Vorrichtungen getroffen. Sie wirken außerdem belehrend durch die in ihnen gepflegten ausländischen, stets mit Namen versehenen Gewächse, und als
mehr
Gesundheitsanstalten verdienen sie vollkommen den ihnen beigelegten Namen der »Lungen Londons«. Unter den großen Friedhöfen zeichnen sich diejenigen von Highgate, Kensal Green, Brompton und Norwood durch schöne Anlagen und sehenswerte Denkmäler aus. Die alten Kirchhöfe sind teilweise in Gärten umgewandelt worden.
[Denkmäler.]
Von den 81 im Freien aufgestellten öffentlichen Denkmälern sind nur wenige von hervorragend künstlerischem Wert. Von ihnen verherrlichen 23 Mitglieder des königlichen Hauses, 11 Kriegshelden oder kriegerische Ereignisse, 15 Staatsmänner, 5 Schriftsteller, 4 Gelehrte, 2 Maler, 4 Philanthropen etc. Es sind unter ihnen 4 Säulen, 5 Obelisken, 63 Standbilder, 7 Brustbilder und 2 anderweitige. Unter allen diesen Denkmälern nimmt das des Prinzen Albert im Hyde Park (nach dem Entwurf des Architekten G. Scott) den vornehmsten Rang ein.
Außerdem verdienen Beachtung die 59 m hohe Nelsonsäule auf dem Trafalgar Square, die schwerfällige Säule mit dem Standbild eines Herzogs von York auf dem Waterloo Place, die zur Erinnerung an den »großen Brand« vom Jahr 1666 errichtete Säule in der City und der auf dem Themsedamm aufgestellte 21 m hohe ägyptische Obelisk (Kleopatras Nadel). Unter den bedeutenden Männern, die London durch Denkmäler geehrt hat, sind die Dichter Shakespeare und Byron, die Gelehrten Newton, Hunter, Sloane und Jenner, die Schriftsteller Carlyle und Mill, die Maler Hogarth und Reynolds, der Ingenieur Brunel, der Gärtner Paxton, die Staatsmänner Canning, Pitt, Fox, Peel, Palmerston, Derby, Beaconsfield, Cobden und Lord Lawrence, der Philanthrop Peabody, der Nordpolfahrer Franklin, die Kriegshelden Nelson, Wellington, Lord Clyde, Napier, Havelock und Outram zu nennen.
Kirchliche Bauwerke.
Zur Zeit der Reformation war London reich an Kirchen wie keine andre Stadt; zwei Drittel des Areals der City waren mit kirchlichen Gebäuden bedeckt, und sämtliche Bischöfe des Landes sowie zahlreiche Äbte hatten in London ihre Residenzschlösser. Heinrich VIII. räumte gewaltig unter den Klöstern auf, und leider verschwand infolgedessen manches wertvolle Bauwerk, während man die teilweise sehr häßlichen Gemeindekirchen stehen ließ. Der »große Brand« von 1666 zerstörte abermals 85 Kirchen, von denen nur 49 von Wren wieder aufgebaut wurden, so daß jetzt in ganz London nur 25 Kirchen und Kapellen zu finden sind, welche aus der Zeit der Reformation stammen.
Unter allen diesen Kirchen steht die Westminsterabtei obenan (vgl. Stanley, Historical memorials of Westminster Abbey, 5. Aufl. 1882). Sie ist in Gestalt eines lateinischen Kreuzes gebaut, 161,5 m lang, im Querschiff 61,86 m breit und im Hauptschiff 31,1 m hoch. Von dem Turm, welcher sich am Durchkreuzungspunkt der Schiffe erheben sollte, besteht nur der Unterbau. Chor und Querschiff wurden an Stelle einer ältern Kirche 1245-69 errichtet, ein Teil des Langschiffs wurde 1307 vollendet; aber die westliche, von zwei 68,6 m hohen Türmen eingefaßte Fassade wurde erst 1483-1509 in Tudor-gotischem Stil erbaut, und die Türme wurden später von Wren in verdorbenem Geschmack vollendet.
Die Verhältnisse des Innern sind großartig. Die Höhe der Schiffe, Fenster und andrer Teile des Baues beträgt stets das Dreifache der Breite; so ist das Hauptschiff 10,36 m breit und 31,08 m hoch. Hinter dem Altar liegt die Kapelle Eduards des Bekenners, mit dem 1269 vollendeten Schrein dieses Heiligen. Das Chor umgibt ein Kapellenkranz, und östlich schließt sich an diesen die 1503-22 im reichsten gotischen Stil erbaute Kapelle Heinrichs VII. an, deren fächerartig gewölbte Decke ein Meisterwerk der Baukunst ist. Im Hauptschiff dieser Kapelle ist das Grabmal des Königs, von einem zierlichen Messinggitter umgeben, in der einen Seitenkapelle das Grabmal der Maria Stuart, in der andern das ihrer Gegnerin Elisabeth.
Die Zahl der im Innern der Kirche aufgestellten Denkmäler ist ungemein groß; überall ziehen Namen der großen See- und Kriegshelden, der Staatsmänner, Geschichtschreiber und Philosophen, Theologen, Gesetzgeber, Maler, Bildhauer und Tondichter die Augen des Beschauers auf sich. Im sogen. Dichterwinkel hat man den größten englischen Dichtern, von Chaucer bis auf unsre Zeiten, Denkmäler errichtet (nur Byron nicht). Die an die Kirche angebauten Kreuzgänge sind sorgfältig wiederhergestellt worden.
Einige alte Gewölbe, darunter die Kammer der Pyx (wo in einer altmodischen Kiste Proben aller in England geprägten Münzen aufbewahrt werden) aus der Zeit Eduards des Bekenners, stoßen an dieselben an, und ein Gang führt von ihnen in das achteckige, 1250 erbaute Kapitelhaus. Nächst der Westminsterabtei ist die St. Paulskathedrale die berühmteste Kirche Londons. Sie steht an Stelle der gotischen Kathedrale, welche 1666 ein Raub der Flammen wurde, und ist 1675-1710 nach den Entwürfen Christopher Wrens erbaut worden, als dessen Meisterwerk sie gilt.
Die Baukosten beliefen sich auf 747,954 Pfd. Sterl., doch harrt ein großer Teil des Innern noch seiner Ausschmückung. Die Kirche ist in Gestalt eines Kreuzes erbaut, 152,4 m lang, 76,2 m breit und wird von einer Kuppel überragt, welche 32,9 m im Durchmesser hat. Die Spitze des Kreuzes erreicht eine Höhe von 111,25 m. Eine Freitreppe von 22 Marmorstufen an der Westfassade führt zu einer 36,5 m breiten, 15,25 m hohen Säulenhalle von 6 Säulenpaaren korinthischen Stils, über welcher 4 Paar Säulen gemischten Stils, 12,2 m hoch, einen zweiten Stock bilden. An beiden Seiten begrenzen 67,7 m hohe Glockentürme diesen doppelten Portikus. Im Innern hat man berühmten Engländern Denkmäler aufgestellt, und in der Krypte liegen unter andern begraben: Nelson, Wellington und der Erbauer der Kathedrale.
Von den übrigen Kirchen sind noch hervorzuheben: St. Bartholomew's in West Smithfield, mit Chor und Kreuzschiff aus dem 12. Jahrh. und frühenglischem Portal;
die bereits erwähnte Rundkirche der Tempelherren;
St. Saviour's in Southwark, mit Chor und Kreuzschiff aus dem 13. Jahrh., eins der bemerkenswertesten Beispiele des frühenglischen Stils;
die 1354 erbaute Kirche in Austin Friars, welche 1550 der niederdeutschen Gemeinde geschenkt wurde.
Unter den kleinern Kirchen, welche Wren erbaute, verdienen St. Mary le Bow, gewöhnlich Bow (Bogen) Church genannt, mit zierlichem, 71,5 m hohem Turm, St. Bride's in Fleet Street und St. Dunstan's im O. Beachtung. Inigo Jones erbaute die Paulskirche im Covent Garden (1645), Gibbs die St. Martinskirche am Trafalgar Square (1721-26), Shaw die zierliche St. Dunstanskirche im Strand (1830-33), A. W. Pugin die kathol. Kathedrale des heil. Georg in Lambeth (1840-49), Gilbert Scott in jüngerer Zeit die Pfarrkirchen von Camberwell und Kensington. Unter den zahlreichen Kirchen der Dissidenten sind nur wenige, welche als Werke der Baukunst Beachtung verdienen. Wegen seiner Größe und innern Einrichtung (mit Bühne anstatt der Kanzel) ist das vom Geistlichen Spurgeon
mehr
erbaute Tabernakel bemerkenswert. Überhaupt gibt es in London 1151 größere dem Gottesdienst geweihte Gebäude, worunter 554 den Anglikanern, 514 den Dissidenten, 66 den Katholiken und 17 den Juden gehören.
Öffentliche Bauwerke. Paläste etc.
