Litauischer Balsam - Litauische Sprache und Litteratur
mehr
des ersten
Priesters (Kriwe-Kriweito).
Mord und
Diebstahl wurden sehr streng bestraft. Hauptbeschäftigung waren
Ackerbau und
Handel mit den
Schweden
[* 2] und
Slawen. Als erster
Großfürst wird Ringold (1230-35) genannt.
Sein Sohn Mindowg ließ sich 1252 vom
Erzbischof von
Riga
[* 3] taufen und zum König krönen, trat dem
DeutschenOrden
[* 4] Samaiten und Schalauen ab und
versprach ihm für den
Fall seines
Todes sein ganzes
Reich. Doch 1261 fiel er vom
Glauben wieder ab, vernichtete ein Ordensheer
in der blutigen
Schlacht an der Durbe und reizte die heidnischen
Preußen
[* 5] zum
Aufstand.
Fast alljährlich fanden in den nächsten 20
Jahren Einfälle der Litauer ins Ordensland statt, wofür
der
Orden seit 1283 seinerseits blutige
Rache nahm, neue Plünderungszüge der Litauer jedoch nicht verhindern konnte. Gedimin
(seit 1315) eroberte durch den
Sieg am
Fluß Irpénj 1321 einen Teil des südlichen Rußland samt
Kiew,
[* 6] gründete die
StädteWilna
[* 7] und
Troki, kämpfte im
Bund mit
Wladislaw von
Polen gegen den
Orden, der vom König
Johann vonBöhmen
[* 8] unterstützt ward, und empfing die Todeswunde bei der Belagerung einer Ordensburg 1340.
Sein Nachfolger Olgerd (1345-77) entriß
den
RuthenenPodlachien am
Bug (1366), zwang um dieselbe Zeit die
Tataren von
Perekop zur
Anerkennung seiner
Oberhoheit und bewog
Groß-Nowgorod und
Pskow, unter seinen
Schutz zu treten.
Weniger glücklich war er in den
Kämpfen gegen den
Orden, die er, von seinem
Bruder Keistut unterstützt, unaufhörlich führte;
beide wurden 1370 bei Rudau total geschlagen, doch gelang die
Eroberung von
Wilna 1378 dem
Orden nicht. Olgerds jüngster Sohn,
Jagello (1377-1434), ließ sich 1386 in
Krakau
[* 9] taufen und nahm den
NamenWladislaw an. Durch seine Vermählung
mit der Erbin
Polens,
Hedwig, erhielt er damals
Polen, mußte jedoch 1392 den Litauern in Witowt, dem Sohn des von ihm getöteten
Keistut, einen eignen
Großfürsten geben.
Obwohl dieser sich wiederholt mit dem
Orden gegen
Polen verband, so focht er doch an der Seite Jagellos
in der für den
Orden verhängnisvollen
Schlacht bei
Tannenberg (1410). Während die
Eroberung des
FürstentumsSmolensk Witowt 1404 gelang,
schlug sein Zug
gegen die
Goldene Horde fehl; er erlitt an der
Worskla eine furchtbare
Niederlage (1399). Inzwischen war ein großer
Teil der Litauer katholisch geworden. Auf dem
Tag zu Gorodlj am
Bug (1413) ward festgesetzt, daß der katholische
Adel Litauens mit dem polnischen zur
Wahl der
Könige und
Großfürsten sowie zu wichtigen Beratungen einen gemeinschaftlichen
Reichstag bilden sollte.
Vergebens bemühte sich Witowt, welchem die Abhängigkeit von
Polen verhaßt war, vom deutschen
KaiserSiegmund den Königstitel
zu erhalten; die
Polen verhinderten es. Nach Witowts
Tod (1430) ernannte
Wladislaw seinen
Bruder Sswitrigailo
zum
Großfürsten von Litauen; dieser ward aber von dem durch die litauischen
Bojaren gewählten
Bruder Witowts,
Siegmund, verdrängt.
Jener wurde 1435 in seinen Ansprüchen auf und
Polen vom
Orden unterstützt; doch letzterer versprach imFrieden
zu Brzesc sich nicht mehr in die litauischen
Händel zu mischen.
Siegmund, wegen seiner Grausamkeit verhaßt, ward 1440 vom
FürstenCzartoryiski ermordet, und ein
Bruder des polnischen
KönigsWladislaw III.,
Kasimir, erhielt Litauen; derselbe bestieg 1444 auch den polnischen
Thron.
[* 10]
In den mit Litauen vereinigten russischen Gebieten
bestanden noch bis zum Anfang des 16. Jahrh. Teilfürsten;
Smolensk ging 1522 an
Moskau
[* 11] verloren. Nach dem
TodKasimirs IV. (1492)
erwählten die
Polen dessen zweiten Sohn,
Johann I.
Albrecht, zum König; die Litauer dagegen wählten seinen dritten Sohn,
Alexander, zu ihrem
Großfürsten, der 1501 König von
Polen wurde.
Seitdem blieben
Polen und Litauen unter Einem Oberhaupt vereinigt. Die völlige Vereinigung beider
Länder in
allen Staatsangelegenheiten kam endlich auf dem
Reichstag zu
Lublin (1569) zu stande. Die litauischen
Provinzen im südwestlichen
Rußland fielen an
Polen. Beide erhielten einen gemeinsamen
Senat und
Reichstag in
Warschau,
[* 12] doch sollte seit 1673 stets der
dritte
Reichstag in
Grodno gehalten werden. Bei der dritten
TeilungPolens 1795 kam der größere Teil Litauens an Rußland,
das daraus die sechs
Gouvernements: Wilna,
Kowno,
Grodno,
Mohilew,
Witebsk und
Minsk bildete;
der kleinere, bis zur Memellinie
Kowno-Grodno,
fiel an
Preußen, wurde aber 1807 mit dem Großherzogtum
Warschau vereinigt und fiel 1814 als Teil Kongreßpolens
ebenfalls an Rußland. Litauen beteiligte sich 1830 und 1863 an den
Aufständen in
Polen gegen Rußland (s.
