mehr
Diluvium, [* 2] welches fast überall auch die ältern Schichten stellenweise bis 120 m bedeckt. Das silurische System ist durch die obern und mittlern Schichten dieser Formation vertreten und besteht aus Dolomit, Mergel, Kalk- und Sandstein. Das Devon [* 3] tritt in drei ganz gesonderten Schichten auf, deren unterste durch zahlreiche Höhlenbildungen bemerkenswert ist. Erratische Blöcke finden sich über das ganze Land zerstreut, selbst auf den höchsten Punkten, wie auf dem Munna Mäggi.
Giovinazzo - Gips

* 10
Gips.
Der
Boden ist wenig fruchtbar, am
Strand sandig, sonst meist lehmig; doch werden durch rationelle Bewirtschaftung und künstliche
Drainage
[* 4] gute
Ernten erzielt. Das
Klima
[* 5] ist rauh, die
Niederungen werden von starken
Nebeln heimgesucht; charakteristisch
ist die Unbeständigkeit der Windrichtung. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt in
Dorpat
[* 6] 4°, in
Riga
[* 7] 6° C. An Wäldern
ist Livland
[* 8] reich; bedeutende, mehrere tausend QKilometer umfassende Waldungen finden sich namentlich am
Strand zwischen der
Pernau
und der
Aa, ebenso an der Ewst. Vorherrschend ist Nadelwald
(Tanne
[* 9] und
Kiefer); weniger häufig finden sich
Birken-,
Erlen- und Eichenwälder. Das Mineralreich liefert
Lehm,
Gips,
[* 10]
Kalk,
Torf, Sumpfeisen und
Schwefelquellen
(Kemmern). Das
Tierreich ist vertreten durch
Bären,
Wölfe,
Füchse,
Hasen,
Seehunde,
Dachse,
Rehe; seltener sind Elentiere und
Luchse, zahlreich
dagegen Hühnerwild sowie
Sumpf- und Wasservögel.
Livland
hat (1882) 1,173,951 Einw. (25
pro QKilometer), die sich zusammensetzen aus 81,6 Proz.
Protestanten, 13,4 Proz. Griechisch-Katholischen, 2,4
Proz.
Juden, 1 Proz. Römisch-Katholischen. Der Rest kommt auf Armenier, russische
Sekten und Konfessionslose. Nach der
Nationalität
zerfällt die
Bevölkerung
[* 11] in 42,72 Proz.
Letten, 41,49 Proz.
Esthen, 7,87 Proz. Deutsche,
[* 12] 4,71
Proz.
Russen, 2,14 Proz.
Juden, 0,51 Proz.
Polen; der Rest kommt auf
Zigeuner etc. Das
Areal zerfällt in
ungefähr 18,5 Proz. Ackerland, 24,4 Proz.
Wald, 41,5 Proz.
Wiesen und Weideland, 15,6 Proz. Unland etc.
Der
Ackerbau bildet die Hauptbeschäftigung der Einwohner.
Gerste (Varietäten der

* 13
Gerste.Roggen, Gerste, [* 13] Hafer, [* 14] Lein und Kartoffeln werden vorzugsweise gebaut; in kleinern Mengen Weizen, Hanf und Buchweizen. Im Durchschnitt der Jahre 1880-84 wurden jährlich geerntet: 2,2 Mill. hl Roggen, 2 Mill. hl Hafer, 1,6 Mill. hl Gerste, 4,1 Mill. hl Kartoffeln. Der Viehstand war 1883: 485,000 Stück Hornvieh, 216,000 Schweine, [* 15] 441,000 Schafe [* 16] und 160,000 Pferde. [* 17] Die Fischerei [* 18] bildet einen bedeutenden Erwerbszweig;
das Meer liefert Breitlinge (Clupea sprottus) und Flunder (provinziell: Strömlinge und Butten);
die Landseen, namentlich der Peipus, Snitky (Löffelstint, Salmo eperlanus), eine beliebte Fastenspeise der Russen, Räpuschky (Maräne) und Korjuschky (Stint);
die Flüsse [* 19] ausgezeichnete Lachse. In industrieller Hinsicht nimmt einen hervorragenden Platz unter den Gouvernements des russischen Reichs ein.