An großartigen öffentlichen Bauten ist London zwar nicht gerade arm, aber bei der Zerstreuung derselben über die ganze Stadt fallen diese weniger in die Augen. Als architektonischer Glanzpunkt kann eigentlich nur der vom Parlamentsgebäude und der Westminsterabtei überschaute Parlament Square gelten. Trafalgar Square, der infolge seiner Lage Gelegenheit böte, große architektonische Wirkungen zu erzielen, wirkt enttäuschend, wird aber vielleicht im Lauf der Zeit auf eine Weise umgewandelt werden, welche der reichsten und größten Hauptstadt der Welt würdig ist.
Seit Wilhelm dem Eroberer ist London unbestrittene Landeshauptstadt, kann aber trotzdem keinen des Reichs würdigen königlichen Palast aufweisen. Der Tower, welchen Wilhelm als Palast und Zwingburg baute, und der später als Staatsgefängnis diente, ist jetzt Kaserne und Arsenal (s. unten). Der von I. ^[Inigo] Jones vorgeschlagene Prachtbau, an Stelle des durch Feuer zerstörten Palastes von Whitehall, ist Bruchstück geblieben. St. James' Palace, die älteste königliche Residenz Londons, stammt teilweise aus der Zeit Heinrichs VIII., ist aber in architektonischer Beziehung ohne alle Bedeutung.
Die wichtigern Hofzeremonien finden in demselben statt; aber die Königin bewohnt während ihrer seltenen Besuche Londons den benachbarten Buckingham Palace, ein 1703 vom Herzog von Buckingham erbautes und später umgestaltetes und erweitertes Gebäude mit hübscher Fassade in deutscher Renaissance (von Blore). Das Innere enthält einige geschmackvolle Räumlichkeiten, darunter den mit scharlachrotem Atlas behangenen Thronsaal und den 1856 vollendeten Ballsaal sowie eine wertvolle Sammlung von Gemälden und Skulpturen.
Marlborough House, 1709-10 von Chr. Wren für den großen Herzog von Marlborough erbaut, steht neben dem St. James' Palace und ist Stadtresidenz des Prinzen von Wales. Kensington Palace, aus der Zeit Wilhelms III. stammend, wird von einigen Mitgliedern der königlichen Familie bewohnt. Die Wohnsitze des hohen Adels zeichnen sich weniger durch prachtvolle äußere Ausstattung als durch behagliche Einrichtung des Innern und ihren Gehalt an wertvollen Kunstschätzen aus.
Der ehrwürdigste unter ihnen ist Lambeth Palace, die Stadtresidenz des Erzbischofs von Canterbury, am rechten Themseufer, oberhalb der Parlamentsgebäude. Die 1244-70 erbaute Kapelle ist der älteste Teil desselben, und der sogen. Lollardturm, in welchem die Lollarden oder Wiclefiten gefangen gehalten wurden, stammt aus dem 15. Jahrh. Stafford House am St. James' Park, Sitz des Herzogs von Sutherland, Bridgewater House am Green Park, Apsley House (Herzog von Wellington) am Hyde Park Corner und Grosvenor House (Herzog von Westminster), östlich vom Hyde Park, sind wohl die beachtenswertesten unter ihnen und enthalten sämtlich wertvolle Kunstschätze. Holland House, im W. der Kensington Gardens, ist durch historische Erinnerungen interessant. Northumberland und Burlington House bestehen nicht mehr; aber in der City kann der Wißbegierige noch einen Einblick in einen aus dem 15. Jahrh. stammenden Palast gewinnen (Crosby Hall), welcher jetzt als Speisewirtschaft dient.
Unter den Staatsgebäuden steht obenan der neue Palast von Westminster oder das Parlamentsgebäude, an Stelle des 1834 durch Feuer zerstörten alten Palastes errichtet und jedenfalls der größte gotische Bau der Neuzeit. Erbauer des Palastes war Charles Barry. Der Bau begann 1837, und das Äußere wurde 1868 mit einem Kostenaufwand von über 2 Mill. Pfd. Sterl. vollendet. Der gewaltige Bau bedeckt einen Flächenraum von 3,24 Hektar und enthält 1100 Räume, teilweise von großartigen Verhältnissen.
Die dem Fluß zugewandte, 286 m lange Hauptfassade ist ziemlich einförmig; schöner ist die westliche Fassade, weil sie reichere Abwechselung bietet. An der nordwestlichen Ecke steht der viereckige, 97,5 m hohe Glockenturm mit der 140 Doppelzentner schweren Stephansglocke und während der Nacht erleuchteter Uhr, deren vier Zifferblätter je 7,16 m Durchmesser haben. In der Mitte des Gebäudes erhebt sich der 91 m hohe, zierliche Mittelturm und an seiner südwestlichen Ecke der bis zu den Zinnen 102,4 m hohe Viktoriaturm mit 19,8 m hohem Portal, durch welches die Königin bei Eröffnung des Parlamente einfährt.
Die 1397-99 erbaute Westminster Hall ist dem Parlamentsgebäude einverleibt worden. Sie ist 73,2 m lang, 20,5 m breit, 12,7 m hoch und hat ein vielbewundertes Holzdach. Eine Treppe führt von ihr hinab in die unterirdische St. Stephanskapelle, einen Rest des alten Palastes, 1290-1345 erbaut und in jüngster Zeit glänzend restauriert. Das Innere des Gebäudes durch Westminster Hall betretend, gelangen wir zuerst in die St. Stephen's Hall, in welcher die Bildsäulen von zwölf berühmten Parlamentsmitgliedern aufgestellt sind, und die reichverzierte achteckige Central Hall, 18,28 m im Durchmesser und 24 m hoch.
Zur Linken derselben liegt das geschäftsmäßig eingerichtete Haus der Gemeinen (welches indes nicht sämtliche Mitglieder zu fassen vermag), zur Rechten das prunkvoll ausgestattete Herrenhaus. Hinter letzterm liegt eine Reihe von Räumen, welche die Königin bei Eröffnung des Parlaments durchschreitet. Im Prinzengemach steht eine Bildsäule der Königin (von J. ^[John] Gibson); in der nächstliegenden Royal Gallery befinden sich die berühmten Fresken von D. Maclise, den Tod Nelsons und das Zusammentreffen Wellingtons mit Blücher bei Waterloo darstellend.
Überhaupt ist sowohl das Äußere als das Innere des Gebäudes mit Werken der Bildhauerkunst und Skulpturen überreich verziert. Die breite Straße Whitehall, die das Parlamentsgebäude mit Charing Croß verbindet, ist dazu bestimmt, Mittelpunkt der Regierungsämter zu werden. Erst jüngst (1868-74) ist dort ein gewaltiger Bau im italienischen Stil entstanden, in welchem die Ministerien des Innern, der Kolonien, Indiens und der auswärtigen Angelegenheiten ein würdiges Unterkommen gefunden haben.
Die Fassade nach der Straße zu ist 96,7 m lang, und das Gebäude erstreckt sich bis zum St. James' Park. Sein Äußeres sowohl als die Höfe sind mit Skulpturen reich verziert. Die vielgenannte Downing Street trennt diesen Bau von dem Schatzkammeramt (Treasury buildings), welches die Büreaus des ersten Ministers (Lord High Treasurer), des Handelsamts und des Geheimen Rats enthält. Die von Barry 1846-47 einem häßlichen, alten Gebäude angepaßte Fassade hat eine Länge von 90 m. Hinter demselben liegt das unansehnliche Finanzministerium, welchem der Chancellor of the Exchequer vorsteht. Weiter in der Straße fortschreitend, erreichen wir die »Horse Guards«, zwei Schildwachen zu Pferde, beim Amtslokal des Oberbefehlshabers der Armee, einem malerischen Bau (mit Uhrturm) aus dem letzten Jahrhundert. Nördlich davon
mehr
sind dem neu zu erbauenden Kriegs- und Marineministerium Bauplätze angewiesen. Am Strand, bei der Waterloobrücke, liegt Somerset House, das Meisterwerk Sir W. Chambers', 1776-1827 im Stil Palladios erbaut, mit 183 m langer Fassade nach der Themse hin und schönem Hof mit dem Denkmal Georgs III. In ihm befinden sich das Standes- und das Steueramt. Die Record Office (Staatsarchiv), ein seit 1856 feuerfest aufgeführter gotischer Bau mit dickem viereckigen Turm, liegt versteckt in einer Hintergasse bei Fleet Street.
Das von Smirke 1825 bis 1829 errichtete Generalpostamt liegt bei der St. Paulskirche und hat eine 107 m lange Fassade mit ionischem Portikus. Ihm gegenüber steht das 1874 errichtete Zentraltelegraphenamt. In diesen beiden Gebäuden arbeiten an 5000 Beamte (mit Einschluß zahlreicher Telegraphistinnen). Trinity House, Sitz der mit dem Lotsenwesen und den Leuchttürmen betrauten Behörde, und die königliche Münze sind ziemlich unansehnliche Gebäude beim Tower.