Polen).
Vgl.
Schlözer
und Gebhardi, Geschichte von Litauen
(Halle
[* 13] 1785);
Sprache
[* 14] und Litteratur. Das Litauische ist im weitern
Sinn eine der Sprachfamilien (jetzt
nur noch von ungefähr 2½ Mill.
Menschen gesprochen), aus denen sich der große indogermanische Sprachstamm
[* 15] zusammensetzt;
im engern
Sinn versteht man darunter gewöhnlich eine der drei
Sprachen (Litauisch, Lettisch,
Altpreußisch), aus denen diese
Sprachfamilie, die auch die lettische oder baltische genannt wird, besteht.
Ihrer nahen
Verwandtschaft
mit den slawischen
Sprachen halber wird sie häufig mit diesen unter dem
Namen der slawolettischen (slawolitauischen, baltisch-slawischen)
zusammengefaßt.
Aber auch die germanischen
Sprachen scheinen in nähern Beziehungen zu diesen beiden Sprachfamilien zu stehen, und die drei
zusammen können als die nordeuropäische Abteilung des indogermanischen Sprachstammes bezeichnet werden.
Vgl. Hassencamp, Über den Zusammenhang des lettoslawischen und germanischen Sprachstammes (Leipz.
1876);
Das Litauische im engern
Sinn, die
Sprache des Landvolkes in der Gegend um
Memel
[* 16] und
Tilsit
[* 17] und in den russischen
GouvernementsKowno und
Wilna, ist die altertümlichste unter den lebenden indogermanischen
SprachenEuropas und deshalb
sehr wichtig für die vergleichende Sprachforschung.
Schon in
Bopps vergleichender
Grammatik ist die litauische Sprache behandelt,
aber der berühmte Sprachforscher
Schleicher war der erste, der diesen
Schatz systematisch zu heben suchte, indem er 1852 mit
Unterstützung der österreichischen
Regierung eine Art Entdeckungsreise nachLitauen unternahm und den
Bauern durch Abfragen die uralten
Formen ihrer
Sprache sowie verschiedene ihrer volkstümlichen
Lieder
(Dainos),
Fabeln und
Märchen
entlockte. Die
Resultate seiner
Reise legte er in einem vortrefflichen »Handbuch der litauischen
Sprache« nieder, wovon der
erste Teil die
Grammatik
(Prag
[* 18] 1855),
»Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung« und Bezzenbergers »Beiträge zur Kunde der indogermanischen Sprachen«. Wörterbücher
lieferten Nesselmann (Königsberg
[* 20] 1851) und Kurschat (Halle 1872-74, 2 Bde.),
eine Grammatik (das. 1876) ebenfalls Kurschat,
von dem bereits früher »Beiträge zur Kunde der litauischen Sprache« (Königsb. 1843 u. Berl.
1849) erschienen waren; »Beiträge zur Geschichte der litauischen
Sprache« gab Bezzenberger (Götting. 1877),
ein übersichtliches »Litauisches Elementarbuch« J. Völkel (Heidelb. 1879) heraus.
Im J. 1879 bildete sich in Tilsit eine Litauische litterarische Gesellschaft, die in ihren »Mitteilungen« die interessanten
Überreste des gegen die Deutschen, Russen und Polen stetig an Boden verlierenden litauischen Sprach- und Volkstums in möglichster
Vollständigkeit zu sammeln bestrebt ist. Die Litteratur des Litauischen ist äußerst unbedeutend, indem das einzige größere
selbständige Werk in litauischer Sprache das Gedicht »Die Jahreszeiten«
[* 21] ist, das von dem Dichter Donalitius (Donaleitis) aus
dem 18. Jahrh. herrührt und von Rhesa (1818), von Schleicher (Petersb. 1865) und Nesselmann (Königsb.
1868) herausgegeben wurde.
Außerdem gibt es nur Gebetbücher u. dgl., die ältesten aus dem 16. Jahrh.,
und eine litauische Bibelübersetzung des 17. Jahrh., die aber noch nicht wieder aufgefunden ist. »Litauische
Märchen, Rätsel und Lieder« gab Schleicher heraus (Weim. 1857); andre Sammlungen von Volksliedern veröffentlichten Rhesa (»Dainos«,
neue Aufl. von Kurschat, Berl. 1843),
Brugmann und Leskien (»Litauische Lieder und Märchen«, Straßb. 1882) und Chr. Bartsch (»Dainu Balsai«, Melodien litauischer
Volkslieder mit Textübersetzung etc., Heidelb. 1887). Über
litauische Mythologie handelte Schleicher in seinen »Lituanica« (Abhandlungen der
WienerAkademie 1854) u. Bezzenberger in »Litauische Forschungen zur Kenntnis der Sprache und des Volkstums der Litauer« (Götting.
1882). »Mythen, Sagen und Legenden der Zamaiten (Litauer)« gab Veckenstedt heraus (Heidelb. 1883, 2 Bde.).
Die interessanteste
[* 19]
Figur des altlitauischen Götterglaubens ist der Donnergott Perkunos (s. d.).