Eisengießerei (Tiegelg

* 20
Eisengießerei.Die Gesamtzahl der Fabriken ist (1884) 724 mit 19,000 Arbeitern und einem Produktionswert von 40½ Mill. Rubel. Hauptindustriezweige sind: Spiritusbrennerei und Destillerie (Likörfabrikation) 7½ Mill. Rub., Brauerei 3½ Mill. Rub., Sägemüllerei 3,3 Mill. Rub., Eisengießerei [* 20] und -Verarbeitung 3 Mill. Rub., Ölschlägerei 2,6 Mill. Rub., Korkfabrikation 1½ Mill. Rub., Wollweberei 1 Mill. Rub., Tuchweberei 1½ Mill. Rub., Papierfabrikation [* 21] 1½ Mill. Rub. In geringerm Maß findet Fabrikation von Fayence, [* 22] Seife, Talglichten, Leinwand, Seide, [* 23] Zucker, [* 24] Glas, [* 25] Spiegeln, Equipagen und chemischen Produkten statt.
Der Handel Livlands ist blühend und konzentriert sich hauptsächlich in Riga, in geringerm Grad in Pernau-Arensburg und Dorpat. Die wesentlichsten Ausfuhrartikel sind: Petroleum, Haare, [* 26] Ölkuchen, Wolle, Flachs, Leinsaat, Hanf, Getreide [* 27] und Holz; [* 28]
die wichtigsten Einfuhrartikel:
Heringe,
Salz,
[* 29]
Steinkohlen,
Wein,
Kolonialwaren,
Eisen,
[* 30]
Kammwolle,
Farbhölzer,
Öl,
Raps
und Rübensaat, landwirtschaftliche und industrielle
Maschinen. Der
Handel mit dem Innern des
Reichs wird durch die
Düna und
die
Riga-Dünaburger
Eisenbahn, welche sich an der Südgrenze
Livlands hinzieht, sowie durch die
Strecke
Dorpat-Taps (an der
Linie
Reval-St.
Petersburg)
[* 31] vermittelt. Eine
Bahn von
Riga nach
Pskow mit Zweigbahn nach
Dorpat, welche die kleinern
Städte
Werro,
Wenden,
Walk,
Wolmar berührt, ist im
Bau begriffen. An Bankinstituten hat
Riga (1888) 8, darunter eine
Filiale der
Reichsbank, eine städtische Kommunalbank (Stadt-Diskontobank) mit
Sparkasse, 2
Gesellschaften gegenseitigen
Kredits,
Dorpat 2, nämlich eine städtische Kommunalbank und die
Filiale einer
Pskower Kommerzbank. In
Riga weisen die größten
Umsätze auf die Börsenbank (394 Mill.
Rub.) und die Kommerzbank (472 Mill.
Rub.).
Zeitungen und
Zeitschriften erscheinen 24 in
Livland
(12 in
Riga, 10 in
Dorpat und 2 in
Pernau), darunter mehrere lettische und esthnische. Livland
wird von einem
Gouverneur verwaltet, der nach der Aufhebung des Generalgouvernements der
Ostseeprovinzen (1876) unter dem
Ministerium des Innern
steht. Livland
hat (1885) eine
Universität
(Dorpat) mit 1990
Studenten, ein
Polytechnikum
(Riga) mit 1122 Zuhörern, ein Veterinärinstitut
(Dorpat) mit
ca. 150
Schülern, 37 Gymnasien für
Knaben und Mädchen mit 7137
Schülern, 265
Real-,
Bürger-,
Kreis-, Töchter- und städtische
Elementarschulen mit 21,065
Schülern, 1631 Landvolksschulen mit 98,594
Schülern, 15
Fachschulen
mit
ca. 2400
Schülern.
Wilmanstrand - Wilna (
![Bild 66.754: Wilmanstrand - Wilna (Generalgouvernement und Stadt) [unkorrigiert] Bild 66.754: Wilmanstrand - Wilna (Generalgouvernement und Stadt) [unkorrigiert]](/meyers/thumb/66/66_0754.jpeg)
* 32
Wilna.
Unter den Landvolksschulen sind 1264 mit 86,640
Schülern lutherisch und 367 mit 11,594
Schülern griechisch-katholisch. Die
in Livland
stationierten
Truppen stehen unter dem Oberkommando des
Generalgouverneurs von
Wilna.
[* 32] Die
Rechtspflege
wird vom livländischen
Hofgericht, 4
Landgerichten und 9 Ordnungsgerichten verwaltet; oberste
Instanz derselben ist der
Senat
in St.