Für die Münze ist indes auf dem Themsedamm ein Neubau im Entstehen. Unter den städtischen Gebäuden sind hervorzuheben die Guildhall oder das Rathaus, 1411 erbaut, aber später vielfach restauriert. Die große Halle, in welcher die städtischen Festlichkeiten stattfinden, ist 46,6 m lang, 15,2 m breit, 16,8 m hoch und enthält auch einige Denkmäler; Gänge führen von ihr in die städtische Bibliothek und das Museum (1870-73 erbaut) sowie in einige der städtischen Gerichtshöfe. Das Mansion House, die Amtswohnung des Lord-Mayors, ward 1739-41 von Dance aufgeführt und hat einen korinthischen Portikus von sechs Säulen. Unter seinen Räumen ist die sogen. Ägyptische Halle der bedeutendste. Ihm gegenüber liegen die 1841-44 erbaute Börse (Royal Exchange) mit stattlichem korinthischen Portikus und die hinter einer ornamentalen Mauer versteckte Bank von England.
Die obersten Gerichtshöfe des Landes tagen seit 1882 in dem nach den Plänen Streets errichteten ziemlich schwerfälligen, gotischen Bau, der nach dem Strand zu eine Fassade von 152 m hat, so recht in der Mitte des Advokatenviertels und seiner Inns of Court. Diese Inns sind von alters her Sitz der englischen Rechtsgelehrsamkeit. Sie sind Eigentum der vier großen Advokateninnungen, welche sie durch Kauf oder Schenkung erworben haben, und die Mehrzahl der angesehenen Advokaten Londons hat in ihnen ihre Büreaus.
Die vornehmste dieser Inns ist der Temple, 1184-1313 im Besitz der Tempelherren und später der Johanniter, welche ihn an eine Genossenschaft von Rechtsgelehrten vermieteten, die sich bis auf den heutigen Tag in dessen Besitz erhalten hat. Außer zahlreichen Wohnhäusern befinden sich im Umkreis des von Fleet Street bis zur Themse reichenden innern und mittlern Temple (einen äußern Temple gibt es nicht mehr) eine 1185 in normännischem Stil erbaute Rundkirche mit im 13. Jahrh. angefügtem frühenglischen Chor, die zwei »Hallen« oder gemeinschaftlichen Versammlungslokale und eine 1861 errichtete Bibliothek. Lincoln's Inn hat eine von Inigo Jones erbaute Kapelle und eine prächtige, im Tudorstil aufgeführte neue Halle mit daran stoßender Bibliothek. Noch weiter nach N. hin, jenseit Holborn, liegt Gray's Inn mit 1560 erbauter Kapelle, früher Klostereigentum, aber von Heinrich VIII. den Rechtsgelehrten überlassen.
London hat zwar nur wenige große Kasernen (die ganze Garnison, einschließlich Woolwich, besteht nur aus 5 Bataillonen Infanterie, 2 Regimentern Gardereiterei und 12 Batterien), besitzt aber trotzdem einige Militärbauten von hohem Interesse. Unter ihnen ist der altehrwürdige Tower unterhalb der City, am Themseufer, am merkwürdigsten. Derselbe bedeckt eine Oberfläche von 5½ Hektar, ist von einem tiefen, jetzt trocknen Graben umschlossen und hat in der Geschichte Englands als Festung, Gefängnis, Schatzkammer, Zeughaus und königliche Residenz eine merkwürdige Rolle gespielt (vgl. Dixon, Der Tower von London, deutsch, Berl. 1870, 2 Bde).
Der »weiße Turm« in der Mitte ist der älteste Teil und wurde 1078 von Wilhelm dem Eroberer gebaut. Er enthält eine normännische Kapelle und einen geschmackvoll geordneten Vorrat von 60,000 Gewehren. An ihn schließt sich eine höchst wertvolle und gut geordnete Waffensammlung an. Unter den andern Türmen sind historisch merkwürdig: der Beauchamp Tower, im 13. Jahrh. erbaut, in welchem die beiden Grafen Warwick bis zu ihrem Tod gefangen saßen;
der Bloody Tower, in welchem die Kinder Eduards IV. ermordet wurden;
der Brick Tower, welcher der Jane Gray als Gefängnis diente;
der Record Tower, welcher früher das königliche Archiv enthielt, und in welchem jetzt ein Teil der Kronjuwelen aufbewahrt wird.
Die königlichen Gemächer, in welchen Anna Boleyn bis zu ihrem Tod wohnte, wurden 1688 abgebrochen. Die neue Kaserne steht an Stelle des alten Zeughauses. Auf dem innern Hofraum fielen die Köpfe zweier Gemahlinnen Heinrichs VIII. (Anna Boleyn und Katharina Howard), der Königin Jane Gray und des Grafen Essex. Sie sowohl als die 1389-1746 auf dem Towerhügel gerichteten »Hochverräter« haben in der unansehnlichen Kirche St. Peter ad Vincula (1272-1307 erbaut) ihre letzte Ruhestätte gefunden. Das von Karl II. gestiftete, von Wren erbaute Chelsea Hospital ist ein Invalidenhaus für Soldaten. Greenwich Hospital ist der neugegründeten Seeakademie überlassen worden (s. Greenwich).
Unter den Gebäuden, welche der Kunst und Wissenschaft dienen, gebührt auch architektonisch dem Britischen Museum (s. d.) der vornehmste Rang, wogegen die Nationalgalerie in einem äußerlich unansehnlichen Gebäude untergebracht ist. Bemerkenswert ist auch das vom Staat erbaute neue Burlingtonhaus, in welchem die Royal Society und andre gelehrte Gesellschaften ihren Sitz haben. Der Hauptbau, in italienischem Geschmack, liegt an Piccadilly. Ein hoher Thorweg führt in den Hof, dessen Hintergrund das Haus der königlichen Akademie der Künste einnimmt.
Nördlich davon liegt der Palast der Londoner Universität, im Stil Palladios, mit zahlreichen Statuen. Ferner verdienen Erwähnung das Museum in South Kensington, das ebendort erbaute Naturgeschichtliche Museum und das Imperial Institute. Unter den großen Bahnhöfen gebührt die Palme der Midland Station, deren gewölbtes Dach einen Raum von 213 m Länge bei 73 m Breite bedeckt; unter den Märkten nehmen die Fleischhallen auf Smithfield den vornehmsten Rang ein.
Unter den Theatern ist nur ein einziger monumentaler Bau, nämlich Covent Garden, der aber einen Vergleich mit ähnlichen Anstalten auf dem Kontinent kaum zuläßt. Bemerkenswert ist hingegen die 1871 eröffnete Alberthalle, im Hyde Park, eirund, 97,5 m lang, 85,3 m breit und mit Sitzplätzen (ohne die Galerie) für 5266 Zuschauer nebst Orchester und Chor von 1000 Personen. Der Kristallpalast in Sydenham ist ein Gebäude, dem keine andre Stadt Ähnliches an die Seite zu stellen hat. Beachtung verdienen ferner: St. Thomas' Hospital an der Themse, dem Parlamentsgebäude gegenüber;
das Bethlehem Hospital mit
mehr
weithin sichtbarer Kuppel; mehrere große Hotels und Restaurants (Criterion, St. James, Holborn, Tivoli) und viele der Klubhäuser. Unter letztern ist der National Liberal Club am Themsedamm das größte, wird aber in architektonischer Beziehung von den Prachtbauten in Pall Mall in den Schatten gestellt.
Wasser, Licht, Kanalisation. Verkehrsanstalten.
London wird durch acht Gesellschaften täglich mit 636 Mill. Liter Wasser versorgt, welches durch Hauptröhren in einer Gesamtlänge von 3900 km in jedes einzelne Haus geleitet wird. Etwa die Hälfte alles Wassers wird der obern Themse entnommen; die erste Wasserleitung wurde 1606 unter Leitung H. Myddletons angelegt. Gasbeleuchtung ist seit 1812 eingeführt. Die drei jetzt bestehenden Gasgesellschaften liefern jährlich 571 Mill. cbm Gas; die Gasröhren haben eine Länge von 4000 km. Die Qualität des Gases wird von den Behörden überwacht, und sobald die Dividende einer Gesellschaft 10 Proz. erreicht, muß der Preis desselben herabgesetzt werden.
Thatsächlich erzielen die Gesellschaften eine Durchschnittsdividende von 8,7 Proz. Das elektrische Licht ist seit 1878 eingeführt, findet aber nur beschränkte Verwendung. Die Abfuhr des Unrats geschieht durch ein großartiges, 1859-75 mit einem Aufwand von 4½ Mill. Pfd. Sterl. hergestelltes System von Abzugskanälen (sewers). Dieselben haben eine Länge von 3680 km und führen den Unrat nach zwei unterhalb der Londonbrücke liegenden Reservoirs, von wo er durch Dampfmaschinen bei der Ebbe in die Themse gepumpt wird. Das Wegschwemmen überläßt man der Flut. Man beabsichtigt aber, den Unrat durch Niederschlag und Druck auf 850 Ton. täglich zu reduzieren und dann in eigens gebauten Schiffen aufs hohe Meer zu schaffen oder auch landwirtschaftlich zu verwerten.
