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an. 1819 gab sie dem Land eine Repräsentativerfassung, in welcher alle Klassen der Unterthanen zur Wahl der 21 Landtagsabgeordneten konkurrieren sollten. Diese Verfassung fand jedoch bei der Ritterschaft und bei Schaumburg-Lippe, welches seine agnatischen Rechte bei dieser Frage für interessiert erklärte, heftigen Widerspruch; sie sträubten sich gegen Vertretung des Bauernstandes. Nachdem Paul Alexander Leopold die Regierung selbst übernommen, wurde nach langen Verhandlungen 1836 eine neue Verfassungsurkunde vereinbart und 6. Juli publiziert. 7 Abgeordnete der Ritterschaft bildeten die erste Kurie, 14 von den Städten und dem platten Lande die zweite.
Der Landtag erhielt nur das Recht der Steuerbewilligung und Aufsicht über die Landeskasse. Bei der Gesetzgebung wurde dem Landtag die entscheidende Stimme vorenthalten; dennoch sind unter seiner Mitwirkung segensreiche Gesetze zu stande gekommen, wie 1843 die Städte- und Landgemeindeordnung und ein Kriminalgesetzbuch. Der definitive Anschluß an den Zollverein erfolgte 1842. Die Bewegung von 1848 ließ auch Lippe [* 2] nicht unberührt, doch erfolgte die Neugestaltung des Staatswesens meist in friedlicher Weise. Ein neues demokratisches Wahlgesetz und ein Gesetz über Vereinigung der beiden Kurien zu einem Landtag wurden unterm vollzogen. Hinsichtlich der Reichsverfassung sprach sich Lippe für die Übertragung der Kaiserkrone an Preußen [* 3] aus. Nach dem Tode des Fürsten folgte dessen Sohn Paul Friedrich Emil Leopold.
Der in Deutschland [* 4] herrschenden reaktionären Strömung nachgebend, führte er ohne Zustimmung des Landtags die Verfassung von 1836 wieder ein (März 1853). Als der oldenburgische Staatsrat Hannibal Fischer 1853 das Ministerium übernahm, wurden im Verordnungsweg eine Menge der 1849-51 vereinbarten Gesetze aufgehoben. Dasselbe System behielt der Minister v. Oheimb (seit 1854) bei. Zwar kamen seit 1856 die Stände wenigstens regelmäßig jedes Jahr zusammen, allein von einer Einigung mit der Regierung und gedeihlichem Zusammenwirken dieser letztern und der Stände war keine Rede. Am entschiedensten richtete sich der Unwille der liberalen Partei gegen ein Gesetz vom Jahr 1867, welches die Staatsdomänen für ein Familienfideikommiß des jeweiligen Landesherrn erklärte.
Beim Ausbruch des deutschen Kriegs im Sommer 1866 stand Lippe von vornherein zu Preußen. Das lippesche Bataillon war mit der Mainarmee vereinigt und kämpfte bei Kissingen [* 5] tapfer an der Seite der Preußen. Nach dem Abschluß der am in Kraft [* 6] getretenen Militärkonvention mit Preußen ward Oheimb entlassen. Am übernahm der bisherige (preußische) Landesdirektor des Fürstentums Waldeck, [* 7] v. Flottwell, das Ministerium und versuchte, da das Land auf seiner Weigerung, nach dem Wahlgesetz von 1836 zu wählen, beharrte, einen Landtag auf Grund des Gesetzes von 1849 zu berufen.
Als auch dieser Versuch scheiterte, griff er wieder auf das Gesetz von 1836 zurück; doch auch dies war vergeblich. Mißmutig legte er sein Amt nieder. Als Fürst Leopold 8. Dez. d. J. kinderlos starb, folgte ihm sein Bruder Günther Friedrich Woldemar. Dieser war aufrichtig bestrebt, dem verfassungslosen Land endlich zu einer Konstitution zu verhelfen. 1876 fand nach einer provisorischen Wahlordnung die Neuwahl eines Landtags statt, welcher 17. Mai fast einstimmig das Wahlgesetz genehmigte, worauf dasselbe 3. Juni publiziert wurde.
Damit war der Konflikt vorläufig beendet. Die liberale Mehrheit des Landtags hielt aber die Wünsche des Landes noch nicht für erfüllt und verlangte eine neue, freiere Verfassung. Noch wichtigere Ereignisse aber stehen dem Land für den Fall des Todes des Fürsten Woldemar bevor, da mit ihm die fürstliche Linie des Hauses Lippe erlischt und die Erbfolgefrage zweifelhaft ist.
Vgl. Falkmann, Beiträge zur Geschichte des Fürstentums Lippe (Lemgo 1847-69, 3 Hefte);
Derselbe, Lippesche Regesten (Detmold [* 8] 1861-63, Bd. 1 u. 2);
Derselbe, Graf Simon zur und seine Zeit (das. 1882-87);
Piderit, Die lippeschen Edelherren im Mittelalter (das. 1876);
Weerth und Anemüller, Bibliotheca lippiaca (das. 1886).