Petersburg. Die
lutherische Kirche steht unter drei Konsistorien: dem livländischen, rigaischen und öselschen. Livland
wird
eingeteilt in neun
Kreise:
[* 33]
Dorpat,
Fellin,
Ösel,
Pernau,
Riga,
Walk,
Wenden,
Werro und
Wolmar;
Hauptstadt ist Riga. Das Wappen [* 34] ist ein geflügelter Greif [* 35] in rotem Feld, mit bloßem Schwert in der rechten Klaue. [* 36]
Livno - Livorno

* 40
Seite 10.851.[Geschichte.]
Livland
, von den ursprünglichen Bewohnern und Beherrschern des
Landes, den
Liven (s. d.), einem esthnischen Volksstamm,
so genannt, ward seit dem 9. Jahrh. in seinem östlichen Teil von den
Letten eingenommen, aber, obwohl die
Dänen und
Schweden
[* 37] die Ostseeländer schon im 11. Jahrh. kannten, für das übrige
Europa
[* 38] erst durch
Bremer Kaufleute bekannt, die, auf ihrer
Fahrt nach
Wisby an die livländische
Küste verschlagen, bei der Mündung
der
Düna landeten (1159). Sie knüpften mit den Eingebornen Handelsverkehr an, rückten die
Düna hinauf,
und hier errichtete 1186 ein
Mönch, Meinhard, eine
Kirche zu Ykeskola, woran sich bald eine
Burg schloß. Der
Papst ernannte
Meinhard 1188 zum
Bischof
Livlands; doch schritt die
Bekehrung der
Liven langsam vor und gelang erst dem
Bischof
Albert (1199-1229,
s.
Albert 3), der 1201
Riga gründete. Um die Herrschaft der infolge mehrerer
Kreuzzüge eingewanderten
Deutschen über Livland
zu sichern, stiftete der
Bischof 1202 mit
Genehmigung
Innocenz' III. den
Orden
[* 39] der
»Brüder
¶
mehr
der Ritterschaft Christi«, der nachmaligen Schwertritter, und trat ihm ein Drittel des eroberten ab (1207). Während dem Bischof die Oberherrlichkeit über den Orden vom Papst zugesichert wurde, ließ sich jener (im Winter 1205-1206) vom deutschen König Philipp mit Livland belehnen; somit wurde dies ein Teil des Deutschen Reichs. Nach jahrelangen blutigen Kämpfen gelang 1224 die Eroberung Esthlands, dessen nördlicher Teil jedoch den Dänen überlassen werden mußte.
Die Macht des Schwertritterordens wurde 1237 durch Vereinigung mit dem mächtigen Deutschen Orden erheblich vermehrt; fortan wurde für ein Landmeister gewählt, Hermann Balk als der erste. Unter Kaiser Friedrich II. (1232) wurde der Orden reichsunmittelbar und erhielt nach heftigen Kämpfen mit Russen, Kuren und Litauern 1245 Kurland und Litauen sowie ein Drittel von Semgallen von Friedrich II. zu Lehen, während der Rest dem Bischof von Riga zufiel. Doch konnte Litauen nicht erobert werden, errang vielmehr das Übergewicht, während durch den Verfall des Deutschordens und innere Streitigkeiten Livlands Macht sich erheblich verminderte.
Preußen

* 41
Preußen.Trotz des Vordringens der Reformation in Livlands Städten (in Riga seit 1523) und des Beispiels des Hochmeisters, der 1525 den Deutschorden in Preußen [* 41] säkularisierte, blieb der Ordensmeister Walter v. Plettenberg (1494-1535) dem Katholizismus treu. Im Landtagsabschied von Wolmar 1554 wurde endlich den Protestanten freie Religionsübung zugesichert. Indessen die Kämpfe mit Iwan Wasiljewitsch II. brachen die Macht des Ordens; Polen und Schweden mischten sich auf Veranlassung des Erzbischofs von Riga ein, und 1561 behielt der letzte Meister des Ordens, Gotthard Ketteler, als weltlicher Herzog nur noch Kurland und Semgallen als Lehen der polnischen Krone, während Esthland schwedische und Livland polnische Provinz wurde.