Wenn man bedenkt, daß täglich weit über 1 Mill. Menschen in das Innere der Stadt strömt, dort ihren Geschäften nachgeht und abends in die vorstädtischen Wohnungen zurückkehrt, so kann man sich einen Begriff machen von den Verkehrsanstalten, die notwendig sind, diese Menschenströme zu bewältigen. Die großen Eisenbahngesellschaften haben ihre Bahnhöfe entweder im Innern der Stadt selbst, oder sind mit demselben durch teilweise unterirdische Bahnen verbunden.
Großartig sind namentlich die Bahnhöfe beim Charing Croß, in der Cannon Street und beim King's Croß. Gürtelbahnen verbinden die Vorstädte untereinander und mit der City. Die Eisenbahnen im Gebiet der Hauptstadt haben eine Länge von 288 km, und allein drei Lokalbahnen (88 km) beförderten 1885: 150 Mill. Personen, und ihre Züge legten 17 Mill. km zurück. Ihr Bau hat 23,483,000 Pfd. Sterl. gekostet. Auf Pferdebahnen (205 km) wurden 1886 126 Mill. Menschen befördert und in etwa 1200 Omnibussen wohl die gleiche Zahl. Kleine Dampfer befahren die Themse.
Bevölkerungsverhältnisse.
Seiner Einwohnerzahl nach ist London die bevölkertste Stadt der Welt, selbst innerhalb der Grenzen, die vom Registrar general angenommen werden (305,1 qkm mit 1881: 3,816,483 Einw.). Nur wenig größer ist das Gebiet, über welches sich die Autorität des Bauamtes erstreckt (305,3 qkm mit 3,834,354 Einw.). Nun liegen aber jenseit dieser Grenzen und namentlich im O. des Lee (West Ham) ganz bedeutende Stadtteile, welche innig mit London verwachsen sind, und auch viele der weiter entfernten Vorstädte und Städte können füglich als Teile der Metropole betrachtet werden, so daß »Groß-London« einschließlich der City und des hauptstädtischen Polizeibezirks ein Areal von 1786,8 qkm (32,4 QM.) bedeckt und 4,766,661 Einw. zählt.
Die Bevölkerung hat namentlich seit Anfang dieses Jahrhunderts rasch zugenommen. Im J. 1600 zählte London erst 150,000 Einw., 1801: 958,863, 1821: 1,378,947, 1841: 1,948,417, 1861: 2,803,989, 1881: 3,816,483 und 1886 (nach Schätzung) 4,149,533 Einw. Diese Zunahme verteilt sich indes sehr verschieden auf die einzelnen Stadtteile und gehört im wesentlichen der Peripherie an. In den Jahren 1871-81 betrug die Zunahme für ganz London 17,3 Proz., aber die Binnenstadt (878,556 Einw. im J. 1881) nahm um 7,8 Proz. ab, während die Außenstadt um 27,7 Proz. zunahm.
Noch bedeutender war der Zuwachs in den Vorstädten, welche die eigentliche Metropole zum Polizeibezirk ergänzen (1881: 950,178 Einw.), denn er betrug 50,5 Proz., so daß »Groß-London« eine Zunahme von 22,7 Proz. aufzuweisen hat. Was die innere Stadt und namentlich die City betrifft, so werden dort die Wohnhäuser immer mehr von Warenlagern und Geschäftslokalen verdrängt. Während nur 50,526 Personen in der City schliefen, wohnten und arbeiteten in derselben während des Tags 261,061 Personen (195,577 Männer, 44,179 Frauen und 21,305 Kinder unter 15 Jahren) und wurde dieselbe außerdem noch von über einer halben Million Personen besucht.
Auf 1000 Lebende kamen in London 1886: 33,7 Geburten und 20,9 Todesfälle. Die Gesundheitsverhältnisse sind demnach besser als in irgend einer andern Großstadt. Noch 1840-50 kamen auf 1000 Lebende 24,8 Proz. Todesfälle, 1870-1880 nur 22,5 Proz. Auf 1000 Männer kamen 1123 Weiber. Den Altersklassen nach sind 33,61 Proz. unter 15 Jahre alt, 19,75 Proz. zählen 15-25 Jahre, 29,15 Proz. 24-45 Jahre, 38,80 Proz. 45-65 Jahre und 3,69 Proz. über 65 Jahre. Von über 15 Jahre alten Personen sind 48,2 Proz. der Männer und 47,0 Proz. der Frauen verheiratet. Der Beschäftigung nach kamen 23,7 Proz. auf Gewerbe, 6,8 Proz. auf Handel und Verkehr.
Die Zusammensetzung der Bevölkerung ist eine sehr mannigfaltige. Von 1000 Bewohnern sind nur 629,4 in London geboren, 307,3 stammen aus dem Rest von England und Wales, 13,0 sind geborne Schotten, 21,2 Irländer, 8,4 aus britischen Kolonien und 20,8 Ausländer. Unter den 79,709 im Ausland Gebornen sind indes 10,457 Kinder britischer Eltern oder naturalisiert, so daß nur 60,252 wirkliche Ausländer (foreigners) verbleiben, und unter diesen zählt man 21,966 Deutsche, 8251 Franzosen, 6931 Russen und Polen, 4301 Amerikaner, 4193 Holländer, 3504 Italiener, 2296 Schweizer, 1278 Österreicher und 1492 Belgier.
Einschließlich ihrer naturalisierten Landsleute und der in England gebornen Kinder dürfte sich die deutsche Bevölkerung Londons (mit Deutschen, Schweizern und Österreichern) auf 34,000 Seelen belaufen, wovon 12,000 weiblichen Geschlechts. Die Deutschen bilden von alters her einen angesehenen Bestandteil der Bevölkerung Londons; sie hatten bereits im 10. Jahrh. eine Kolonie und erfreuten sich als »Kaisermannen« bedeutender Privilegien. Die Hanseaten, welche Heinrich III. zur See gegen Frankreich unterstützt hatten, erhielten 1266 einen Freibrief, welcher ihnen das Recht erteilte, gegen Erlegung eines Zolles von nur 1 Proz. Waren ein- und auszuführen. 1473 wurde ihnen ihr Stapelhof (steel-yard) gegen Zahlung einer Jahresmiete von 70 Pfd. Sterl. überlassen. Sämtliche Vorrechte wurden den ausländischen Kaufleuten 1597 entzogen, aber der Stapelhof blieb im Besitz der Hansestädte, bis er 1866
mehr
von ihnen an eine Eisenbahngesellschaft verkauft wurde. Jetzt steht der Bahnhof in Cannon Street an dessen Stelle. 1580 zählte man unter den in London lebenden 6502 Ausländern (einschließlich der in England gebornen Kinder) bereits 2302 Deutsche. Die Deutschen besitzen in London 8 protestantische und eine kathol. Kirche (einschließlich einer Hofkapelle), mit denen mehrfach Volksschulen vereinigt sind, einen Klub (German Athenaeum), eine große Turnhalle, ein Hospital und ein Waisenhaus (Kaiser Wilhelm Stiftung) in Dalston, 4 größere Arbeiterklubs, Gesangvereine etc. Auch erscheinen zwei deutsche Wochenblätter. Dem Beruf nach sind unter den Deutschen am zahlreichsten vertreten: Kaufleute, Bäcker, Schneider, Dienstboten, Zuckersieder, Schuster, Uhrmacher, Tischler, Musiker, Kellner, Lehrer und Gouvernanten, Kürschner, Maler u. Bildhauer, Ärzte, Schriftsteller etc.
Die Wohnverhältnisse sind im allgemeinen günstig, denn bei (1881) 486,186 bewohnten Häusern kommen nur 7,85 Seelen auf ein Haus und 12,559 Einw. auf das QKilometer. Einzelne Stadtteile sind indes entschieden übervölkert. So wohnten noch 1885 in Clerkenwell häufig 7-12 Personen in einem einzigen Zimmer, dazu war die Wasserzufuhr ungenügend und die Kanalisation mangelhaft. Diesen Mißständen helfen die seit 1841 von Privaten und seit 1875 auch von der Stadt gebauten Arbeiterwohnungen nur wenig ab, obgleich erstere (unter denen die der Peabody-Stiftung hervorragen) Raum für 60,000 und die städtischen Arbeiterwohnungen (1885) für 21,678 Personen bieten, welche eine Miete zahlen, durch die das angelegte Kapital mit 3-5 Proz. verzinst wird.
