Verein in Stuttgart, eine Vereinigung von Gelehrten und Litteraturfreunden zum Zweck der Neuherausgabe
wichtiger älterer Denkmäler der deutschen Litteratur, der Geschichte und Kulturgeschichte, deren Publikationen jedoch nicht
in den Buchhandel gebracht, sondern lediglich an die Mitglieder des Vereins verteilt werden. Bei den zur
Herausgabe bestimmten Werken wird vor allem die deutsche Litteratur ins Auge gefaßt, aber auch die lateinische Gelehrtensprache
und die Idiome benachbarter germanischer und romanischer Völker bleiben nicht ausgeschlossen.
Die Begründer des Vereins, welcher 1839 unter dem Protektorat des Königs von Württemberg zusammentrat, waren sämtlich
Stuttgarter, unter ihnen Georg v. Cotta, Aug. Fr. Gfrörer, Wolfg. Menzel, K. G. v. Wächter, v. Stälin u. a. Seine Thätigkeit eröffnete
er mit der Publikation von Closeners »Straßburger Chronik« durch Strobel und Schott, mit Fabris »Evagatorium« durch Häßler, der
»Weingartener Liederhandschrift« durch Pfeiffer und der »Briefe der Prinzessin Elisabeth Charlotte von Orléans«
durch Menzel.
Ende 1885 belief sich die Zahl der (zum Teil zum erstenmal) veröffentlichten Bände (durchgehends interessante und zum Teil
hochwichtige Werke) auf 171, deren größte Anzahl der deutschen Litteratur und Geschichte angehört. Auch an Seltsamkeiten
sittengeschichtlichen Inhalts, wie »Ein Buch von guter Speise«, »H. Mynsinger von den Falken, Pferden und
Hunden« u. a., fehlt es nicht. Die Zahl der Mitglieder übersteigt 400, soll aber
prinzipiell nicht im großen Maßstab moderner populärer Unternehmungen ausgedehnt werden. Gegenwärtiger Präsident des Vereins
ist seit Ad. v. Kellers Tod (1883) Professor Holland.
(lat.), im weitesten Sinn Inbegriff der sämtlichen in Schriften niedergelegten Bestrebungen des
menschlichen
Geistes, in den redenden Künsten sowohl als in den Wissenschaften: die ganze Masse dessen, was geschrieben
und durch die Schrift bewahrt worden ist, soweit es geistigen Inhalt hat, geistiges Leben widerspiegelt. Wird diese Litteratur in Bezug
auf einzelne Völker und Sprachen betrachtet, so sprechen wir von einer Litteratur der Hebräer, Griechen, Italiener etc.; nach Maßgabe
historischer Epochen und Perioden oder gewisser allgemeiner Geistesströmungen unterscheidet man eine Litteratur des
Altertums, des Mittelalters und der Neuzeit, eine Litteratur der Kreuzzüge, der Renaissance, der Reformation etc., nach Maßgabe der
Formen, Zwecke und wissenschaftlichen Einzelgebiete eine prosaische und poetische, wissenschaftliche und schöne, theologische,
medizinische etc. Litteratur. Die Gesamtheit derjenigen Schriftwerke einer Nation, in welcher der individuelle
Charakter derselben zu besonders scharfer und eigentümlicher Ausprägung gelangt ist, bezeichnet man mit dem Namen Nationallitteratur.
Zu ihr gehören somit vorzugsweise die dichterischen Erzeugnisse derselben, nächstdem die Werke der Beredsamkeit, Philosophie
und Geschichte.
Von den übrigen, rein wissenschaftlichen Schriftwerken eines Volkes können nur wenige als dem Schatz der
Nationallitteratur zugehörig betrachtet werden, weil in den meisten derselben die stoffliche Bedeutung vorwiegt. Der
Gesamtbesitz aller einzelnen Nationallitteraturen ist derjenige der Weltlitteratur, und man darf die Geschichte der letztern
mit Goethe ansehen als »eine große Fuge, in der die Stimmen der Völker nach und nach zum Vorschein kommen«. Unter
Litteraturgeschichte versteht man die historische Darstellung dessen, was im Verlauf der Zeiten in redenden Künsten und Wissenschaften
geleistet worden ist.