Fortan ward Livland nebst Esthland Zankapfel zwischen Polen, Schweden und Rußland. 1660 verband der Friede von Oliva Livland mit Esthland als schwedische Provinz, eine Zeitlang zum Nutzen Livlands; denn Schweden schuf ein protestantisches Kirchen- und Schulwesen und organisierte die Gerichtshöfe und Behörden. Später achtete es die provinziellen Eigentümlichkeiten weniger und hob 1694 die Landesverfassung auf. Seine Bemühungen, mit Hilfe Polens, dann Rußlands Livland von der schwedischen Herrschaft zu befreien, mußte der vielgewandte Patkul mit einem schrecklichen Tod büßen (1707); schließlich kam durch den Nystader Frieden 1721 Livland mit Esthland dennoch an Rußland, das die provinzielle Selbständigkeit Livlands, namentlich die der lutherischen Landeskirche, im Besitzergreifungspatent zu erhalten versprach.
Auch Alexander II. bestätigte 1856 die Adelsprivilegien Livlands. Die Lage des Bauernstandes wurde 1819 durch Aufhebung der Leibeigenschaft und noch mehr 1849 verbessert. Auch in Livland wurde 1835 das russische Gesetzbuch eingeführt und die russische Sprache als Amtssprache bevorzugt, aber die deutsche nicht unterdrückt. Nur in kirchlicher Beziehung traten die russischen Behörden schroffer auf, verleiteten 1845-48 etwa 140,000 Menschen aus dem Bauernstand zum Übertritt zur orthodoxen Kirche und wollten die Zurücknahme dieses übereilten Schrittes nicht dulden.
In den letzten Zeiten Alexanders II. und noch mehr nach dessen Tod (1881) wurden aber die Sonderrechte der Ostseeprovinzen von den Russen nicht mehr anerkannt. Dieselben sollten dem russischen Gesetz unterworfen und völlig mit Rußland verschmolzen werden. Den Widerstand der deutschen Behörden suchte man durch Aufreizung der lettischen und esthnischen Bevölkerung zu brechen. Besonders die Revision der Zustände in den Provinzen durch den Senator Manassein 1884 hatte diesen Zweck.
Die russische Sprache wurde zur alleinigen Amtssprache auch bei den Gemeinden erklärt und in den Schulen, sowohl den Elementarschulen wie den Gymnasien und Realschulen (1887), als Unterrichtssprache eingeführt und das Land mit russischen Beamten überschwemmt. Seit 1883 begannen auch die russischen Popen das Landvolk wieder zu Massenübertritten zur orthodoxen Kirche zu verleiten, und wenn ein lutherischer Pfarrer einen reuigen Bauer wieder in seine Kirche zuließ, wurde er verbannt. Während der Bau griechischer Kirchen von Staats wegen begünstigt wurde, nahm die Regierung das ganze Vermögen der lutherischen Landeskirche in ihre Verwaltung. Alle Petitionen Einzelner und der Landtage dagegen wurden vom Kaiser abgewiesen.
Vgl. Kohl, Die deutsch-russischen Ostseeprovinzen (Dresd. 1841-42, 2 Bde.);
Rathlef, Skizze der orographischen und hydrographischen Verhältnisse von Liv-, Esth- und Kurland (Reval [* 42] 1852);
Bornhaupt, Beschreibung der Ostseeprovinzen (Riga 1855);
M. Willkomm, Streifzüge durch die baltischen Provinzen, Bd. 1 (Dorp. 1872);
Karlberg, Statistisches Jahrbuch des Gouvernements Livland (1886, in russischer Sprache), [* 43] und die Publikationen des Statistischen Büreaus in Riga.
Zur Geschichte: Kienitz, Vierundzwanzig Bücher der Geschichte Livlands (Dorp. 1847-1849, 2 Bde.);
v. Richter, Geschichte der deutschen Ostseeprovinzen (Riga 1857-58, 2 Bde.);
Bienemann, Die Statthalterschaftszeit in und Esthland 1783-96 (Leipz. 1886);
Eckardt, Bürgertum und Büreaukratie; ein Kapitel aus der neuesten livländischen Geschichte (das. 1870);
Derselbe, Livland im 18. Jahrhundert (das. 1876);
Fahne, ein Beitrag zur Kirchen- und Sittengeschichte (Düsseld. 1875);
»Liv-, Esth- und Kurländisches Urkundenbuch« (hrsg. von Bunge u. a., Riga 1852-84, Bd. 1-8);
»Beiträge zur Kunde Est-, Liv- und Kurlands« (hrsg. von der Estländ. Litter. Gesellschaft, Reval);
Winckelmann, Bibliotheca Livoniae historica (2. Aufl., Berl. 1879).