Dem religiösen Bekenntnis nach gab es 1881 in London etwa 130,000 Katholiken, 430,000 protestantische Dissidenten und 12,000 Juden. Der Rest gehört der Staatskirche an oder kümmert sich überhaupt nicht um Religion. Als Kirchengänger ist der Londoner lässig, und wenn auch am 460,000 Menschen den Gottesdienst am Vormittag und 410,000 denjenigen am Abend besuchten, so will das bei einer Bevölkerung von 4 Mill. nicht viel heißen.
Über den Charakter der Bevölkerung Londons läßt sich allgemein Zutreffendes kaum sagen. Neben der Verfeinerung der hohen Welt und des Mittelstandes finden sich Tausende, welche der Rev. Reany (»Fortnightly Review«, Dezember 1886) als »trunksüchtig und faul, schlau wie Füchse, geil wie Böcke und mit Begierden, die unnennbar sind«, beschreibt. Seit der großen Ausstellung im J. 1851 hat der Londoner jedenfalls viel von seinen engherzigen Ansichten verloren. Er ist duldsamer gegen fremde Sitten geworden und hat sich dieselben teilweise sogar angeeignet.
Jedenfalls aber thut man ihm nicht unrecht, wenn man ihm den in andern Städten Englands so hoch entwickelten städtischen Gemeinsinn abspricht. Schon die Zusammensetzung der Bevölkerung bringt das mit sich, und die großen Entfernungen und der Mangel einer die ganze Bürgerschaft umfassenden Munizipalverfassung tragen das Ihrige dazu bei. Die großen reformatorischen Bestrebungen des 19. Jahrh. sind nicht von London ausgegangen, und erst nachdem die Provinzialstädte durch Gründung von Freibibliotheken und andern öffentlichen Anstalten der Art mit gutem Beispiel vorangegangen waren, ist London in ihre Fußstapfen getreten. Sehr häufig kommt es vor, daß Fremde als die Leiter politischer und sozialer Reformen auftreten.
Handel und Industrie.
Industrie. ist vorwiegend Handelsstadt, steht aber in gewissen Zweigen der Industrie an der Spitze aller andern Städte Englands. Seine Druckereien (25,595 Buchdrucker) gehören zu den größten der Welt, die Möbelschreinerei beschäftigt 21,957, der Maschinenbau 17,758, der Schiffbau 4814, die Seidenweberei 4023 Arbeiter. Es gibt 61,221 Schneider, 71,837 Kleidermacher, 27,267 Hemdenmacher, 37,337 Schuhmacher und 4167 Hutmacher. Musikalische, chirurgische und optische Instrumente, Uhren, Goldschmiedearbeiten, Messerwaren, Sattler- und Lederwaren liefert London in vorzüglicher Güte. Seine Gerbereien, Töpfereien, Zuckersiedereien, Zigarrenfabriken, chemischen, Handschuh-, Möbel-, Wagen-, Gewehr-, Glas- und Tapetenfabriken erfreuen sich des besten Rufs. Seine Bierbrauereien liefern namentlich Porter (Schwarzbier), seine Brennereien Gin.
Handel. Wenn auch alle gewerblichen Anstalten zusammen 904,005 Menschen beschäftigen, so ist es doch der Handel, der London seinen Charakter aufdrückt, und dem es seinen Reichtum verdankt. Unter den Anstalten, welche die Bestimmung haben, denselben zu fördern, nimmt die 1694 gegründete Bank von England mit einem Stammkapital von 14,553,000 Pfd. Sterl. die erste Stelle ein (weiteres s. Banken, S. 335). Neben der Bank von England bestehen 72 Gesellschafts- und 107 Privatbanken.
Einer Anzahl derselben ist ein Ausgleichsamt (Clearinghouse) gemeinschaftlich, durch dessen Vermittelung die Wechsel und Kassenanweisungen umgetauscht werden, so daß nur die Bruchteile bar zu entrichten sind. Jährlich kommen hier ca. 6000 Mill. Pfd. Sterl. zur Verrechnung. Der Bank gegenüber steht die Börse (Royal Exchange) mit Lloyd's Subscription Rooms, ein Mittelpunkt des Verkehrs für alle, welche an der Reederei Interesse nehmen. Ferner gibt es in eine Aktienbörse (Stock Exchange), eine Kohlenbörse, Kornbörse, Hopfen- und Malzbörse. Sogen. Kaffeehäuser dienen den Kaufleuten als Versammlungspunkte, wo die ihnen wichtigen Nachrichten auf gemeinschaftliche Kosten angesammelt werden. So ist das »Baltic« Vereinigungspunkt der mit Rußland und dem Norden Europas Handel treibenden Kaufleute; »Jerusalem« dient dem Handel mit dem Osten und Australien, »Jamaica« dem Handel mit Westindien. - In Bezug auf den innern Verkehr ist noch der 14 Markthallen zu gedenken, die weniger zahlreich sind, als man von der Ausdehnung der Stadt erwarten dürfte, weil der Kleinhandel fast gänzlich in den Händen der über die ganze Stadt zerstreuten Krämer und der herumziehenden »Costermongers« ist. Unter diesen Markthallen sind die von der City erbauten Fleischhallen auf dem Smithfield, Billingsgate Market (für Fische) an der Themse, die Viehmärkte im N. Londons und bei Deptford an der Themse die wichtigsten; Covent Garden Market (für Gemüse und Blumen) liegt im Westend.
Hafen und Docks. Der Hafen Londons erstreckt sich von der Londonbrücke bis zur Themsemündung, und der der Brücke zunächst gelegene Teil ist als »the Pool« bekannt. Großartig sind die seit 1800 sämtlich von Aktiengesellschaften erbauten Docks auf beiden Themseufern. Sie erstrecken sich vom Tower, wo die Flut 5,3 m steigt, bis Tilbury, gegenüber Gravesend, und haben eine Wasserfläche von 276 Hektar nebst einem Areal von 522 Hektar für Warenhäuser und Gewölbe. Die ältesten und noch immer die wichtigsten unter ihnen sind die London Docks, 1805 eröffnet, 37 Hektar groß, wovon 14 Hektar Wasser, und von großartigen Warenhäusern (namentlich für Tabak und Kolonialwaren) und Weinkellern umgeben. Die Katharinendocks liegen oberhalb dieser
mehr
London Docks, die West India, Millwall, East India, Victoria, Albert und Tilbury Docks unterhalb derselben. Auf dem jenseitigen Ufer der Themse liegen die Commercial Docks.
Schiffahrt und Seehandel. ist jetzt unstreitig der erste Seehafen Englands und somit der Welt. Nur Liverpool kann mit ihm einen Vergleich aushalten; der Tonnengehalt seiner Schiffe übertrifft sogar jenen der Londoner Schiffe und der Wert seiner Ausfuhr aus den benachbarten Fabrikbezirken denjenigen der Ausfuhr Londons. Anderseits aber ist der Schiffsverkehr Londons infolge der großen Ausdehnung der Küstenschiffahrt, welcher die Stadt namentlich ihre Kohlen verdankt, reger, und der Wert der für die Bedürfnisse der starken Bevölkerung eingeführten Waren ist bedeutend höher. London besaß 1886: 2610 Seeschiffe von 1,188,917 Ton. Gehalt, einschließlich von 1258 Dampfern (1853 erst 3365 Schiffe von 792,672 T. Gehalt). Im J. 1886 liefen 50,611 Schiffe von 11,988,127 T. Gehalt ein, darunter im Küstenhandel 40,306 Schiffe von 5,177,480 T. Die Einfuhr vom Ausland und den Kolonien hatte 1886 einen Wert von 128,008,767 Pfd. Sterl., und ausgeführt wurden britische Produkte im Wert von 46,125,495 Pfd. Sterl. und ausländische Produkte im Wert von 34,455,430 Pfd. Sterl. Die wichtigsten Artikel der Ausfuhr waren Baumwollwaren (6,398,231 Pfd. Sterl.), Metalle (4,868,933 Pfd. Sterl.), wollene Waren (4,192,144 Pfd. Sterl.), Kleider (2,606,447 Pfd. Sterl.), Maschinen (2,020,665 Pfd. Sterl.), Lederwaren (1,856,512 Pfd. Sterl.); ferner Papier, Messerschmiedewaren, Waffen, Bier, Telegraphenapparate, Bücher, Zement, Chemikalien, Hüte, Jute, Leinwand, Kunstdünger, Öl, Farben, Porzellan, Kautschukwaren, Glas etc. Dabei ist zu berücksichtigen, daß einen großen Teil seines Verkehrs über Harwich, Dover und Folkestone vermittelt. Bei der Einfuhr spielen Lebensmittel die Hauptrolle.
Wohlthätigkeitsanstalten.