Sie stellt dar den Ursprung, den Fortgang, die Blüte und das Hinwelken der schönen Redekünste und der Wissenschaften, mit
Erwähnung der Personen, welche in den einzelnen Fächern Bedeutendes geleistet, und der Werke, durch welche
sie fördernd auf das geistige Leben der Mit- und Nachwelt eingewirkt haben. Sie zerfällt in zwei große Unterabteilungen:
die äußere Geschichte der und die innere. Jene handelt von den einzelnen schriftlichen Werken und deren Inhalt, Schicksalen,
Bearbeitungen, Übersetzungen etc. (Bibliographie) sowie von ihren Verfassern, dem Leben derselben, den
Umständen, unter welchen sie schrieben, etc.; die zweite, höher stehende, richtet ihren Blick auf das Innere der schönen
Künste und Wissenschaften, zeigt, wie diese sich, teils von innen heraus, teils begünstigt durch äußere Umstände, ausbildeten,
wie der menschliche Geist zu der höchsten Höhe sich emporschwang, dann wieder sank, und breitet so das,
was der menschliche Geist aus dem Reich der Wissenschaft und Kunst als Ausbeute davongetragen, vor dem Auge des Lesers aus. Das
Verhältnis der einzelnen Litteraturen zu einander und zu den Gesamtentwickelungen der Geschichte stellt sich am deutlichsten
in synchronistischen Tabellen dar, deren Verständnis sich freilich nur für den erschließt, welcher mit
der Fülle der Gruppen und Namen schon bestimmte Eindrücke und Erinnerungen verbinden kann (s. die beigegebene »Synchronistische
Übersicht der Weltlitteratur«).
Die Hilfsmittel zum Studium der allgemeinen Litteraturgeschichte sind sehr zahlreich;
hier sei, von ältern Werken (Eichhorn,
Wachler u. a.) abgesehen, nur an einige der neuern und nächstliegenden
erinnert: Grässe, Lehrbuch der allgemeinen Litterärgeschichte (Dresd. 1837-60, 4 Bde. in 13 Tln.);
Derselbe, Handbuch der
allgemeinen
mehr
Litteraturgeschichte (das. 1844-50, 4 Bde.);
Scherr, Allgemeine Geschichte der Litteratur (7. Aufl., Stuttg.
1887, 2 Bde.);
A. Stern, Katechismus der allgemeinen Litteraturgeschichte (2. Aufl., Leipz.
1876);
Derselbe, Geschichte der Weltlitteratur (Stuttg. 1887);
Derselbe, Geschichte der neuern Litteratur von der Frührenaissance
bis auf die Gegenwart (Leipz. 1885, 7 Bde.);
Norrenberg, Allgemeine Litteraturgeschichte (Münster 1881-82, 2 Bde.);
v. Leixner, Illustrierte Geschichte
der fremden Litteraturen (Leipz. 1881, 2 Bde.);
De Gubernatis, Storia universale della letteratura (Mail. 1883-85, 18 Bde.);
K. Schmidt, Vergleichende Tabellen über die Litteratur-
und Staatengeschichte der neuern Welt (Leipz. 1865);
Diercks, Litteraturtafeln (Dresd. 1878).
Ausgewählte Proben enthalten:
Weber, Litterarhistorisches Lesebuch (Leipz. 1851-1852, 3 Tle.);
Scherr, Bildersaal der Weltlitteratur (3.
Aufl., Stuttg. 1884, 3 Bde.),
und Wolff, Die Klassiker aller Zeiten und Nationen (Berl. 1859-1877, 7 Bde.).
Von neuern lexikalischen Werken sind anzuführen: Vapereau, Dictionnaire universel des littératures (2. Aufl., Par. 1884);
Dantès, Dictionnaire biographique et bibliographique (das. 1875);
Bornhak, Lexikon der allgemeinen Litteraturgeschichte
(Leipz. 1881);
De Gubernatis, Dizionario biografico degli scrittori contemporanei (Flor. 1879, mit Supplement);
Bornmüller,
Biographisches Schriftsteller-Lexikon der Gegenwart (Leipz. 1882).
Beiträge zur allgemeinen Litteraturkunde enthalten das
»Archiv für Litteraturgeschichte« (hrsg. von Fr. Schnorr v. Carolsfeld, Leipz. 1870 ff.)
und die »Zeitschrift für vergleichende Litteraturgeschichte« (hrsg. von Max Koch, Berl. 1886 ff.). Vgl.
auch Litteraturzeitungen.