Die Armenpflege ruht in den Händen der Guardians (Armenpfleger), von welchen aus Gemeindemitteln 38 Armenhäuser (Workhouses), 20 Krankenhäuser, 11 Armenschulen und 24 Asyle für Obdachlose unterhalten werden. Neben ihnen bestehen 3 Asyle für Blödsinnige und 7 Fieber- und Pockenhospitäler unter einem Asylum Board, von dessen Mitgliedern 45 von den Guardians und 15 von der Regierung ernannt werden. Von 10 Irrenhäusern werden 8 von und den Grafschaften gemeinschaftlich unterhalten, 2 (Bethlehem und St. Lukas) sind alte Stiftungen.
Diesen öffentlichen Anstalten stehen eine Unzahl von Privatanstalten zur Seite, und in der That dürfte es schwer fallen, eine Richtung der Wohlthätigkeit zu bezeichnen, welche nicht in London vertreten wäre. Unter diesen Anstalten nehmen die 190 Krankenhäuser (einschließlich von 5 Entbindungsanstalten und 54 Häusern für Genesende und Unheilbare) einen vornehmen Rang ein. Die vier größten unter ihnen sind das 1710 gestiftete London Hospital mit 800 Betten, Guy's Hospital (1721 gestiftet) mit 710 Betten, St. Bartholomew's (1123 gestiftet) mit 676 Betten und St. Thomas's (1563 gestiftet) mit 620 Betten.
Versorgungshäuser zählt man 94, teilweise aus dem Mittelalter stammend; als die ältesten unter ihnen sind das 1148 gestiftete Katharinenhospital im Regent's Park und das vom Bürgermeister Whittington 1521 gestiftete »College« anzuführen. Ferner erwähnen wir 26 Anstalten für Blinde, 8 für Taubstumme, 3 für Blödsinnige, 56 Waisenhäuser (darunter das 1739 gegründete »Findelhaus«, in welchem indes nur Kinder, deren Mütter dem Vorstand empfohlen sind, Aufnahme finden) etc. Zu diesen eigentlichen Wohlthätigkeitsanstalten kommen nun noch 92 Missionsgesellschaften (Jahreseinnahme über 1½ Mill. Pfd. Sterl.), Vereine für Kirchenbau, Bibelgesellschaften etc.
Bildungsanstalten, Museen etc.
Erst seit 1870, in welchem Jahr die Steuerzahler zuerst einen Schulvorstand (School Board) wählten, wird in London in systematischer Weise für die Elementarbildung des Volkes gesorgt. Die öffentliche Schulbehörde hatte 1885-86 eine Einnahme von 2,289,847 Pfd. Sterl., wovon nur 111,080 Pfd. Sterl. an Schulgeldern und 277,623 Pfd. Sterl. an Staatszuschuß, und ihre 6141 Lehrer und 1643 Lehramtskandidaten (pupil teachers) unterrichteten 379,525 Kinder. Außerdem waren die vom Staat anerkannten und unterstützten Schulen von 237,018 Kindern besucht.
Unter diesen Privatschulen sind diejenigen der kirchlichen National Society und der konfessionslosen British and Foreign School Society am wichtigsten. Anderseits fehlt es an guten Schulen für die Mittelklassen, welche noch großenteils auf Privatschulen angewiesen sind, für deren Leistungsfähigkeit keine Bürgschaft geboten wird. Was in dieser Richtung durch die Middle Class Educational Union, die Girls' Public Day-schools Company und andre Privatvereine gethan, ist anerkennenswert, aber keineswegs zureichend.
Den deutschen Gymnasien oder Realgymnasien entsprechen die 6 großen öffentlichen (Public) und 33 Lateinschulen (Grammar Schools), der Mehrzahl nach alte Stiftungen und teilweise Pensionate. Die berühmten »großen« Schulen sind: St. Paul's (gegründet 1512), Christ's Hospital (Blue coat School, 1553), Westminster School (1560), die Schule der Merchant Taylors (1561), Dulwich College (1619) und die City of London School (1834). Dazu kommen noch die mit King's und University Colleges verbundenen Gymnasien.
Für die weibliche Jugend bestehen 4 Colleges. An Fachschulen bestehen 12 theologische Colleges, 11 medizinische Schulen in Verbindung mit den großen Hospitälern, 2 Tierarzneischulen, ein von der City gegründetes Technical College, die königliche Bergbauschule, 11 Lehrerseminare, die Militärakademie in Woolwich und das Naval College in Greenwich, 4 Musikschulen (Academy, College in Guildhall, School of Music und Trinity College), ferner die Kunstschulen der Royal Academy und in Kensington, letztere mit zahlreichen Zweigschulen etc. Eine Universitätsbildung bieten das 1828 von der liberalen Partei gegründete University College (39 Professoren) und das kirchliche King's College (44 Professoren).
Die Londoner Universität ist eine von der Regierung überwachte Examinationsbehörde, deren Entwickelung zu einer Lehranstalt nur eine Frage der Zeit ist. Der Bildung und nebenbei geistigen Unterhaltung der arbeitenden Klassen widmen sich zahlreiche Anstalten und Vereine, wie die Polytechnic Young Men's Christian Association, Working Men's College, Birckbeck Institution, der im O. gelegene People's Palace (mit Bibliothek, Turnhalle etc., 1887 eröffnet) u. a. Auch besitzt eine Anzahl von Volksbibliotheken.
Unter den wissenschaftlichen und Kunstsammlungen Londons gebührt dem Britischen Museum (s. d.) der erste Rang. Das Gewerbemuseum in South Kensington (s. Kensington-Museum), zu dessen Entstehung die 1851er Weltausstellung den Anstoß gab, ist eine der größten derartigen Anstalten in der
mehr
Welt, mit einem Zweig in Bethnal Green. Ferner verdienen Erwähnung: die Nationalgalerie (mit über 1200 Gemälden) auf dem Trafalgar Square, die vom Schauspieler Alleyn gestiftete Gemäldegalerie in Dulwich, das geologische Museum in der Jermyn Street, das naturhistorische Museum und das 1887 gegründete Imperial Institute in Kensington, das anatomische Museum des College of Surgeons und Soane's Museum, beide in den Lincoln's Inn Fields, das Museum der United Service Institution, das Marinemuseum in Greenwich. Der Sternwarte in Greenwich (s. d.), des botanischen Gartens in Kew (s. d.) und des zoologischen Gartens im Regent's Park muß gleichfalls hier gedacht werden.
Vereine. Zahlreiche Privatvereine lassen sich die Pflege von Kunst und Wissenschaft angelegen sein. An ihrer Spitze stehen die Royal Society (1652 gegründet) und die Royal Academy (1768). Ferner verdienen Erwähnung: die Royal Institution (1800 gegründet, mit Laboratorium, in welchem Faraday seine großen Entdeckungen machte), die Zoologische Gesellschaft (1826), die Geographische Gesellschaft, der Geologische Verein, die Linnésche Gesellschaft, die Astronomische Gesellschaft, die Statistische Gesellschaft, der Altertumsverein, die Asiatische Gesellschaft, die Society of Arts (Kunstgewerbe etc.), die London Institution in der City, 12 medizinische Gesellschaften, 8 Kunstvereine u. v. a. Die Mehrzahl dieser Vereine ist im Besitz von reichhaltigen Fachbibliotheken, welche die Bücherschätze in den wenig zahlreichen öffentlichen Bibliotheken ergänzen.
Die Presse ist ungemein thätig; es erscheinen (1886) 666 Zeitungen und 807 Zeitschriften, darunter 33 täglich. An jedem Wochentag verlassen durchschnittlich 145 Nummern die Presse.
Vergnügungsanstalten, Klubs.
Für Vergnügungen ist in London in ausreichender Weise gesorgt. Dem Kristallpalast in Sydenham und Alexandrapalast im Norden Londons, beide inmitten herrlicher Gartenanlagen gelegen, können andere Städte nichts Ähnliches zur Seite stellen. Größere Vergnügungslokale in der Stadt selbst sind das Aquarium mit Wintergarten in Westminster und der Albertpalast beim Battersea Park. Es gibt ferner 44 größere und kleinere Theater, von denen keins vom Staat oder von der Stadt einen Zuschuß erhält.
Das älteste unter ihnen ist Drury Lane, 1663 gegründet (das jetzige Gebäude wurde 1812 errichtet); das Opernhaus in Covent Garden stammt vom Jahr 1733, wurde aber nach einem Brand 1856 neu aufgebaut; das Opernhaus am Haymarket (Her Majesty's), in welchem 1705 die erste italienische Oper in England aufgeführt wurde. Ein ständiges Opernhaus besitzt London nicht. Unter den für Konzerte und öffentliche Versammlungen bestimmten Hallen steht die 1871 eröffnete Albert Hall (s. oben, S. 900) beim Albertdenkmal am Hyde Park obenan.
Exeter Hall im Strand ist durch die von der Sacred Harmonie Society veranstalteten Konzerte und die Versammlungen religiöser Vereine bekannt geworden. Erwähnenswert sind ferner St. James' Hall in Regent's Street, St. George's Hall, Willis's Rooms, Freemasons' Hall, die in Islington erbaute landwirtschaftliche Halle, in welcher neben Vieh- und Pferdeausstellungen auch Konzerte gegeben werden, eine ähnliche Halle (Olympia) in Kensington, die zahlreichen Musikhallen und das weltbekannte Wachsfigurenkabinett der Madame Tussaud.
Unter den musikalischen Vereinen sind namentlich die alte und die neue Philharmonische Gesellschaft, die Sacred Harmonic Society und der Wagner-Verein zu erwähnen. Daß auch den Freunden des Sports in London Gelegenheit geboten wird, ihrem Vergnügen nachzugehen, ist selbstverständlich. Namentlich gilt das Pferderennen am Derby-Tag als allgemeines Volksfest, und auch das jährlich wiederkehrende Wettrudern zwischen den beiden Universitäten versetzt die ganze Stadt in Aufregung.
Schließlich sei hier noch der 180 Klubs gedacht, die, mehr oder weniger glänzend ausgestattet, eine Eigentümlichkeit des Londoner Lebens bilden. Die Mehrzahl dieser Klubs ist Eigentum der Mitglieder; andre gehören Privatunternehmern, die aber die Aufnahme von Mitgliedern einem Ausschuß überlassen. Viele der Klubs liegen an der Straße Pall Mall und zählen unter die schönsten Gebäude Londons. Die Mitglieder rekrutieren sich häufig in der gleichen Gesellschafts- oder Berufsklasse.
Das Athenaeum hat einen gelehrten Anstrich;
im United Service und dem Army and Navy Club werden nur Offiziere zugelassen;
wer im Traveller's Club Aufnahme finden will, muß Weltreisender sein;
Reform und National Liberal Clubs sind Sammelpunkte der Liberalen;
Carlton, Constitutional und Conservative Clubs nehmen nur Konservative auf.
Auch die Damen haben ihre Klubs (Alexandra, Somerville). Insgesamt zählen diese Klubs über 100,000 Mitglieder. Diesen Klubs für die höhern Klassen schließen sich jetzt 48 Arbeiterklubs an, gegründet, um den Arbeiter von den schlimmen Einflüssen des Wirtshausbesuchs fern zu halten (vgl. Timbs, Clubs and club-life in London, 1873).
Verfassung, Behörden, Finanzen.
Was die städtische Verwaltung betrifft, so erfreut sich nur die City einer Munizipalverfassung, welche sie sich mit all ihren alten Gerechtsamen und Bräuchen zu wahren wußte, als sämtliche städtische Verfassungen Englands durch die Municipal Corporations Act von 1835 einer Reform unterzogen wurden. Die City wird eingeteilt in 26 Wards und 207 Precincts. Jährlich haben sämtliche Bewohner eines Precinct eine Versammlung, in welcher sie ihre öffentlichen Angelegenheiten besprechen und Kandidaten als Common Councilmen (Stadträte) und Inquestmen (Fleischbeschauer u. dgl.) aufstellen.
Die Wahl selbst wird von einem Ward-mote vollzogen, in welchem nur Bürger (Freemen) Sitz und Stimme haben. Das Bürgerrecht wird den Söhnen, Töchtern und Lehrlingen unentgeltlich, Auswärtigen aber, welche in der City ein Geschäft betreiben, gegen Zahlung einer geringen Taxe erteilt. Am Montag nach dem Dreikönigstag werden die erwählten Common Councilmen dem in der Guildhall tagenden Court of Aldermen (Rat) vorgestellt. Die Aldermen (Ratsherren), je einer für jeden Ward, werden gleichfalls vom Ward-mote und zwar auf Lebenszeit gewählt.
Sie bilden den Court of Aldermen und, gemeinschaftlich mit den Common Councilmen, den Court of Common Council (Gemeinderat), welcher aus 228 Mitgliedern, einschließlich der 26 Aldermen, besteht. In diesen zwei Versammlungen sowohl als in der Common Hall (d. h. der Gemeinschaft sämtlicher Liverymen der unten erwähnten City Companies) führt ein jährlich am 29. Sept. gewählter Lord-Mayor den Vorsitz. In der Regel wird der älteste Alderman für diesen Ehrenposten in Vorschlag gebracht, und seine Amtsdauer ist selten über ein Jahr. Der Common Hall steht das Recht zu, den künftigen Lord-Mayor vorzuschlagen; die Aldermen aber haben das Recht der Wahl, die vom Lord-Kanzler im Namen der Krone bestätigt wird. Am 8. Nov. leistet der neue
mehr
Lord-Mayor seinen Diensteid vor dem Court of Aldermen, und am darauf folgenden Tag begibt er sich in pomphaftem Aufzug (Lord-Mayor's Show) nach dem obersten Gerichtshof, wo er der Krone Treue schwört. Am Abend findet in der Guildhall ein großartiges Festessen statt, dessen Unkosten von dem Lord-Mayor und den beiden Sheriffs bestritten werden. Der Lord-Mayor nimmt nächst der Königin in der City den höchsten Rang ein; er ist ex officio Mitglied des Geheimen Rats, Richter im Zentralkriminalgericht, Friedensrichter für die drei hauptstädtischen Grafschaften, Lord-Lieutenant der City und Hafenadmiral von London. Seine Amtswohnung ist im Mansion House, und es wird von ihm erwartet, daß er die altberühmte Gastfreundschaft der City in Ehren hält. Er bezieht einen Gehalt von 10,000 Pfd. Sterl. Die städtischen Beamten werden vom Court of Aldermen, vom Court of Common Council oder von der Livery (s. unten) erwählt.
Unter ihnen sind zwei Sheriffs, ein Recorder und ein Common Serjeant (beide Stadtrichter), ein Chamberlain (Schatzmeister) u. a. Eine bedeutende Rolle in der Verwaltung der City spielen die aus den Zünften des Mittelalters hervorgegangenen City Companies. Es gibt deren 79, aber nur 74 unter ihnen sind sogen. Livery Companies, d. h. sie sind in der oben bereits erwähnten Common Hall vertreten. Die Rangordnung dieser Companies ist gesetzlich bestimmt. Die 12 vornehmsten sind diejenigen der Seidenhändler (mercers), Gewürzhändler, Tuchhändler, Fischhändler, Goldschmiede, Kürschner, Schneider, Kurzwarenhändler, Salzhändler, Eisenhändler, Weinhändler und Tuchbereiter. Im J. 1880 hatten diese Companies eine Einnahme von 750-800,000 Pfd. Sterl., und ihr Eigentum schätzte man auf 15 Mill. Pfd. Sterl. Die City als Korporation hatte 1884 ein Einkommen von 1,176,234 Pfd. Sterl. bei einer durch Hypotheken vollkommen gedeckten Schuldenlast von 5,273,500 Pfd. Sterl.
Die Hauptstadt als solche besitzt bis jetzt noch keine Munizipalverwaltung und wird durch 38 Bezirksämter (Local Boards) oder Gemeindevorstände (Vestries), 30 Armenämter (Boards of Guardians), ein Bauamt, ein Gesundheitsamt, ein Schulamt und andre Körperschaften mit über 8000 Mitgliedern verwaltet, von denen die Mehrzahl durch die Steuerzahler gewählt wird. Die städtischen Finanzen sind infolge der zahlreichen Behörden ungemein verwickelt. 1885 beliefen sich die Einnahmen der verschiedenen städtischen Behörden (ohne Anleihen) auf 5,795,000 Pfd. Sterl., wovon etwa 3,800,000 Pfd. Sterl. durch eine Mietsteuer, 470,000 Pfd. Sterl. durch Abgaben von Steinkohlen und Wein und der Rest durch Marktgebühren, Mieten, Zuschüsse des Staats u. dgl. aufgebracht wurden.
Die städtischen Schulden beliefen sich auf 28,624,554 Pfd. Sterl. Die den Steuern unterworfene Hausmiete war 1885 zu 30,537,188 Pfd. Sterl. eingeschätzt (1870: 18,719,237 Pfd. Sterl.). Unter diesen zahlreichen Körperschaften steht das Bauamt obenan. Seine 57 Mitglieder werden von der City und den 38 Local Boards ernannt und tagen unter einem von der Regierung ernannten Vorsitzenden (Chairman), welcher einen Gehalt von 2000 Pfd. Sterl. bezieht. Das Bauamt befaßt sich mit Drainierung der Stadt und mit andern der ganzen Hauptstadt gemeinschaftlichen Bauten und Straßendurchbrüchen.
Seine Ausgaben für das Jahr 1885 betrugen 1,768,438 Pfd. Sterl., und es hat bereits eine Schuldenlast von (1887) 17,220,449 Pfd. Sterl. angehäuft. Die unter Aufsicht dieses Amtes stehende Feuerbrigade ist (1886) 671 Mann stark mit 163 Spritzen. Die 1829 geschaffene hauptstädtische Polizei steht unter dem Minister des Innern, ist 13,849 Mann stark und kostet jährlich über 1 Mill. Pfd. Sterl. (wovon der Staat die Hälfte zahlt). Außerdem hat die City eine Polizei von 902 Mann. Westminster (s. d.), obgleich es offiziell den Namen »City« führt, hat keine Munizipalverfassung, ist auch nicht Bischofsitz. Seine Vorrechte beschränken sich auf die vom Dekan und dem Kapitel der Westminsterabtei zu vollziehende Ernennung einiger Lokalbeamten, von denen der High Steward bei den Vierteljahrssessionen den Vorsitz führt und der High Bailiff die Befugnisse eines Sheriffs hat.
ist Sitz der obersten Gerichtshöfe des Landes. Ein Zentralkriminalgericht hat seinen Sitz im Old Bailey bei Newgate unter Vorsitz eines königlichen Richters und der zwei Stadtrichter. Die Friedensrichter der hauptstädtischen Grafschaften halten ihre üblichen Sitzungen ab. Die zwölf County Courts (s. England, S. 642) sowohl als zwei städtische Gerichtshöfe in der Guildhall haben Jurisdiktion in Zivilsachen. Die niedere Gerichtsbarkeit wird von 14 Polizeigerichten ausgeübt, wovon 2 in der City, unter Vorsitz des Lord-Mayors und eines Ratsherrn, und 12 im Reste der Hauptstadt, unter Vorsitz besoldeter Richter, tagen. London hat 8 Gefängnisse, darunter 4 für Strafgefangene (Convicts), und ist Sitz eines deutschen Berufskonsuls.
Umgebungen (hierzu Karte: »Umgebung von London«).
Wie bereits erwähnt, schließt das Häusermeer Londons keineswegs mit den offiziellen Grenzen der Metropole ab, sondern erstreckt sich nach allen Richtungen weit über dieselben hinaus. Dicht an den Grenzen liegen West Ham (128,953 Einw.), Leyton (27,068) und Walthamstow (21,715) in Essex;
Tottenham (46,456), Hornsey (22,485), Highgate (9457), Willesden (27,453), Acton (17,126), Chiswick (15,975), Ealing (15,764), Hanwell (5178) und Brentford (11,810) in Middlesex;
Kew (1670), Richmond (19,066), Kingston (35,829), Wimbledon (15,950) und Croydon (78,953) in Surrey;
Beckenham (13,045), Bromley (15,154) und Dartford (10,163) in Kent.
Während die nördlich von der Themse unterhalb London gelegene Gegend meist Flachland ist, erhebt sich namentlich im W. und S. eine liebliche Hügellandschaft, und während sich London als Industrie- und Handelsstadt in östlicher Richtung längs der Themse ausbreitet, genießt namentlich der Westen den Vorzug als Wohnstadt. Aber wenn auch das im SW. gelegene Wimbledon Common und die Parke von Kew, Richmond und Hampton Court beliebte Anziehungspunkte bieten, so besitzt auch der Nordosten im Eppinger Wald (s. d.) einen öffentlichen Park, welcher dem Freunde der Natur großen Genuß bietet. Selbst in größerer Entfernung, bei Maidenhead, hat die City das Burnham Beeches genannte Wäldchen ihren Bürgern erworben.
Geschichte.
London war schon zur Römerzeit eine bedeutende Stadt, wird aber weder bei Cäsars noch bei Claudius' Zug, sondern zuerst von Tacitus genannt. Der Name ist keltisch, seine Ableitung unsicher. Zur Zeit der Römer hieß London Londinium (Lundinium) und war römische Kolonie. Von der Königin Boadicea, die sich gegen die Römer erhob, ward London zerstört; bald aber erstand es wieder. Unter den Angelsachsen hieß es Lundenburg oder Lundenwic, war Bischofsitz und Hauptstadt der Könige von Essex. Gegen das Ende des 8. Jahrh. wurde es viermal durch Feuersbrünste fast ganz zerstört und im 9. Jahrh. zweimal von
Maßstab 1:100000
Der Plan ist eingeteilt in Quadrate von 1 English Mile.
Zum Artikel »London«.
mehr
den Dänen genommen. 884 erhob Alfred d. Gr. die Stadt zur Hauptstadt seines Reichs, befestigte sie und legte den Grund zur städtischen Verwaltung. Wilhelm I. verlieh London nach seiner Thronbesteigung 1066 eine noch existierende Charte und entzog den Bischöfen jede Jurisdiktion in Zivilstreitigkeiten. Er ist der Erbauer des Towers. Richard I. bewilligte den Bürgern für 1500 Pfd. Sterl. eine Charte, welche ihre Jurisdiktionsansprüche auf der Themse feststellte.
König Johann gab der Stadt 1210 die Grundzüge ihrer jetzigen Verfassung und ermächtigte unter anderm die Bürger, sich jährlich einen Mayor zu wählen. In dem bald darauf zwischen der Krone und den Baronen entbrennenden Streit stand auf der Seite der letztern, und Johann mußte der Stadt in der Magna charta ihre alten Rechte und Privilegien bestätigen und erweitern. Nach 1216 trat das Oberhaus zum erstenmal in London zusammen. Die Hansestädte hatten in London seit dem 13. Jahrh. eine kaufmännische Niederlassung. 1377 hatte die Stadt 35,000 Einw. An den Kämpfen zwischen der Weißen und Roten Rose beteiligte sich die Stadt zu gunsten des Hauses York.
Die Einführung der Reformation trug namentlich durch die dadurch veranlaßte Aufhebung der zahlreichen Klöster viel zum Aufblühen der Stadt bei. Gegen die spanische Armada (1588) konnte die Stadt schon 20,000 Mann und 38 Schiffe stellen. 1660 betrug die Zahl der Einwohner ½ Mill. 1665 raffte die Pest hier über 68,000 Menschen weg, und eine Feuersbrunst verzehrte 13,200 Häuser. Die Zunahme des Handels, die Geschäftseröffnung mit moskowitischen Kaufleuten, die Gründung der amerikanischen Kolonien, die Entstehung der Ostindischen Kompanie und einer andern für den Handel mit der Türkei und der Levante gaben einen bedeutenden Aufschwung. Da die religiösen Verfolgungen in Frankreich und die bürgerlichen Zerwürfnisse in Flandern Tausende veranlaßten, nach London auszuwandern, wurden trotz königlicher Verbote die Vorstädte erweitert.
Ein Dekret von 1710 ordnete die Erbauung von 50 neuen Kirchen in und seinen Vorstädten an. Die ganze weite Strecke von Goodmansfields bis Stepney, unter Whitechapel Road bis nach Shadwell bedeckte sich rasch dicht mit Wohnungen. Dagegen traten im Innern an die Stelle von übervölkerten Stadtvierteln schöne Straßen mit prachtvollen Gebäuden. Vielfach war London der Ort von diplomatischen Unterhandlungen. So ward hier die Quadrupelallianz zwischen England, Frankreich, dem Kaiser und Holland abgeschlossen, ein Defensivbündnis zwischen England und Preußen gegen Österreich und Frankreich etc. Besonders wichtig sind die Londoner Konferenzen, welche 1829 und 1832 über das Schicksal Griechenlands, 1830-31 und 1839 über das Belgiens entschieden; ferner der Kongreß von 1850, der durch das Londoner Protokoll vom 8. Mai die dänische Thronfolge und die schleswig-holsteinische Sache ordnete. 1863 fanden abermals Konferenzen über die Neubesetzung des griechischen Throns, vom April bis Juni 1864 zur Schlichtung des deutsch-dänischen Streits, endlich 1871 über die Revision des Pariser Friedens von 1856 statt. Am wurde in London die große Evangelische Allianz (s. d.) gestiftet.
Vom Mai bis Oktober 1851 fand hier eine große Industrieausstellung aller Nationen statt. Am ward in London die zweite Weltindustrieausstellung eröffnet.
Vgl. Allen, History and antiquities of London (Lond. 1829, 4 Bde.);
Norton, History constitution etc. of the city of London (3. Aufl. 1869);
Arundell, Historical reminiscences of the city of London (1869);
Thornbury, Old and new a narrative of its history (1873-75, 3 Bde.);
Jesse, London, its celebrated characters and remarkable places (3. Aufl. 1871, 3 Bde.);
Doran, London in the Jacobite times (1877, 2 Bde.);
Walford, Greater a narrative of its history (1883-84, 2 Bde.);
Loftie, History of London (2. Aufl. 1884, 2 Bde.);
Derselbe, Round about London (4. Aufl. 1880);
Rodenberg, Tag und Nacht in London (Berl. 1862);
Hare, Walks in London (5. Aufl. 1883, 2 Bde.);
Becker, Scientific London (1876);
Firth, Municipal London (1876);
Hutton, Literary landmarks of London (1885);
Dickens, Dictionary of London (1886);
Reisehandbücher von Ravenstein (in »Meyers Reisebüchern«) u. Bädeker; Baumann, Londinismen (Wörterbuch der Londoner Volkssprache, Berl. 1886).